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Christian Dörner
04.02.2001 23.00
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Zu “Schofför³ u. ä.

Herr Markner hat durchaus recht, daß diese Schreibweise nicht besonders häufig anzutreffen war. Trotzdem ist ja eines der Grundkonzepte des Rechtschreibwörterbuchs von Herrn Prof. Ickler, alle Schreibweisen des Duden von 1991 weitergelten zu lassen. Insofern sollte man auch unübliche Schreibweisen nicht entfernen. Denn dies bedeute ja, eine Auswahl der im Duden erlaubten Schreibweisen zu treffen, und „würde auf eine eigene Reform hinauslaufen“ (Ickler). Wir wollen weiterhin schreiben wie bisher, also keine eigene Reform produzieren. Daß man auf Üblichkeit oder Unüblichkeit durch eine kurze Empfehlung hinweisen kann, habe ich ja schon oft genug gesagt.



Christian Dörner
91058 Erlangen

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Dominik Schumacher
04.02.2001 23.00
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Schritt für Schritt
Ein herzlicher Gruß von den Technikern

Vor drei Jahren wußten wir selbst noch nicht, was www und Internet bedeuten. In wenigen Tagen laufen diese Rechtschreibseiten 2 Jahre. Das waren Tage und Wochen voller Wünsche, voller Arbeit und manchmal mit weit heraushängender Zunge.

Statt vieler Worte:
Wir laden ein zu einem nächsten Schritt, zu einer Ergänzung dieser Seiten durch echte Datenbanktechnik. Bald nach den ersten Schwimmübungen werden wir das lange ersehnte Forum für Dokumente öffnen. Ungewohnt wird die Anmeldung sein, ohne die nicht geschrieben, wohl aber gelesen und gesucht werden kann. Dank zugrundeliegender Datenbank kann alles an einer Stelle durchsucht und an genau dieser einen Stelle schnell gefunden werden.

(Angesichts der Kälte des Wassers hilft manchmal der Gedanke an das trockene Handtuch.) Also hinein:

Für die www.rechtschreibreform.com-Techniker:



DS@rechtschreibreform.com>Dominik Schumacher
Bad Ems

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Theodor Ickler
04.02.2001 23.00
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Flexibel

Die Ankündigung, alles aus dem alten Duden weiterhin gültig sein zu lassen, muß mit dem berühmten Körnchen Salz verstanden werden. Natürlich klebe ich nicht dogmatischer als der Duden selbst an seinen einmal gemachten Vorschlägen. Darauf kommt es bei „Schofför“ nicht an. Die Eindeutschung liegt zwar ganz auf der Linie der Sprachentwicklung, aber auch das Umgekehrte kommt vor. Entscheidend ist die Beleglage. Wer keine anderen Texte durchsuchen kann, sollte mal bei google oder solchen Suchmaschinen nachsehen und dann die Belege genauer untersuchen. Ich bin, wie gesagt, mit diesen Fragen noch nicht fertig.

Damit möchte ich meine Einträge im alten Gästebuch abschließen und mich von jetzt an im neuen Forum vernehmen lassen.



Theodor Ickler
Ringstr. 46, D-91080 Spardorf

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Wolfgang Wrase
04.02.2001 23.00
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Wovon die Rede ist

Zunächst zu meinem Geplänkel mit Herrn Riebe. Die Fragen hatten durchaus einen konkreten Sinn. Es zeigt sich nämlich wiederum, daß Herr Riebe zwar penetrant kritisiert, aber die Gegenargumente nicht zur Kenntnis nimmt und vor allem selbst keine bessere Lösung weiß. Vor der Frage, wie er das beanstandete „sich satt_essen“ denn nun entscheiden würde, kneift er ganz einfach: „Ich bin kein Sprachpapst.“ Ich fände es besser, wenn jemand, der es selbst nicht besser weiß, auf (hartnäckige) Kritik verzichtet. Es mutet mich schon merkwürdig an, wie Herr Riebe dauerhaft aufgetreten ist, als ob Professor Ickler schwer von Begriff sei, obwohl Herr Riebe offensichtlich selbst nicht in der Lage ist, die einfachsten – isolierten – Fragen zu beantworten, selbst in denjenigen Fällen, an denen er seinen Protest aufhängt. Wir wissen also nach wie vor nicht, was Herr Riebe konkret will, nicht einmal bei drei beispielhaft zur Konkretisierung vorgeschlagenen Zweifelsfällen. Auch finde ich es seltsam, daß Herr Riebe Professor Ickler immer wieder kritisiert hat, durchaus zu einzelnen Fällen wie „sich satt_essen“, und einfach behauptet, der Duden habe im großen und ganzen sinnvoll (also besser) entschieden; denn nun wagt Herr Riebe doch wieder nicht, die Duden-Schreibung als Norm zu wählen (und seine früheren Beiträge zur Betonung zu widerrufen) oder umgekehrt sein ebenso ausdauernd beschworenes Betonungskriterium anzuwenden (und sich gegen den Duden zu entscheiden). Das entspricht im Ergebnis nämlich genau dem (künftigen) Eintrag in Professor Icklers Wörterbuch, das seinerseits, wie der Duden es eigentlich hätte tun sollen, den Usus darstellt. Es ist doch einigermaßen verwunderlich, daß Herr Riebe den Duden mit dem Hinweis verteidigt, dieser solle nicht kritisiert werden, ohne daß er die Gelegenheit zur Stellungnahme hätte, während Professor Ickler anscheinend für die Riebeschen Nachhilfestunden ein bedürftiger Adressat sein soll, wobei sogar dessen eigene Texte gegen ihn aufgeboten werden – so als habe sich nicht der Duden, sondern Professor Ickler in eine Unzahl von Widersprüchen verwickelt.

