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Sigmar Salzburg
05.11.2014 08.14
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Pompeji. Götter, Mythen, Menschen

In Hamburg läuft bis zum 11. Januar 2015 im Bucerius Kunst Forum die Ausstellung „Pompeji. Götter, Mythen, Menschen“. Gezeigt werden vor allem originale Wandfresken, die einst bis zum Ausbruch des Vesuvs die Villen und Wohnhäuser der römischen Kleinstadt schmückten.

Am Wochenende konnte ich die Ausstellung mit den Kieler Freunden der Antike unter der sachkundigen Führung von Peter Petersen besichtigen. Die Fresken sind Ende des 19. Jahrhunderts aus den Wänden herausgesägt worden und daher auch in ihren Farben erhalten geblieben. Die hier gezeigten stammen aus der größten Villa, der sogenannten Casa del Citarista, die L. Popidius Secundus, einem Freigelassenen, gehörte. Er selbst besaß noch kein Bürgerrecht, sondern erwarb es indirekt, indem er seinen sechsjährigen Sohn in den Stadtrat aufnehmen ließ.

Das Bucerius Kunstforum wirbt für die Ausstellung mit dem Bild eines geflügelten jungen Mannes, der von zwei Eroten begleitet wird. Er stellt den Frühlingswind Zephyr dar, der sich hier der schlafenden Chloris oder Flora vom Himmel herab nähert. Eine ebenfalls vollkommene Bronzefigur ist das Standbild des Apoll fast in Lebensgröße, die der Villa ihren Namen gegeben hat. Er hat vermutlich in der linken Hand eine Kithara gehalten, während in der rechten ein massives Plektrum zum Anschlagen der Saiten erkennbar ist. Zum Luxus gehörten auch (nicht erhaltene) Bücher, die sogar im Eßraum oder im Bad bereitgehalten wurden.

Das Lesen war auch Thema der folgenden Sitzung der Antikenfreunde. Hier ging es um entsprechende Texte von Augustinus und Seneca. In „De Tranquillitate Animi“ rügt Seneca, daß manche Neureiche ihre Bücher nur zur Dekoration ihrer Eßzimmer benutzen und mahnt, daß man nur soviel Bücher besitzen solle, wie man auch lesen kann. Die Erwähnung der Bibliothek von Alexandria (9,5) erinnert daran, daß nur ein kleiner Teil der antiken Literatur die Machtergreifung des Christentums überlebt hat.

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Sigmar Salzburg
09.10.2014 05.03
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Schreibtradition

Der Schreibrat Eichinger erwähnt in seinem DLF-Interview als einzige Regel der „Reform“ die „neuen“ ss/ß nach Heyse, und er macht sie so klein und unauffällig, wie es ihm sprachlich nur möglich ist. Tatsächlich sind sie aber der Kulturbruch, das Gift, das alle neu sein wollenden Texte durchzieht und untrüglich erkennbar macht, daß der Schreiber oder Bearbeiter sich dem Diktat der sechzehn KMK-Ochlokraten unterwerfen will. Man muß sich vergegenwärtigen, daß das traditionelle Schluß-ß schon vor 400 Jahren eine mindesten 250jährige Tradition hatte. Als Beispiel sollen hier zwei Ausschnitte aus der Vorrede des Komponisten und Musiktheoretikers Michael Praetorius zu seinem „Syntagma Musicum“(II) aus dem Jahre 1619 folgen:


DEnen Ehrenvesten / Groß- vnnd Hoch-
achtbarn / Hoch- vnd Wolgelarten /Hoch- vnd wolweiſen/
auch Führnemen / Herren Bürgermeiſtern vnd gan-
tzen Raht der Stadt
Leipzig


(fol.3v)
Daß aber im Judenthumb die
Inſtrumenta nicht eigentlich beschrieben; iſt vielleicht die vrſach / weil dieſelbige den Jüden allen bekand geweſen vnd vnnötig von bekanten dingen viel zu ſchreiben: Vber das auch / daß Sie dahero Inſtrumenta, welche ſie bey Verrichtung des wahren Gotteßdienſtes im Tempel dem Ewigen unnd Allmechtigen GOtt zu Ehren / den abergleubiſchen Heyden zu jhrem Götzendienſt vnd Mißbrauch nit haben gönnen vnd Communiciren wollen / damit nicht die Perlen für die Säwe / wie man ſagt geworffen würden...

(fol.4v)
In
Palæſtina, Asia minore vnd Graecia ſind keine Veſtigia mehr verhanden jrgend alter Instrument: Denn es hat Mahometh zur fortpflanzung ſeines Tyrannischen Regiments / Teuffelischen Sect vñ groben vnmenschlichen Barbarey nicht alleine die freyen Künste ſo zur freundlichkeit / ſondern auch alles was zur frölichkeit dienlich / alß Wein vnnd Seytenspiel in seinem gantzen Lande verbotten / vnnd an deren ſtadt eine Teuffels Glocke vnnd Rumpelfaß mit einer ſchnarrenden vnd kikakenden Schalmeyen verordnet / welche annoch bey den Türcken in hohen Wert vnnd ſo wol auff Hochzeiten vnnd Frewdenfesten / alß im Kriege gebrauchet werden. Denn wenn des Türckiſchen Käyſers / oder anderer groſſer Herrn Kinder ſolten Beſchnitten werden / wird ein ſolcher Proceß angestellet.

