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Forum > Ickler-Wörterbuch
Was soll ins Wörterbuch?
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Thomas Paulwitz
06.03.2001 10.32
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Farbige Markierungen

Von farbigen Markierungen im Wörterbuch rate ich ab. Sehr problematisch, nicht nur technisch, auch optisch.

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Walter Lachenmann
06.03.2001 10.31
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Über Liberalität

Wer Augen hat zu lesen, der lese!
Wer Verstand hat zu verstehen, der verstehe!


Stephanus Peil:
»Breite Schichten der Bevölkerung (ich möchte sogar behaupten: fast alle) stellen nämlich beim Aufschlagen eines Wörterbuches nicht die Frage: Wie kann ich das Wort schreiben? Sondern: Wie schreibe ich das Wort richtig? Unter „richtig“ verstehe ich die gebräuchliche, konventionelle Schreibweise.«

Walter Lachenmann:
»(es wird) der Wunsch deutlich, es müsse – nachdem es Duden und dgl. nur noch für die verschiedenen Ausformungen der »neuen« Rechtschreibung gibt – ein neues, modernes Wörterbuch geben, das an die Stelle des vorreformatorischen Dudens tritt, natürlich wenn möglich ohne dessen Schwächen (über die ich wenig weiß), für die Leute, die die neuen Regeln ablehnen. Ein Hausbuch für jede Familie, ein Arbeitsbuch für jeden Berufstätigen, zum Nachschlagen bei den vielen Fragen, die sich beim Schreiben immer wieder stellen.«

Aus Herrn Peils Äußerung kann ich nicht schließen, daß er »wirklich immer auf den Duden sieht und nicht auf die Sprachwirklichkeit«. Seine Äußerung so zu interpretieren, ist ein ziemlich grobes Mißverständnis, das eigentlich nur schwer zu erklären ist. Was ist der Unterschied zwischen »gebräuchliche, konventionelle Schreibweise« und »Sprachwirklichkeit«?

Auch aus meiner Äußerung kann man notfalls nachbuchstabieren: »das an die Stelle des vorreformatorischen Dudens tritt, natürlich wenn möglich ohne dessen Schwächen«. Also eben nicht ein neuer Duden soll es sein!

Man möge doch an kompetenter Stelle, wenn man sich schon darüber beklagt, daß einen keiner versteht, einmal darum bemühen, seinerseits die anderen zu verstehen und sie nicht fehl zu interpretieren.

Man kann die Diskussion natürlich, wenn man partout keine Einigung will, auch so verkürzen, daß man postuliert, jeder, der nicht eine ganz bestimmte Ausformung einer liberalen Einstellung hat, bzw. die Form von deren Niederschlag kritisch kommentiert, habe ganz einfach eben doch nicht die richtige liberale Einstellung und wolle in Wahrheit ein nicht emanzipierter und duckmäuserischer Duden-Befehlsempfänger sein. Das erinnert mich an Zeiten, wo man ständig als »Reaktionär« beschimpft wurde, wenn man nicht jeden gedanklichen Winkelzug mancher Vordenker kritiklos hinnahm.

Nein, nein Ihr wissenschaftlichen Helden: Liberalität ist Liberalität – da gibt es nicht nur eine Form!

Und das Volk sollte irgendwie auch mitbekommen, um was es bei Liberalität geht und welche Segnungen ihm daraus erwachsen, sonst bleiben diese Übungen ein lustiges Seminar unter den ganz Schlauen, die sich herrlich einig sind und nicht verstehen können, wie man nur so dumm sein kann, diese Offenbarungen nicht begreifen und dankbar annehmen zu wollen.

Doch wer als Normalverbraucher ins Wörterbuch guckt und dort findet:

selbstständig s.a. selbständig
und
selbständig s.a. selbstständig

der hält dies für einen schwachsinnigen Zirkelverweis, es sei denn, er ist Linguist und kennt die Feinheiten, die aber offensichtlich auch den Experten erst erklärt werden müssen.

Jedenfalls legt er das Buch so ratlos zur Seite, wie er es zuvor war.

