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Cicero
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Sigmar Salzburg
08.12.2013 08.05
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In den Schulen statt Goethe nur noch Harry Potter

„Der Literaturbetrieb hat das Lesen verlernt“
Von Hans Christoph Buch

Hat der Literaturbetrieb das Lesen verlernt? Die Frage impliziert nicht, dass deutsche Kritiker Analphabeten sind, die vor den Zumutungen der Rechtschreibreform kapitulieren – das wäre keine Schande. Es geht um weniger und mehr zugleich: Um die Fähigkeit, literarische Texte zu dekodieren – das heißt um das Literarische an der Literatur, das auf dem langen Marsch durch die Medien auf der Strecke blieb: Wie und warum soll hier erörtert werden.

Die Pisa-Studie hat gezeigt, dass die Fähigkeit zu lesen nicht nur im deutschen Sprachraum rückläufig ist. Die Dreieinigkeit von Handy, I-Pod und Internet zeugt davon – Linguisten sprechen von der „Halloisierung“ des Deutschen: Statt Guten Tag sagt man Hallo oder Hi, und der Verlust der Sprachkompetenz geht einher mit dem Erwerb technischer Fertigkeiten, die es früher nicht gab. Kein Wunder, dass dieser Prozess sich auf die Lesefähigkeit auswirkt, die Frankreichs Erziehungsministerium im Curriculum für die Grundschulen so definiert:

• Einen Text aus bekannten Wörtern mit klarer und korrekter Aussprache unter Beachtung der Interpunktion zu lesen;
• zu erklären, wovon der Text handelt; im Text selbst oder in Sekundärtexten Antworten auf Fragen zu dem Gelesenen zu finden;
• ein Buch von der ersten bis zur letzten Seite zu lesen und den Inhalt sinngemäß wiederzugeben.

Unter dieser als „Sockelkompetenz“ bezeichneten Fähigkeiten steht die Beherrschung der französischen Sprache an erster Stelle, eng verknüpft mit der Kenntnis der Literatur, deren Kanon aufgrund des zentralisierten Bildungswesens in Frankreich intakter ist als bei uns, wo klassische Texte kaum noch behandelt werden: Meine Tochter, selbst Lehrerin, hat nach eigener Aussage in der Schule weder Goethe noch Kleist oder Kafka gelesen.

Dem Deutschunterricht fehlen die Klassiker

Die Ausgrenzung der Literatur aus dem Deutschunterricht begann mit den hessischen Rahmenrichtlinien (eine monströse Wortschöpfung, bar jeder sprachlichen Sensibilität), in denen nicht nur kein deutscher, sondern überhaupt kein Dichter mehr vorkam – ausgenommen Raymond Queneau, dessen Stilexerzitien „Zazie dans le métro“ in den siebziger Jahren unverzichtbar schienen. Statt Goethe, Kleist oder Kafka wurden Werbe- und Gesetzestexte analysiert, und Günter Wallraffs Industriereportagen oder Erika Runges „Bottroper Protokolle“ avancierten zum Nonplusultra ästhetisch und politisch fortgeschrittener Literatur. Das war keine bloße Geschmacksverirrung, auch kein individuelles Fehlurteil, sondern die Anwendung der antiautoritären Revolte auf den Deutschunterricht. Goethe, Kleist und Kafka galten als bürgerliche Autoritäten, die vom Sockel gestoßen werden mussten, Brecht wurde gerade noch geduldet, aber die politisch reine Lehre war in den Direktiven des Vorsitzenden Mao oder in Arien der Peking-Oper zu finden – nachzulesen im Kursbuch, wo der Carl Schmitt-Schüler Joachim Schickel seine Chinoiserien auf dem Silbertablett präsentierte...

Weiterlesen in Cicero 6.12.2013

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Sigmar Salzburg
22.02.2009 17.40
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Auch Hoberg läßt die Hose runter!

