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Walter Lachenmann
12.01.2001 23.00
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Gemeinheit

Daß ich eine Strafe verdient habe, sehe ich zwar dunkel ein, aber was Sie mit mir treiben, lieber Herr Ickler, ist schon ziemlich gemein. Jetzt wollen Sie mich in eine Ecke drängen, in der Herr Merz sich vermutet und deshalb lauthals beteuert, auch er sei in seiner Jugend ein rechter Hallodri gewesen, Joschka dagegen ein Chorknabe.
»Rigide« hätte ich mir bisher eingebildet, müßte eine von den allerletzten Vokabeln sein, die man auf mich bezogen jemals bemühen könnte – füglich.
Ich will aber darüber nachdenken, in der Hoffnung, daß Sie über das wenige Vernünftige, das ich zur Diskussion beisteuern konnte, auch nachdenken.
Vielleicht entsteht so wirklich etwas Gescheites.
Manchmal geht es mir wie Ihnen: ich frage mich, weshalb mich der Andere nicht versteht. Drücke ich mich nicht oft genug oder nicht deutlich genug aus? Lesen wir zu schnell, denken wir zu schnell? Ich meine, Ihr Ansatz und meine »Meinung« (mehr ist das bei einem Laien wie mir ja nicht) könnten durchaus zusammenpassen.
Das walte Gott.
Vielen Dank, Herr Jansen, für den Buchtip.



Walter Lachenmann
Krottenthal 9, 83666 Waakirchen

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Norbert Schäbler
12.01.2001 23.00
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Konkrete Fragen, nebst kleiner Bitte

Warum haben die Rechtschreibreformer im Konzept, das als sog. Wiener Absichtserklärung bekannt wurde, das Merkmal der Betonung abgeschafft, das der Duden bis dato als Unterscheidungskriterium gebrauchte?
Warum hat die Rechtschreibreformkommission in ihrem Bericht im Dezember 1997 auf Seite 23 im Zusammenhang mit der GZE formuliert: „Es sei daher ratsamer, als wichtigste Kriterien die Betonung und die Geltung als syntaktisch eigenständiges Abjektiv bzw. Adverb heranzuziehen“. – ? -
Warum spielt die Betonung im Bereich der GZE inzwischen wieder eine untergeordnete Rolle?
Würde mir jemand verraten, nach welchem Taktstock ich künftig singen, musizieren und tanzen soll?
Meinetwegen!Sogar unbedingt! Schaffen wir die Taktstöcke ab! Aber eine Stimmgabel braucht man doch wenigstens, wenn man ein Lied anstimmt.



Norbert Schäbler
Hösbach

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Norbert Schäbler
12.01.2001 23.00
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GZE, GZS und BSE

Man sollte seinen Schädel freihalten (frei halten), selektiv denken. Hier die Rinder, dort der Wahn. Tut mir „Leid“, wenn ich statt eines „S“ ein „E“ gepinselt habe. Vielleicht hängt das mit meiner Aversion gegen eine „S-Anhäufung“ zusammen.
Mit GZE meinte ich die Getrennt- und Zusammenschreibung (GZS).
Eine Seuche ist sie gleichwohl.



Norbert Schäbler
Hösbach

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Theodor Ickler
12.01.2001 23.00
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Betonung

Verbzusätze sind immer betont, werden aber deshalb noch längst nicht immer mit dem Verb zusammengeschrieben. Betontheit unterscheidet manchmal (mies gemacht vs. miesgemacht), ist aber nicht zuverlässig. Deshalb haben die Reformer zu anderen Kriterien gegriffen, zum Beispiel der Steigerbarkeit, was sich aber als ebenso unhandlich erwiesen hat, oder gar zu völig willkürlichen, aber eindeutigen Kriterien wie dem Ausgang auf -ig/-lich/-isch. Um aus diesem Sumpf wieder herauszukommen, wollten sie 1997 klein beigeben und die Betonung wieder einführen. Näheres im Anhang zu meinem „Kritischen Kommentar“ (Mannheimer Anhörung).



Theodor Ickler
Ringstr. 46, D-91080 Spardorf

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Norbert Schäbler
12.01.2001 23.00
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Bitte um Kommentar (Mannheimer Anhörung) und um Stimmgabel

Lieber Herr Professor Ickler!
Falls es Ihnen, ohne großen Arbeitsaufwand, möglich sein sollte, den Kommentar zur Mannheimer Anhörung ins Netz zu stellen, bitte ich darum.
Daneben bitte ich um die „Stimmgabel“. Wenn die Taktstöcke zerbrochen sein werden, benötigt es trotzdem eines Leittons, der ein Orchester, einen Chor, letztlich ein Volk auf den Grundton einstimmt.



Norbert Schäbler
Hösbach

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Dominik Schumacher
12.01.2001 23.00
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Test ausgewählter Zeichen 128 bis 256

132 „Anführung deutsch vorne und hinten“ 147
187 »Anführung deutsch vorne und hinten als Doppelpfeil« 171
034 „Zollzeichen“ der Schreibmaschine, es soll zu deutscher An- und Abführung umgesetzt werden.
171 «Anführung französisch vorne und hinten» 187, sie sollen zu deutschen Anführungen (Doppelpfeilen hin zum Text) umgesetzt werden.
130 ‚Anführung deutsch einfach vorne und hinten‘ 145
039 ‚Minutenzeichen‘ der Schreibmaschine, es soll zu deutscher An- und Abführung einfach 130 + 145 umgesetzt werden.
146 Auslassungszeichen (Hochkomma), Beispiel: Versteh’s doch.
146 Auslass’zeichen, eingegeben als Minutenzeichen (einfaches Zollzeichen), es soll zum Hochkomma 146 umgesetzt werden.
150 Gedankenstrich (–) soll zu zwei Trennstrichen 045 umgesetzt werden.
133 Ö Elypse (drei Punkte auf einem Zeichen) soll zu drei Punkten umgesetzt werden.
Filter für Zeichen zwischen 128 und 256 sind schwierig. Es existieren mehrere Systeme nebeneinander. Die erweiterte ASCII-Tabelle ist auf dem Macintosh-Rechner durchgängig in Anwendung. html behilft sich mit Umsetzungen zu Zeichenkombinationen mit Zeichen unter 128.
Kompliziert ist die nicht homogene Umsetzung und Unerreichbarkeit der Zeichen auf dem PC.
Die angegebenen Ziffern ergeben zweifelsfreien html-Code, wenn sie mit Kaufmannsund, Doppelkreuz und Stichpunkt ergänzt werden.



Dominik Schumacher
Bad Ems

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Klaus Malorny
12.01.2001 23.00
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HTML und Sonderzeichen

Da es sehr weit weg vom Thema ist, halte ich mich kurz: HTML verwendet den Unicode-Zeichensatz (http://www.unicode.org). Daher sind Zeichen mit einem Code zwischen 128 und 159 einschließlich nicht „legal“, sie stammen aus der MS-Windows-Welt. Viele Interpunktionszeichen in diesem Bereich befinden sich ab einem Code 8192 (U+2000). Bei Fragen bitte E-Mail an mich.



Klaus Malorny
Wetter

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Gast
12.01.2001 23.00
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Umkehrschub durch Liberalisierung?



Bei der leider nicht immer ganz sachlich geführten Diskussion um die Getrennt- und Zusammenschreibung scheint mir ein wesentlicher Gesichtspunkt zu kurz gekommen zu sein: Unterschiedliche Schreibweisen – hier: mal zusammen, mal auseinander – haben letztendlich nur dann einen Sinn, wenn mit ihrer Hilfe Unterschiedliches mitgeteilt werden soll und kann. Ginge es nur darum, irgendwelche Richtlinien zu finden, an die    möglichst viele Leute sich halten, dann könnte man ja für die Getrennt- und Zusammenschreibung ganz einfach nach der Art von Aktenverwaltern das Alphabet zu Hilfe nehmen: Wortverbindungen mit den Anfangsbuchstaben A bis K auseinander,    von L bis Z stets zusammen! Den “Reformern“ mache ich den Vorwurf, daß sie zur Getrennt- und Zusammenschreibung Regeln ausgeheckt haben, die zwar wesentlich komplizierter, aber kaum sinnvoller sind als die genannte „Akteilösung“: Adjektive auf „-ig“, „-lich“ und „-isch“, Partizipien und bestimmte in einer Liste zusammengestellte Adverbien immer getrennt vom folgenden Verb, Verbindungen mit dem Verb „sein“ immer auseinander, „irre werden“ künftig zusammen – wozu soll das alles gut sein? Da sind doch, wie mir scheint, die Regeln zum Selbstzweck verkommen.

