Volksverblödung auch in der Schweizer Bürokratie
Weder Vater noch Mutter – Beamte sollen künftig «das Elter» sagen
Die Stadt Bern streicht alle Wörter, die Frauen angeblich diskriminieren.
Von Karin Baltisberger 04.06.2010
Deutsch: Mutter/Vater
Berner Neusprech: Das Elter
Anweisung an alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Stadt Bern: Ab sofort müssen Texte geschlechtergerecht formuliert werden.
Das bedeutet, bestimmte Wörter stehen von nun an auf der Schwarzen Liste. Der 22-seitige Sprachleitfaden für die Stadtverwaltung verbietet beispielsweise das Wort «Fussgängerstreifen». Neu soll man stattdessen «Zebrastreifen» schreiben und sagen.
Ziel ist die Gleichstellung von Mann und Frau
«Mit dem Wort Fussgängerstreifen sind nur die Männer gemeint», sagt Nadine Wenger, Projektmitarbeiterin bei der Fachstelle für die Gleichstellung von Frau und Mann in Bern. Zebrastreifen dagegen sei ein neutraler Begriff.
Weitere Wörter wie Anfängerkurs, Führerausweis und Mannschaft stehen auf dem Index. «Unser Ziel ist die Gleichstellung von Mann und Frau. Und dazu gehört eben auch eine geschlechtergerechte Sprache», erklärt Wenger. Der Leitfaden ist eine Massnahme des Aktionsplans für die Gleichstellung, der vom Berner Gemeinderat (Exekutive) verabschiedet wurde.
Doch fühlen sich die Frauen bei einem Wort wie Fussgängerstreifen tatsächlich benachteiligt? «Das ist unterschiedlich», sagt Wenger. «Aber wenn man es genau nimmt, ist es eine Diskriminierung.»
Für amtliche Publikationen verbindlich
Auch die Bundeskanzlei hat einen Leitfaden für die Mitarbeitenden beim Staat verfasst. Der geht sogar noch weiter. Auf 192 Seiten wird erklärt, wie man in welcher Situation geschlechtergerecht korrekt formuliert.
Und auch die Liste der «diskriminierenden Wörter» ist länger. Statt Vater oder Mutter sollte man laut Bund besser «der Elternteil» oder «das Elter» schreiben. «Der Leitfaden ist für amtliche Publikationen verbindlich», sagt Isabel Kamber, Stellvertretende Leiterin Zentrale Sprachdienste, Sektion Deutsch.
Sanktionen für «Sexisten»
Das politisch korrekte Formulieren gibt aber auch Probleme. Fussgängerstreifen ist beim Bund auf dem Index, aber der Begriff «muss in Gesetzestexten verwendet werden, denn Zebrastreifen ist ein umgangssprachliches Wort und in juristischen Texten nicht zu gebrauchen», erklärt Kamber.
Ansonsten könne man bei Wörtern wie Urheberrecht, Einwohnerbefragung selber entscheiden, ob man diese oder alternative Begriffe benützt.
Der Leitfaden der Stadt Bern kostete unter 10 000 Franken und wird an die Angestellten abgegeben. Wer sich nicht dran hält, muss nicht mit Sanktionen rechnen. Egal ob Mann oder Frau.
blick.ch 4.6.2010
Nachtrag:
Zebrastreifen-Empfehlung kommt vom Bund
… Die Sprachregelung in Bern und Winterthur geht aber nicht auf Eigenkreationen zurück. Das eifrige Bestreben um politische Korrektheit ist seit 1996 auch in einem nationalen «Leitfaden zur sprachlichen Gleichbehandlung» verankert. Seit 2009 liegt die vollständig überarbeitete, 192 Seiten starke Auflage vor. Dort sind unter anderen die Beispiele aufgelistet, die aktuell in Bern für Aufregung sorgen. «Zebrastreifen» statt «Fussgängerstreifen», «Team» statt «Mannschaft» oder «Beurteilungsgespräch» statt «Mitarbeitergespräch». Sowohl Bern als auch Winterthur haben für ihren Leitfaden die Bundesempfehlung übernommen. …
«Man muss sich schon etwas daran gewöhnen, aber so kompliziert ist das nicht», gibt Maltempi ihren Berner Amtskolleginnen und Kollegen mit auf den Weg. Von der Notwendigkeit ist sie aber überzeugt. «Die Kulturveränderung ist wichtig, um der Diskriminierung von Männern und Frauen vorzubeugen.»
20min.ch 04. Juni 2010
Es mag ein schwacher Trost für die Schweizer sein, daß feministische Sprachregelungsobsessionen auch hier im Norden die irrwitzigsten Auswüchse zeitigen. In der Stadt Eutin wurde 1998 beschlossen, in der Amtssprache durchgängig das generische Femininum (Femininum auch für männliche Amtsträger) einzuführen, zunächst nur, um die entnervenden Doppelnennungen zu vermeiden. Dieser Schildbürgerstreich (ohne Mitwirkung der Bürger) wurde wegen der skurrilen Folgen bald wieder aufgegeben.
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