Es ist nicht so, daß ich das Anliegen von Herr Riebe („zuviel Liberalität“) unberechtigt fände – das habe ich ihm auch geschrieben. Ich hatte ja auch die Meinung hier im Forum zum Ausdruck gebracht, daß das Wörterbuch „grundsätzlich“ schon verkompliziert werden könnte. Also mehr als bisher Differenzierung, Präzisierung. So ließe sich das undifferenzierte „auch“ an nicht wenigen Stellen durch ein präziseres „meist“, „überwiegend“, „seltener“ o. ä. ersetzen. Das ist aber im Ergebnis, wie gesagt, komplizierter, es ist aus systematischer Sicht problematisch (Wo gilt noch „meist“, wo nur „überwiegend“? usw.), es erhöht den Nachschlage- und Lernaufwand beträchtlich, falls diese Qualifizierungen überhaupt bedeutsam sein sollen, und nicht zuletzt muß dem ein enormer Untersuchungsaufwand vorausgehen, wobei immer noch Fragen zur Repräsentativität der ausgewerteten Texte offen bleiben, das heißt, daß eher wieder weniger Befriedigung ermöglicht wird, wenn man will, daß die Auskunft des Wörterbuchs „zuverlässig“ sein soll. Jedenfalls können wir dazu keine Belehrungsfeldzüge der Art „Die Betonung muß unbedingt beachtet werden!“ oder „Um Gottes Willen nicht einen bisher eindeutigen Duden-Eintrag nicht mit einer Variante anreichern!“ brauchen, so als ob Professor Ickler sich noch keine Gedanken zur Betonung oder zur grundsätzlichen Problematik der Differenzierung gemacht hätte. Ich gebe aber Herrn Riebe insoweit recht, als es ein verbreitetes Bedürfnis gibt, möglichst wenig undifferenzierte Varianten angeboten zu bekommen – nämlich dann, wenn man schon nachschlägt, oder auch dann, wenn man von der Vorstellung ausgeht, daß zwei Varianten kaum je vollkommen austauschbar sind, was ja oft auch zutrifft. Der Beitrag zu „Schofför“ veranschaulicht dies noch einmal. Wenn ich Professor Ickler richtig verstanden habe, sollen solche (relativ leicht und problemlos) durchführbaren Differenzierungen wie zum Beispiel „Chauffeur, selten auch Schofför“ in eine künftige Ausgabe einfließen; im wesentlichen sei es der riesige Arbeitsaufwand gewesen, der das bisher verhindert habe. Ich meine, man muß vor der Gewissenhaftigkeit des Verfassers und Bearbeiters wirklich voll Staunen den Hut ziehen (Motto: „Man muß alles nachprüfen“) und sollte sich dies noch einmal vor Augen führen, bevor man auf Professor Ickler herumhackt, als sei er ein verirrter Dogmatiker oder ein unsensibler Schlamper. Ich denke, daß künftig ein Kompromiß möglich sein wird, der einerseits dem Bedürfnis nach Präzision und Differenzierung mehr Rechnung trägt, andererseits aber dem Benutzer, wie eben auch jetzt schon, zumuten muß, zur Kenntnis zu nehmen, daß es in vielen Fällen mehrere verbreitete und berechtigte Varianten gibt, bei denen eine erschöpfende Differenzierung unter dem Strich zu viele Nachteile hätte, wenn sie nicht sogar unmöglich ist.   

Zur GKS. Wer die Überschrift „Wovon die Rede ist“ im Hinterkopf behalten hat, während er den bisherigen Text dieses Beitrags las, hatte damit wohl kaum Schwierigkeiten, indem er diesen Titel einfach auf den ganzen Text bezog – und nicht nur auf die Substantive und Eigennamen! Das heißt, die Formulierung ist, meine ich, schon ein bißchen mißverständlich. Was bedeutet es, daß sie bewußt vage gehalten sein soll – welche Vorteile hat diese Vagheit? Man könnte die Schwierigkeit beim Verstehen (die dem neuen Aha-Effekt gegenübersteht)so interpretieren, daß der Ausdruck „wovon die Rede ist“ scheinbar das Kriterium ganz im Bereich der Semantik ansiedelt, obwohl doch am Ende grammatische Kriterien den Ausschlag geben, was von all dem, wovon in dem Text die Rede ist, dasjenige sein soll, ein Substantiv ist.

Ein Beispielsatz: Der Philosoph trank unablässig Wasser und weinte über seinen toten Freund. Ist hier den von drei Dingen die Rede: Philosoph, Wasser, Freund? Ist nicht genausoviel die Rede vom Trinken und vom Freund? Interessiert hier nicht eher, was der Philosoph mit dem Wasser macht (nicht darin baden, es nicht aus der Zisterne schöpfen, es nicht auf die Tomaten gießen, sondern trinken) und warum er weint: nicht weil sein Freund krank, geschieden, veschollen, gedemütigt ist, sondern tot? Ich habe einmal die interessante Meinung gelesen, nicht das Substantiv sei das „Hauptwort“, sondern in Wirklichkeit das Verb: Erst mit ihm kommt Leben in die Bude. Man könnte sagen – das ist mein Bild für den Sachverhalt – die Substantive wurden im Rahmen der Schöpfung alle von Gott in die Welt gestellt, aber es passierte nichts. Dann sagte er: Nun macht mal, meine Geschöpfe! Dann kamen die Verben hinzu, dann wurde es lebendig und interessant. So gesehen, sind die Substantive „tot“ ohne die Verben. Kann man das Lebendige in einem Text derart unter das Tote herabstufen, daß man sagt, von ihm sei nicht die Rede?

Ich habe auch Bedenken, wenn die Kleinschreibung bei thematischer Herabstufung als mehr oder weniger regelhaft dargestellt wird, so auf Seite 21: „darum wird auch dies klein geschrieben“. Denn es besteht doch thematisch/semantisch wenig Unterschied zwischen „im allgemeinen“ (= allgemein), „in Kürze (= bald), im Prinzip (= grundsätzlich), am Ende (= zuletzt). Der Unterschied ist offensichtlich, daß es sich bei „im allgemeinen“ nicht um ein Substantiv handelt, sondern um ein (durch den Artikel substantiviertes) Adjektiv, in den anderen Fällen um echte Substantive. Hier liegt also die thematische „Herabstufung“ im Streit mit der grammatischen Substantivierung, aber eben nur bei ursprünglichen Adjektiven und Partizipien. Anders gesagt, bei diesem Zweifelsfall geht es nicht unbedingt um „Herabstufung“, sondern eher darum, daß die semantische Qualität dazu führen kann, daß die grammatische Heraufstufung unterbleibt. Insofern ist es ein wenig mißverständlich und zu grob gestrickt, daß auf Seite 21 (zu allgemein) von „Subststantiven“ die Rede ist, bei denen (hier unnötig vage) die „Neigung“ bestehe, sie bei thematischer Herabstufung klein zu schreiben, und erläutert wird der zweite von zwei Fällen mit Hilfe von „herabgestuften“ Substantivierungen. Erst anschließend auf Seite 22 ist von Adjektiven die Rede, obwohl dies auf den vorherigen Abschnitt ebenso zutrifft. Meiner Ansicht nach war, was diese Fälle betrifft, der Duden exakter, indem er gleich die in Frage kommenden Wortarten für diesen Übergangsbereich benannte.