In seinem Beitrag „Statistik und andere Gesichtspunkte“ betont Professor Ickler, daß er die Zusammenschreibung grundsätzlich für die modernere und der Entwicklungstendenz entsprechende Möglichkeit hält. Da pflichte ich ihm voll und ganz bei, aber nicht etwa, weil ich grundsätzlich alles „Moderne“ für besser als das „Alte“ ansehe, sondern weil die vermehrte Zusammenschreibung    Ausdrucksvielfalt und Genauigkeit unserer Schriftsprache gefördert hat, also einen echten Fortschritt darstellt. Ich möchte dies anhand folgenden Beispiels illustrieren: „Rechts fährt ein Mercedes, links ein VW, dazwischen fährt ein Opel“, aber „Als die beiden sich wieder einmal zankten, bin ich dazwischengefahren“. Sowohl die herkömmliche als auch die reformierte Orthographie schreiben verbindlich vor, daß der Wortsinn „sich einmischen“ durch das Mittel der Zusammenschreibung herausgestellt wird. Nun das für mich Verblüffende: Nach Professor Icklers „Deutscher Einheitsorthographie“ ist es in letzterem Falle freigestellt, getrennt oder zusammenzuschreiben. Wenngleich    er der Zusammenschreibung den    Vorzug gibt, stellt er    in seinem Beitrag im „Gästebuch“    fest, daß auch die Auseinander-schreibung dieses Verbs überhaupt nicht auffallen würde. Hier setzt mein Widerspruch und meine Kritik an: Die Auseinanderschreibung müßte sehr wohl jedem auffallen, für den „dazwischenfahren“ die Bedeutung „sich einmischen“ hat. Wäre die Auseinanderschreibung, wie Professor Ickler meint, „unauffällig und unschädlich“, da ohnehin jedermann darüber hinweglesen würde, dann hätte die Zusammenschreibung jeglichen Sinn verloren und könnte auch keine „bessere Lösung“ sein! Darüber hinaus erkennt Professor Ickler in manchen Fällen die bedeutungstragende Funktion der.Zusammenschreibung nicht an. Sein Wörterbuch stellt es dem Benutzer frei, „fallenlassen“ oder „fallen lassen“ zu schreiben,    gleichgültig    ob von einem Politiker oder einer Vase die Rede ist. So folgere ich, daß die von Professor Ickler vorgesehene    Liberalisierung der Getrennt- und Zusammenschreibung    der von der Rechtschreibreform bevorzugten Getrenntschreibung weiteren Auftrieb geben würde. War bisher noch von einer „Entwicklungstendenz zur Zusammenschreibung“ die Rede, so würde es jetzt wahrscheinlich zu einem „Umkehrschub“ kommen. Die „besseren“ Schreibweisen werden sich ohne verbindliche Normierung und ohne angemessenen didaktischen Aufwand weder durchsetzen noch beibehalten lassen. Leider ist der Mensch von Natur aus so veranlagt, daß er sich im Zweifelsfalle eher für die bequeme re als für die vernünftigere Möglichkeit entscheidet. Ich kann auch    die Besorgnis Professor Icklers nicht teilen, durch weitgehende Normierung der Getrennt- und Zusammenschreibung würden Unmengen von Einzelfestlegungen produ- ziert,die unsere Schüler über Gebühr belasten. Die Zahl der wirklich kniffligen Rechtschreibprobleme mag relativ hoch sein, wenn man sie möglichst vollständig in einem Wörterbuch erfassen und beantworten muß. Eine völlig andere Größenordnung ergibt sich, wenn man sich unseren alltäglichen Schriftverkehr und selbst anspruchsvolle Texte anschaut. In der Praxis ist es nur eine verschwindend kleine Zahl von Wortverbindungen, die uns Kopfzerbrechen bereiten.Wenn jemand es mit der Rechtschreibung sehr genau nehmen will oder muß, ist ihm durchaus zuzumuten, hin und wieder    ein Wörterbuch zu Rate zu ziehen. Einige ärgerliche Willkürlichkeiten der herkömmlichen Orthographie – dazu zähle ich das auch von Professor Ickler beanstandete „ernst nehmen“ –    sollten freilich beseitigt werden, selbst wenn man ausnahmsweise einige Festlegungen einführen müßte, die vom „Usus“ nicht legitimiert sind. Das wäre doch allemal besser, als die Willkür auch in einem    Bereich einreißen zu lassen, in dem es bisher noch einigermaßen geordnet zuging.

Im übrigen ist die deutsche Orthographie trotz einiger Schwierigkeiten mit der Getrennt- oder Auseinanderschreibung und der Groß- oder Kleinschreibung immer noch wesentlich einfacher als die französische, die englische oder gar die irische,    von Chinesisch oder Japanisch ganz zu schweigen.

Günter Schmickler



Günter Schmickler
Südstraße 11, 53842 Troisdorf

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Manfred Riebe
12.01.2001 23.00
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Der Stein des Anstoßes: die Fakultativschreibung

Lieber Herr Professor Ickler!

Sie haben die „Schulmeister“ gebeten, zu Ihren Argumenten Stellung zu nehmen.

Eingekapselte Denkweise

Wenn Sie in Bezug auf bestimmte Reformkritiker behaupten, die „Denkweise des Schulmeisters“ sei „eingekapselt“, dann handelt es sich um ein Vorurteil. Genauso gut könnte man behaupten, die Denkweise der schweigenden Hochschulgermanisten sei im Elfenbeinturm „eingekapselt“. Dieses Schweigen zu Ihrem Wörterbuch ist blamabel. Außer einigen oberflächlichen Lobhudeleien hat sich auf dieser Netzseite nur ein einziger Germanist, Professor Wilfried Kürschner, öffentlich kritisch geäußert.

Grundbedürfnis nach Schreibsicherheit

Stephanus Peil nennt die Schlüsselfrage all derer, die ein Rechtschreib-Wörterbuch aufschlagen: „Wie wird das Wort richtig geschrieben?“ Warum aber mißtrauen Sie dem Wunsch von Schreibern und Schreibberuflern nach eindeutigen Auskünften über die richtige Schreibung? Es liegt ein weitverbreitetes Grundbedürfnis nach Schreibsicherheit vor. Beispiele: 1. Die von den Reformern Ende 1997 geplante Reform der Reform. 2. Der Praxisduden von 1998 zeigt, daß die Variantenschreibung des reformierten Duden von 1996 nicht allen Wünschen der nachfragenden Schreibberufler nach Eindeutigkeit genügte.

Keine Dudenhörigkeit, sondern Reform- und Zeitungsgläubigkeit

Sie behaupten: „Alle machen alles ständig falsch, und keiner merkt es!“ Ich glaube nicht an ein solche blinde Dudengläubigkeit; denn wenn es so wäre, hätte es keine Rechtschreibreform gegeben. Seit das Duden-Privileg 1996 aufgehoben wurde, gibt es verschiedene Wörterbücher, die miteinander konkurrieren. Daher ist Ihre Behauptung, daß es dudenhörige Reformgegner gebe, realitätsfremd. Ihre Behauptung: „Man betrachtet den Duden als allwissend und als absolut verbindlich,“ trifft für die meisten Reformkritiker unseres Vereins nicht zu. Daß es aber in der Bevölkerung trotz Information und Aufklärung immer noch eine gewisse Dudengläubigkeit gibt, ist auf den früheren guten Ruf der Dudenredaktion und die Tatsache zurückzuführen, daß es kein leistungsfähigeres für den Schulgebrauch zugelassenes Wörterbuch gibt. Diese Dudengläubigkeit hat aber auf Grund der aufgedeckten Mängel sicherlich stark abgenommen.
Heute gibt es eher eine Reform-, Schul- oder Zeitungsgläubigkeit. Heute nehmen neben den Reformern und den Wörterbüchern auch die Nachrichtenagenturen, die Presse und Korrekturprogramme als Big Brother Einfluß auf den allgemeinen Sprachgebrauch. Der stellvertretende Chefredakteur der Mainpost schreibt, die Mainpost verwende ein „Rechtschreibung, die an fast allen Schulen gelehrt und von so gut wie allen deutschsprachigen Agenturen und Zeitungen nachvollzogen wird. ... Wir erachten es als relevant für die Gesellschaft, die Rechtschreibung zu nutzen, die in unseren Schulen gelehrt wird.“

Kein ständiges Nachschlagen wegen der Getrennt- und Zusammenschreibung

Sie zeichnen das Horrorbild, man müsse wegen des Problems der Getrennt- und Zusammenschreibung in Tausenden von Fällen ständig nachschlagen. In Wirklichkeit spielt die Problematik der GZS im alltäglichen Wortschatz eine verschwindend geringe Rolle.