Erſtlich reiten zween Türcken vorher / einer mit der Heertrummel / der ander mit einer Schalmeyen / darauff folgen etliche wollaußgeſtaffierete Reuter / vnd nach dieſen wieder zween Spielleute den erſten gleich. Nach diesem führet man einen Ochsen mit vergüldeten Hörnern vnd wollriechendem Laub vmbhenget / welchen eine groſſe anzahl Reuter folget. Darauff Spielleut vnd wieder ein Ochse / dem Ersten gleich. Diesem folgen etliche vorneme Herren vnd Reuter / dann ein hauffen wolgeputzter Janitscharn zu Fuß / vnter welchen des Herrn Sohn / ſo beſchnitten werden ſol. Diesem folgen zu letzt viel Spielleut mit Trummeln vnd Schalmeyen biß zur Kirche.

Wenn auch ein Chriſt zum Mammelucken vnd Türcken worden vnd ſich beſchneiden laſſen / ſetzet man jhn auff ein ſchön Pferd/ führet jhn durch die ganze Stadt mit Schalmeyen vnd Trummeln. Dieſe Lumpen-
Muſic wird noch heutiges Tages bey den Türcken in hohem Wert geachtet/ vnſere aber dagegen zum euſſersten verachtet. Denn wie einßmals Francisco I. König in Franckreich / dem Türckiſchen Bluthunde Solymanno Anno Chriſti 1520. der Türckiſchen Hegyræ aber 926. in ſein Tyranniſch Regiment getretten / ein groß vnd ſtatlich Inſtrumentum Muſicum, daran etliche Männer mit verwunderung der Türcken genung zu tragen gehabt / ſampt etzlichen auſſerleſenen in der Muſica wolgeübten Künſtlern vnd Muſicanten zur ſonderlichen Verehrung überſchicket hatte/ iſt es im anfang zwar dem Türckiſchen Käyſer lieb vnd angenehm geweſen. Alß aber bald hernach zu Conſtantinopel das Volk in hauffen zu lieff/ ſolche außländiſche / liebliche Muſicanten zu hören / vnd ſonderliche luſt vnd liebe zu dieſer Kunſt gewan / beſorgete ſich der Türckiſche Käyſer / es möchten die Seinen jhre grobe Barbarey hiedurch ablegen vñ freundlicher/ oder ſeinem vorgeben nach / Weich vnd Weibiſch werden: Ließ derowegen ſolch herrlich Inſtrument zerbrechen / vnnd mit Fewr verbrennen vnnd ſchickete dem Franzoſen ſeine Muſicanten wieder zu Hauſſe.

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Sigmar Salzburg
13.08.2014 10.25
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Zukunftsmusik

Nachdem hier vom Edlen in der Musik die Rede war, ein Blick in die Jauchegrube. Der Arschfick-Rapper Bushido wird von seinem Konkurrenten und ehemaligen Kumpel Kay One angegriffen (neudeutsch „gedisst“):

„Ihr Beleidigt meine Eltern weiter aufs übelste. Ich kann das so nicht mehr. Ich hab euch gewarnt... du fetter Bastard warte ab. Ich werde eure Bärte anzünden...“
focus.de 10.8.2014

Immerhin schreibt Kay One, sicher eher zufällig, die Steigerungsform traditionell. Das Bushido-Deutsch hat Eran Yardeni in einen größeren Zusammenhang gestellt:

„Halt die Fresse, fick die Presse, Kay du Bastard bist jetzt vogelfrei / du wirst in Berlin in deinen Arsch gefickt wie Wowereit.“ Dass eine Sprache, die Stefan Zweig, Thomas Mann und Heinrich Heine ein Zuhause war, so entstellt, missbraucht und misshandelt werden kann, hat weniger mit Bushido als mit der Art und Weise zu tun, wie Sprachen auf soziopolitische Entwicklungen bzw. Fehlentwicklungen reagieren.

Angesichts des Kulturverfalls wird wohl in wenigen Jahrzehnten ein deutscher Schriftsteller, bevor er Selbstmord begeht, ein Buch veröffentlichen: „Die Welt von Vorgestern“. Zufällig kam ich wieder an die Stelle in Stefan Zweigs „Welt von Gestern“:

„In kaum einer Stadt Europas war nun der Drang zum Kulturellen so leidenschaftlich wie in Wien. [...] Innen sprachen die alten Paläste des Hofs und des Adels versteinerte Geschichte; hier bei den Lichnowskys hatte Beethoven gespielt, hier bei den Esterházys war Haydn zu Gast gewesen, da in der alten Universität war Haydns ›Schöpfung‹ zum erstenmal erklungen, die Hofburg hatte Generationen von Kaisern, Schönbrunn Napoleon gesehen, im Stefansdom hatten die vereinigten Fürsten der Christenheit im Dankgebet für die Errettung vor den Türken gekniet, die Universität hatte unzählige der Leuchten der Wissenschaft in ihren Mauern gesehen... Es war wundervoll hier zu leben, in dieser Stadt, die gastfrei alles Fremde aufnahm ...
gutenberg.spiegel.de

Nun hat sich Europa übernommen mit der gastfreien Aufnahme von Abkömmlingen aus den Gebieten des einstigen Osmanischen Reiches, und in Wien darf kaum noch an das Jahr 1683 erinnert werden. Schon wollen weitere Millionen die frei werdenden Räume besiedeln. Wie seit langem bekannt, schrumpft die europäische Urbevölkerung bei einer Geburtenrate von 1,3 pro Elternpaar mit jeder Generation um ein Drittel. Die Kultur auch.

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Sigmar Salzburg
27.07.2014 10.57
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Archäologische Forschung ist heute im Nahen Osten kaum noch möglich.