Hier kann der Wörterbuchbenutzer mit seinem »Gestaltungswillen« nämlich rein gar nichts anfangen, sofern er diesen überhaupt an dieser Stelle und in dieser Situation hat und anwenden will oder kann. Er will wissen, wie er das Wort schreiben soll, was denn sonst? Da interessiert ihn kein ideologisches Liberalitätsseminar.

Das hat doch mit Obrigkeitsdenken nun überhaupt nichts zu tun. Man kann's auch übertreiben.

[Geändert durch Walter Lachenmann am 07.03.2001, 11:38]
__________________
Walter Lachenmann

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Thomas Paulwitz
06.03.2001 10.30
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Icklers Volkswörterbuch / Trialog

Erfreut stelle ich fest, daß ich mit dem Wunsch nach „Icklers Volkswörterbuch“ in Herrn Lachenmann einen Bundesgenossen gefunden habe. Meiner Ansicht nach schließen sich der bisher verwirklichte Grundlagen-„Ickler“ und ein noch zu schaffender wirklicher Ratgeber nicht gegenseitig aus. Man kann für jede der beiden Zielgruppen eine eigene Ausgabe anbieten. Da die Zielgruppe der Ratsuchenden groß ist und größer wird, rechnet sich wegen der hohen Auflage auch ein aufwendiger gestaltetes Buch.

Zum „Trialog“ ein paar (u.a. quellenkritische) Fragen:

1- Auch wenn in der „Welt“ mitunter zitiert wird: Handelt es sich bei den Urhebern der Beiträge um verschiedene Journalisten? Nicht daß das Treiben eines Schreiberlings die Statistik beeinflußt.
2- Aus (1) ergibt sich u.a., daß eine einzige Zeitung als Quellspender nicht ausreicht. Wie steht es also mit anderen?
3- Natürlich muß man auch darüber diskutieren, ob Zeitungen überhaupt als Quelle infragekommen (ich schreibe dieses Wort bewußt zusammen). Aber ich vermute, daß diese Diskussion sicherlich schon stattgefunden hat, ist es so? Wie lauten die Ergebnisse? Kommen – außer den (teilweise unzuverlässigen) Suchmaschinen – noch andere Quellen in Betracht?
4- Eine grundsätzliche Frage ist, ob man jedes Modewort aufnehmen sollte, wie das der Duden neuerdings praktiziert. Die Aufnahme neuer Wörter ist auch eine Auszeichnung. Man spricht ihnen die Fähigkeit zu, sich im Sprachgebrauch zu bewähren. Wie lauten die Kriterien für die Aufnahme von Modewörtern?
5- Werden im Gegenzug veraltete und in der Gegenwart ungebräuchliche Wörter wieder herausgenommen?

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Henrik Swaton
06.03.2001 09.24
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Wohlgesagt, Herr Professor Ickler.
Ihren Grundsatzaussagen – unendlich oft bereits kundgetan -
ist voll und ganz zuzustimmen; auch wenn es manchen offensichtlich obrigkeitsgläubigen Mitstreitern nicht gefällt. Denn der Duden zählte auch zur Obrigkeit, immerhin war er jahrzehntelang staatlich sanktioniert. Sehr gut gefallen hat mir das Wort von dem Gestaltungswillen (und auch der Gestaltungsfreiheit!) von Erwachsenen. Daher ist auch eine Neuschöpfung wie „Trialog“ völlig in Ordnung. Ihren Schlüsselsatz: „Der Glaube, was nicht im Duden stehe, existiere nicht oder sei verboten, ist der orthographische Aberglaube (Irrglaube!) schlechthin“ sollte sich jeder immer wieder verinnerlichen.
Mit den besten Grüßen aus dem hohen Norden.