Wolfgang Wrase
München

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Reinhard Markner
04.02.2001 23.00
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Schofför

Diese längst ausgestorbene Schreibung (Erich Kästner verwendetete sie, vielleicht, weil er sie lustig fand) steht auch im „Ickler“ (S. 413). Ich habe den geschätzten Autor auf diese und andere, ähnlich gelagerte Fälle (z. B. „Schose“ statt „Chose“) bereits hingewiesen und hoffe auf Berücksichtigung in der nächsten Auflage.
Über den Einzelfall hinaus ist das Beispiel vielleicht auch deshalb interessant, weil die Unschärfe des Verweises „a.“ sichtbar wird. Die Einträge lauten : Schofför ; a. Chauffeur -- und umgekehrt. Über die statistische Verteilung der beiden Schreibungen ist damit nichts gesagt. Das halte ich in Fällen, wo die eine Schreibung üblich, die andere exotisch bis obsolet ist, für problematisch, da eine Gleichrangigkeit der beiden Optionen für den Schreiber nicht gegeben ist.



Reinhard Markner

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Theodor Ickler
04.02.2001 23.00
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Duden und ich

Liebe Kombattanten,
da die Diskussion über Grundsatzfragen und mein Wörterbuch immer noch weiterzugehen scheint, möchte ich hier noch einmal meinen programmatischen Artikel abdrucken, der am 14.11.1997, also zu Beginn meiner Wörterbucharbeit, in der F.A.Z. erschienen ist. Vielleicht ist es neben dem Vorwort die deutlichste Erklärung dessen, was ich eigentlich gewollt habe. Ich brauche nicht immer wieder zu sagen, daß ich mein Rechtschreibwörterbuch nicht für perfekt halte. An der Verbesserung wird gearbeitet. (Danke für die Spenden!) Ich bitte nochmals darum, die „bewährte Rechtschreibung“, für die wir alle kämpfen, nicht mit der alten Dudenvorschrift zu verwechseln. Die Dudenredakteure tun das auch nicht. Sie finden, das darf ich wohl sagen, mein Konzept durchaus richtig, es stimmt grundsätzlich mit ihrem eigenen überein. Man braucht also nicht päpstlicher als der Papst zu sein und überholte Dudeneinträge zu verteidigen, die bei nächster Gelegenheit überarbeitet worden wären, wenn nicht die Reform dazwischengekommen wäre, die den Duden in Existenznot gebracht hat. Und nun mein alter FAZ-Beitrag:



