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Norbert Lindenthal
26.07.2004 12.11
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Deutschlandradio / Deutschlandfunk

Deutschlandfunk Interview
Montag bis Sonntag

26.7.2004

Rechtschreibreform in der Kritik
Interview mit Gerhard Augst, stellvertretender Vorsitzender der Zwischenstaatlichen Kommission für deutsche Rechtschreibung
Moderation: Friedbert Meurer

Schultafel mit alter und neuer Rechstschreibung (Foto: AP)
Schultafel mit alter und neuer Rechstschreibung (Foto: AP)
Meurer: Dreiviertel der Deutschen sind laut einer Umfrage gegen die neue Rechtschreibreform. Trotzdem soll sie ab dem 1. August 2005 verbindlich in Schulen und Ämtern eingeführt werden. Dann läuft die derzeit gültige Übergangsfrist aus. Wir Erwachsenen tun uns schwer, uns mit der Reform anzufreunden. Und weil sie so unpopulär ist, wollen immer mehr Ministerpräsidenten – vier oder je nach Zählweise fünf sind es jetzt, alle aus der Union übrigens – die Reform wieder rückgängig machen. Dazu müssen sie aber ihren Kulturministern in die Parade fahren. Zuständig für die Reform ist die so genannte Zwischenstaatliche Kommission für deutsche Rechtschreibung, in der Vertreter aus Deutschland, Österreich, der Schweiz und Liechtenstein sitzen. Ihr stellvertretender Vorsitzender ist der Germanistikprofessor Gerhard Augst. Guten Morgen Herr Augst.

Augst: Guten Morgen Herr Meurer.

Meurer: Wie groß ist Ihre Sorge, dass die Rechtschreibreform doch noch gekippt wird?

Augst: Also ich glaube, dass es unverantwortlich wäre, die Rechtschreibreform noch zu kippen und ich glaube auch nicht, dass sie gekippt wird, wir müssen das eben durchstehen, was zur Zeit politisch passiert.

Meurer: Aber wenn jetzt noch einige Ministerpräsidenten dazukommen, könnte es doch in der Tat einen Beschluss geben, die Reform wieder abzublasen.

Augst: Immerhin ist es ja so gewesen, dass diese Reform, wie sie 1996 eingeführt worden ist, auch den Ministerpräsidenten damals zur Genehmigung vorgelegen hat und sie haben diese Rechtschreibreform genehmigt und wir haben jetzt ja auch noch einige kleinere Nachbesserungen vorgenommen, so dass ich eigentlich glaube, dass dieser ganze Kampf gar nicht gegen die Rechtschreibreform selbst geht, sondern dass da eine Unzufriedenheitswelle ausgenützt wird, die sich gegen Reformen generell wendet. Und wenn wir in Deutschland alle Reformen abschaffen wollten, gegen die zur Zeit die Mehrheit der Bevölkerung ist, dann könnten wir das glatte politische Programm, das derzeit gefahren wird, abschaffen.

Meurer: Warum, Herr Augst, wollen so viele Deutsche die Rechtschreibreform nicht?

Augst: Ich glaube das liegt daran, dass sie eine Unzufriedenheit generell mit Reformen haben. Wenn die Leute heute das Wort Reform hören, dann stellen sich ihnen schon die Haare auf, weil sie immer denken, irgendetwas wird ihnen dann aus der Tasche genommen. Zweitens verstehen sie diese Reformen nicht und das konzentriert sich jetzt auf die Rechtschreibreform, weil da die Leute durch die Schule und durch ihre eigene Erfahrung ja auch einiges über Rechtschreibung wissen. Interessanterweise wissen die meisten Leute überhaupt gar nicht, was sich durch die Reform ändert und es ist ja nun so, dass schon seit 1999 alle Zeitungen und Zeitschriften und Illustrierten in der neuen Rechtschreibung erscheinen und die Leute lesen diese neue Rechtschreibung ohne anzustoßen, sind aber trotzdem, wenn man sie fragt, gegen die Reform und wissen auch oft gar nicht, was sich denn nun eigentlich geändert hat. Vielleicht muss man da auch noch ein bisschen mehr aufklären.

Meurer: Um mal ins Detail zu gehen, Herr Augst, werden Sie in Zukunft oder schreiben sie jetzt schon „Ketchup“ mit „sch“?

