Die Fälschung (Neufassung)
Die Fälschung
Schon am 6. Februar 2004, einen Tag nach der Sitzung der Amtschefskommission der Kultusminister, veröffentlichte die Zwischenstaatliche Kommission für deutsche Rechtschreibung ihren vierten Bericht im Internet. Sie wollte diesmal der Veröffentlichung durch Dritte zuvorkommen. Allerdings fehlte im veröffentlichten Text die wichtige Anlage 2, die im Inhaltsverzeichnis als integraler Bestandteil des Berichts ausgewiesen ist und Informationen enthält, die dem übrigen Text nicht zu entnehmen sind. Es handelt sich um die exemplarische Vorführung der geplanten Änderungen an einem Auszug aus dem Österreichischen Wörterbuch (Buchstabe D). Unter dem amputierten Bericht stand die Bemerkung: Anlage 2 ist in einem anderen Format gespeichert und kann deshalb hier bis auf weiteres nicht angezeigt werden.
Der fehlende Teil wurde kurz danach von dritter Seite in originalgetreuer Abbildung ins Netz gestellt und kann unter http://www.rechtschreibreform.de/K4/OWB eingesehen werden. Wenige Tage später veröffentlichte die Kommission ein Pamphlet, das in ausdrücklicher Auseinandersetzung mit der inzwischen erschienenen kritischen Kommentierung den Umfang der geplanten Änderungen herunterzuspielen suchte. In diesem Text bestätigte die Kommission einerseits die aus der Anlage 2 erschließbaren zusätzlichen Änderungen (nochmals erweiterte Liste zusammenzuschreibender Partikeln, Zusammenschreibung mit einander), behauptete aber nun, daß eine Veröffentlichung der Buchstabenstrecke D des Österreichischen Wörterbuchs an dieser Stelle aus urheberrechtlichen Gründen nicht möglich ist.
(Am 18. Februar erschien auf der Internetseite der Kommission die Ankündigung einer anklickbaren Stellungnahme des Vorsitzenden zu den urheberrechtlichen Fragen. Diese Datei konnte zunächst mit keinem handelsüblichen Browser geöffnet werden. Später erwies sie sich als recht wirrer Text, aus dem nicht einmal klar ersichtlich ist, wessen Urheberrecht eigentlich verletzt worden sein könnte. Der Vorsitzende behauptet, daß es sich um einen Teil aus einer zukünftigen Auflage des ÖWB handele; dem steht jedoch die briefliche Mitteilung der ÖWB-Redaktion vom 3. 2. 2004 entgegen, daß es vielmehr eine Arbeit der Zwischenstaatlichen Kommission sei, genau wie der übrige Bericht, dem die Wörterbuchstrecke folglich gleichgestellt ist.)
Nachdem der Vorsitzende brieflich auf den Widerspruch hingewiesen worden war, änderte die Kommission am 20. Februar stillschweigend den Text des vierten Berichts. Die Schlußzeile lautet jetzt: Anlage 2 kann aus urheberrechtlichen Gründen hier nicht angezeigt werden. Siehe aber den Beitrag 'Zu den Auswirkungen der im 4. Bericht vorgeschlagenen Regeländerungen'.
Damit ist ein wichtiges Beweismittel beseitigt. Nur aus dem ursprünglichen Text geht nämlich hervor, daß die Kommission sehr wohl gewillt bzw. angewiesen worden war, den gesamten Text zu veröffentlichen, jedoch aus technischen Gründen scheiterte. Das Vorschieben des Urheberrechts ist ihr erst später eingefallen, möglicherweise um eine Handhabe gegen jene Kritiker zu bekommen, die mit der Technik keine Probleme hatten. Die Kommission muß daran interessiert sein, der Öffentlichkeit die beunruhigende Anlage 2 vorzuenthalten.
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Th. Ickler
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