Die deutsche Orthographie ist geregelt. Täglich werden Hunderttausende von Texten gedruckt und geschrieben, die genau dieselben Schreibweisen befolgen, wie sie in Millionen von Büchern bereits vorliegen. Es gibt einen Usus, der in seinem Kernbestand fraglos gilt und bisher vom Duden schlecht und recht beschrieben war. Erfunden hat der Duden die übliche Rechtschreibung natürlich nicht. Sie ist vielmehr das Ergebnis einer jahrhundertelangen Schreibpraxis von unzähligen Menschen, die sich sehr wohl etwas dabei gedacht haben, wenn sie groß und klein, getrennt und zusammenschrieben, Kommas und Anführungszeichen setzten. Die Zweite Orthographische Konferenz zu Beginn des Jahrhunderts hat keinerlei Neuerungen gebracht, sondern lediglich die regionalen Schulorthographien vereinheitlicht und gegen willkürliche Veränderungen unter Schutz gestellt. Deshalb benötigte sie nur drei Tage und nicht zwanzig Jahre.
Das Ärgerliche am Duden ist, daß er seiner Fehldeutung durch Normfetischisten nicht entgegengewirkt, ja sie im Gegenteil noch gefördert hat. Das wollen wir uns an einigen Beispielen klar machen. Klar machen? Nein, sagt der Duden, klarmachen! Denn getrennt geschrieben wird, „wenn klar im urspr. Sinne gebraucht wird“, zum Beispiel klar werden (auch vom Wetter). Dagegen gilt „Zusammenschreibung, wenn ein neuer Begriff entsteht“, z. B. klarwerden: ihm ist sein Irrtum klargeworden. Der Wein wird klar gemacht, das Schiff und der Irrtum werden klargemacht. Aber wenn ich nun die Klarheit der berühmten Kloßbrühe gar nicht als die ursprüngliche Klarheit betrachte, sondern gerade umgekehrt die Klarheit des Gedankens?
Um diesem Unsinn einen Reiz abzugewinnen, müßte man ein Ionesco sein. Das Rechtschreibwörterbuch aber hat den Usus zu beschreiben. Was es den beobachtbaren Tatsachen an Begründungen, Erklärungen, ja auch nur an Regeln, d. h. verallgemeinerten Beschreibungen hinzufügt, ist Theorie und kann falsch sein. Damit wird es unbeachtlich. Denn falsche Theorien kann nicht einmal eine Kultusministerkonferenz verbindlich machen. (Aus diesen Überlegungen geht nebenbei auch hervor, daß das Wörterverzeichnis und nicht das Regelwerk der Kern der Orthographie ist und daß es eine Zumutung war, der Öffentlichkeit jahrelang nur ein neues Regelwerk ohne Wörterbuch zu präsentieren.)
Ein Gedanke kann ebenso wie die Brühe klar sein und klar werden und selbstverständlich auch klar gemacht werden. Das alles ist grammatisch einwandfrei. Es gibt allerdings im Deutschen ein kleines Unterprogramm, wonach Resultativzusätze, wenn sie nicht zu umfangreich sind, mit Verben zusammengeschrieben werden können: kaputtschlagen, blaureiben, gesundrationalisieren, kaltmachen und natürlich auch klarmachen. Mit „urspr. Sinn“ und neuem Begriff hat das überhaupt nichts zu tun.
Wenn man den Duden liest, könnte man tatsächlich meinen, radfahren müsse im Gegensatz zu Auto fahren zusammengeschrieben werden. Die Theorie steht in R 207: „Man schreibt ein Substantiv mit einem Verb zusammen, wenn das Substantiv verblaßt ist und die Vorstellung der Tätigkeit überwiegt.“ Unsere modernen Linguisten haben sich über das „Verblassen“ der Substantive mokiert, wohl kaum mit Recht. (Als kürzlich der schöne Begriff „bleaching“ über den großen Teich zu uns kam, wurde er von denselben Linguisten freudig begrüßt ...) Bei radfahren also herrscht tatsächlich die Vorstellung der Tätigkeit vor, weshalb auch schon zu Beginn des Jahrhunderts das Verb radeln im Duden stand, während die Autofahrer es bis heute nicht zu einer ähnlich gemütvollen Bezeichnung ihrer Fortbewegungsart gebracht haben. Wie dem auch sei – ganz falsch wäre jedenfalls die Folgerung, man dürfe radfahren gar nicht getrennt schreiben. Man kann Auto fahren, Traktor fahren, Roller, Dreirad und Fahrrad fahren und selbstverständlich auch Rad    fahren. Die Bezeichnung eines geeigneten Fahrzeugs zusammen mit fahren ergibt immer eine grammatisch zulässige Verbindung. Was die Grammatik erlaubt, kann die Orthographie nicht verbieten. Das ist der Kernsatz einer richtigen Dudenexegese. Nur als besondere Lizenz gibt es auch radfahren. Damit ist den Reformern, wie man sieht, schon ziemlich viel Wind aus den Segeln genommen.
Einmal aufmerksam geworden, entdeckt man, daß fast alle Dudenregeln Kann-Bestimmungen sind, Spielräume eröffnen. Sogar unsere Regel 207 läßt Rad fahren zu. Möge immerhin das „verblaßte“ Substantiv mit dem Verb zusammengeschrieben werden – das unverblaßte bleibt davon unberührt. Es braucht auch nicht eigens im Wörterbuch zu stehen. Traktor fahren steht ja auch nicht drin.
Die Reformer bilden sich ein, dem Bindestrich eine größere Anwendungsbreite verschafft zu haben. Joghurt-Becher, so sagen sie, sei bisher falsch gewesen und werde infolge der Neuregelung richtig sein. Weit gefehlt! R 33 sagt, daß zusammengesetzte Wörter „gewöhnlich“ ohne Bindestrich geschrieben werden. In den folgenden Regeln wird vorgeführt, wie der Bindestrich zur Erhöhung der Übersichtlichkeit oder zur Herausarbeitung eines eigentlichen Sinnes gesetzt werden kann: Druck-Erzeugnis, Hoch-Zeit, be-greifen sind die Originalbeispiele. Folglich ist auch Joghurt-Becher völlig in Ordnung.
Fast alle Bedenken, die man gegen Widersprüche und Haarspaltereien des Duden vorgebracht hat, lassen sich nach dem Prinzip der wohlwollenden Interpretation beseitigen.
Daraus ergibt sich von selbst, wie zu verfahren ist, wenn man die von den Kultusministern leichtfertig zerstörte Einheit der deutschen Orthographie wiederherstellen will: Die gewohnten Schreibweisen bleiben gültig, ihre Kodifikation wird – nach dem unwiderruflichen Ende des Dudenprivilegs – auf eine andere, weder kommerziell interessierte noch politisch gebundene Instanz übertragen, damit die Schulen und Verlage etwas haben, woran sie sich halten können. Da es nur um eine Rekonstruktion, das heißt um die Erfassung und Beschreibung des Usus geht und nicht um eine Neukonstruktion, hält die Arbeit sich sehr in Grenzen. Bei der Neufassung der Regeln sollten folgende Grundsätze gelten:
„Alle Schreibweisen, die im Wörterverzeichnis des Rechtschreibdudens bis zur zwanzigsten Auflage (1991) verbucht sind, bleiben richtig.
„Darüber hinaus sind alle Schreibweisen richtig, die sich bei sinngemäßer und grundsätzlich liberaler Auslegung aus den Regeln des genannten Werkes ableiten lassen.
„Keine Schreibweise, die der deutschen Grammatik gerecht wird, kann orthographisch als falsch gelten.
Aus diesen Grundsätzen folgt, daß niemand, der korrekt schreiben will, ein anderes Werk als die bis zum Sommer 1996 vorliegenden dudenkonformen Regelwerke, Wörterbücher und didaktischen Materialien heranzuziehen braucht. Niemand wäre also gezwungen, neue Bücher zu kaufen.
Was bisher für die sogenannte Rechtschreibreform ausgegeben wurde, ist so oder so verlorenes Geld. Die Wiederherstellung normaler Zustände jedenfalls ist kostenlos zu haben. Man muß sie nur wollen.



Theodor Ickler
Ringstr. 46, D-91080 Spardorf

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Stephan Fleischhauer
04.02.2001 23.00
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Gegenstands-Wortgruppen

Liebe Schriftleitung,
gerade spricht Herr Ickler ein neues Thema, die Groß- und Kleinschreibung, an, und ich würde gern einen Blick sein Regelwerk werfen, surfe aber gerade an der Uni und habe sein Wörterbuch nicht dabei. Ja, ja, ich weiß, das ist nur ein winziges persönliches Problem, aber es wäre vielleicht von allgemeinem Interesse, wenn einmal die Uralt-Version auf der Stammseite („Deutsche Einheitsorthographie“) aktualisiert würde.

Lieber Herr Ickler,
mir fällt zum Thema nur eine Kleinigkeit ein. In § 15 (1) fallen die Begriffe Substantivgruppe und Nominalgruppe (der letztere in einer Anmerkung). Es ist doch dasselbe gemeint? Das Wort Substantivgruppe gefällt mir nicht so gut. Es klingt so nach „Gruppe von Substantiven“.