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Theodor Ickler
06.03.2001 04.34
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Ich habe ja bereits angekündigt, daß das Wörterbuch, soweit unsere schwachen Kräfte es erlauben, ausgebaut werden soll, und deshalb diskutieren wir hier nacheinander die einschlägigen Probleme. Bunte Bögen habe ich bisher auch nicht zurückgewiesen, kann mich allerdings auch nicht damit anfreunden, aber wer weiß, vielleicht bringen wir trotz der Kosten eines Tages Farbe hinein. Das ist im Augenblick nachrangig.
Wichtiger ist der grundsätzliche Meinungsunterschied, und hier bin ich auf der Seite von Herrn Markner.
Das Rechtschreibwörterbuch sollte zunächst ein reines Orthographikon sein und ist es ja auch geworden.
Die an sich richtigen Beoabchtungen von Herrn Peil erweisen sich als irrelevant, wenn es um das Existenzrecht eines bestimmten Wortes geht. Übrigens kann ich die Behauptung, daß „selbstständig“ durchweg in der vereinfachten Weise (also wohl genau wie „selbständig“?) gesprochen werde, nicht teilen. Das ist natürlich schwer zu beweisen, aber viele Leute sprechen es wie geschrieben, also vielleicht nach der Schrift, gleichviel. Vielleicht beruht auf diesem Irrtum ein Teil des Streites, ob es sich nur um Schreibvarianten handelt.
Entscheidend ist jenseits oder besser diesseits allen Räsonierens, ob das Wort in Gebrauch ist.
Was die Übereinkunft betrifft: Die Verbannung von „selbstständig“ war ein Akt der Willkür, keine Übereinkunft des Sprachvolkes. Selbst dies würde mich aber nicht zur Wiedergutmachung veranlassen, wenn es nicht in Gebrauch geblieben wäre.
Herr Peil ist ein ausgezeichneter Kenner des Dudens, vielleicht der beste überhaupt, aber er sieht eben wirklich immer auf den Duden, nicht auf die Sprachwirklichkeit. Bei mir ist es gerade umgekehrt.
Der entscheidende Punkt ist aber wirklich, daß Herr Peil die Frage „Wie kann man es schreiben?“ ersetzt wissen will durch „Wie schreibt man es richtig?“ Es ist leicht zu sehen, daß hier keine Einigung möglich ist. Es geht um das, was ich meine liberale Einstellung nenne und für die einzig gerechtfertigte gegenüber einem Repertoire von Verhaltensgewohnheiten wie der Sprache halte. Peil und Riebe haben das (unterstellte) Gewißheitsbedürfnis von Schülern im Sinn, ich den Gestaltungswillen von Erwachsenen. Wobei ich eben glaube, daß Schüler, weil sie zu Erwachsenen erzogen werden sollen, durchaus auch schon den Erwachsenenstandpunkt begreifen und annehmen können.
Leider muß ich überdies eine Parallele zum Vorgehen der Reformer feststellen: Schaeder und Augst haben ja zugegeben, daß die ig/isch/lich-Regel reine Willkür ist, aber sie sagen: lieber eine willkürliche, aber sichere Entscheidung als gar keine. Sie haben also keine „Ambiguitätstoleranz“ (vgl. Riebes Beliebigkeitshorror). Angeblich wird der Schüler sonst von Ungewißheit gequält, wenn er nicht gesagt bekommt, ob er nun „fertig stellen“ oder „fertigstellen“ schreiben soll. Bewiesen ist das übrigens nicht einmal für die Schüler; die Lehrer glauben hier einfach zu wissen, was denen guttut.
Ist es wirklich ganz unvorstellbar, daß deutsche Muttersprachler die Gewohnheit, die sie ja in der Tat haben, nämlich kurze Ergebniszusätze mit dem Verb mehr oder weniger regelmäßig zusammenzuschreiben, auch in ausformulierter Gestalt begreifen und als Beschreibung ihres tatsächlichen Verhaltens hinnehmen? MUSS wirklich die Frage aufkommen „Wie denn nun?“?
Das ist der Kern des Problems, und es ist wohl schon deutlich geworden, daß ich hier auch in Zukunft keinen Zollbreit zurückweichen werde. Ich glaube schlechterdings nicht an das unausrottbare „Sicherheitsbedürfnis“, sondern im Gegenteil an die mögliche Emanzipation der bisherigen Duden-Befehlsempfänger. Wer das Volkswörterbuch mit seinem „So und nicht anders“ will, der soll es selber schreiben (es ist sehr leicht! vier Wochen Arbeitszeit genügen), ich werde es auf keinen Fall schreiben.