Fakultativschreibung fördert die Getrenntschreibung der Rechtschreibreform

Mit Ihrer Fakultativschreibung bieten Sie keine Antwort auf die Frage an: „Wie wird das Wort richtig geschrieben?“, sondern bürden dem Schreibenden die Entscheidung auf. Sie bieten Ihre Rundbögen als Ei des Kolumbus an:
„Der Bogen    _    kennzeichnet Wortverbindungen, die in bestimmten Stellungen zusammengeschrieben werden können: kalt_stellen = kaltstellen oder kalt stellen.“ (S. 69. Die Rundbögen werden hier mit einem Unterstreichungsstrich dargestellt).
In der Entwurf-Fassung von 1999 hieß es noch: „Der Bogen    _    kennzeichnet Gewohnheitsgefüge, die in bestimmten Stellungen zusammengeschrieben werden, ohne daß die Getrenntscheibung falsch wäre: kalt_stellen = kaltstellen oder kalt stellen.“ (S. XXXI). Diesen Hinweis findet man in der 1.Auflage von 2000 auf S. 17: „In anderen Fällen ist Zusammenschreibung nur mehr oder weniger üblich. Getrenntschreibung ist dann nicht falsch, Zusammenschreibung aber oft besser.“

Durch Ihre Fakultativschreibung sanktionieren Sie die Presse-Orthographie, die sich nach der Getrenntschreibungsregel der Rechtschreibreform richtet. Durch Ihre Zulassung der Getrenntschreibung kommt es zu einem orthographischen Rückschritt. Deshalb sind Ihre Rundbögen der Stein des Anstoßes.

Sprachimmanente Entscheidungskriterien für sinnvolles Schreiben

Genauso wichtig wie die Frage, wie man schreibt, ist die Frage, warum man so und nicht anders schreibt. Der Untertitel Ihres Wörterbuches heißt demzufolge: „Sinnvoll schreiben ...“, d.h. unter Einsatz seiner Sinne zu schreiben, z.B. mit dem Verstand und dem Hörsinn. Ihrer Meinung nach bedeutet ein Rechtschreibwörterbuch zweierlei: Bestandsaufnahme und Ratgeber. Rechtschreiben heiße aber nur „schreiben wie die anderen, nichts anderes.“ Aber um welche Bestandsaufnahme geht es? Was soll registriert werden? Sie wollen feststellen, wie die anderen schreiben, indem Sie umfangreiche vom Zufall abhängige Zeitungstexte computergestützt nachprüfen (S. 13). Wie sieht diese Nachprüfung aus? Aus Ihrem Wörterbuch geht nicht hervor, daß Sie in jedem einzelnen Fall auf den Satzzusammenhang und damit auch auf die Bedeutung und die Betonung achten. Dadurch kommen Sie zu Entscheidungen, die nicht stichhaltig begründet sind. Zugleich werfen Sie aber das sprachimmanente Entscheidungskriterium der Betonung, das der Duden bis zur 20. Auflage verwendete, als „nicht richtig“ auf den Müll (S. 10 f.). Im Widerspruch dazu heißt es aber wiederum bei Ihnen: „Verbzusätze tragen bei neutraler Satzbetonung den Hauptakzent: aneinanderhängen, aber aneinander hängen (...) Ist das Verb bereits mit einem Zusatz versehen, so zieht ein zweiter Zusatz nicht den Hauptakzent auf sich: wiederherstellen. (S. 35). Im Ergebnis aber werden durch Ihr Konzept der fakultativen Zusammen- oder Getrenntschreibung (S. 37, 69) die Betonung und Bedeutung als Unterscheidungskriterien vernachlässigt, so daß die Benutzer irregeführt werden und die Schreibweise dem „Kommissar Zufall“ und damit der Beliebigkeit überlassen wird.

Es geht aber bei der Schriftsprache um einen Kommunikationsprozeß, d.h. auch um den Transformationsprozeß des gesprochenen oder gedachten in das geschriebene Wort. Wer diese Übertragung falsch macht, schreibt auch falsch. Solche Übertragungsfehler kommen erfahrungsgemäß auch bei Zeitungstexten vor. Am Anfang war das Wort und nicht die Schrift. Fast völlig ausgeklammert wird bei Ihnen, dadurch daß Sie Ihre nicht aussagekräftigen statistischen Erhebungen zur Entscheidungsgrundlage machen, was Sprache wirklich ausmacht, die mündliche Sprache, die Betonung und die Bedeutung eines Wortes im Satzzusammenhang. „Es kommt in der Sprache alles auf den Zusammenhang an.“ Wilhelm E. Süskind: Vom ABC zum Sprachkunstwerke. Eine deutsche Sprachlehre für Erwachsene. München: dtv 1965, S. 15. Der freie Blick auf die Sprachwirklichkeit darf nicht durch starre Statistiken über richtig und falsch geschriebene Pressetexte eingeengt werden.

Die Betonung als „Geländer“ für die Zusammen- und Getrenntschreibung

Die richtige Schreibweise ist in den meisten Fällen allein anhand der Betonung zu erkennen. Die Zahl der Zweifelsfälle ist relativ gering. Sie meinten aber am 11.01.2001: „Die Betontheit ist kein hinreichendes Kriterium, es gibt unzählige anerkannte Getrenntschreibungen trotz Betontheit des Zusatzes. Auch bei „geschlossen lassen“ oder „getrennt schreiben“ wird der erste Teil betont.“ Wolfgang Mentrup weist auf die zentrale Bedeutung der Betonung für die Zusammen- und Getrenntschreibung hin: „In der Regel zeigt ein Hauptton auf dem ersten Bestandteil einer Fügung Zusammenschreibung an, aber Betonung beider Bestandteile Getrenntschreibung.“ Da in Ausnahmefällen aber die Betonung nicht immer eindeutig zu erkennen ist, empfiehlt Mentrup nur für diese Zweifelsfälle die Getrenntschreibung. „Wenn zwei gedanklich zusammengehörende Wörter ihre volle Bedeutung und damit ihre Selbständigkeit bewahrt haben, sollte an sie getrennt schreiben.“ (Wolfgang Mentrup: Die Regeln der deutschen Rechtschreibung. Mannheim: Dudenverlag, 1968, S. 130 f.) Damit stützt sich Mentrup auf die rein sprachlichen Entscheidungskriterien der Betonung und Bedeutung. Daher befindet sich Mentrup mit der Zusammenschreibung auf der Linie der Sprachentwicklung. Daher geht es auch nicht mehr um die Frage, ob eine Schreibung dudengemäß ist oder nicht; denn in den meisten Fällen kann jedermann an der Betonung erkennen, wie er schreiben muß. Die Betonung ist für Lehrer wie Stephanus Peil ein „Geländer“, für Norbert Schäbler ein „Stützbalken“. Sie und die Reformer entfernen dieses Geländer, ohne einen Ersatz anzubieten und meinen am 13.01., man könne das Gebrauchen oder Nichtgebrauchen der Getrennt- oder Zusammenschreibung getrost den Schreibenden überlassen. Das ist keine wirkliche Hilfe, sondern Laisser-faire. Verleger Walter Lachenmann hat recht, wenn er schreibt, daß dadurch auch fragwürdige Schreibpraktiken einen offiziösen Charakter erhalten.