Man bearbeitet jetzt die riesigen Bestände früherer Funde in den westlichen Museen. Zwei neue Übersetzungen alter Keilschrifttafeln sind darunter bemerkenswert:

Angelika Franz schreibt im Spiegel-Blog über die Mathematik der Babylonier:


Ohne Frage, die Babylonier waren hervorragende Astronomen. Die Mathematik, dacht[e] man bisher, diente ihnen dabei lediglich als Hilfswissenschaft – als Nutztier für die höheren Sphären der Astronomie. Neue Erkenntnisse zeigen, es könnte ihnen auch einfach Spaß bereitet haben... Darauf lassen zumindest die Fragmente von zwei neu übersetzten Tontafeln aus dem Bestand des British Museums in London schließen. In der aktuellen Ausgabe des Journal of Cuneiform Studies stellt Mathieu Ossendrijver, Professor für Wissenschaftsgeschichte der Antike an der Berliner Humboldt-Universität, die Zahlenzaubereien aus der spätbabylonischen Zeit (450 bis 200 v. Chr.) vor...

Schon der erste dieser beiden Rechentürme ist beeindruckend: Er beginnt mit jener Zahl, die im Dezimalsystem 946 entspricht. Doch richtig virtuos wird es in der zweiten Tabelle. Deren Ausgan[g]szahl würden wir im Dezimalsystem als 911 mal 1239 darstellen: eine Zahl mit 30 Stellen. „Das macht sie zur längsten bekannten Zahl, die jemals in Keilschrift notiert wurde“, schreibt Ossendrijver. Nur warum ein Babylonier sich hinsetzte und die ellenlange Zahl immer wieder dividierte, wird schwer herauszufinden sein...

Der Aufruf von Bel und Beltiya [Herr, Herrin] am Anfang der Berechnungen spricht dafür, dass auch der Verfasser dieser Matheaufgabe im Dienste [des Gottes] Marduks stand. Wo genau die Tafeln gefunden wurden, lässt sich auch nicht mehr nachvollziehen. Sie stammen aus der so_genannten Babylon-Sammlung des British Museum, die weltweit grösste und wichtigste Sammlung für spätbabylonische Astronomie und Mathematik.
spiegel.de 27.7.2014

Die “Welt” schrieb kürzlich von der Entdeckung einer Vorform des Adam- und Eva-Mythos, die 800 Jahre älter als die Bibel ist. Auch dies stammt von einer Tontafel, die bereits 1929 gefunden wurde:

Wie die Alttestamentlerin Marjo Korpel und der Altorientalist Johannes de Moor von der Protestantischen Theologischen Universität Amsterdam in ihrem neuen Buch „Adam, Eve and the Devil“ berichten, wurde die Erzählung in der nordsyrischen Hafenstadt Ugarit aufgezeichnet. Dieser reiche Stadtstaat wurde um 1200 v. Chr. von Invasoren, möglicherweise den sogenannten Seevölkern*, vernichtet. In den Ruinen entdeckten Archäologen um 1928 zahlreiche Schrifttafeln. In einer semitischen Sprache geschrieben, markieren sie den Übergang von der Silbenschrift zur Alphabetschrift, aus der dann das Phönizische und später noch das Griechische [nur das Alphabet!] hervorgehen sollten...

Zahlreiche Texte aus Ugarit enthalten Mythen und sagenhafte Erzählungen, die von Korpel und de Moor neu übersetzt und erstmals im Zusammenhang interpretiert wurden. Dabei stießen die Forscher auf einen Text aus dem 13. Jahrhundert, in dem ein Gott mit einem bösen Widersacher kämpft.

El soll die Menschheit retten

Der gute Schöpfergott El lebt mit seiner Frau Asherah in einem paradiesischen Garten. Ungemach kommt mit dem bösen Gott Horon, der vom Berg der Götter verbannt wurde und auf Rache sinnt. Dafür verwandelt er den Baum des Lebens, der in Els Garten steht, in einen Baum des Todes und verhüllt die Welt mit giftigem Nebel. Als El das Leben auf der Erde erneuern will, stellt sich ihm Horon in Form einer großen Schlange in den Weg. Ihr Biss nimmt El die Unsterblichkeit. Indem El aber mit seiner „guten Frau“ Nachkommen zeugt, überwindet er den Fluch und gewinnt eine Art von Unsterblichkeit zurück. El alias Adam war in dieser Urversion also zunächst eine Gottheit. „In dieser Urversion trägt auch Eva keinerlei Schuld“, erklärt Marjo Korpel.
welt.de 20.5.2014

El ist der Name des altsemitischen Gottes, der auch in Allah erkennbar ist. Seine Gattin Aschera ist aus der Bibel dadurch bekannt, daß ihre Verehrung verboten und fortan die Vernichtung ihrer Heiligtümer eifrig betrieben wurde.

Als Gott seiner Ehefrau müde geworden war, tat er, was Männer heute in der gleichen Situation auch tun würden: Er nahm sich einen Anwalt. Der Anwalt hieß Hosea und er lebte im 8. Jahrhundert vor Christus in Israel, dem nördlichen der beiden hebräischen Königreiche. Der Scheidebrief, den Hosea im Namen seines mächtigen Mandanten ausstellte, ist in den Prophetenbüchern der Bibel überliefert: „Sprecht das Urteil über eure Mutter. Sie sei nicht mein Weib und ich will sie nicht haben [... eine Hure]" übersetzte Luther die entsprechende Stelle (Hosea 2,4).
welt.de 23.12.2012

Es handelt sich also um eine sexistische „Gottesreform“, die in bestem Deutsch der „Rechtschreibreform“ die alten Götterbilder grau erscheinen läßt:

Auch die Höhen, die östlich von Jerusalem waren, zur Rechten am Berge des Verderbens, die Salomo, der König von Israel, gebaut hatte der Astarte [=Aschera?], dem gräulichen Götzen von Sidon, und Kemosch, dem gräulichen Götzen von Moab, und Milkom, dem gräulichen Götzen der Ammoniter, machte der König unrein. Und er zertrümmerte die Gedenksteine und hieb die Ascherim um und füllte ihre Stätte mit Menschenknochen.
2.Kön. 23,13

Inzwischen meiden die Reformübersetzungen die Anhäufung von Gräulichem.