Nachtrag: Damit wir immer hübsch nahe an der Sache bleiben, will ich gerade mal eine Scheibe in den PC schieben und folgendes mitteilen: Der Duden wollte ja immer, daß man „guttun“ und nicht anders schreibt.
Die SZ 1998 hat: 19 Belege für „gut tun“, 24 für „guttun“, 39 mal „gut getan“, 30mal „gutgetan“, 22mal „gut tut“, 17mal „guttut“. Usw.
Anderswo dürfte es ähnlich aussehen. Also, liebe Freunde der Gewißheit: „Wie schreibt man richtig?“ Frisch ans Werk! (Wie ich entscheiden würde und entschieden habe, liegt ja auf der Hand.) Und übersehen Sie bitte nicht die vielen Belege wie „hätte ihr sehr gut getan“!

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Reinhard Markner
06.03.2001 03.39
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Volkswörterbuch hin oder her, man darf sich nicht in eilfertiger Komplexitätsreduktion üben.
Die Unwissenschaftlichkeit der RR beruht ja gerade darauf, daß man simple Antworten auf komplexe Fragen ge-, nein: erfunden hat, also zum Beispiel:
-- die Schreibung soll der Aussprache folgen,
-- das Wort »fertigstellen« darf es nicht mehr geben, weil »fertig« auf »ig« endet,
-- Wörter, die aus einem Wörterverzeichnis verschwinden, gibt es nicht mehr,
-- eine Rechtschreibreform ist Fortschritt, schließlich heißt sie ja »Reform«
etc. pp.
Maximen dieser Art taugen nicht einmal als Faustregeln.
Der »Ickler« muß seine Überlegenheit nicht nur in der Brauchbarkeit, sondern auch und vor allem in der Wissenschaftlichkeit erweisen.

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Stephanus Peil
05.03.2001 22.29
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Icklers Volkswörterbuch

Herrn Lachenmanns Wunsch, Professor Ickler möge ein Volkswörterbuch schreiben, trifft wieder einmal den Nagel auf den Kopf. Breite Schichten der Bevölkerung (ich möchte sogar behaupten: fast alle) stellen nämlich beim Aufschlagen eines Wörterbuches nicht die Frage: Wie kann ich das Wort schreiben? Sondern: Wie schreibe ich das Wort richtig? Unter „richtig“ verstehe ich die gebräuchliche, konventionelle Schreibweise. Hans-Jürgen Martin definiert den Begriff „richtig“ auf seiner Netzseite http://www.schriftdeutsch.de so: "... und richtig ist eine Schreibung gerade deshalb, weil sie konventionell ist. Sie beruht nämlich auf einer Konvention: einer stillschweigenden oder gar ausdrücklichen 'Übereinkunft' der deutsch schreibenden Bevölkerung.“

Als ich als frischgebackener Lehrer von der Hochschule kam und auf Grundschulkinder losgelassen wurde, benutzte ich beim Sprechen – weil es im Studium nicht anders üblich war – viele Fremdwörter (Lehnwörter). Ich kam ziemlich schnell dahinter: so verstand mich kein 6jähriges Kind! Ich hätte nun weiterhin Fremdwörter verwenden können, nur jedesmal mit einer kindgemäßen "Übersetzung“. Aber warum umständlich, wenn es auch einfach geht? Also verzichtete ich auf Fremdwörter und versuchte, in einer möglichst einfachen Sprache den Zugang zu den Kindern zu gewinnen. Was ich damit sagen will: Es kommt auf den Adressaten an, dem ich etwas verständlich machen will. Da ich in der Grundschule keine Professoren vor mir hatte, mußte ich meinen Sprech- und Erklärstil ändern und auf ihre Fähigkeiten und Bedürfnisse eingehen. Schon Luther hat nicht der Bildungsschicht, sondern dem Volk aufs Maul geschaut!

Genauso sollte es mit einem Wörterbuch sein, das fürs Volk geschrieben wird. Deswegen kann ich Herrn Lachenmann zu seinem letzten Artikel nur herzlich gratulieren und großen Applaus klatschen: Er spricht mir voll aus dem Herzen!

