Klaus von Dohnanyi
Der große alte Mann der einst soliden SPD, der ehemalige Regierende Bürgermeister von Hamburg, inzwischen 89 Jahre alt, ereiferte sich in einer Fernseh-Diskussion über das Versagen der Parteien, und insbesondere der SPD mit der Wahl ihres Kanzlerkandidaten Martin Schulz (Hörfehler vorbehalten):Der Herr Schulz war von Anfang an die falsche Wahl. Der ist der Sache nicht gewachsen. Der war schon als Parlamentspräsident ein Mann in Europa, der die Wahrheit nicht erkannt hat. Er hat geglaubt, immer mehr Europa, immer mehr sozusagen nach Brüssel, würde am Ende die europäischen Probleme lösen. Das tut es natürlich nicht, und er hat im Grunde genommen ... er war mit, wenn man so will, ein Verursacher von Brexit. Diese Art von immer wieder Europa, Europa, Europa und nicht zu erkennen, daß die Nationen inzwischen auch ihre eigene Identität wieder suchen. Wir haben ja inzwischen nämlich einen Zuwachs an Trachtenmoden, das ist ja kein Zufall, das ist die Soziologie... Das hängt mit derselben Frage zusammen. Die Leute in der Globalisierung fühlen sich heimatlos. Dann suchen sie ihre Heimat in kleinen Räumen. Das erinnert an seine Kritik der Durchsetzung der Rechtschreib„reform“ bei Sabine Christiansen am 29.07.2001:„Man muß wirklich sehen, daß man die Schönheit der Sprache begreift. Deswegen war ich auch so hart gegen die Rechtschreibreform, weil Sprache auch Bild ist. Und man kann das Bild eines Wortes völlig versauen, wie es zum Teil geschehen ist ... Wir haben eine Situation, in der Deutschland ohnehin Probleme mit seiner Geschichte hat, in der wir in der Sprache eigentlich die letzte Behausung unseres Landes haben, da haben sie die Leute aus der Sprache rausgetrieben durch diese Reform.“ Aber weiter in seinem Verriß der Zerstörung der beheimatenden Behausung im Deutschland der unmittelbaren Gegenwart: Wir zerstören diese kleinen Räume, indem wir die kleinen Gemeinden zerstören, d.h. sie haben ein riesiges Problem, das viel tiefer geht als unsere Debatte bisher. Herr Schulz wird diese Probleme nicht lösen können, weil er nach meiner Meinung mit einem völlig falschen Ansatz rangegangen ist. Die Frage ist nicht in erster Linie eine Frage von Gerechtigkeit und Respekt, wie er da angefangen hat. Das ist nicht das zentrale Problem. Das zentrale Problem ist die Anerkenntnis, daß die Leute sich verlassen fühlen, weil sie auch wirklich verlassen sind. Das gilt insbesondere in Ostdeutschland. Da sind eben auch große Fehler in der Wiedervereinigung gemacht worden, unbestreitbar. Und ich hatte immer dagegen gekämpft. Ich hatte immer gesagt, so geht es nicht. Und es ist trotzdem so gemacht worden. [n. RA Steinhöfl] Das liegt eben daran, daß wir trotz eines guten Grundgesetzes keine Volksentscheide und damit keine wirkliche Demokratie haben, sondern eine Vierjahresdiktatur, in der unfähige Politiker ihre Volksbelehrungs-, Volks„verbesserungs“- und Volksbeglückungsphantasien weitgehend ungehindert durchsetzen können und zur Deformierung des natürlichen Beharrungswillens und gesunden Menschenverstandes auch noch der Unterstützung durch staatsgefällige Zwangsgebührenmedien sicher sein dürfen.
Nachtrag: Und es kam bei Maischberger noch härter für Schulz. Denn von Dohnanyi gab indirekt zu, dass er bei der Wahl nicht für die SPD gestimmt hatte. Der Grund: Schulz hatte eine Koalition mit der Linken nicht ausgeschlossen. huffpost
SPD-Fraktionschefin: Nahles öffnet sich der Linkspartei (spiegel.de)
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