Stephan Fleischhauer
Holtenauer Str. 53, 24105 Kiel

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Matthias Dräger
04.02.2001 23.00
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Duden 20., 21. und 22. Auflage und das Rechtschreibwörterbuch von Ickler

Lieber Herr Riebe,

die Darstellung der Rechtschreibung in jüngster Zeit läßt sich wohl in drei Hauptrichtungen gliedern:

1) Duden bis zur 20. Auflage 1991: Man richtet sich nach dem allgemein üblichen Schreibgebrauch. Die Mängel sind überschaubar:
- Manche Einträge entsprechen nicht dem tatsächlichen Schreibgebrauch
- Mit manchen Einträgen versucht die Redaktion, sprachpflegerisch tätig zu werden, ohne daß hierfür durch tatsächliche Verwendung im täglichen Gebrauch ein Anhaltspunkt gegeben wäre (z. B. „Schofför“, so, bemäntelt als „frühere Eindeutschung für Chauffeur“, sogar noch in der 22. Auflage 1996!).
Dieser Duden erfreute sich allgemeiner Akzeptanz, wurde allerdings lange nicht in dem Umfang auch tatsächlich benutzt, wie man das auf den ersten Blick annehmen mag. So habe ich in der Schulzeit überhaupt keinen Duden gehabt, und kam selbst als Verleger lange Zeit ohne einen solchen aus. Selbst ein Fachmann wie Prof. Ickler hat bis vor drei Jahren keinen Duden gehabt. Schriftsteller von einigem Format dürften sich kaum an den Duden gehalten haben, die können ja meist schreiben. Aus erster Hand weiß ich dies von Dr. Heinz Ritter, der sich nie um den Duden geschert hat.
    Der Duden war vor allem praktisch für die zahlreichen Sekretärinnen, die hier bequem schwierigere Wörter wie Rhythmus und Sauerstoffflasche nachschlagen konnten.

2) Duden ab 21. Auflage: Die Duden-Redaktion versucht, aus neuen, zum Teil willkürlichen Schreibregeln, entsprechende Wörterbucheinträge abzuleiten. Es entsteht in tausenden von Einträgen eine „künstliche“ Rechtschreibung, mit künstlichen Trennungen, die, insbesondere bei der „neuen“ bzw. bereits schon früher gescheiterten ss-Regelung, nicht dem tatsächlichen Schreibgebrauch entsprechen. Diese Schreibweisen werden mit großem Aufwand zur „amtlichen“ Norm erhoben, alle Staatsdiener und natürlich auch die Schulen sollen sich daran halten.
    Die schwerwiegenden Mängel dieser Vorgehensweise sind durch die zahllosen Proteste und Einwände dagegen hinreichend dokumentiert, nicht zuletzt auch durch die Einschätzung hierzu von Drosdowski in seinem Brief an Ickler (mafiaähnliche Zustände im Arbeitskreis etc.).
    Die Mangelhaftigekeit dieser Vorgehensweise ist auch schon allein aus wirtschaftlichen Gründen erkennbar: Die millionenfach gekaufte 1. Auflage des Reformdudens (1996) ist, da sie nicht an den allgemein üblichen Schreibgebrauch angebunden war, durch neue Erwägungen am „Grünen Tisch“ bereits überholt, Makulatur, und wird in den Buchhandlungen schon zum halben Preis verramscht.

3) Die „allgemein übliche Rechtschreibung“ gemäß Ickler: Ickler folgt praktisch dem Ansatz des Dudens, allerdings mit größerer Sorgfalt, so daß die Einträge im Rechtschreibwörterbuch die tatsächlich gebräuchliche Rechtschreibung zuverlässiger dokumentieren als die Einträge im Duden bis zur 20. Auflage. Zudem verzichtet Ickler auf sprachpflegerische Neuvorschläge (Schofför).
    Das Rechtschreibwörterbuch von Ickler ist derzeit das einzige Wörterbuch der normalen Rechtschreibung, das man in jeder Buchhandlung (mit einem Tag Wartezeit) kaufen kann. Erste Ansätze einer breiteren Akzeptanz sind erkennbar durch die Aufnahme in den Katalogen von Zweitausendeins (übrigens zeitlich zusammenfallend mit der Rückkehr zur normalen Rechtschreibung in den folgenden Merkheften) und jüngst bei Manufactum („Es gibt sie noch, die guten Dinge“...).


Aus all dem ergibt sich: Eine Notwendigkeit für Sie, ein eigenes Wörterbuch zu erstellen, dürfte kaum gegeben sein.
    Ihr Vorschlag, Reformkritiker und Reformer sollten sich doch gegenseitig erst einmal die Güte ihrer und die Mangelhaftigkeit der jeweils anderen Rechtschreibung „beweisen“, geht leider an den tatsächlichen Gegebenheiten völlig vorbei (im übrigen ist dieser Beweis in hinreichender Form von Ickler erbracht worden, z. B. durch seinen Kommentar zur amtlichen Neuregelung, dann auch durch zahlreiche Zeitungsartikel und Beiträge auf dieser Seite). Selbst ein so einleuchtender Beweis, wie eine landesweite Abstimmung über die verschiednen Konzepte, wird von den die Reform betreibenden Kräften vom Tisch gewischt, als sei das nichts. Ich von meiner Seite verspüre nicht das Bedürfnis, mich mit solchen Despoten noch an einen Tisch zu setzen.
    In gleicher Weise wird auch die Duden-Redaktion nicht daran denken, zum heutigen Tage ihre traditionelle Rechtschreibung, d. h. ihren Duden aus dem Jahre 1991, fachmännisch zu verteidigen – warum sollte sie das?



Matthias Dräger
Auf dem Hähnchen 34, 56329 St. Goar

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Norbert Schäbler
04.02.2001 23.00
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Von der GZS zur GKS: Fragen zu Bindestrichschreibungen

Lieber Herr Professor Ickler!
Entschuldigen Sie, wenn ich zu Beginn der Diskussion über die Groß- und Kleinschreibung (GKS) gleich spezielle Fragen stelle. Meine Fragen dienen möglicherweise auch der Überleitung vom Bereich der Getrennt- und Zusammenschreibung (GZS) zur GKS.
Es geht um Bindestrichschreibungen.

Unabhängig von der durchaus sehr ernstzunehmenden Diskussion über die Verwendung bzw. Tabuisierung von Anglizismen und sonstiger Fremdwortanhäufungen muß der Bereich geregelt werden, denn rigorose Eingriffe des Staates oder selbstauferlegte Zwänge und Vermeidungstaktiken schränken die Vielfalt des Schreibens ein. Um Freiheiten und Alternativen sollte es jedoch auch im Bereich der GKS gehen.

Konkret:
Wie sind folgende substantivische Zusammensetzungen (Wortgruppen...) zu regeln?
„Aftershavelotion, Desktoppublishing, Do-it-yourself-Manie, Stand-by-Funktion, New-York-Philomenic-Orchestra, X-Y-Z-Trio, Ami-go-Home-Rufe, Top-come-back…
Kann man dafür Faustregeln oder zumindest vage Anleitungen erstellen?