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Sigmar Salzburg
29.06.2014 08.52
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Glaubensstreit in der Türkei

„Die Hagia Sophia muss wieder eine Moschee werden“

Erst war sie 916 Jahre lang die größte Kirche der Welt im byzantinischen Imperium, dann 482 Jahre lang eine Moschee im Osmanischen Reich. Die Hagia Sophia ist ein atemberaubendes Monument und Wahrzeichen der Stadt Istanbul. 1935 wurde sie von Mustafa Kemal Atatürk zu einem Museum erklärt.


Jetzt fordern nationalistische Politiker und konservative Muslime in der Türkei, die Hagia Sophia wieder als Moschee zu nutzen. Der türkische Vizepremierminister Bülent Arinc sagte im vergangenen Jahr, die Hagia Sophia scheine „betrübt“ zu sein. ... Der 47 Jahre alte Ali Ugur Bulut, grauer Anzug und Krawatte, ist der Chef der [Jugend-]Organisation in Istanbul. Er ist guter Hoffnung, dass das Vorhaben Erfolg hat.
[...]
Bulut: Muslime haben seit dem Bau der Hagia Sophia von 532 bis 537 nach Christus versucht, die Stadt zu erobern. Erst Sultan Mehmet II. ist es gelungen. Das Erste, was er tat, als er mit seinem Schimmel in die Stadt einritt, war, die Hagia Sophia aufzusuchen, Erde vom Boden zu nehmen, sie über seinen Turban zu streuen und sich gen Mekka zu verneigen. Damit war die Hagia Sophia endlich eine Moschee. Sie sollte es auch heute wieder sein.
[...]
SPIEGEL ONLINE: Das Gebäude war sehr viel länger eine Kirche als eine Moschee.

Bulut: Das stimmt, und bis zur Erscheinung unseres Propheten Mohammed war das Christentum die einzig wahre Religion. Durch ihn kam der Islam und löste das Christentum darin ab. Aber Sultan Mehmet II. hat den Namen der Kirche Sankt Sophia ja beibehalten, aus Respekt vor den Christen. [...]
spiegel.de 29.6.2014

Wie der Respekt Mehmets vor den Christen sonst aussah, habe ich zufällig anläßlich einer Untersuchung zu Dürer gerade im Kasten:

Im Jahre 1505 machte Albrecht Dürer seine große Studienreise nach Italien und schrieb von dort an Pirckheimer, „Sambelling“ sei noch immer der „pest jm gemoll“. Gemeint war Giovanni Bellini, auch Gian genannt. Sein Bruder Gentile war da schon gestorben. In Kapps „Italien. Schilderungen für Freunde der Natur und Kunst“ von 1837 steht folgende nette Begebenheit:


Die Gattin des Mantegna war die Schwester der Venezianer Giovanni und Gentile Bellini. Der letztere¹, Gentile, war ein Maler von mäſsigem Talent. Als sein Hauptwerk gilt ein groſses figurenreiches Bild, welche die Predigt des heiligen Markus auf dem Markte zu Alexandria vorstellt...

Merkwürdig ist Gentile auch darum, weil er, wie man sagt, vom Sultan Mahomed II. gegen das Gebot des Koran nach Konstantinopel eingeladen wurde, um für ihn zu malen. Während seines Aufenthalts in dieser Stadt habe er, erzählt man weiter, von den Basrelief's an der von Arcadius dem Theodosius errichteten Ehrensäule Zeichnungen genommen. Als er einst für den Sultan eine Enthauptung Johannes des Täufers gemalt, soll dieser Einiges² an dem Bilde getadelt und um dem Bellini seinen Fehler zu beweisen, auf der Stelle befohlen haben, einen Sklaven in ihrer Gegenwart zu enthaupten. ...

¹) Großschreibung seit 1996 gefordert. ²) Großschreibung seit 1996 wieder „fortschrittlich“.

Das „Neue allgemeine Künstler-Lexikon“, München 1835, schildert die Begebenheit so:

Die Republik brauchte ihn, wie seinen Bruder, beim grossen Rathsaale, und als der Grosssultan Muhamed II. selbe um einen vorzüglichen Bildnissmaler ersuchte, sendete sie ihn nach Constantinopel. Als Gentile in dieser Stadt die Enthauptung des Johannes gemalt hatte, besprach sich der Sultan über die fehlerhafte Darstellung des Halses, und liess, um den Künstler zu überzeugen, sogleich einen griechischen Sklaven kommen, den er auf der Stelle mit dem Säbel den Kopf abhieb. Bellini widersprach klüglich seiner Critik nicht länger, schlich sich eilends nach dem Hafen und segelte nach Venedig ab.

„Griechisch“ stand damals für „christlich“ – wie noch kürzlich die Griechen versuchten, die Eintragung der Religionszugehörigkeit in den europäischen Pässen durchzusetzen, da sie die eigentliche ethnische Identifikation sei.

Seit den 60ern geht die Eroberung weiter: In Deutschland wurden bislang 50 Fatih-Moscheen (türk. Fatih Camii = Eroberer-Moschee) mit dem Beinamen Sultans Mehmed II. (Fatih, der Eroberer) gebaut, v. arab. „fatah“ öffnen, erobern.