Auch ein Lehrer kann beim Korrigieren nicht ständig im Wörterbuch nachschauen. Hat er das Geländer „Betonung“ als Entscheidungskriterium, dann wird er „zufriedenstellen“ nicht getrennt, sondern zusammen schreiben. „Zufrieden stellen“ ist demnach falsch, weil durch die Verbindung „zufriedenstellen“ ein eigenständiger Begriff entstanden ist. Nur ein Lehrer, der im Unterricht das Kriterium der Betonung vernachlässigt hat, muß die Schuld bei sich suchen. Christian Melsa schreibt am 13.01. ganz richtig: „Zusammenschreibung ist in genau den Situationen besonders anzuraten, in denen die Getrenntschreibung die sofortige Eindeutigkeit der Satzaussage abschwächt oder sogar verschleiert. (...)Wahrscheinlich sollte man sogar noch einen Schritt weiter gehen und darauf hinweisen, daß auch in einem Kontext, in dem die Getrenntschreibung keine direkte Unklarheit bewirkt, Zusammenschreibung zu empfehlen ist, da sich so in den allermeisten syntaktischen Stellungen die dem Leser aus anderen Situationen (Vermeidung von Mißdeutungen, s.o.) vertrauten Wortbilder schneller auffassen und verarbeiten lassen. Das begünstigt den Lesefluß. Dies nun ist also wichtig, um IRRITATIONEN beim Lesen zu vermeiden. (...) Zu Ökonomie oder auch Effizienz bzw. Lesekomfort gehören zudem weiterhin, daß Wortgruppen, die als Sinneinheiten gedacht sind, als solche bequemer und schneller aufgenommen werden, wenn sie zusammengeschrieben sind“ Das ist sinnvoll und vernünftig.

Vernichtung von Wörtern durch die Getrennschreibung

Sie schrieben am 11.01.2001: „Die heftige Kritik an der Getrenntschreibung kann ich nicht nachvollziehen. Welche Begründung ließe sich dafür geben? Der bloße Verweis auf die bisherige Dudenregel genügt mir nicht.“ Diese Frage nach dem Warum ist in Ihrem Wörterbuch ebenfalls nicht beantwortet.

Der Musikjournalist Dr. Diether Steppuhn schrieb am 12.12.2000 an die Mainpost, es sei eine
Verarmung der Sprache, wenn sinnvolle Wörter wie „zulassen“ (in beiden Bedeutungen, also sowohl „geschlossen bleiben“ als auch „erlauben“) oder „wiedersehen“ plötzlich nicht mehr existieren. Alle Wörterbücher sind sich einig, daß „zulassen“ in allen Bedeutungen zusammengeschrieben wird. Warum soll man diese eindeutige Schreibweise zerstören und alternativ bzw. fakultativ eine Getrenntschreibung zulassen, so daß aus der Eindeutigkeit eine Zweideutigkeit wird und der Leser durch die falsche Betonung verwirrt und irregeführt wird und stutzt?

Reformer sehen Lösung im Kriterium der Betonung

Eben sehe ich, daß Norbert Schäbler sehr interessante Fragen stellt, denen ich mich anschließe:
1. „Warum haben die Rechtschreibreformer im Konzept, das als sog. Wiener Absichtserklärung bekannt wurde, das Merkmal der Betonung abgeschafft, das der Duden bis dato als Unterscheidungskriterium gebrauchte?
2. Warum hat die Rechtschreibreformkommission in ihrem Bericht im Dezember 1997 auf Seite 23 im Zusammenhang mit der GZS formuliert: „Es sei daher ratsamer, als wichtigste Kriterien die Betonung und die Geltung als syntaktisch eigenständiges Abjektiv bzw. Adverb heranzuziehen?
3. Warum spielt die Betonung im Bereich der GZS inzwischen wieder eine untergeordnete Rolle?“
Sie antworteten darauf, daß sich das Kriterium der Steigerbarkeit als untauglich erwiesen habe und daß die Reformer deshalb seit 1997 die Betonung wieder einführen wollen. Näheres im Anhang zu Ihrem „Kritischen Kommentar“ (Mannheimer Anhörung).

Wenn man wieder auf die Betonung achtet, dann werden „(sich) sattessen“ oder „sattessen“, „ernstnehmen“ eben wieder zusammen geschrieben. Das „plattgemacht“ Herrn Dörners muß ebenfalls zusammen geschrieben werden. Nur weniger sprachsensible Leser überlesen das getrennt geschriebene Wort »platt machen«. Folgt man seinem Sprachgefühl, d.h. hier der Betonung, dann ist die Schreibweise klar.

Zwischen der starren Dudenfestlegung „fertigstellen“ und der ebenso starren Reformerfestlegung „fertig stellen“ steht die (Icklersche starre) Sprachwirklichkeit: „fertigstellen/fertig stellen“. Tatsächlich muß aber auf Grund der Betonung nur „fertigstellen“ zusammen und nicht getrennt geschrieben werden.

Der Teufelskreis der Fakultativschreibung

Völlig unverständlich ist mir Ihre Begründung für Ihr Festhalten an der Fakultativschreibung

1. Das statistische Material berechtige nicht zu Einzelfestlegungen
2. Entschiede der Lexikograph im Sinne der ‚Eindeutigkeit‘ bei jedem Wort, ob es getrennt oder zusammenzuschreiben sei, dann müßte man jedesmal nachschlagen. (S. 13):
3. Ich bitte jeden Interessierten, sich den ungeheuren Gewinn an Ökonomie der Darstellung (und des Lernaufwandes) klarzumachen, der durch mein Verfahren erreicht ist, und dagegen die „Kosten“ jeder anderen Lösung gut abzuwägen! (13.01.)

Sie befinden sich hier in einem Teufelskreis:
Sie meinten irrtümlich, die statistischen Auswertungen könnten zu einer eindeutigen Entscheidung führen. Ihre nur scheinbar unangreifbare empirische Basis ist recht zweifelhaft, weil sie sich zum einen nur auf Schriftlichkeit anstatt auf sprachimmanente Kriterien stützt und zum anderen auf einen Teil der Presseorthographie, deren Qualität ohnehin kritikwürdig ist.
Da Sie aber sprachimmanente Kriterien ablehnten, wichen Sie auf die Fakultativschreibung als eine Notlösung aus. Die fatale Folge der Fakultativschreibung ist die Beliebigkeitsschreibung, wie sie sich bereits in der Presse-Orthographie zeigt. Auch in Ihrer Argumentation zeigen sich die Folgen des Dogmas der Fakultativschreibung. Sie schreiben, die Getrenntschreibung sei unauffällig, man lese darüber hinweg, ohne etwas zu merken.

Die Lösung des Problems

1. Der Ausweg aus diesem Teufelskreis ist die Rückkehr zu den bewährten sprachimmanenten Entscheidungskriterien, die auch dem Duden bis zur 20. Auflage von 1991 recht gute Dienste leisteten. Nur dann gelangt die Rechtschreibung auf dieselbe Ebene wie die Semantik, Grammatik und Stilistik.
2. Bei der Bewertung (nicht bei der Korrektur) von Rechtschreibfehlern im Bereich der Getrennt- und Zusammenschreibung sollten Lehrer bei grammatisch möglichen Konstruktionen in Zweifelsfällen tolerant sein.



Manfred Riebe
Max-Reger-Str. 99, D-90571 Schwaig bei Nürnberg

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Christian Melsa
12.01.2001 23.00
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Einfach die Lücke füllen

Die von Günter Schmickler geäußerte Befürchtung des »Umkehrschubs« ist in der Tat nicht ohne. Zum einen wird die Reformschreibe in den Medien sicherlich ihre Spuren im Sprachempfinden der Allgemeinheit hinterlassen, so daß zumindest die Unsicheren einem gewissen Trend der Getrenntschreibung verfallen dürften, der entgegengesetzt dem Sprachfortschritt verläuft. Schon jetzt ist da ein ziemlicher Chaos ausgebrochen.