Hoberg: „Bei einer Untersuchung von Abituraufsätzen der letzten Jahrzehnte haben wir festgestellt, dass fast alles besser geworden ist. Das einzige, was sich verschlechtert hat, ist die Rechtschreibung.

... und das nach über einem Jahrzehnt der „Erleichterungen“ durch die „Reform“!
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Sigmar Salzburg

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Norbert Lindenthal
22.02.2009 13.31
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… was sich verschlechtert hat, ist die Rechtschreibung

Cicero, 22. Februar 2009

Der Genitiv ist quicklebendig!
Interview mit Rudolf Hoberg

[Bild: Verfällt die deutsche Sprache?]

Alles andere als zufrieden sind die Deutschen mit ihrer Sprachkultur: Einer von der Gesellschaft für deutsche Sprache in Auftrag gegebenen Umfrage zufolge sieht über die Hälfte der Bevölkerung das Deutsche gar von einem „Sprachverfall“ bedroht. Im Interview mit Cicero Online analysiert Rudolf Hoberg, Sprachwissenschaftler und Vorsitzender der Gesellschaft für deutsche Sprache, die bösen Ahnungen – und plädiert für ein gesundes Sprachbewusstsein.

Haben die Ergebnisse der Studie Sie überrascht?
Ja und nein. Überrascht hat mich etwa, welche Dialekte die Deutschen gerne hören: Das Bayerische steht an oberster Stelle.
Dass die Leute sich über den jeweiligen Stand ihrer Sprachkultur beklagen, ist jedoch nichts Neues. Das haben schon die alten Ägypter getan. Dabei wird meistens ignoriert, dass Sprache sich ja vor allem durch Fehler verändert: Sprachwandel kommt doch dadurch zustande, dass einer etwas falsch macht, die anderen finden es gut, und dann wird es solange von allen so gesagt, bis es irgendwann „richtig“ geworden ist. Ein gutes Beispiel dafür ist die Verwendung von „trotz“ mit dem Genitiv. „Trotz“ stand früher mit dem Dativ, irgendwann hat sich der Genitiv eingeschlichen. Überhaupt stimmt es nicht, dass der Genitiv zurückgeht.

Wie erklären Sie sich, dass 65 Prozent der Deutschen angeben, der Ansicht zu sein, dass die deutsche Sprache verkommt?
Es ist tatsächlich nicht zum Besten bestellt um die deutsche Sprache. Das war allerdings vor 50 Jahren auch schon so. Viele denken, wenn heute etwas schlecht ist, dann muss es früher besser gewesen sein. Im Gegenteil: Bei einer Untersuchung von Abituraufsätzen der letzten Jahrzehnte haben wir festgestellt, dass fast alles besser geworden ist. Das einzige, was sich verschlechtert hat, ist die Rechtschreibung. Dafür ist der Wortschatz gewachsen. Und ich finde, wenn man mehr Wörter schreibt, dann darf man auch mehr Fehler machen.

Dass vor allem die Älteren die Gefahr eines Sprachverfalls sehen, könnte das daran liegen, dass sie von den Entwicklungen der modernen Sprache nicht mehr mitgenommen werden?
Auf jeden Fall. Die Älteren meinen, dass sie das Richtige gelernt haben. Und deswegen ist das, was die Jüngeren lernen, automatisch schlechter – weil es anders ist. Auch das ist nichts Neues.

Wie schätzen Sie persönlich als Sprachwissenschaftler und Sprachbeobachter die Gefahr eines Sprachverfalls ein? Welche der Faktoren, die die Befragten in der Studie als ursächlich für den Sprachverfall benennen, spielen wirklich eine Rolle?
Die meisten dieser „Gründe“ sind schlicht und einfach falsch. Dass weniger gelesen wird als früher, ist zum Beispiel blanker Unsinn. Auch das Fernsehen hält die Leute nicht vom Lesen ab. Das sind Vorurteile, die in den Medien verbreitet werden. Wenn Elke Heidenreich im Fernsehen sagt, dass wir mehr lesen müssen, dann denken die Menschen automatisch, dass wir bisher zu wenig gelesen haben.