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Sigmar Salzburg
10.06.2014 10.43
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Aus der guten alten Zeit

Klassik: Ästhetische Differenzen

von Michael Klonovsky

... Des vorerst letzten deutschen Kaisers Bemerkung „Die janze Richtung paßt mir nicht“ galt der sogenannten künstlerischen Moderne und schloss seinen Hofkapellmeister Strauss fest mit ein. Die erste Begegnung mit Wilhelm II. verlief Strauss zufolge so:

Der Kaiser betrachtet ihn stirnrunzelnd: „Sie sind auch einer dieser modernen Musiker?“
Strauss salutiert.
„Ich habe Ingwelde von Schillings gehört, das ist abscheulich, es gibt da keine Melodie.“ –
„Verzeihung, Majestät, es gibt Melodien, aber sie werden von der Polyphonie überdeckt.“ –
Der Kaiser sieht ihn streng an: „Sie sind einer der Schlimmsten.“
Er salutiert wieder. –
„Die ganze moderne Musik taugt nichts, es gibt darin keine Melodie.“ –
Dieselbe Geste. –
„Ich ziehe den Freischütz vor.“ –
„Majestät, auch ich höre lieber den Freischütz.“ –
„Der Falstaff von Verdi ist etwas Scheußliches.“ –
„Majestät, man darf nicht vergessen, dass Verdi achtzig Jahre alt ist und dass es eine schöne Sache ist, wenn man sich in diesem Alter – nach Troubadour und Aida – schöpferisch noch so erneuern kann, dass man einen so genialen Wurf wie Falstaff fertigbringt.“ –
„Ich hoffe, dass Sie mit achtzig eine bessere Musik schreiben werden.“
Darauf, schließt Strauss, gab es nichts mehr zu erwidern...

acta-diurna u. ef-magazin.de

Klonovsky ist Ästhet, hat einen Blick fürs Ungewöhnliche und schreibt originell – auch über die „Rechtschreibreform“. Schade, daß er sich dennoch, wohl aus Gründen der Vermarktung seiner Texte, dem unästhetischen Kultusministerdiktat unterworfen hat.

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Sigmar Salzburg
17.04.2014 08.07
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Mit raucher Stymme

Meinen eigentlichen Interessen nachgehend stieß ich im Königsteiner Liederbuch von etwa 1470 auf den Liedanfang:

„Dein gestalt und styme¹ ist rauch und gryme¹, ich mircke wol, waß dich muertz thut; wer mich anelachet, des hastu acht; meyn wis die tüngkt dich nit gar güt; nit laß dichs irren ...“

Von den 169 Liedern dieser Handschrift ist dieses deswegen bemerkenswert, weil es eins von vieren ist, dem am Ende eine Melodie beigefügt ist, und zwar in der Griffschrift der deutschen Lautentabulatur. Noch bemerkenswerter ist, daß diese aus Buchstaben und Zahlen zusammengesetzte Reihe 30 Jahre älter ist als alle anderen bekannten Aufzeichnungen für dieses Instrument. Ihre Erfindung soll auf den berühmten blinden Organisten Conrad Paumann (1410-1473) zurückgehen. Der Melodieanfang für den obigen Text sieht so aus: n n c n 4 d 4 n g c 3 g, was in Notenbuchstaben d d c d e f e d a c h a heißen könnte. Die Unterlegung des Textes unter die Melodie ist schwierig, weil keine Notenlängen angegeben sind, bei Nr. 82 ist es sogar ein reines Ratespiel.

Für das Thema dieses Forums kann man den ersten Liedzeilen entnehmen: 1. Das „h“ in „rauh“ ist ein Stammlaut, der heute zwar abgeschwächt, aber in deutlicher Aussprache immer noch hörbar sein sollte. 2. Die 1901 endgültig abgeschaffte th-Schreibung hat eine lange Tradition. 3. Das Schluß-ß ist hiernach mindestens 544 Jahre alt, tatsächlich aber wohl noch 100 Jahre älter. Für die nichtsnutzigen Reformer war die Abschaffung dieser Tradition eine Ersatzhandlung dafür, daß sie ihre Kleinschreibobsessionen nicht durchsetzen konnten, die, wie man hier sieht, doch recht mittelalterlich sind.

P.S.: Ich habe mir gerade die Ausgabe des Königsteiner Liederbuches in der 1970 gedruckten Dissertation von Paul Sappler kommen lassen. Leider hat er die Orthographie vereinheitlicht und beispielsweise die stummen „e“ fortgelassen, so daß mir wieder einige Fragen offen bleiben. Außerdem hat er mit Hilfe von Kurt Dorfmüller eine andere Textvariante aus dem gleichen Buch unterlegt:
„Din gsiecht und stimm ist sur und grimm. Ich merck woil ...“ Dem folgt auch der österreichisch-amerikanische Musikologe Hans Tischler.

Das Königsteiner Liederbuch (Ms.germ.qu. 719 Berlin) wurde übrigens nach unbekannter Vorgeschichte von Clemens Brentano 1804 erworben und den Brüdern Grimm ausgeliehen. Als er es weiterverkaufen wollte, rückten sie es nicht wieder heraus. Schließlich kam es in die Hände des Bibliophilen von Meusebach und von dort 1850 in die Preußische Staatsbibliothek.


¹) Mit waagrechtem Querstrich, der wohl eine m-Verdopplung andeuten soll.

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Sigmar Salzburg
09.04.2014 18.37
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„Modernisierer“ ohne Kultur

Die Zweiwochen-Zeitschrift Ossietzy schreibt (in Kulturrechtschreibung):

Die Schiffsschlacht um Venedig

Susanna Böhme-Kuby

Daß die wachsenden Dimensionen des Massentourismus die fragilen Strukturen Venedigs in vieler Hinsicht seit langem überfordern und angreifen, ist bekannt. Doch erst die auch alle optischen Dimensionen sprengenden Horrorfotos schwimmender Hochhäuser vor den Palazzi der Lagunenstadt ließen eine Weltöffentlichkeit aufhorchen und lösten schließlich Wellen auch internationaler Empörung aus. Aber erst die Katastrophe der »Costa Concordia« vor der Giglio-Insel (2012) führte nach langem Hin und Her dazu, daß die oberste Hafenbehörde – die nicht etwa der Stadt, sondern dem römischen Verkehrsministerium untersteht – endlich Gegenmaßnahmen ergriff.