Denn zum anderen ist die Empfehlung »im Zweifelsfall zusammen« auch insofern praxisbezogen unrealistisch, als der Normalfall natürlich immer ist, daß Wörter durch Zwischenräume getrennt sind. Wenn man dann auch noch sagt »aber getrennt ist in keinem Fall wirklich falsch« (sondern höchstens ungewöhnlich), ergibt sich daraus logischerweise die Tendenz des unsicheren Schreibenden, sich für ebendiese Möglichkeit zu entscheiden – denn so ist das Risiko am geringsten, etwas falsch zu machen. Zumal er demgegenüber bei der Zusammenschreibung tatsächlich wirkliche Fehler produzieren kann, falls er keinen Begriff davon hat, welche Gründe eine Zusammenschreibung motivieren können (bzw. sollten).

Deswegen müßte man dem Ratsuchenden eben den Rat geben, den er sucht: Wenn ich bei diesem oder jenem Wort die Wahl habe zwischen zusammen oder getrennt, welche Kriterien sollten meine Wahl dann bestimmen? Von einer beliebigen Wahl zwischen gleichwertigen Optionen kann ja nicht unbedingt die Rede sein.

Professor Ickler kritisiert selbst die Verwendung des Begriffs »gelegentlich« in bezug auf den Genitivapostroph, damit könne man nichts anfangen. Aber für einen Unkundigen ist es genausowenig hilfreich, wenn es wie in seinem Rechtschreibwörterbuch auf S.17 heißt: »In anderen Fällen ist Zusammenschreibung nur mehr oder weniger ÜBLICH. Getrenntschreibung ist dann nicht falsch, Zusammenschreibung aber oft besser.« Wann ist es aus welchen Gründen wie üblich? Warum ist Zusammenschreibung wann besser als Getrenntschreibung? Hier besteht für den Ratsuchenden eben noch ein Vakuum, das durch das Buch nicht aufgefüllt wird. Auch wenn es heißt »Im Wörterverzeichnis findet man genauere Angaben.«, so ist dort meist nur nebst dem Rundbogen ein Verweis auf Paragraph 10 des Regelteils gegeben, der für die Kernfrage des Umgangs mit dem nun gerade vorliegenden Einzelfall immer noch nicht ausreichend Hilfestellung gewährleistet – falls man nicht ohnehin schon genügend Schreibsicherheit hat.

Die wenigen Anmerkungen, auf die es da eigentlich nur ankäme, wie ich sie in meinem letzten Beitrag schon teilweise gemacht habe, müßten nicht »an jeder Stelle stehen« und oft wiederholt werden – der Paragraph 10 wird ja auch nicht immer in voller Länge im Wörterverzeichnis zitiert. So viele Mechanismen, die zur Zusammenschreibung (de)motivieren können, gibt es nun auch nicht, der Schreibende begegnet im Grunde genommen immer wieder den gleichen, die natürlich zugegebenermaßen einander widerstreiten, deswegen ist der Bereich ja so schwer regulierbar und deswegen müßte man dem Schreibenden die Mündigkeit zur Entscheidung verleihen. Mein Vorschlag war daher auch, die entsprechenden Hinweise in der »Anleitung zum rechten Schreiben« unterzubringen. – Ja, ich weiß, die nennt sich im vollen Wortlaut »kurze Anleitung...«, doch ich meine, die nötigen Ergänzungen ließen sich hinreichend knapp formulieren.

Und natürlich wird es auch immer wieder mißdeutbare Texte geben; statt »wie_viele« zu benutzen, ließe sich die Beispielsatzaussage in diversen Paraphrasen abbilden. Aber wenn man so will, könnte man auf die Zusammenschreibung dann auch gleich ganz verzichten, das würde alles maßlos vereinfachen. Dann sollte man bestimmte Formulierungen halt meiden. Mit solchen Argumenten könnte man auch für die vollständige Abschaffung der Groß-/Kleinschreibung und noch so manches mehr plädieren.

Wenn nun aber durch den erwähnten Umkehrschub faktisch doch mehr Getrenntschreibung zu erwarten ist, dann wird man wohl erwarten müssen, daß solche wenn schon nicht total mißverständlichen, so doch unnötig irritierenden Schreibungen trotzdem immer wieder auftauchen werden, weil dem Schreiber nicht immer ganz bewußt ist, daß man seine Formulierung auch anders aufschlüsseln könnte als er sie meint.

Übrigends füren nichteinmal ein deutige Feler dazu, das ein Text totahl Unferstendlich wirt. Sie wirken allerdings wie Schlaglöcher im Fahrweg: unangenehm und störend. Doch auch über unstrittige Rechschreibfehler kann man in einem Text hinweglesen, ohne sie sofort zu bemerken. Das ist ja noch kein Grund, sie in einer Rechtschreibnorm zu akzeptieren. Wenn diese Fehler, oder seien es auch nur Schwächen, aber nun gleichsam legalisiert würden, wüchse der Störfaktor wohl schon bald an, wenn diese nun plötzlich überall (als nunmehr richtig) auftauchten. Und wo will man in einem Pressekorpus bei GZS-Fragen ahnen können, ob Getrenntschreibungen im bewußten Willen des Schreibers lagen oder ihm eher einfach nicht auffielen, da sich Wortbilder ja auch den getrennten Bestandteilen zuordnen ließen (Flüchtigkeitsfehler sozusagen)?

Die relative Verbreitung einer Schreibung ist allein noch kein Grund, sie zur Norm zu machen, also zu empfehlen, falls es andere verbreitete Schreibungen gibt, die zweifelsfrei begründbar viel besser sind.

Ach ja: Klar, Herr Ickler, »wieviele« soll man laut altem Duden nicht schreiben (darauf hatte ich ja auch selbst hingewiesen), aber ich frage mich, warum nicht. Die Zusammenschreibung ist nicht nur verbreitet, sondern auch sinnvoll, denn sie ist ein elegant schlichtes Signal für den Leser, wie er die weitere Satzgliederung zu erwarten hat. Man sollte es u.a. aus dem gleichen Grund zusammenschreiben, aus dem man z.B. auch »insofern« statt »in so fern« schreibt oder »sozusagen« statt »so zu sagen«. Das ist ähnlich, wie in der Mathematik in einem Term eine Multiplikation in Klammern zu setzen, obwohl sie zwar ohnehin Vorrang hätte, aber der Term so einfach übersichtlicher zu erfassen ist. Leseökonomie.

Daß nach Ihrem Wörterbuch »wieviele« erlaubt ist, begrüße ich daher auch. Noch besser wäre ein Hinweis, daß es »wie viele« bedeutend vorzuziehen ist, wenn man sich schon nicht dazu durchringen mag, letzteres gleich aus der Norm zu streichen (dann wäre die Abwärtskompatiblität zur alten Dudennorm natürlich dahin). Das könnte jedoch eines Tages der nächste Schritt sein, wenn die Empfehlung von der Sprachgemeinschaft allgemein angenommen worden ist.

Sie äußern weiters zu meinem Beispielsatz: »Man schreibt dann entweder zusammen oder ‚auf welche Weise viele Menschen dort leben‘ usw. Solche Tricks wenden wird doch ständig an, es wäre problematisch, die Möglichkeiten des Mißverstehens durch eine Regel der Zusammenschreibung gleichsam automatisch auszuschließen.“ Sicher, man schreibt dann am besten zusammen, und um den Schreibenden genau dazu zu bewegen, sollten die von mir angeregten Ergänzungen in der »Anleitung zum rechten Schreiben« ja dienen. Nach meiner Vorstellung sollte auch gar nicht eine »Regel« eingeführt werden, die in der Lage ist, alle diese Probleme automatisch zu beseitigen – die Suche danach würde bestimmt in die gleiche Sackgasse führen, in der die Reformer gelandet sind. Es geht hierbei darum, dem Schreibenden jenen Zweifelsraum zu veranschaulichen, der den Rundbogen nötig macht und warum es sich dabei überhaupt berechtigterweise um einen nicht festgezurrten Bereich, eben einen Zweifelsraum handelt!