Als „positive Aussage“ eines kleinen Teils der Befragten wird angeführt, dass heute mehr gelesen und geschrieben wird, vor allem durch die Arbeit am Computer. Bemängelt wird wiederum, dass bei der Kommunikation über SMS und E-Mail zuwenig auf die Ausdrucksweise geachtet wird ...
... Es ist eine Tatsache, dass die gesprochene Sprache immer mehr in die geschriebene Sprache hineindrängt. Interessant wird es, zu sehen, ob die „SMS-Sprache“ sich tatsächlich auf andere Bereiche der Schriftsprache auswirken wird. Bis jetzt ist das noch nicht der Fall, aber man weiß nicht, wie das in ein paar Jahren aussehen wird.

Gerade in Berlin kann man auf den Straßen häufig das Phänomen „Remix-Sprache“ belauschen: Bilinguale Jugendliche mit Migrationshintergrund mischen ihre Sprachen. Symptom des Sprachverfalls oder Entwicklungschance?
Wie für die „SMS-Sprache“ gilt auch hier: Aus der „Remix-Sprache“ entstehen Subvarianten des Deutschen, und man kann im Moment noch nicht absehen, wie stark sich diese Variante auf den allgemeinen Sprachgebrauch auswirken wird. Wenn die „Remix-Sprache“ unser gesprochenes Deutsch tatsächlich eines Tages infiltriert, dann könnte man das eventuell als Bereicherung sehen.

Glauben Sie, dass man den Einflüssen anderer Sprachen aufs Deutsche, die sich vor allem in den vielen Anglizismen ausdrücken, die wir in unseren Sprachgebrauch importiert haben, durch eine Radioquote Einhalt gebieten könnte?
Generell sind Einflüsse aus anderen Sprachen ja nichts Schlechtes. 15 Prozent des deutschen Wortschatzes bestehen aus Fremdwörtern. Die Anglizismen will ich damit nicht verherrlichen: Dass „Nachrichten“ zum Beispiel in vielen Medien heutzutage „news“ heißen, ist völliger Quatsch.
Aber eine Radioquote halte ich nicht für sinnvoll. Auch in Frankreich, wo solch eine Quote eingeführt wurde, hat man mittlerweile erkannt, dass man durch solche Maßnahmen nicht bestimmen kann, wie die Leute reden.
Ich glaube, mit Gesetzen lässt sich nicht viel ausrichten. Stattdessen müssen wir bereits in den Schulen mit der Sprachpflege beginnen, um das Sprachbewusstsein des Einzelnen zu stärken. Deutschland hat seit jeher eine liberale Tradition, was das angeht – sogar die Nazis waren nicht sprachnationalistisch. Diese liberale Tradition ist gut und sollte erhalten werden. Aber wir müssen darauf achten, dass das nicht zu einer Vernachlässigung der Muttersprache führt.

Welche Rolle hat die deutsche Sprache im vereinigten Europa für die Identität der Nation?
Obwohl die Deutschsprachigen die größte Bevölkerungsgruppe in der EU sind, spielt ihre Sprache im vereinigten Europa nur eine kleine Rolle. Englisch steht an erster Stelle, dann kommt Französisch, und dann irgendwann Deutsch – obwohl Deutsch jetzt nach der Osterweiterung bei den Fremdsprachen an zweiter Stelle steht. Deutsch steht und fällt mit seiner Rolle in Europa. Und deswegen ist es wichtig, auf eine angemessene Rolle des Deutschen in der EU hinzuarbeiten. Das würde auch das Europavertrauen der Deutschen erheblich stärken.

Vielen Dank für das Gespräch!

Die Fragen stellte Sophie Diesselhorst.

Foto: Picture Alliance
__________________
Norbert Lindenthal

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