Ein Verbot für die Kreuzfahrt-Riesen im Giudeccakanal und vor S. Marco hatte im Herbst 2013 die Durchfahrt auf Schiffe bis 40.000 Bruttoregistertonnen (BRT) beschränkt, die größeren mußten seitdem im Hafen von Triest anlegen. Doch die großen Reedereien legten Protest ein, und die Hafenbetriebe im Passagierterminal riefen das Verwaltungsgericht (TAR) an, das nunmehr das Durchfahrtsverbot aufhob – mit Wirkung vom 5. April an...

Es geht um die Frage nach der Zukunft der Hafenstadt Venedig, deren Lagune den neuen globalen Anforderungen der Container- und Riesendimensionen nicht gewachsen ist, beziehungsweise nicht so angepaßt werden kann, wie es die »Modernisierer« wollen. So favorisiert die oberste Hafenbehörde das Projekt, einen weiteren tiefen Kanal (Canale Contorta) durch die Lagune auszuheben, der die Riesenschiffe nach wie vor direkt an die Stazione Marittima nach Venedig bringen soll, wenn auch nicht mehr direkt vor S. Marco. Das wäre erneut ein äußerst teures Mammutprojekt, das Jahre dauerte und das schon prekäre Gleichgewicht der Lagune – die über 1000 Jahre ein lebendiger Lebensraum der Stadt war – wohl definitiv zerstörte...

Ossietzky 8/14

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Sigmar Salzburg
01.04.2014 08.37
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Start für Deutsche Digitale Bibliothek

Kulturstaatsministerin Monika Grütters hat die Vollversion der Deutschen Digitalen Bibliothek gestartet. In der Online-Bibliothek kann jeder kostenlos nach Büchern, Bildern, Filmen und anderen Archivalien suchen.

„Die Deutsche Digitale Bibliothek eröffnet uns einen bislang nicht vorstellbaren Zugang zu unserem kulturellen Erbe. Via Internet können nun auch diejenigen angesprochen werden, die Museen, Bibliotheken, Konzertsäle und andere Kultureinrichtungen eher selten oder gar nicht besuchen“, betonte Monika Grütters bei der Präsentation des Online-Portals in Berlin...

Die Deutsche Digitale Bibliothek (DDB) ist ein gemeinsames Internetportal der Kultur- und Wissenschaftseinrichtungen in Deutschland und ermöglicht jedem einen zentralen und freien Zugang zu Millionen von Datensätzen aus allen Kulturbereichen...

Die Deutsche Digitale Bibliothek wird von Bund und Ländern finanziert. Bis Ende 2013 wurden für Aufbau und Betrieb des DDB-Portals insgesamt rund 24 Millionen Euro investiert, davon trug der Bund knapp 19 Millionen Euro.
az/jk (dpa/BKM/Deutsche Digitale Bibliothek)
dw.de 31.3.2014

https://www.deutsche-digitale-bibliothek.de/

Man wird feststellen, daß die reformierte Heyse-ss-Schreibung den unbedeutendsten Teil der deutschen Literatur und Kultur darstellt. Man sollte sich schnell wieder davon verabschieden.

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Sigmar Salzburg
07.01.2014 06.12
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Lieber keine Hymne aufs Neue

Der Pianist Vladimir Ashkenazy testete jetzt in der Steinway-Europazentrale in Hamburg einen Flügel für das Opernhaus in Sydney. Behende springt der kleine Herr zwischen den Klavierbänken hin und her, wechselt von einem Flügel zum nächsten. Rasch die Noten aufgestellt, und schon erklingt jenes frische und kraftvolle Thema aufs Neue, das Brahms 1873 zum Ausgangspunkt seiner Haydn-Variationen wählte.
weser-kurier.de 29.12.2013

Nett, daß man den alten Herrn nicht als „behänden“ Reformaffen herumspringen ließ. „Aufs Neue“ hätte man aber auch hier wie schon vor hundertfünfzig Jahren verzichten können.


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Sigmar Salzburg
19.12.2013 08.15
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Felicitas Kukuck

Bei der Verwandtensuche in Hamburg-Blankenese stieß ich nebenbei auch auf die Komponistin Felicitas Kukuck (1914 – 2001). Ihr Name ist mir seit meiner Kindheit geläufig. Für das Streichquartett einer Kollegin hat sie sogar ein Werk verfaßt. Im Netz ist eine kurze Lebensbeschreibung zu finden, die sie 1989 begonnen hat und die bis 1949 reicht. Wohlmeinende haben den Text in die Reformschreibung von 2006 übersetzt, damit er auch für die jüngere Generation lesbar ist. Schon ihre Eingangszeilen lassen ahnen, daß ihr Leben im Dritten Reich nicht einfach war:

Autobiographie
in Form eines Tagebuchs ab 17. April 1989


17.4.89
Seit langem plane ich eine Autobiographie zu schreiben.
Felicitas Kukuck, geborene Cohnheim, 2. November 1914, in Hamburg.

