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Streit um die Rechtschreibung neu entbrannt
Springer und Spiegel für alte Schreibweisen
Vom 07.08.2004
HAMBURG (dpa) Der heftige Streit um die deutsche Rechtschreibung ist neu entbrannt, die umstrittene Reform könnte im letzten Moment noch scheitern: Ein Jahr vor der endgültigen Einführung der neuen Schreibregeln kehren die Medienkonzerne Springer AG und der Spiegel-Verlag wieder zur alten Rechtschreibung zurück auch mit ihren Flaggschiffen Bild und Spiegel.
CDU-Länderchefs unterstützten den Vorstoß, während von SPD-Politikern Ablehnung kam. Auch in den Medien gab es ein geteiltes Echo. Lehrerverbände mahnten eine einheitliche Regelung an; der Streit dürfe nicht auf dem Rücken von Schülern ausgetragen werden. In Österreich und in der deutschsprachigen Schweiz wurde eine Rückkehr zur alten Schreibweise eher mit Zurückhaltung kommentiert.
Die Präsidentin der Kultusministerkonferenz (KMK), Doris Ahnen (SPD), hat für den Kurswechsel von Springer-Verlag und Spiegel kein Verständnis. Die rheinland-pfälzische Bildungsministerin erklärte: Wenn in der Debatte um die Rechtschreibreform laufend von Chaos und Verunsicherung die Rede ist, erlaube ich mir die Frage: Wer verunsichert hier eigentlich die Menschen? Die Entscheidung der beiden Verlage zeige keinen Weg auf, wie mit den widerstrebenden Interessen in der Reformdebatte umzugehen sei und wie sich Sprache künftig weiter entwickeln soll. Sprache- und Schreibweisen müssten für alle erlernbar sein, sagte Ahnen.
Bei der Süddeutschen Zeitung ist der Zeitpunkt noch offen, wann wieder nach den alten Regeln formuliert werden soll. Intern werde derzeit unter anderem diskutiert, von welchen Regelungen man wieder abrücken wolle und von welchen nicht, sagte ein Verlagssprecher. Focus-Chefredakteur Helmut Markwort erklärte, Deutschland habe wichtigere Probleme als einen neuen Streit um die Rechtschreibreform.
Beim größten europäischen Zeitschriftenverlag Gruner + Jahr (Stern, Geo) sprachen sich Chefredakteure einzelner Titel gegen eine Rückkehr zu alten Schreibweisen aus, eine konzernübergreifende Direktive gibt es nicht. Die Deutsche Presse-Agentur (dpa) möchte zunächst die Meinung ihrer Kunden erfragen. Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) warnte vor einem Chaos kurz vor dem neuen Schuljahr.
Die neue Rechtschreibung war nach einem von den Bundesländern gebilligten Reformwerk bis zum Sommer 1998 bundesweit an den Schulen eingeführt worden. Über die Schreibweisen in den Medien kann die Kultusministerkonferenz aber nicht entscheiden. Kommentar und Hintergrund
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