Navid Kermani
Zwischen Koran und Kafka
West-östliche Erkundungen
C.H.Beck
Gebundene Ausgabe – 7. September 2015
365 Seiten, 24,85 Euro
Leseprobe
In eigener Sache
Nach der Rede im Bundestag, die im Anhang dieses Buches abgedruckt ist, mailte mir eine Freundin, ich hätte eine poetische Political correctness mit dem Pathos der sozialistischen Propheten verbunden, in einem Ton, den heute nur ich könne und den im 19. Jahrhundert eben die jüdischen Kosmopoliten gehabt hätten, die von Lessing, Heine und der sozialen Idee der Propheten sprachen. «Sicherlich können die heute nicht mehr reden (auch wenn sie könnten, dürften sie ja nicht)», fügte die Freundin an und schloß ihrerseits geradezu pathetisch, daß die jüdischen Kosmopoliten des 19. Jahrhunderts in mir – ja, ich zitiere das jetzt wieder wörtlich, so eitel das in meiner eigenen Vorrede auch wirken mag – in mir «ihren wunderbarsten Stellvertreter» hätten. «Das ist nun eine gewaltige Reihe, in die Du mich stellst», mailte ich der Freundin zurück: «Aber wenn man beim Wort der Stellvertreterschaft bleibt, ist wahrscheinlich sogar etwas dran, es geht ja darum, so gut es eben geht, mit unseren beschränkten Mitteln, Erfahrungen und Worten den Platz zu füllen, der im 20. Jahrhundert so leer wurde in Deutschland.»
Die kurze Korrespondenz spukt seitdem in meinem Kopf herum. Nicht daß ich mir den Enthusiasmus oder gar den Superlativ zu eigen machen würde, mit denen die Freundin mich bedachte – sie ist nicht nur eine gute, sie ist auch ihrem ganzen Wesen nach eine selten euphorische, in ihrem Wohlwollen stets überschwengliche, in ihrem Lob zuverlässig übertreibende Freundin...
Notiz zur Rede im Bundestag hier.
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