Schreibfriede in weiter Ferne
Ärger über das amtliche Rechtschreiben
16. November 2008 | 17:42 | | ANTON THUSWALDNER (SN).
Neues Buch „Ixbeliebige Wahr-Zeichen?“ von Ludwig Laher – Franzobel ist ein „Ph-Verfechter“
Nach der Reform der Reform der Rechtschreibung ist die Gesellschaft gespalten: Ein Teil – etwa viele Schriftsteller – hält an der alten Rechtschreibung fest. Die anderen versuchen, sich so gut wie möglich an die neuen Regeln zu halten. Zumeist ist eine Mischvariante zu beobachten: Geschrieben wird so, wie es dem jeweils Schreibenden einleuchtend erscheint. Genügt das als Grund für eine Empörung?
Für Ludwig Laher schon. Der Autor, bekannt für einen scharfen Blick für verdrängte und verschwiegene österreichische Zustände, macht sich ein ganzes Buch lang Luft über Versäumnisse und Ungereimtheiten der Rechtschreibreform. „Ixbeliebige Wahr-Zeichen?“ ist soeben im Innsbrucker Studienverlag erschienen.
Welch großes Anliegen ihm das rechte Schreiben und dessen Veränderlichkeit ist, sieht man an seiner Formulierwut. Ludwig Laher, der logisch zu argumentieren versteht, reagiert immer wieder emotional, so heftig setzt ihm diese Sache offenbar zu. Er rügt die „verblüffende Inkonsequenz“ der Reform, prangert „mutwillig verordnete überflüssige Eingriffe“ an und hält zahlreiche Änderungen für „haarsträubend“.
Bibliotheken gesäubert
Gewiss, es gibt Anlass, aufzubegehren. Wie eine Sprache gehandhabt wird, spiegelt den Zustand einer Gesellschaft. Selbstverständlich brauchen wir Regeln, an die wir uns beim Schreiben halten, sonst missverstehen wir uns pausenlos. Und befremdlich ist, wenn über die Schreibregeln nach dem Befehlen-Gehorchen-Prinzip befunden wird. Das zeigt das Beispiel der Säuberung von Schulbibliotheken, aus denen jene Bücher entsorgt werden, die nicht den Maßstäben der aktuellen Rechtschreibung entsprechen.
Als im Jahr 2004 das Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Kultur dieser Bücherverbannung Einhalt gebot, tat es dies mit folgender Begründung: „Das Kennenlernen von literarischen Texten und die aktive Auseinandersetzung mit ihnen sollen nicht geringer bewertet werden als die verwendete Schreibweise.“ Heißt das also, dass die Qualität eines literarischen Textes nur so viel wert wie die Normschreibung?
Ludwig Laher meldet sich als Schriftsteller zu Wort. Diese Berufsgruppe lebt zu einem guten Teil davon, Regeln, also auch Sprech- und Schreibregeln, zu brechen. Laher befasst sich in diesem Buch etwa mit Elfriede Jelinek, Kathrin Röggla, Raoul Schrott oder Peter Waterhouse. Auch Goethe, Stifter, Kafka oder Uwe Johnson kommen zur Sprache.
Elfriede Jelinek, eine eifrige Verfechterin kalkulierter, nicht zufälliger Regelverstöße, wehrt sich in ihrer Einleitung zu diesem Buch gegen die Zurufe von außen, die Literaten auf eine Einheitsorthografie einzuschwören: „. . . jeder, der ein Buch liest, begibt sich in ein eigenes Universum eines Autors hinein und wird gerade das Nichtgenormte eines Autors, an einer Autorin interessant finden.“ Zudem stellt sie fest: „Ich halte jede Reglementierung eines lebenden Organismus, wie es Sprache ist, für unangebracht und schädlich.“ Franzobel formuliert seine Vorstellungen so: „Ich bin ein Ph-Verfechter, was soweit geht, dass ich neben Photo und Phantasie am liebsten auch Elephant schriebe, was mir die Korrektoren aber nie durchgehen lassen.“
© SN/SW
Salzburger Nachrichten 16.11.2008
|