Annette von Droste-Hülshoff
Der Literaturkritiker Marcel Reich-Ranicki (1920-2013) hatte angeekelt geäußert, er wolle die klassische deutsche Literatur nicht in Reformschreibung lesen. Dem würde er aber heute nicht entkommen – und schon gar nicht, wenn er einem der deutschen Zwangsgebührensender ausgeliefert wäre, zum Beispiel dem Deutschlandfunk:Vor 225 Jahren geboren
Annette von Droste-Hülshoff – Vorbotin der Moderne
Zu Lebzeiten blieb das „Freifräulein“ kaum bekannt – doch ihre Gedichte und die Novelle „Die Judenbuche“ machten Annette von Droste-Hülshoff später zu einer der bedeutendsten deutschen Schriftstellerinnen des 19. Jahrhunderts. Vor 225 Jahren wurde sie geboren.
Von Christian Linder | 10.01.2022
... Droste zog [1826] in das gut vier Kilometer entfernte Rüschhaus, einem zum Landgut ausgebauten ehemaligen Bauernhof.
Ihr Wohnzimmer, zugleich das Arbeitszimmer, „Schneckenhäuschen“ genannt und Ort mancher „durchwachten Nacht“:
Vom Taue wach geküsst,
Das Dunkel fühl‘ ich kühl wie feinen Regen....
Nun muss ich sitzen so fein und klar,
Gleich einem artigen Kinde,
Und darf nur heimlich lösen mein Haar/ Und lassen es flattern im Winde!
Bis das artige Kind sich auf einmal radikalisierte: „so steht mein Entschluss fester als je, nie auf den Effekt zu arbeiten und unsre blasierte Zeit mit dem Rücken anzusehn.“
Lyrik Lost in Münsterland?
... Auch die Fremdheit der eigenen Person, – da genügte ein Blick in den Spiegel:
Es ist gewiss, du bist nicht Ich,
Ein fremdes Dasein,
… Voll fremden Leides, fremder Lust ...
... Nach ihrem Tod 1848 im Alter von 51 Jahren in Meersburg am Bodensee, wo sie die letzten Jahre bei ihrer Schwester lebte, dauerte es nicht einmal hundert Jahre, bis Annette von Droste-Hülshoff eine der – bis heute – meistgelesenen deutschen Schriftstellerinnen des 19. Jahrhunderts geworden war und begriffen wurde, dass sie mit ihrem magischen Realismus die Moderne angekündigt hatte.
deutschlandfunk.de 10.1.2022 Zu welchem „Wokuspokus“ der „woke“ deutsche Zwangskulturbetrieb noch fähig ist, konnte man schon vor zwei Jahren im Deutschlandfunk miterleben:Droste-Festival auf Burg Hülshoff
„Wie weiblich muss eine Frau sein?“
Ein Kunstfestival auf Burg Hülshoff feiert Annette von Droste-Hülshoff als Vorreiterin des Feminismus. „Sie hat in ganz jungen Jahren schon damit begonnen, sich hinaus zu wagen mit Positionen, die unbequem waren“, sagte Kurator Jörg Albrecht im Dlf. Auf dem Programm steht unter anderem ein „klitorianisches Lesezimmer“.
Jörg Albrecht im Gespräch mit Änne Seidel | 03.07.2019
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Seidel: ... Wer sind diese Erbinnen von Annette von Droste-Hülshoff?
Albrecht: Ich nehme mal die Beispiele, die wir jetzt heute bei der Eröffnung haben werden. Das sind zwei Eröffnungsrednerinnen, nämlich Eva Meyer und Sharon Dodua Otoo, die uns zwei Texte mitbringen werden, die unterschiedlicher gar nicht sein könnten. Sharon Dodua Otoo spricht eigentlich darüber, wie weiß das Erbe von Droste-Hülshoff auch ist. Sie als „Künstlerin of Colour“ beschäftigt sich natürlich sehr stark damit ...
Seidel: ... Sie laden zum Beispiel ein ins „klitorianische Lesezimmer“. Das ist doch jetzt schon ein gewagter Schritt von der praktizierenden Katholikin Annette von Droste-Hülshoff hin zu Veranstaltungen mit solchen Titeln, oder?
Albrecht: Ja, natürlich. Aber wir sind ja nun mal auch weiter, als vor 200 Jahren die Droste'sche Gesellschaft war ... Dieses „klitorianische Lesezimmer“ wird das machen. Es wird eine Rauminstallation sein, die – natürlich fiktiv – die beiden Teenager-Zimmer von Annette und ihrer Schwester Jenny rekonstruiert und da auf die Klitoris fokussiert und sagt: Was bedeutet so ein Geschlechtsorgan, ... Aber wie kann vielleicht so ein Organ selber auch lesen?...
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„Wir benutzen gern das Gendersternchen“
Albrecht: ... Wir benutzen gern das Gendersternchen, und so ist es auch gemeint. Wir haben Leute im Festival, die nicht nur weiblich sind, und auch nicht Leute, die nur männlich sind, sondern auch Menschen dazwischen. Das ist wirklich wichtig zu wissen, dass es natürlich um alle Geschlechter geht. ... Gerade jetzt in Zeiten, in denen einige Gruppen der Gesellschaft auch wieder ganz weit zurück wollen, ist es doch ganz gut, entschieden nach vorne zu gucken und zu sagen: Ja, genau dahin wollte Annette von Droste-Hülshoff in ihrem Schaffen auch.
deutschlandfunk.de 3.7.2019 Eine zugelaufene Quotennegerin muß jetzt schon obligatorisch ihren Senf zu Droste-Hülshoff dazugeben – die „Neger“ vielleicht gerade mal sprichwörtlich kannte, wie sie in ihrer zierlichen Kurrentschrift vermuten läßt: An August v. Haxthausen. – Rüschhaus 1841 Juli 20.
Lieber August!
Schreiben hätte ich längst sollen, das ist gewiß, und wenn ich einige Hoffnung auf ein günstiges Resultat hätte, so würde ich versuchen, mich weiß zu waschen; da ich es aber höchstens vom Mohren bis zum Neger bringen würde, gebe ich dieses ohne Weiteres auf und mich Deiner angeborenen Gnade gefangen...
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