____________


Obwohl der Disput um „selb(st)ständig“ an anderer Stelle intensiver geführt worden ist, möchte ich doch noch auf dieser Seite sachlich-fachlich (ob mir dieses Attribut wohl zusteht?) meine Gedanken dazu kundtun:

Herr Ickler behauptet, daß der alte Stamm „selb-" nicht mehr für Neubildungen verwendet wurde, sondern die Weiterentwicklung „selbs-", dann „selbst-". Es muß aber die Frage erlaubt sein, ob diese Entwicklung ausgerechnet auf „selbständig“ zutrifft. Ich könnte mir vorstellen, daß bei „selbständig“ zwei Besonderheiten eine Rolle spielen:
1. Bei anderen Wörtern wie „selbstverständlich“ folgt mit „verständlich“ ein Wort, das für sich selbst stehen kann. Dagegen könnte im Wort „selbständig“ „ständig“ in dem gemeinten Sinn nicht allein stehen. Erst zusammengenommen entsteht ein sinnvolles Wort.
2. Mit „selbst“ gibt es nur dieses Wort „selbstständig“, bei dem zwei „st“ aufeinandertreffen. Das erste „st“, das ursprünglich möglicherweise vorhanden war, wird aber bei der Aussprache nicht gesprochen und daher auch nicht mehr geschrieben.

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Walter Lachenmann
05.03.2001 19.51
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Ein Volkswörterbuch muß her!

Aus einem Rechtschreibwörterbuch wird man nie besonders viel lernen können
Theodor Ickler

Warum denn so verzagt?

Aus den Stimmen, die sich hier zu Wort melden, wird der auch von mir schon wiederholt geäußerte Wunsch deutlich, es müsse – nachdem es Duden und dgl. nur noch für die verschiedenen Ausformungen der »neuen« Rechtschreibung gibt – ein neues, modernes Wörterbuch geben, das an die Stelle des vorreformatorischen Dudens tritt, natürlich wenn möglich ohne dessen Schwächen (über die ich wenig weiß), für die Leute, die die neuen Regeln ablehnen. Ein Hausbuch für jede Familie, ein Arbeitsbuch für jeden Berufstätigen, zum Nachschlagen bei den vielen Fragen, die sich beim Schreiben immer wieder stellen.

Wenn ich Herrn Ickler bisher richtig verstanden habe, will sein jetzt vorliegendes Wörterbuch ein solches Nachschlagebuch nicht sein und nicht werden. Die vielen Vorschläge, bunte Häkchen, Kennzeichnungen von gebräuchlich oder nicht gebräuchlich, Hilfestellungen für Anwendungen und so weiter sollen nicht sein. Also ein reines Wörterverzeichnis soll es sein, entstanden aufgrund statistischer Erhebungen über den Wörterbestand unserer Zeit, wie er – »falsch« oder nicht »falsch« – einfach vorkommt. Das ist ja auch sehr interessant und ich kann es verstehen, wenn man ein solches reines Inventarium freihalten möchte von allerlei Belehrungen und Empfehlungen, die schließlich weitgehend persönlicher Art sein müssen und damit den mit gutem Grund angestrebten neutralen Charakter aufweichen würden.

Aber kann man nicht diesen Bestand als Grundstock hernehmen für ein echtes »Volksbuch« im besten Sinne, so wie oben kurz beschrieben? Die guten Ideen mit den bunten Bögchen, den (+)- und (-)-Zeichen, den Erläuterungen (quelle est la différence) und alle diese interessanten Dinge könnten hier auf das Reizvollste verwirklicht werden, es könnte ein Volksbuch werden, das die Sprach- und Orthographiemündigkeit, die ich als vox populi bezweifle (als Verleger hat man da ein vermutlich nicht allzu unrealistisches Beobachtungsfeld), fördert und die Menschen zum autonomen und verantwortlichen Umgang mit Sprache und Schreibung ermutigt. Und aus dem man sehr wohl »besonders viel lernen« könnte.