Wie sind daneben folgende Attribute zu behandeln, die ich hier grammatisch zweifelhaft darstelle? (Insbesondere Zusammensetzungen mit Eigennamen bereiten hier Schwierigkeiten)
...ein Auto-fahrender 18-Jähriger, ein Goethe-typisches Zitat, Gauß-gerechte Notenverteilung,
ein Armstrong-reifes Trompetensolo – daneben Ohmsches (Ohm’sches) Gesetz...



Norbert Schäbler
Hösbach

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Norbert Schäbler
04.02.2001 23.00
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Statuten sind zu eng geschnürt!

Lieber Herr Riebe!
Mit den von Ihnen zitierten Vereinsstatuten kann ich mich als Vereinsmitglied nicht mehr vorbehaltlos identifizieren. Zwar erkenne ich an, daß die altbewährte Schreibung in nahezu allen Bereichen der vom Staate verordneten Neuregelung weit überlegen ist, und ich beharre – trotz Urteil des Bundesverfassungsgerichtes – darauf, daß es dem Staat nicht erlaubt sein kann und darf, in die Sprachentwicklung einzugreifen, doch sehe ich andererseits Änderungsbedarf in erheblichem Umfang.
Diese Einsicht war zum Zeitpunkt der Vereinsgründung (1997) noch nicht in dem Maße vorhanden, denn seinerzeit postulierten wir Vereinsgründer, daß man Fehlentwicklungen nach bewährter Dudenpraxis „behutsam auskämmen“ müsse.
Heute stellt sich dies jedoch anders dar, denn mit einem „behutsamen Auskämmen“ sind die Bereiche der GSE und GKS nicht zu regeln, weil dies zu Einzelfestlegungen und zu mutwilliger Lizenzvergabe führen würde.
Mit allem Nachdruck unterstütze ich daher die Änderungsmethode von Prof. Ickler.
Bei ihm steht die Untersuchung der Schreibwirklichkeit – der tatsächliche Sprachusus – im Mittelpunkt. Er richtet sich nicht an Fehlerstatistiken aus, wie es die Reformer getan haben, und die – wie bekannt – angetreten waren, die Großschreibung als Hauptfehlerquelle zu eliminieren. Prof. Ickler zeichnet die tatsächlich existenten Schreibalternativen auf, und er bedient sich dabei repräsentativer Textcorpora, nämlich    der    journalistischen Schreibpraxis vor der Rechtschreibreform.   
Als Reformkritiker haben wir stets gegen mutwillige Eingriffe und gegen die Entstehung einer künstlichen Schriftsprache angekämpft. Wir haben gefordert, daß die Schreibwirklichkeit das Maß aller Dinge sein muß.

Sehr geehrter Vereinsvorsitzender!
Sie sollten unbedingt einsehen, daß Professor Ickler genau dieses Maß getroffen hat, und sie sollten sich als oberster Diener des Vereins von der Fesselung allzu eng formulierter Statuten befreien.    Dabei hoffe ich, daß Sie sich bei der von Professor Ickler initiierten Diskussion über den Bereich der Groß- und Kleinschreibung (GKS) nicht wieder als „Bremser“ bestätigen.
             Und dabei rede ich nicht der Meinungsfreiheit das Wort, sondern jeglicher ideologischer Verzerrung bzw. satzungsgemäßer und statutenbezogener Selbsteinengung.



Norbert Schäbler
Hösbach

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Theodor Ickler
03.02.2001 23.00
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Nicht vergessen

In drei Tagen soll die konstituierende Sitzung des „Beirats für deutsche Rechtschreibung“ statfinden. Vielleicht ist es jemandem möglich, sich nach Mannheim zu begeben oder sich in anderer Weise darum zu kümmern? Aus der Einladung, die ich hier noch einmal wiedergebe, geht hervor:
1. Nur die deutsche Hälfte der Kommission berichtet dem Beirat, weil dieser nur von deutscher Seite getragen und beschickt wird.
2. Anstelle des Bundesinnenministeriums, das eigentlich zuständig wäre, tritt der neue Kulturstaatsminister in Aktion, wahrscheinlich vertreten durch Ministerialrätin Palmen-Schrübbers, die schon unter Kanther für das BMI tätig und maßgeblich an der Durchsetzung der Reform beteiligt war. Diese Kompetenzverschiebung (es geht um die Amts- und Behördensprache!) ist erklärungsbedürftig.


(Abschrift)

Zwischenstaatliche Kommission für deutsche Rechtschreibung
Geschäftsstelle am Institut für Deutsche Sprache (IDS), Mannheim
Vorsitzender: Prof. Dr. Gerhard Augst


Prof. Dr. Gerhard Augst – Universität-Gesamthochschule Siegen
Fachbereich 3 – Germanistik – Postfach 101240 D-57085 Siegen

28.11.2000



Sehr geehrte Damen und Herren!

Im Einvernehmen mit dem Generalsekretär der Kultusministerkonferenz und dem Staatsminister beim Bundeskanzler lade ich zu ersten, konstituierenden Sitzung des Beirats für deutsche Rechtschreibung

am 8. Februar 2001

in das Institut für Deutsche Sprache (IDS)

ein. Als Tagesordnung schlage ich vor:

1.Eröffnung der Sitzung durch den Einladenden

2.Begrüßung durch den Hausherrn, den Direktor des Instituts für Deutsche Sprache, Herrn Prof. Dr. Gerhard Stickel

3.Ansprachen des/der Beauftragten des Präsidenten der KMK und des/der Beauftragten des Staatsministers beim Bundeskanzler

4.Bericht der bundesrepublikanischen Mitglieder der Zwischenstaatlichen Kommission für deutsche Rechtschreibung zum Stand der Arbeit und zum inhaltlichen und zeitlichen Arbeitsplan bis zum Ende der Übergangszeit 1.8.2005

5.Beratung über Aufgabe, Funktion und Arbeitsform des Beirats – weiteres Vorgehen

6.Verschiedenes



Theodor Ickler
Ringstr. 46, D-91080 Spardorf

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Gast
03.02.2001 23.00
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Die Armut und die Powerteh