...
Ich war froh, als ich mein Abitur in der Tasche hatte, und wollte nun auf die Hochschule für Musikerziehung und Kirchenmusik in Berlin gehen, um Schulmusikerin zu werden. Das ging nicht! Ich hätte meine arische Abstammung bis zum Jahr 1800 nachweisen müssen. Für mich kam Auswanderung nicht infrage. Ich wollte in Deutschland bleiben, im Lande Bachs und Mozarts und Brahms und Schuberts. Was blieb übrig?! Ich gab den Plan, Schulmusikerin zu werden, wie es mir seit den erfreulichen Erfahrungen als Schülerin der Lichtwarckschule vorgeschwebt hatte, auf und machte statt dessen im Herbst 1935 die Aufnahmeprüfung für das Hauptfach Klavier an der Musikhochschule in Berlin, Fasanenstraße.

Nach einem Jahr fleißigen Übens bestand ich 1936 die Privatmusiklehrerprüfung und bekam gleichzeitig Unterrichtsverbot. Aber ich blieb Studentin der Musikhochschule – jetzt mit dem Hauptfach Querflöte. Noch während meiner beiden letzten Schuljahre hatte ich dieses schöne Instrument spielen gelernt, so dass ich ohne Aufnahmeprüfung bei Gustav Scheck Flöte studieren konnte. Gleichzeitig schickte mich mein Lehrer für Harmonielehre, dem ich ein paar meiner Kompositionen gezeigt hatte, zu Hindemith in seine Kompositionsklasse. Dies war für mich die entscheidende Wende meines Lebens als zukünftige Komponistin. Überhaupt stand zeitlebens ein Glückstern über mir. Hindemith war ein großartiger Lehrer.

[So verschieden sind die Meinungen: „Hindemith war ja ein wirklich großer Meister, das wissen wir alle, aber er war ein furchtbarer Lehrer. Es ist da nicht[s] heraus gekommen, weil er die Leute an sich gebunden hat...“( Komponist Gottfried von Einem lt. Wikipedia, „s“ ergänzt 4.1.14)]

... Hindemith schrieb damals gerade seine „Unterweisung im Tonsatz“ und ich hatte den Eindruck, dass er äußerst engagiert war mit der Niederlegung seiner Erfahrungen als Komponist und Lehrer der Komposition. Er war ein glücklicher Mensch, sprühend lebendig und fröhlich, aber immer wachsam und kritisch, ganz so, wie ein Schaffender als Lehrer sein muss...

[Am 28.12. ist übrigens Hindemiths 50. Todestag.]

11.5.89

Am 30. Juni 1939 bestand ich meine künstlerische Reifeprüfung mit „gut“. Ich spielte Präludium und Fuge c-moll von Bach, die Klaviersonate as-dur op. 110 von Beethoven und die zweite Klaviersonate * von Paul Hindemith, die gerade bei Schott erschienen war, ein wunderbares Stück – besonders der 2. Satz. Mein Klavierlehrer: Prof. Rudolf Schmidt, ein Parteigenosse mit Hakenkreuz-Abzeichen am Revers, das er immer trug, hatte mir zunächst abgeraten, die Hindemith-Sonate zu spielen, weil er befürchtete, dass ich Schwierigkeiten bekommen könne von Seiten des Hochschulkollegiums, die meine Fähigkeiten ja beurteilen sollten.

Hindemiths Musik galt damals bereits als „entartete Kunst“ und wurde in Deutschland nicht mehr aufgeführt. Ich habe meinem Klavierlehrer, der es gewiss gut mit mir meinte und mich beschützen wollte, einen Brief geschrieben und ihm auseinandergesetzt, dass und warum ich die Hindemith-Sonate trotz seines Vetos spielen wolle. Ich sei seine Schülerin gewesen und verdanke ihm unendlich viel und was könne mir denn passieren, oder gar ihm, der ja bereits 1938 ausgewandert sei. Ich wolle meiner Verehrung für ihn auch Ausdruck verleihen, das würde doch gewiss dem Kollegium einleuchten. So etwa hatte ich argumentiert. Als ich wieder zum Klavierunterricht kam, war das erste, was Prof. Schmidt sagte: Ihr Brief hat mich überzeugt, Sie spielen die Hindemith-Sonate. Und so war’s denn auch. Ich habe alle drei Stücke, ohne dass ich unterbrochen wurde, vorgespielt, und das Kollegium war sehr zufrieden mit mir...

... jeder Berliner wusste, dass es für einen jüdischen Menschen lebensgefährlich gewesen wäre, ohne den Judenstern auf die Straße zu gehen, denn wenn er einem Bekannten begegnet wäre – ob Jude oder nicht – riskierte er, angezeigt zu werden; und das wäre ein sicherer Tod gewesen... Im nachhinein kommt mir das Ganze wie ein Wunder vor, oder besser gesagt, unser Schutzengel hat uns behütet, ...

http://www.felicitaskukuck.de/Autobiographie_FKukuck.pdf

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Sigmar Salzburg
30.11.2013 19.08
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Symposion

Neue Beiträge zur Virchow-Forschung
Kieler Kant-Gesellschaft (Dr. Busch) /Hermann Ehlers Akademie (Dr. Schlürmann)
28. November 2013
Hermann Ehlers Akademie, Niemannsweg 78, 24105 Kiel

Zum 75. Geburtstag von Prof. Dr. Christian Andree, dem international bekannten Virchow-Forscher, leuchten Freunde und Weggefährten Andrees aus dem aktuellen Forschungsstand heraus den medizinischen, historischen, geisteswissenschaftlichen und philosophischen Hintergrund des großen Mediziners und Politikers Rudolf Virchows (1821-1902) aus. Einen besonderen Akzent wird der Abendvortrag von Prof. Andree selbst setzen. Das Besondere dieses Symposions ist die Zusammenführung ganz verschiedener Sichtweisen auf den großen liberalen Deutschen des 19. Jahrhunderts

Die Veranstaltung anläßlich des 75. Geburtstages des Medizinhistorikers und Literaturwissenschaftlers Christian Andree, nahm nach Wunsch des Jubilars den ganzen Tag ein. Dr. Busch erwähnte, daß Andree die größte Autographensammlung von Briefen und Schriften Virchows besitze und wohl der einzige sei, der dessen Handschrift fließend lesen könne. Bemerkenswert war auch die Freundschaft Rudolf Virchows und Heinrich Schliemanns, deren Entwicklung anhand der Briefe dargestellt wurde.