Ich bin überzeugt, daß ein solches Rechtschreib-Volksbuch auf eine beträchtliche Nachfrage stoßen würde, ja ein Renner werden könnte, es sei denn, wir lügen uns alle etwas vor, wenn wir behaupten, die überwältigende Mehrheit der deutschen Bevölkerung sei gegen die neuen Regeln. Ich glaube das tatsächlich und sehe, daß diese überwältigende Mehrheit zur Zeit (nicht zurzeit!) kein Wörterbuch für seine Bedürfnisse kaufen kann.

Schade, daß ich in meinem Verlägchen ein solches Opus nicht habe. Ich würde die Herren Middelhoff & Consorten bei Bertelsmann und wo auch immer das Fürchten lehren.

Der Autor würde ein reicher Mann werden, zumindest an Sinnerfüllung. Und der Verleger?



__________________
Walter Lachenmann

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Theodor Ickler
05.03.2001 14.05
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Habe in zwischen ein wenig in der Zeitung gestöbert, um Ihnen ein paar Belege zu Füßen zu legen, lieber Herr Paulwitz:

Zu einem „jüdisch-muslimisch-christlichen“ Trialog hatte der stellvertretende Vorsitzende des Zentralrates der Juden in Deutschland, Michel Friedmann, auf dem Hamburger TGD-Kongress aufgerufen. (Welt 24.1.2001)

Michel Friedmann, Mitglied des Zentralrats der Juden in Deutschland, wandte sich in seinem Grußwort gegen christliche Mission an den Juden – er plädierte für einen „Trialog“ von Christen, Juden und Muslimen. (Welt 8.11.1999)

Dieser „Trialog“ (zwischen Griechenland, der Türkei und Deutschland), betonte der Direktor der Paderborner Universität Wolfgang Weber, müsse „unbedingt
fortgesetzt und ausgebaut werden“. (Welt 20.1.1999)

Eine Alternative zu dem unfruchtbaren Trialog von Sozialpartnern und Regierung wäre das Wagnis, endlich einmal den Konflikt zu wagen. (Welt 14.12.1999)

Blond und blendend aussehend gab es mit der Olympiasiegerin von Montreal 1976 über 100 Meter folgenden Trialog. Richter: „Die Konkurrenz wird immer größer...“ Lauer: ...und immer jünger...“ Westermann: „Aber nicht besser.“ (Welt 29.5.2000)

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Thomas Paulwitz
05.03.2001 13.51
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Wörterbücher sind Ratgeber

„Wörterbücher sind Ratgeber“: Ich habe zu knapp formuliert. Wörterbücher, die sich an die breite Masse richten wollen/sollen, sollten Ratgeber sein.

Wissenschaftliche Wörterbücher, die zwangsläufig eher eine niedrigere Auflage haben, sind weniger Ratgeber als vielmehr Schatzkammern. Ich denke hierbei zum Beispiel an das Wörterbuch für die Kapverden, das derzeit in Erlangen fertiggestellt wird.

Wenn der Ickler den Duden ablösen soll, was sich viele wünschen, muß der Ickler auch in einer Ratgeberausgabe erscheinen. Mit Empfehlungen für den Gebrauch.

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Theodor Ickler
05.03.2001 13.33
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Schon recht, nur ein wenig zu stark. Nicht alle Wörterbücher sind Ratgeber, die meisten sind es wohl nicht, sondern eher Datenbanken oder „Schatzkammern“ (Herr Stirnemann vom Thesaurus Linguae Latinae kann dazu viel sagen).
Doch doch, „Trialog“ hat mich schon sehr oft zum Schmunzeln gebracht und ist auch schon von der Sprachkritik mehrmals glossiert worden. Süddeutsche Zeitung 1995: kein Beleg, 1997: ein Beleg, 1999: vier Belege. Google: über 3600 Belege, allerdings teilweise in Firmennamen und dgl.

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Thomas Paulwitz
05.03.2001 13.19
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Trialog

Das Wort Trialog habe ich noch nie gehört oder gelesen. Und ich höre und lese viel!

Absolut unterstützenswert ist der Vorschlag Professor Icklers, solche Wörter zu markieren. Wörter, die zum Gebrauch nicht empfohlen werden, sollten dementsprechend markiert werden, damit man nicht noch umständlich in einem Stilwörterbuch nachschlagen muß. Wörterbücher sind Ratgeber.

