„… [Heyse] will das Zeichen [gemeint: ß] nach einem langen Vokal geschrieben haben, während nach kurzen betonten Vokalen „ss“ eintreten soll. Dieses eingängige, scheinbar leicht lernbare Prinzip ist aber erst mit zahlreichen Zusatzregeln anwendbar: Das s in einem Stamm-st wird auch nach kurzem Vokal nicht verdoppelt (nicht „Masstschwein“) und nach einem langen Vokal nicht als „ß“ geschrieben, trotz neuer s-t-Trennung (nicht „Huß-ten“). Bei kurzem, unbetontem Vokal soll ebenfalls nicht verdoppelt werden (nicht „Wildniss“). Wenn der Stamm in anderen Formen ein stimmhaftes „s“ enthält, soll auch nach einem Langvokal nur „s“ geschrieben werden (nicht „Muß“), es soll kein „ss“ gesetzt werden, auch wenn die neue Silbentrennung das nahelegt (nicht „Diss-tanz“, „rass-ten“) oder ähnlich klingende Wörter dazu anregen (nicht „Nazissmus“ wegen „Narzissmus“).“
Vor einer solchen Argumentation, lieber Herr Salzburg, kann ich nur warnen! Man kann damit bestenfalls Leute abschrecken, die nicht die geringste Vorstellung vom Heyse-s haben, aber die gibt es wohl inzwischen nicht mehr (oder vielleicht doch – unter Reformgegnern?) Wer eine gewisse Schreiberfahrung mit dem neuen ss hat, wird sich nicht die Mühe machen, Ihrer ja nicht gerade einfachen Argumentation zu folgen, zumal er weiß, daß Heyse „funktioniert“. Oder glauben Sie, ihr virtueller Gesprächspartner ist mit ebensolchen Ausführungen zu Heyse bekehrt worden? Würde man die Adelungsche Schreibung ebenso darstellen – wir würden den Betrug sofort merken. Beide Regelungen, die Heysesche und die Adelungsche, sind im Zusammenhang der Ersatzschreibung ß für [s], der Auslautverhärtung, der Konsonantenverdoppelung, der Stammschreibung und den speziellen Ausnahmen von der Stammschreibung zu sehen, ein nicht leicht nachvollziehbares Geflecht (siehe „Buchstaben und Laute“, die ersten Beiträge – aus diesem Grunde fällt es ja auch schwer, unseren Gegnern die „Einfachheit“ Adelungs vorzuführen). Wenn man Ihren Darstellungen folgt, könnte man meinen, vor allem die Wörter der Art Husten, Rispe, Mastschwein, Distanz, Mus, Wildnis seien nun besonders fehlerträchtig geworden. Das ist aber gerade nicht der Fall.
„[Bei Heyse] darf auch nicht ausgenutzt werden, daß nun die Längenmarkierung des „ie“ überflüssig ist (nicht „sie lißen“), oder daß nun das „ß“ als Längenhinweis entbehrlich ist (schweizerisch „sie liessen“). […] In Großbuchstaben scheitert das phonetische System, wenn man nicht das kleine „ß“ in ihre Reihe einschleust – ein ziemlich häßlicher Einfall.“
Wen wollen Sie damit bloß überzeugen?
|