Die Armut und die Powerteh

Es ist schon recht lange her, daß ich Fritz Reuters Roman „Ut mine Stromtid“ gelesen habe, aber ein Satz daraus hat sich mir unauslöschlich eingeprägt: „Die große Armut in der Stadt
kommt von der großen Powerteh her“ – mit diesen Worten beschließt Onkel Bräsig, eine der
Hauptfiguren des Romans, seine Rede.
Als ich in meiner Jugend das Buch las, hielt ich Onkel Bräsigs Logik für einzigartig, wurde aber irgendwann eines besseren belehrt: Seine Methode der kausalen Verknüpfung hat sogar
einen lateinischen Namen – „circulus vitiosus (Zirkelschluß)“ – und wird, man glaube es oder nicht, auch von Politikern, Journalisten und Fachgelehrten unserer Zeit keineswegs ver-
schmäht. Der Circulus vitiosus ist gar oft ein willkommenes und bequemes Mittel, sich über Erklärungsnöte hinwegzumogeln.
Auch bei der Formulierung und Auslegung von deutschen Rechtschreibregeln muß wohl
Onkel Bräsig hin und wieder seine Hand im Spiel gehabt haben. Sowohl im Duden als auch
in der neuen „Amtlichen Regelung“ erinnert die Verwendung der Begriffspaare Wortgruppe/
Getrenntschreibung und Zusammensetzung/Zusammenschreibung an die Armut und die Po-
werteh. So in der Richtlinie 39 der 21. Auflage des Duden: „Getrennt schreibt man alle eindeutigen Wortgruppen wie >schwanger werden<“.
Nun wäre ich zwar nie und nimmer in die Versuchung gekommen, „schwanger werden“ zusammenzuschreiben, gäbe es da nicht die neue Regel, nach der ein Adjektiv vom folgenden Verb nur dann getrennt geschrieben wird, wenn es steigerbar ist. Seit wann aber kann man den Zustand der Schwangerschaft steigern? Und warum soll man „irre werden“ neuerdings    zusammenschreiben?    Was hier als „eindeutig“ bezeichnet wird, erweist sich bei näherem Hinsehen als erklärungsbedürftig. Der Verfasser der „Richtlinie“ war sich offenkundig im klaren darüber, daß zwischen der empfohlenen Schreibweise und der neuen Regel ein Widerspruch besteht. Nun vertuscht er die fehlende Begründung mittels eines Circulus vitiosus, wohl in der Annahme, daß der Leser dies nicht bemerkt. Eine ehrliche Aussage hätte etwa so lauten müssen: „Man schreibe getrennt, wenn zwischen zwei Wörtern eine Lücke erforderlich ist. Dieses Erfordernis ist auch dann gegeben, wenn der Wortlaut von § 34 E(3)    der >Amtlichen Regelung< zu inakzeptablen Ergebnissen führen würde.“
Ein weiteres Beispiel: Wer sich dafür interessiert, warum bisherige Zusammensetzungen mit
„sein“ ( ansein, aussein, dasein, innesein) neuerdings getrennt geschrieben werden sollen,
findet in § 35 der „Amtlichen Regelung“ folgende Begründung: „Verbindungen mit >sein<
gelten nicht als Zusammensetzung. Dementsprechend schreibt man stets getrennt.“    Wem dieses Argument nicht einleuchten will, dem ist wohl kaum noch zu helfen!
Durch Zufall entdeckte ich vor einigen Tagen, daß auch dem „vorreformatorischen“    Duden
die bräsigsche Kausalität nicht fremd war. Ich schlug im Band 9    (Die Zweifelsfälle der deut-
schen Sprache, Aufl. 1972) das Stichwort „auseinander“ auf. Dort findet man einen Artikel,
der jedem wärmstens zu empfehlen ist, der sich mit der kniffeligen Problematik der Getrennt-
und Zusammenschreibung befaßt. Ich zitiere hier nur einen Satz: „Zusammen schreibt man,
wenn >auseinander< Verbzusatz ist.“
Wer mit dem Begriff „Verbzusatz“ nichts oder wenig anzufangen weiß, findet im „Duden für Zweifelsfälle“ folgende Erklärung: „Unter einem Verbzusatz versteht man den nichtverbalen Teil einer unfesten Zusammensetzung mit einem Verb als Grundwort.“ Womit auch für den, der es bisher noch nicht kapiert hatte, klargestellt ist: „Die Zusammenschreibung kommt von der Zusammensetzung her.“
Onkel Bräsig läßt grüßen!



Günter Schmickler
Südstraße 11, 53842 Troisdorf

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Manfred Riebe
03.02.2001 23.00
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Ein “ernstes Wörtchen³?

Lieber Herr Ickler!

Ich habe Lutz Götze nirgendwo als „Autorität“ bezeichnet. Wenn ich ihn zitierte, dann doch nur, weil es sich um einen Reformbefürworter handelt, der als Bearbeiter des Bertelsmann-Wörterbuches für das Rechtschreibchaos mitverantwortlich ist und nun die „Verwilderung sprachlicher Sitten und Normen“ beklagt.
Ich zitierte Ihre Schriften nur als interessante Beispiele für jene Gäste, die Ihre Bücher noch nicht kennen. Um zu beweisen, daß es eine sprachwissenschaftliche Sprachpflege gibt, müßte ich ein umfangreiches Literaturverzeichnis zusammenstellen.

Warum sollte ich mit Ihnen darüber streiten, ob Eduard Engel „Halbjude“ oder „Vierteljude“ war? Es ging mir nur nebenbei (als Fußnote am Schluß: „Übrigens“) um historische Genauigkeit und eine genaue Quellenangabe. Es kommt hin und wieder vor, daß sich Leute für meine Quellenangaben bedanken. Da Sie zufällig eine Dissertation über Eduard Engel rezensierten, wäre dies eine zusätzliche Kontrollmöglichkeit, inwieweit historisch korrekt gearbeitet wurde. Natürlich ist die Begriffsbildung absurd, doch ist sie leider auch historisch. Diese Angaben entschieden damals über Schicksale von Menschen. So berichtete unser Bundeskanzler Helmut Schmidt, habe sein Vater seine Ahnentafel gefälscht. Helmut Schmidt konnte so NS-Führungsoffizier werden.
Offenbar verhalte ich mich politisch nicht korrekt, wenn ich Nazivokabular verwende und nicht immer in Anführungszeichen setze. Eine solche politische Korrektheit schränkt m.E. die Meinungsfreiheit, ja sogar die Gedankenfreiheit ein. Ich hoffe nicht, daß dies zur Normalität wird.