Den Schlußvortrag hielt Prof. Andree selbst unter dem Titel:
„1000 Leichen seziert und nie eine Seele gefunden“
Andree kam es hierbei darauf an, den agnostischen Standpunkt Virchows deutlich zu machen. Dieser erforderte eine strikte Trennung von Wissenschaft und Religion und ließ kein Urteil über außerwissenschaftliche Bereiche zu. Die Erforschung des Bewußtseins liege an der Grenze dessen, was die Wissenschaft zu leisten vermöge. Das Zitat im Titel des Vortrags schrieb Andree den Gegnern Virchows zu.


Die gesammelten Schriften Virchows hat Andree bei Olms herausgegeben (in originaler Rechtschreibung).

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Sigmar Salzburg
02.11.2013 07.04
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Halloween

Kissler bei Focus:
Die Gruselmode zählt zu den dümmsten Importen, die je den Großen Teich überwunden hat. An Halloween werden kleine Kinder von der harten Rute des Kapitalismus gezüchtigt. Sie ziehen plärrend, schreiend, nervend von Haus zu Haus und belästigen, aufwendig verkleidet, friedliche Bürger mit der dümmsten aller Drohungen: „Süßes oder Saures!“
focus.de 31.10.2013

Diese Mode ist im Grunde der als Zombie wiederauferstandene Brauch des alten Rummelpottlaufens, das in Norddeutschland noch einige Zeit nach dem letzten Krieg am Altjahrsabend üblich war. Kinder verkleideten sich, zogen von Haus zu Haus, sangen zum Gebrumm des „Rummelpotts“ Lieder, trugen Reime vor und erhielten als Gegenleistung (!) Obst, Nüsse und Backwerk. Der Rummelpott ist ein urtümliches Musikinstrument aus einem irdenen Topf mit einer darübergezogenen Schweinsblase, in deren Mitte ein Stab oder Reethalm eingebunden ist. Durch Reiben mit zwei angefeuchteten Fingern entsteht ein brummender Ton. Wikipedia schreibt (bislang unreformiert!):

Mit Hilfe des Polterns sollten in früheren Zeiten in den sogenannten Rauhnächten um die Jahreswende wahrscheinlich Wintergeister vertrieben werden. Im Volksglauben stand in den rauhen Nächten die Welt der Geister offen. Auch Odins Wilde Jagd spielte sich am Silvesterabend ab.

[Nachtrag: Wikipedia änderte die „rauhen“ Nächte am 30.12.2015 zu „rauen“ Nächte. Die „Rauhnächte“ blieben.]

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Sigmar Salzburg
30.10.2013 11.43
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Wollust an der Kunst

Mit einer ganzen Riege von Anwälten und Professoren ist die Erbengemeinschaft Lederer am Donnerstag im Wiener Café Landtmann vor die internationale Presse getreten. Sie fordert die Rückgabe von Gustav Klimts Beethovenfries, dem bekanntesten und flächenmäßig größten Meisterwerk des Wiener Jugendstils. Was vordergründig wie eine Wiedergutmachung an von den Nazis begangenem Unrecht aussieht, entpuppt sich bei näherer Betrachtung als Versuch, längst Entgoltenes nochmals entschädigt zu bekommen.
neues-deutschland.de 18.10.2013

Elisabeth Leopold, Witwe des Kunstsammlers Rudolf Leopold, berichtet, der Kunstsammler Erich Lederer habe mit ihrem Mann den Preis für den Verkauf des Werks an die Republik selbst festgesetzt. Lederer habe Leopold als den führenden Experten beigezogen und das Ehepaar ins Depot des Belvederes geführt. „Der Fries war in elendem Zustand. Mein Mann bückte sich und hob ein Glasauge auf, das auf dem Boden lag. Er hat es einer der Gorgonen – oder war es sogar die Wolllust? – ins Auge zurückgedrückt. Mein Mann hat den Wert auf 15 Millionen Schilling geschätzt...“
news.at 23.10.2013

Die neue Dreifachbuchstabenregel führt also zu falscher “Wollust”. Erst kürzlich wieder hatte der unvermeidliche Peter Schmachthagen diese Regel beim Hamburger Abendblatt in den höchsten Tönen gelobt. Da dies schon bei der Forschungsgruppe eingehend besprochen wurde, ersparen wir uns dazu Näheres. Nur auf die damit mögliche „Zooooologie“ sollte man noch einmal hinweisen.

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Sigmar Salzburg
29.10.2013 10.47
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Spektakel-Architektur in Georgien:

Die Bauwunder des Herrn Mayer aus Berlin
Nahe der Ortschaft Sarpi ließ Saakaschwili einen alten Wachturm abreißen. Dort lugt nun neugierig der wohl imponierendste Mayer-Bau in Georgien über die Grenze in die nahe Türkei, ein Grenzposten mit verspielten Linien, einer Aussichtsterrasse für Besucher und den besten Voraussetzungen, zu einem Wahrzeichen des modernen Georgien zu werden. „Wir nahmen als Ausgangspunkt eine gerade Schnur, die dann locker fällt und in ihren Schlaufen Zwischenräume bietet ", sagt Mayer.

Bild; spiegel.de 27.10.2010

Die norddeutschen Bauarbeiter drücken das schlichter aus: „... wie der Bulle pißt!“

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