Augst: Also da haben wir ja die Variante und man kann es so schreiben und so schreiben und es hängt im wesentlichen davon ab, wie man es gewöhnt ist. 1915 schrieben die Leute „Büro“ B-u-r-e-a-u und es wäre sehr merkwürdig gewesen, wenn es einer mit ü und ö geschrieben hätte. In der heutigen Zeit jetzt, sagen wir mal 2000, kommt uns das umgekehrt ganz, ganz seltsam vor.

Meurer: Das würde bedeuten, dass wir nach einer Übergangsfrist doch alle „Ketchup“ mit „sch“ oder „Joghurt“ mit einfachem „g“ schreiben werden.

Augst: Das ist ja kein griechisches „gh“, sondern das Wort kommt ja aus dem Ungarischen und das ist einfach eine reine Gewöhnungssache. Also das Wort „Streik“ kommt ja aus dem Englischen, das wird ja im Englischen mit „i-k-e“ geschrieben und schon um 1900 herum hat man sich die andere Schreibung angewöhnt. Ich denke es zuckt immer etwas in uns zusammen. Um mal ein konkretes Beispiel der Rechtschreibreform zu nehmen: Wenn wir den Fluss plötzlich mit Doppel-s geschrieben finden, obwohl wir Flüsse immer ganz normal mit Doppel-s geschrieben haben. Diese Gewöhnung, die muss eben auf die Dauer der Zeit eintreten. Ich denke die jungen Generationen, die jetzt in der Schule heranwachsen, die werden sicher ihren Eltern und Großeltern irgendwann sagen: „Das sieht aber ganz merkwürdig aus, wenn ich Fluss mit "ß" schreibe oder wenn ich Ketschup nur mit „ch“ schreibe.“

Meurer: Der Lehrerverband sagt, jetzt schreiben die Schüler „Straße“ mit Doppel-s, was ja nicht richtig ist, weil Doppel-s nur nach kurzem Vokal angesagt ist. Ist das ein Beispiel dafür, dass es für die Schüler doch nicht einfacher geworden ist?

Augst: Also solche Anfangsfehler werden vor allem in der Grundschule immer gemacht, denn dieser Buchstabe "ß" ist ja in der Tat ein fremder Buchstabe, der nicht im normalen lateinischen Alphabet vorkommt. Wir haben ihn in den deutschsprachigen Länder auch als einzige, den gibt es nicht in England, Frankreich, Spanien und so weiter. Die Kinder müssen sich eben erst mal daran gewöhnen, dass es neben dem „s“ und Doppel-s eben noch einen Buchstaben "ß" gibt und das führt dann am Anfang auch zu Fehlern. Das hat es vorher genauso gegeben. Die Kinder haben auch vor 1996 gerade mit diesen Problemen noch viel mehr Schwierigkeiten gehabt.

Meurer: Aber dann ist es ja nicht besser geworden, Herr Augst.

Augst: Doch, es ist schon besser geworden, weil eben mit Fluss/Flüsse keine Fehler mehr gemacht werden und Kuss/Küsse und Fass/Fässer und so weiter und du fasst, er fasst, wir fassen. Dieser Fehlerbereich ist abgeschafft worden und es bleiben eben die Wörter, wo nach langem Vokal oder Diphthong ein "ß" steht und diese Wörter müssen in der Schule eben gelernt werden.

Meurer: Gibt es irgendwo Nachbesserungsbedarf, sind Sie irgendwo bereit zu sagen, da und dort, an dieser und jener Stelle, meinetwegen bei der Kommaregel, da nehmen wir doch noch Änderungen vor.

Augst: Also wir haben ja einen Änderungsvorschlag gemacht voriges Jahr, also Kleinigkeiten nachgearbeitet oder auch unsere Regeln etwas präzisiert und diese Änderungen haben wir ja der KMK, wir haben sie auch einem Beirat für Rechtschreibung, in dem also die Zeitschriftenverlage vertreten sind und die Dichterverbände und so weiter, vorgelegt und alle haben diese Veränderungen gebilligt, auch in Österreich und in der Schweiz. Sie sind dann von der KMK gebilligt worden und ich denke damit haben wir in den Bereichen, in denen es noch Unklarheiten gab, Klarheit geschaffen.

Meurer: Die KMK ist die Kulturministerkonferenz, um das noch kurz hinzuzufügen. Das war Professor Gerhard Augst, er ist der stellvertretende Vorsitzende der Zwischenstaatlichen Kommission für deutsche Rechtschreibung. Herr Augst, besten Dank und auf Wiederhören.

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