Die Zurückhaltung vor dem Bereich GZS ist zwar angesichts des alten Dudens und der Reform nachvollziehbar. Aber eigentlich ist es ja nicht so, daß man gar nicht wüßte, warum man diese und jene Wörter in dieser und jener Situation zusammenschreibt. Diese Gründe müssen nur genannt werden. Das ist    doch die Aufgabe eines Buches, in dem steht, wie man schreibt.



Christian Melsa
22149 Hamburg

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Stephanus Peil
12.01.2001 23.00
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Lieber Herr Ickler!

Ich schätze Sie von Ihrer Persönlichkeit her als einen sehr umgänglichen, andere Meinungen respektierenden, friedliebenden Menschen ein.

So paßt es nicht zu Ihnen, anderen Vorschriften zu machen, wie ein Wort zu schreiben sei. Diese liberale Haltung macht Sie (für mich) sympathisch. Andererseits haben Sie (für mich) eine hohe Autorität in Sachen Rechtschreibung und ein außergewöhnlich sicheres Gespür für die »richtige« Schreibweise, die Sie wertend (wie Ihren jetzt gegebenen Hinweis auf Weglaßbarkeit des Bogens) in Ihr Wörterbuch einfließen lassen könnten (ich bin mir sicher, daß dies auch in den zukünftigen Auflagen geschehen wird). Ich glaube, Herrn Riebes/Schmicklers/Schäblers/Lachenmanns/Melsas ... und meine früheren Kommentare als einen Hilfeschrei deuten zu müssen, daß Sie doch endlich Position ergreifen mögen für eine favorisierte, vom schreibenden Volk oder zumindest von den gebildeten Erwachsenen anerkannte Schreibweise. Sicherlich würden Sie persönlich Schreibweisen wie »plattmachen«, »fertigstellen« oder »richtigstellen«, »mit Hilfe« und »zur Zeit« den anderen Möglichkeiten vorziehen, aber diese Favorisierung, die dem heutigen Schreibgebrauch am nächsten kommt, wurde in den beiden ersten Auflagen eben leider nicht gekennzeichnet.

Sie schreiben zwar auf S. 17: »Getrenntschreibung ist dann nicht falsch, Zusammenschreibung aber oft besser. Im Wörterverzeichnis findet man genauere Angaben.« Diese genaueren Angaben im Wörterverzeichnis haben Sie bisher aber vermissen lassen. Sie haben sie jetzt – Gott sei gelobt und gepriesen – nachgereicht. Ich bin mir sicher, daß Sie diese, von den meisten Mitdiskutanten dieser Seite erwartete Wertung in den nächsten Auflagen deutlicher vornehmen werden.

Bitte sehen Sie diese erneute Kritik nicht als Bevormunderei oder Besserwisserei an (wer könnte es schon besser wissen als Sie?). Ich glaube, das genaue Gegenteil ist der Fall: Wir benötigen ein Rechtschreib-Wörterbuch, das zwar die Ungereimtheiten des alten Duden nicht mitmacht und dennoch deutlich genug sagt, wie nach konventioneller Art geschrieben wird. (Diese Aufgabe zu erfüllen sind Sie der richtige Mann!)

Neben dieser postulierten Eindeutigkeit muß aber jeder, der ehrlich ist, eingestehen: Wir machen offenbar alle Fehler in der Getrennt- und Zusammenschreibung (z. B. Herr Riebe mit »genauso gut« – im vorreformierten Duden steht: »genausogut«, reformiert heißt es jetzt aber »genauso gut« – möchte sich Herr Riebe die Blöße geben, reformierte Schreibweisen zu übernehmen? – gewiß nicht! Auch ich war mir gestern nicht sicher, ob ich »bestehen bleiben« oder »bestehenbleiben« schreiben sollte in dem Satz: »Wenn sie später sicherer und selbständiger sind, benötigen sie dieses Geländer nicht mehr, es sollte aber weiterhin bestehenbleiben, ...« Ich habe – wie versprochen – in Ihrem Wörterbuch nachgesehen, bei bestehen_bleiben den Rundbogen entdeckt und wußte nach Ihrem Hinweis sofort Bescheid: zusammen! – obwohl erstere Variante auch nicht so falsch gewesen wäre! – das tröstet mich).

Daß man in diesen Fällen geschützt ist vor dem Makel der Falschschreibung, ist Ihrem großen Verdienst zuzuschreiben, Herr Ickler. Diese größere Liberalität, die zwar von mir früher bemängelt wurde, ist (nach meinem reiflichen Überlegen) wohl doch nicht ganz von der Hand zu weisen.

Die Getrennt-/Zusammenschreibung ist also ein sehr diffiziles, zugleich aber graziles Gebilde, das aufgrund ihrer Schwierigkeit einer Aufklärung bedarf, gleichzeitig jedoch aufgrund ihres zerbrechlichen Charakters sehr vorsichtig behandelt werden muß. Diesen Königsweg zu beschreiten, beneide ich Sie nicht, Herr Ickler.

Herr Schäbler schreibt: »Einen Anführer wüßte ich für unsere Armee ...« Auch ich kenne einen Schreibpapst, der sich wohl bis jetzt gescheut hat, uns, dem Schreibvolk, »ex cathedra« Empfehlungen (nicht Vorschriften!) zu geben, wo er uns doch zutraut, eigene Entscheidungen zu treffen. Ich aber meine, daß diese Empfehlungen (wie der jetzt gegebene Rat zur Weglaßbarkeit des Bogens oder das noch auszutauschende »oder« gegen »besser«: schneller Brüter, besser: Schneller Brüter) notwendig sind, damit der Anführer/Schreibpapst auch die gewünschte Akzeptanz in den eigenen Reihen erhält.



Stephanus Peil
In den Gärten 5, D-56457 Westerburg-Gershasen, Tel. 02663-8593, Fax 968575, Mobiltel. 0173-8255495

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Theodor Ickler
12.01.2001 23.00
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Versuch, einiges zu beantworten

Die erfreuliche Diskussion über die Sachfragen holt gewissermaßen nach, was man auf einem Kolloquium vor Jahren hätte besprechen können. Wenn ich nun manches hier mit Nachdruck verteidige, was ich geschrieben habe, dann bitte ich das so zu verstehen, daß ich zunächst einmal die Geschlossenheit meiner Konzeption in hellem Licht darstellen möchte, ohne jedoch lernunwilig zu sein. Ich möchte einfach, daß meine Gedanken verstanden werden, bevor ich über denkbare oder wünschbare Änderungen diskutiere. (Wir diskutieren ja immer noch viel friedlicher als die Reformer selbst, die miteinander kreuz und quer tödlich verfeindet sind.) Am liebsten wäre mir ein Gegenentwirf von Herrn Peil oder Herrn Riebe, also ein Wörterbuchauszug, etwa die Strecke A, damit man konkret sieht, was sich damit anfangen läßt. Ein unbilliger Wunsch? Ich habe schließlich das ganze Rechtschreibwörterbuch nebenbei gemacht.

Daß mir Herr Riebe meine Bemerkung über „Schulmeisterlein“ ankreiden würde, war beinahe zu erwarten, obwohl ich ja bloß die selbstironische Bezeichnung von Herrn Peil zitiert hatte. Herr Riebe schaut nicht genau hin. So zitiert er auch falsch aus meinem Wörterbuch. In einem früheren Beitrag hatte er bereits zitiert: „Mit Beliebigkeitsräumen wäre niemandem gedient“ und dabei das Wörtchen „daher“ weggelassen, das sich auf die vorhergehende Begründung (automatische Trennprogramme) bezieht. So war es ihm möglich, einen „Widerspruch“ zwischen der variantenfreien Silbentrennung und der liberalen Getrennt- und Zusammenschreibung zu konstruieren, der in Wirklichkeit nicht vorliegt. Nun findet er einen Widerspruch in meiner Bemerkung über den Duden und die Betonung. Aber ich habe nicht das Betonungskriterium als „nicht richtig“ bezeicnet, sondern die vom Duden angegebenen Betonungsunterschiede: sitzen bleiben (auf dem Stuhl) und sitzenbleiben (in der Schule) werden in Wirklichkeit nicht verschieden betont, wie der Duden behauptet. Mit Herrn Riebe würde ich – wenn diese Bemerkung gestattet ist – lieber diskutieren, wenn ich sicher sein könnte, daß er meinen Kritischen Kommentar durchgearbeitet hätte. In der Vergangenheit hatte ich viel Frust, weil ich gerade im Gespräch mit den Mitstreitern ständig wiederholen mußte, was ich dort nicht ohne ernste Bemühung dargelegt habe.