Aber all das lenkt von Ihrer Aussage ab, die für mich wirklich interessant war: „Ich dagegen meine mit „Norm“ das Normale, den Durchschnitt.“ Ihre Antwort, daß ganz schlechter und sehr guter Ausdruck natur- und gaußgemäß immer selten sein wird und daß dies zur Klärung des Normbegriffs beitrage, gehört zum Allgemeinwissen und erklärt m.E. nicht Ihre liberale Auffassung von Sprachnormen. Normung erfolgt ja in der Regel, um hochwertige Produkte und nicht nur durchschnittliche herzustellen, die nicht konkurrenzfähig sind.



Manfred Riebe
Max-Reger-Str. 99, D-90571 Schwaig bei Nürnberg

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Thomas Paulwitz
03.02.2001 23.00
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“Das Lebendige Wörterbuch³

Lieber Herr Lachenmann!

Es ist schon erstaunlich, daß Sie eine harmlose Feststellung aus dem Alltag eines Historikers veranlaßt, (wieder einmal) Gehässigkeiten zu verspritzen und zu politisieren. Da setzen Sie Mentalität (Sie nennen es „Geisteshaltung“) in unverantwortlicher Weise einfach mit politischer Gesinnung gleich und provozieren politische Diskussionen. Das kann nicht der Weg sein. Daß ich bei Ihnen „völkisches Selbstbewußtsein“, das gar meine „Hauptsorge“ sei, vermißt habe, ist im übrigen eine lächerliche Lüge. Vielleicht glauben Sie sogar daran. Dann lügen Sie nicht, sondern haben es sich eingeredet. Auf jeden Fall sind die Folgen für mich ärgerlich, Sie können sich freuen. Gratuliere.

Es ist jedoch unbedingt notwendig, daß die Rechtschreibdebatte nicht zu politischen Zwecken instrumentalisiert wird, wie das immer wieder versucht wird. Lieber Herr Lachenmann, bitte versuchen Sie zumindest, dieser unbedingten Notwendigkeit Rechnung zu tragen. Ich versuche es auch. Ich vertraue auf Ihre Lernfähigkeit, da auch ich Sie für einen „herzensguten, romantischen und nicht völlig unsensiblen“ Mann halte.

Wesentlich interessanter als Ihr ewiger Kreuzzug gegen die Deutsche Sprachwelt ist die Entdeckung des Martin Gerdes, der das Riegelmann-Buch unter die Lupe genommen hat.

Die Gesetzmäßigkeiten einer steigenden Tendenz zur Zusammenschreibung aufzudecken, erscheint mir ein lohnendes Ziel. Sollte es tatsächlich solche Gesetzmäßigkeiten geben, wären sie die Grundlage einer „echten“ Schreibreform, einer Reform, die dem sich wandelnden Schreibgebrauch folgt, d.h. den Bedürfnissen und der Mentalität der Lesenden und Schreibenden, nicht der Gesinnung weltfremder Bürokraten. Damit meine ich jedoch nicht die nachträgliche Sanktionierung (das Erlauben) von z.B. Stil- oder Grammatikfehlern!

Eine „echte“ Reform sollte meiner Ansicht nach auch nicht alles auf einmal anpassen, sondern laufend in einem einzigen „Lebendigen Wörterbuch“ seinen Ausdruck finden. Professor Icklers Wörterbuch ist für mich „Das Lebendige Wörterbuch“ der Zukunft. Es wird Zeit, daß es zum allgemeinen Gebrauch ins Netz gestellt wird. Der herausgebende Verlag bräuchte sich keine Sorgen über finanzielle Einbußen zu machen. Erfahrungsgemäß wirken Netzpräsentationen eher verkaufsfördernd.

Schöne, „nicht völlig unsensible“ Grüße



Thomas Paulwitz

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Walter Lachenmann
03.02.2001 23.00
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Historiker, deren Quellen- und Gedächtnislage

Lieber Herr Paulwitz,

für einen jungen Historiker haben Sie aber ein kurzes Gedächtnis! Ihnen stehen aber – im Gegensatz zu mir – authentische Quellen zum Recherchieren unserer seinerzeitigen Diskussion zur Verfügung, denn Sie könnten ja in unserem damals havarierten Diskussionsstrang, der vermutlich irgendwo bei Ihnen im Datenfriedhof begraben liegt, nachlesen, was ich geschrieben hatte, und in welcher Weise Sie damals meine Lernfähigkeit herausgefordert haben. Wobei der Begriff der »Geisteshaltung«, das kann schon sein, wohl tatsächlich nicht aus Ihrer Tastatur stammte, sondern von einem anderen gestrengen Diskutanten, der mich im selben Zusammenhang darüber belehren wollte, daß mein Verhältnis zur deutschen Sprache wohl gestört und deshalb etwas mit meinem Selbstbewußtsein nicht in Ordnung sein müsse. Wenn ich Ihnen diesen Begriff irrtümlicherweise zuschreibe, dann mag das streng historisch gesehen nach der Quellenlage nicht standhalten, aber es liegt daran, daß die nächste Diagnose hinsichtlich meiner Persönlichkeitsstörung in unvergeßlich drastischer Form von Ihnen kam und inhaltlich auf dasselbe hinauslief. Das hat mich damals wirklich sehr, sehr betroffen gemacht. Ich hielt mich nämlich immer für einen ganz passablen Deutschen, auch wenn ich mit Anglizismen weniger Probleme habe als die Fans der Deutschen Sprachwelt.

Wir brauchen das aber nicht wieder aufzugreifen, es gehört wirklich nur am Rande in diese Diskussion, am Rande allerdings schon: Doch, doch – es ist sehr interessant, daß es immer wieder Leute gab und gibt, die Sprachliches und Ideologisches miteinander verquicken, und da ist ja auch in mancher Hinsicht etwas dran. Und die sollen das ruhig tun, dann sieht man nämlich, wie die das machen, und man weiß, worum es bei ihnen geht.

Aber lassen wir die Gewissenserforschung, denn Sie haben ja recht: Wir lernen alle immerzu weiter, denken Sie an Joschka Fischer. Das ist auch wirklich schön so, immerzu spannend und wir haben ein ganzes Leben lang Zeit für alle möglichen unterschiedlichen Erkenntnisse. Auch auf Irrwegen kann man viel lernen, vielleicht mehr, als wenn man immer im selben Katechismus liest. Hier spricht der Alt-68er.   



Walter Lachenmann
Krottenthal 9, 83666 Waakirchen

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