L'amour and so on
So gefällt mir das schon viel besser.
Alles mag übersetzbar sein, die Frage ist, was bei der Übersetzung entsteht. Besonders deutlich wird das meines Erachtens bei Übersetzungen von Lyrik. Auch die besten Übersetzer von Baudelaire, Rimbaud, wem auch immer, mögen ausgezeichnete Lyrik geschaffen haben aufgrund der verbalen und thematischen Vorgaben des Originals, aber es sind neue Gedichte dabei entstanden, mit anderer Anmutung, oft weit entfernt von dem, was beim Leser entsteht, der diese Lyrik im Original verstehen kann. Nicht umsonst lernen und behalten Leute, die Gedichte auswendig lernen, in der Regel die Gedichte aus ihrer Muttersprache, kaum einmal übersetzte Gedichte aus anderen Sprachen. Mit Liedern ist es natürlich dasselbe, oder mit Chansons. Hier wirken Eindeutschungen etwa von Jacques Brel oder Georges Brassens fast immer holzig bis peinlich, im harmlosesten Falle schlicht reizlos. Wer die Originalsprache nicht kennt, wird den wirklichen Wert und Reiz dieser Chansons niemals kennenlernen, eine Erweiterung seines Bewußtseins und seines sinnlichen Erlebens wird ihm vorenthalten bleiben.
Mir erscheint dies wichtig im Hinblick auf die im Augenblick so vehemente Abwehr von Einflüssen aus anderen Sprachen, aktuell aus der englischen. Dieses Eindringen einer anderen Sprache hat doch den riesigen Vorteil, daß man mit ihr in Kontakt kommen kann, Teile aus ihr schon einmal kennenlernen kann, auch Mentales, was dabei mit hereinkommt in die eigene Sprache, wodurch auch der Begriffs- und Erlebenshorizont erweitert werden kann. Mein Beispiel von l'amour war eigentlich nicht gut gewählt als Beispiel von Unübersetzbarkeit, denn l'amour hat sich in der deutschen Kultur schon ganz gut eingelebt, über Edith Piaf, Kosmetik- und Parfumindustrie und zungenschnalzende Berichte von Soldatenerlebnissen unserer Väter mit diesem Begriff verbindet sich für viele Deutsche schon eine mehr oder weniger vage Vorstellung von dem, was Liebe auch sein kann, und schwingt vielleicht auch im eigenen Erleben und Gestalten dieses Phänomens mit, wie auch immer: mehr Frivolität, mehr Geist und Witz, mehr »must de Cartier«.
Dieses Beispiel zeigt also eher, welche Bereicherung der Einfluß, das Eindringen einer Fremdsprache in die eigene Sprache darstellen kann.
Nun nimmt das überhand, das ist wahr, und ist meist so dumm und überflüssig, daß es nervt. »The more you think«, »Come together«, »Point of Sale« usw. Immerhin, man kann dabei wenigstens soviel Englisch lernen und tut sich im Ausland vielleicht in manchen Situationen leichter. Dagegen anzukämpfen, etwa mit Gesetzen oder Wächterämtern, scheint mir aber völlig sinnlos zu sein. Diese Übertreibung ist eine Folge der menschlichen Wichtigtuerei, Dummheit und Eitelkeit. Verbietet man ihr das eine, stürzt sie sich auf die nächste Torheit. Man kann viel eher darauf rechnen, daß sich das eines Tages überlebt haben wird. Ein Überhandnehmen von Begriffen wie Ferndruck, Netzpost, Weltnetz und dergleichen krampfhafter Eindeutschungen müßten auch nicht unbedenklich sein.
Besorgniserregend ist meines Erachtens das Verbinden von Themen der nationalen Identität mit Fragen der Verwendung eines möglichst rein deutschen Vokabulars. Oder das Abgrenzen von Sprachen gegeneinander, Betrachtungen über »innere Werte« einer Sprache. Man kann in jeder Sprache sowohl die erlesensten Gedanken fassen und formulieren, wie solche gemeinster Niedertracht, das sollten wir Deutschen an den Beispielen von Hölderlin bis Hitler eigentlich sehr gut wissen. Es ist doch höchste Zeit, daß wir uns auf unsere globale Identität und Verantwortung besinnen. Und je mehr Übereinstimmung schon einmal im sprachlichen Verständnis zwischen den Kulturen besteht, egal aus welcher Sprache die Begriffe schließlich kommen, umso mehr besteht doch die Chance, die unterschiedlichen mentalen und kulturellen Unterschiede und Ausprägungen zumindest zu erahnen, vielleicht gar zu verstehen und Möglichkeiten des Auskommens miteinander oder gar der Übereinstimmungen zu finden. Dafür muß niemand etwas Wertvolles aus seiner ihm angestammten Identität aufgeben, nur vieles hinzu aufzunehmen bereit und in der Lage sein. Das erfordert Intelligenz, und genau das ist das Problem.
Jetzt würde mir noch sehr viel einfallen zum von Herrn Ickler angeführten Beispiel »glauben«, aber das erspare ich allen, sonst erwerbe ich noch einen weiteren Titel, den des Forumspastors (was für ein schreckliches Fremdwort, Marktplatzschäfer wäre doch viel schöner!).
Im übrigen wünschte ich mir sehr, daß neben der wichtigen permanenten Kritik an der Rechtschreibreform vermehrt auch solche Fragen, die das Thema Sprache nicht allein in beklagender Form sondern in konstruktiver Betrachtung behandeln, auf diesen Seiten behandelt würden.
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Walter Lachenmann
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