Nun zu einigen Punkten.

Die Betonung ist manchmal eine Hilfe, aber keine sichere. Herr Riebe nimmt meine Argumente nicht zur Kenntnis, macht sich auch unzureichende Vorstellungen vom Umfang der einschlägigen Fälle. Die Anfertigung eines eigenen Alternativwörterbuchs würde ihn eines Besseren belehren. Die Reformer, auch der zitierte W. Mentrup, haben das natürlich auch sehr lange diskutiert. Sie sind aber nicht zu einer stimmigen Einschätzung der Betonung gelangt. Anfangs wollten sie sie ausschließen, dann haben sie sie als Zusatzkriterium wiedereingeführt, das aber naturgemäß die anderen, wirklich unbrauchbaren Kriterien alsbald zu überspülen drohte. Nach dem Verbot der Korrektur haben sie erst mal Ruhe, aber das Problem einer eindeutigen Festlegung von Getrennt- und Zusammenschreibung wird sie weiter beunruhigen (mich natürlich nicht!).

Unsere Meinungsverschiedenheit läßt sich ganz hübsch an winzigen Kleinigkeiten festmachen. Herr Peil bemerkt nebenbei, auch Herr Riebe mache Fehler: „genauso gut“ habe er geschrieben. Wenn ich das lese, wird mir ganz schwummerig. Habe ich fünf Jahr umsonst gepredigt? Lieber Herr Peil, was berechtigt Sie, dies als Fehler zu bezeichnen? Sie antworten: „Im vorreformeirten Duden steht „genausogut“. Na und? Soll der Duden doch von Fall zu Fall festlegen, was er will. Das sind die Kopfgeburten einiger Redakteure, die uns nicht im mindesten berühren müssen. Man schreibt „genausogut“, „genauso gut“ und „genau so gut“, das ist alles dasselbe. Herr Peil bekennt, Zweifel gehabt zu haben, ob man „bestehen bleiben“ oder „bestehenbleiben“ schreibt. Ich finde es schlimm, daß ein schreibgeübter Deutscher im Wörterbuch nachschlagen muß, ob er „genauso gut“ oder „bestehen bleiben“ schreiben darf oder soll. Einige wenige Menschen, Korrektoren oder auch Lehrer, mögen mal nachgeschlagen und sich gemerkt haben, daß der Duden „genausogut“ wünscht, und das kann man dann benutzen, um Kindern die Hammelbeine langzuziehen oder in Quiz-Shows damit zu prahlen, daß man sogar dies noch weiß.

Mit Herrn Schäbler haben ich mündlich Einigung darüber erreicht, daß eine Rechtschreibdidaktik, die das Für und Wider bestimmter Schreibweisen erwägt, wohl am besten nicht im Wörterbuch untergebracht wird. Man sollte es den Schreibenden überlassen, welche der angegebenen Möglichkeiten sie nutzen. Die Tendenz der Sprachgemeinschaft wird sich durchsetzen, das bisher Häufigste wird auch weiterhin häufig bleiben und noch häufiger werden, schon weil die Leute ja normalerweise nicht nachschlagen. Die Getrenntschreibungen werden nicht deshalb zunehmen, weil sie in meinem Wörterbuch „freigegeben“ sind, d. h. weil sie auch bisher noch üblich waren. Sogar die Dudenvorschrift, „noch mal“ nur getrennt zu schreiben, hat nicht verhindert, daß die Zusammenschreibung aufkam und immer häufiger wurde.

Der Vorschlag von Herrn Melsa, wie mit „wieviele“ umzugehen sei, geht zu weit. Man sollte keine neuen Vorschriften einführen, sondern das der Entwicklung überlassen. Sie ist in vollem Gange.

Mit dem Totschlagargument „Beliebigkeitsschreibung„    von Herrn Riebe werde ich mich nicht mehr auseinandersetzen, da er sich weigert, die notwendigen Differenzierungen zur Kenntnis zu nehmen. Ein für allemal: Mein Wörterbuch bringt die bisher üblichen Schreibweisen hervor, mit Varianz an denselben Stellen, wo sie bisher bestand. Das hat mit „Beliebigkeit“ nichts zu tun. Es werden auch durch Getrenntschreibung keine Wörter vernichtet, wie Herr Riebe meint, denn sie betrifft gar keine Wörter, sondern nur Wortgruppen. Im Deutschen werden nämlich nicht nur Zusammensetzungen, sondern auch Wortgruppen zusammengeschrieben (was die Reformer nie verstanden haben, einige Reformgegner aber auch nicht).

Wahrscheinlich werde ich im Laufe des Tages nochmal (!) in die Tasten greifen. Wer sich ein wenig mit der Hauptfrage beschäftigen möchte, kann im alten Duden unter „krankmachen“ usw. nachschlagen und versuchen, sich das alles einzuprägen. Vielleicht bekehrt er sich dann zum Gedanken der Reformbedürftigkeit dieser staatlich verordneten Verirrung.



Theodor Ickler
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Theodor Ickler
12.01.2001 23.00
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Fortsetzung

So, da bin ich wieder. Wie sehr Herr Riebe die Tatsachen verkennt, will ich noch einmal an Beispielen klarmachen. Er schreibt: „In den meisten Fällen kann jedermann an der Betonung erkennen, wie er schreiben muß.“ Und: „Hat (der Lehrer) das Geländer ‚Betonung‘ als Entscheidungskriterium, dann wird er ‚zufriedenstellen‘ nicht getrennt, sondern zusammen schreiben (sic!). ‚Zufrieden stellen‘ ist demnach falsch, weil durch die Verbindung ‚zufriedenstellen‘ ein eigenständiger Begriff entstanden ist.“
Zunächst einmal werden hier zwei Dinge vermischt: neuer Begriff und Betonung, das eine hat mit dem anderen nichts zu tun. Neue Begriffe werden nicht durch andere Betonung ausgezeichnet. Wie ich im Duden gezeigt habe, wird (Politiker) kaltstellen und (Pudding) kalt stellen genau gleich betont, entgegen Dudenbehauptung. Metaphern werden nie durch besondere Betonung gekennzeichnet, das wäre ja auch absurd. Ich hatte gebeten, sich mit „krankmachen“ zu beschäftigen. Haben Sie was gemerkt? „krank machen“, aber „kranknmachen“ (im Sinne von „krankfeiern“), nur so und nicht anders soll laut Duden geschrieben werden. Wer kann das ahnen? In anderen Fällen wird nicht so unterschieden. „platt machen“ darf nur getrennt geschrieben werden. (Herr Riebe folgt seinem Sprachgefühl und der Betonung und will es nur zusammenschreiben, sehr interessant! Abner weiß er auch, wohin er steuert, wenn er in dieser Weise von Fall zu Fall vom Duden abweicht? Andere empfinden vielleicht anders, und schon ist die Einheitlichkeit wieder zum Teufel.) Etwas „klar sehen“ und „klarsehen“ (im übertragenen Sinne), Betonung genau gleich. „klarmachen“ nur zusammen, in jeder Bedeutung, auch nautisch. Hätten Sie’s gewußt? Und solche Fälle gibt es zu Tausenden! Für mich und für die normalen gebildeten Schreibenden überhaupt kein Problem. Kein Mensch kümmert sich darum. Für Herrn Riebe aber ist das, was im Duden steht, richtig und alles andere falsch. Oder habe ich ihn falsch verstanden? Ich wundere mich, woher jemand den Mut nimmt, „zufrieden stellen“ rundweg für „falsch“ zu erklären. Und wenn es, wie gezeigt, mit der Betonung nicht funktioniert, wie steht es denn mit dem „neuen Begriff“? Wann ist ein neuer Begriff entstanden? Bloßer übertragener Gebrauch kann es nicht sein, denn die Metapher funktioniert ja gerade nur so lange, wie der eigentliche Begriff noch gegenwärtig ist. Wenn ich jemanden einen Esel nenne, hat das Wort Esel keine neue Bedeutung angenommen, es ist also kein neuer Begriff entstanden, sonst würde der Betroffene sich nicht beleidigt fühlen.
Über die ungeheure Zahl von „Zweifelsfällen“, die weder mit der Betonung noch mit dem „neuen Begriff“ entschieden werden können, macht man sich leicht Illusionen. Beim bloßen Blättern in meinem Wörterbuch kann man einen falschen Eindruck gewinnen, weil ich ja erklärtermaßen die Verbzusatzkonstruktionen größtenteils nur pauschal anführe, also „platt_machen usw.“ (mit Verweis auf einen Paragraphen). Man muß das also multiplizieren mit allen geeigneten Verben, dann kommt man in die Tausende.
Für mich ist das Problem gelöst, und zwar ganz im Sinne des tatsächlich beobachtbaren Schreibbrauchs und mit dem Gewinn einer bisher noch nie erreichten Regelvereinfachung (ohne Änderung der Regelungsmaterie, wohlgemerkt!). Auf eine alternative Lösung warte ich mit Interesse.