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Theodor Ickler
05.03.2001 13.10
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Lieber Herr Peil,
vielen Dank für den Vorschlag! Natürlich wäre sehr genau zu überlegen, welche „Rechtsgrundlage“ eine empfehlende bzw. abratende Markierung hat. Üblichkeit (Frequenz), Sprachsystematik, Herkunft usw. kommen in Betracht.
Eins wundert mich: Warum sprechen Sie nach all unseren Debatten immer noch vom „Fehler“ „selbstständig“ und von „richtiger Schreibweise“? Sie haben damals ihrem Lehrer gehorcht und sich das eine der beiden Wörter zu eigen gemacht, das ist alles, aber dadurch wird das andere Wort doch nicht „falsch“ – es sei denn, man gesteht dem Staat das Recht zu, via Duden zu bestimmen, was richtig und was falsch ist, aber das wollen wir doch gerade nicht, oder?
Ich bin in einer Familie aufgewachsen, in der man gern Marmelade auf Quarkbrote strich und nie auf die Idee gekommen wäre, es umgekehrt zu machen. Dann habe ich in eine Familie eingeheiratet, wo man Quark auf Marmeladenbrote streicht. Ganz schön pervers, nicht wahr? Aber das sagen meine Frau und meine Töchter vom Icklerschen Verfahren auch ...

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Reinhard Markner
05.03.2001 12.14
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Zu »selb(st)ständig« will ich mich an dieser Stelle ausnahmsweise mal nicht äußern . . .
Allzu eilfertig sollte man als Lexikograph nicht sein, aber wenn man ein Wort nicht aufnimmt, kann man vor seiner Verwendung auch nicht warnen !
Zur Aufnahme schlage ich vor »zielführend«, ein noch recht junges Antonym zu »fruchtlos«.

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Stephanus Peil
05.03.2001 11.01
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Was und wie aufnehmen am Beispiel von "selb(st)ständig"


Meines Erachtens könnte beim Eintrag „selbständig“ auch die zweite Schreibweise „selbstständig“ erscheinen, also: selbständig (+), a. selbstständig (-). Das in Klammern geschriebene Pluszeichen bedeutet: bevorzugte, korrekte Schreibweise; das eingeklammerte Minuszeichen soll bedeuten: unübliche, unsachgemäße Schreibweise.
„Selbstständig“ sollte aber nicht als eigener Worteintrag zur (auch) gültigen Schreibweise erklärt werden.
Höchstens in folgender Weise: Selbstständig (-), siehe unter selbständig (+)


Exkursion: Ich habe als Schüler diesen Fehler „selbstständig“ auch gemacht. Da mein Lehrer
ohne lange wissenschaftliche Erklärung behauptete: es heißt nicht selbstständig, sondern selbständig, habe ich mir die richtige Schreibweise eingeprägt und ein Leben lang behalten. Ich war mir deshalb bewußt, daß ich nun das Wort in der richtigen Schreibweise kannte und ließ mich auch nicht verwirren, wenn ich das Wort auch oftmals falsch geschrieben las. Die Verwirrung trat für mich erst ein, als ich bei Ickler „selbstständig“ als eigenen Wörterbucheintrag lesen mußte: Hat sich mein damaliger Lehrer geirrt? Habe ich mich etwa 40 Jahre lang auf eine falsche Autorität verlassen? Kann man sich selbst auf ein Wörterbuch, das die herkömmliche Einheitsschreibung nachzeichnet, nicht mehr verlassen? Hat die Sprachentwicklung das Wort verändert? Tausend Fragen eröffnen sich, wenn man vom (jetzigen) Icklerschen Wörterbuch erfahren will, wie „selbständig“ geschrieben wird. Es ist Herrn Ickler deshalb hoch anzurechnen, wenn er (zur Verbesserung seiner nächsten Auflage) öffentlich darüber nachdenkt, wie dies zu vereinfachen sei. Einen diesbezüglichen Vorschlag wollte ich ihm oben machen.[Geändert durch Stephanus Peil am 06.03.2001, 13:51]

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