Übrigens: Falls Sie „platt machen“ im Duden nicht finden – es steht unter „plätten“. Der Fall ist früher schon einmal erörtert worden.)



Theodor Ickler
Ringstr. 46, D-91080 Spardorf

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Theodor Ickler
11.01.2001 23.00
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Gern geschehen

Lieber Herr Lachenmann,
meine Antwort habe ich schon hundertmal gegeben, will sie aber gern noch einmal wiederholen. Es ist einfach so, daß äußerlich gleich aussehende Verbzusätze und Adverbien keineswegs durchgehend durch Zusammen- und Getrenntschreibung unterschieden werden. Das ist auch überflüssig, weil in den meisten Fällen die Konstruktionsmuster so verschieden sind, daß die von Ihnen befürchteten Zweideutigkeiten nicht aufkommen können. Im konkreten Fall müssen Sie sich gar sehr anstrengen, um eine Zweideutigkeit zwischen „(jemanden) zufrieden stellen“ und „(etwas) zufrieden (irgendwohin) stellen“ zu konstruieren. In Wirklichkeit kommt das einfach nicht vor („nicht“ heißt hier „fast nicht“, versteht sich).
Das Wesentliche ist, daß man eindeutige Festlegungen zwar treffen, aber nicht vermitteln kann. Können Sie auf Anhieb sagen, ob „(sich) satt essen“ oder „sattessen“ dudengemäß ist? Und so in Tausenden von Fällen. Die Zusammenschreibung ist, wenn man von den eigentlichen „Präverbien“ (auf, ab usw.) absieht, insgesamt sehr jung. Zuvor hatte mein natürlich ebenfalls keine Schwierigkeiten mit den allenfalls möglichen Zweideutigkeiten. Zwischen der starren Dudenfestlegung „fertigstellen“ und der ebenso starren Reformerfestlegung „fertig stellen“ steht die Sprachwirklichkeit: „fertigstellen/fertig stellen“. Sie hat alle Gründe für sich.



Theodor Ickler
Ringstr. 46, D-91080 Spardorf

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Walter Lachenmann
11.01.2001 23.00
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Sprachverwaltung und Sprachpflege

Lieber Herr Ickler,

so gerne ich in Ihnen einen Menschen gefunden habe, dem ich immer wieder freudig zustimme: in Ihrer Theorie gibt es meines Erachtens doch einige kritische Punkte, etwa auch den, der bei »zufrieden stellen« eben nicht zufriedenstellend ist, nicht nur für mich, sondern offenbar auch für andere Reformkritiker. Bei diesem Beispiel muß man sich tatsächlich Mühe geben, einen Fall zu konstruieren, wo die Auseinanderschreibung mißverständlich wäre oder einen anderen Sinn ergäbe. Dennoch wirkt sie befremdlich. Ob sie in der Praxis – abgesehen von dem, was jetzt durch die Reform alles angerichtet wird – tatsächlich in nennenswerter Weise gebräuchlich war oder ist, wissen Sie vielleicht besser, mir erscheint es völlig unüblich.

Also gibt es neben der Frage der Ein- oder Mehrdeutigkeit auch die Frage der (größeren) Üblichkeit.

Die Reformerfestlegung »fertig stellen« ist mir als Sprachwirklichkeit in meinem gut 60jährigen Leser- und Schreiber- (und Verleger)leben noch niemals begegnet. Soll man diese Formen jetzt als Sprachwirklichkeit begreifen, weil die Reformer sie konstruiert haben und uns als Norm vorschreiben wollen?

»Nietzsche war der erste Philosoph, der die Bedingtheit unserer Gedanken durch die grammatische Struktur der Sprache offen legte.« (SZ)

Was sagen Sie dazu? Das paßt zum Thema und gibt zugleich ein drastisches Beispiel für die Wahrheit des Gesagten. Da kommt erst eine nachdenkenswerte und interessante Aussage, dann wird sie durch eine völlig bescheuerte »grammatische Struktur« beschädigt – oder wenigstens durch eine überflüssige neumodische orthographische Praxis. Der Lesefluß ist unterbrochen, die Konzentration auf den ohnehin nicht einfachen Text gestört, die Bedingtheit der Gedanken des Lesers sind negativ beeinträchtigt, er ist sauer, ich jedenfalls war es, als ich das las, und mochte den interessanten Aufsatz nicht weiterlesen. Es gibt inzwischen tausende solcher Beispiele, die vielleicht wörterbuchtechnisch »möglich« sind, aber mit der gewohnten Praxis brechen, das Lesen deshalb stören und auch durch Gewöhnung keine Vorteile beim Lesen und Verstehen bringen werden, sondern in vielen Fällen tatsächlich auch noch Mehrdeutigkeiten zulassen (bemühen wir kein weiteres Mal das »wiedersehen« und das »wieder sehen« usw.)

Sicherlich kann man in alten Texten, etwa gerade bei Nietzsche, ungewohnte orthographische Formen finden, die beweisen, daß sie nicht »falsch« sein können, weil sie ja angewandt worden sind. Aber die Schreibgewohnheiten haben doch dazu geführt, daß vieles eindeutiger geworden ist, eben beispielsweise durch Unterscheidung mittels Auseinander- oder Zusammenschreibung.

Wenn ich ein Wörterbuch zu verfassen hätte, würde ich versuchen, Formen nicht aufzunehmen, die zwar möglich, aber wie beim Beispiel »fertig stellen« unüblich sind und eigentlich auch nur per Zufall nicht mißverständlich. Bei »richtig stellen« sieht die Sache schon wieder anders aus. Hier gibt es Bedeutungsunterschiede und je nach Schreibweise könnte es auch Mißverständnisse geben, erst recht für jemanden, dem die Sprache nicht vertraut ist, der sie erst lernt.   

Ein ähnliches Phänomen gibt es in der Numismatik. Da gibt es Sammlerkataloge. Die einen enthalten alle Münzen, die ein Land offiziell ausgegeben hat oder ausgibt. Viele Länder, etwa der Dritten Welt, lieben es, hoch offiziell herrliche Münzen zu prägen, die von Sammlern für teuer Geld gekauft werden sollen, aber im Land selbst nie in Umlauf kommen, die sogenannten Pseudomünzen. »Seriöse« Sammler sammeln diese Münzen nicht, »seriöse« Kataloge führen sie auch nicht auf. Vielleicht kann man es in der Orthographie ähnlich machen mit den Kuriositäten, oder diese als solche kennzeichnen, vielleicht mit einem Smiley, etwa so    ( :-{)    , diese Albernheiten liebt man doch neuerdings so sehr und hier hätten sie sogar einen Sinn.

Diskutieren wir das doch mal weiter, wenn Sie Lust haben. Da gäbe es noch viel zu bedenken. Auch Ästhetisches, wenn es um die Pflege der Sprache gehen soll und nicht nur um deren Verwaltung.

Ihr Walter Lachenmann










Walter Lachenmann
Krottenthal

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