Flynn-Fun
Die meisten Intelligenzprüfungen sind fragwürdig, vor allem, weil Ungenauigkeiten von weniger als plusminus 5 kaum erreichbar sind. Jetzt aber berichtet „Spektrum“ – wie gewohnt in der unintelligenten Urreformschreibung von 1996 – über die Sorge, daß der angeblich jährliche 0,3-prozentige Anstieg des IQ in den Industrienationen rückläufig werden könnte:Der mittlere Intelligenzquotient wuchs über Jahrzehnte kontinuierlich an. Doch nun schwächelt der so_genannte Flynn-Effekt, und in einigen Ländern scheint der Durchschnitts-IQ sogar zu sinken. Woran liegt das?
von Theodor Schaarschmidt
Flynn-Effekt: Warum die Intelligenz nicht weiter steigt
.... Seit Beginn der Messungen schneiden Menschen immer besser in den IQ-Tests ab. Über eine lange Zeit lag dieser Zuwachs in vielen Industrienationen relativ stabil bei rund 0,3 Punkten pro Jahr.[...]
Schon in den 1930er Jahren bemerkten Intelligenzforscher, dass ihre Normwerte (die Durchschnittswerte zum Vergleich unter anderem von Gleichaltrigen) mit den Jahren allmählich nicht mehr genau stimmten. Der mittlere IQ stieg immer weiter an, die Eichung musste nachjustiert werden. Wer das für Erbsenzählerei hält, muss sich vor Augen führen, welch weit_reichende Konsequenzen das Ergebnis eines Intelligenztests mit sich ziehen kann.
Der Namensgeber des Phänomens, der neuseeländische Politologe James R. Flynn, gibt ein besonders extremes Beispiel: Wer in den USA etwa wegen Mordes vor Gericht steht, darf in einigen Bundesstaaten nicht hingerichtet werden, wenn eine geistige Behinderung vorliegt. Setzt ein Gutachter zur Diagnose eine veraltete IQ-Norm ein, kann es passieren, dass er eine vorliegende Behinderung nicht als solche erkennt – im schlimmsten Fall könnte der Flynn-Effekt also zu einer unrechtmäßigen Hinrichtung führen.[...]
In anderen Teilen der Erde betrifft der Abfall oft nur einzelne Aufgabenbereiche. Eine Metaanalyse für Österreich und Deutschland resümierte etwa: Seit 1995 geht es hier zu Lande mit dem räumlichen Vorstellungsvermögen bergab. [...]
75 Intelligenzforscher gaben Auskunft, welche Ursachen sie für ein mögliches Ende oder eine Umkehr des Flynn-Effekts vermuten. Die Ergebnisse machen stutzig... Beliebtester Erklärungsversuch: Weniger intelligente Eltern würden mehr Kinder in die Welt setzen als intelligente. Änderungen im Genpool würden dann dafür sorgen, dass die kognitive Leistungsfähigkeit in der Bevölkerung immer weiter abflaut. Dieses Konzept ist auch als Dysgenik bekannt, eine zunehmende Verbreitung von vermeintlich unvorteilhaften Genen also. Neu ist die Idee nicht; schon der österreichische Zoologe Konrad Lorenz (1903-1989) warnte 1943 vor einer »Verhausschweinung des Menschen«. [...]
Auf Platz zwei in der Umfrage folgte die Hypothese, zunehmende Migration könnte für einen Anti-Flynn-Effekt verantwortlich sein. ... Die Umfrage offenbart viel über die Weltanschauung mancher Intelligenzforscher. Unweigerlich fühlt man sich an den Ex[il]politiker und Sachbuchautor Thilo Sarrazin erinnert, der in seinen Büchern ganz ähnliche Gedankengänge ausbreitet...
Phänomene wie Migration können keine Unterschiede zwischen Kindern derselben Familie erklären. [...] So ließ sich feststellen, ob die Entwicklungen eher durch Schwankungen zwischen oder innerhalb der einzelnen Familien zu Stande kamen. Ihr Ergebnis fällt eindeutig aus: Der sinkende IQ-Durchschnitt ließ sich auf Veränderungen innerhalb der betrachteten Familien zurückführen, also von Bruder zu Bruder.
Bestimmte Erklärungsversuche scheiden somit von vornherein aus. Phänomene wie Migration oder Dysgenik beträfen beispielsweise eher die Zusammensetzung der Bevölkerung an sich; sie können aber keine Unterschiede in den Testwerten von einem zum nächsten Kind derselben Familie erklären. Das Fazit der Autoren: Sowohl der Flynn-Effekt als auch seine Umkehr müssen bestimmten Umwelteffekten geschuldet sein. [...]
Schon der ursprüngliche (also positive) Flynn-Effekt gibt Forschern Rätsel auf. Manche sehen darin ein statistisches Artefakt, das allein durch Verschiebungen in den betrachteten Stichproben zu Stande kommt. [...] Dass der Flynn-Effekt je nach Region so unterschiedlich ausfällt, mag auch mit landesspezifischen Entwicklungen zu tun haben. Das zeigt sich am Beispiel Khartum: Dort ersetzten fundamentalistische Kräfte den regulären Schulunterricht zum Teil durch einen »islamischen Lehrplan«. Fortan lernten die Schüler viel über die Errungenschaften ihres Landes und ihrer Religion, während abstrakte Fächer eher auf der Strecke blieben. [...]
Schlussendlich: Den vereinzelten Nachrichten von stagnierenden oder sinkenden Intelligenzwerten stehen bislang deutlich mehr Ergebnisse gegenüber, die nach wie vor einen Anstieg vermelden... Es ist denkbar, dass einige der Studien auch schlichtweg Ausreißer, also Extremfälle darstellen. Eine aufwändige Ursachenforschung scheint verfrüht. Denn bislang deuten die Ergebnisse eher auf vereinzelte Turbulenzen hin – nicht aber auf einen drastischen IQ-Absturz.
Theodor Schaarschmidt
Der Autor ist Diplompsychologe und arbeitet als Wissenschaftsjournalist in Berlin.
spektrum.de 1.1.2019 Kurze Analyse der durch die „Reform“ behaupteten „Verbesserungen“ und „Erleichterungen“:
1949 Wörter: 14 dass; 9 andere Reform-ss, schlussendlich; so genannte, weit reichende, 2 x hier zu Lande, 2 x zu Stande kamen/kommt, aufwändige,
Die vielgepriesene ss-Regelung, die nach Ex-Bildungsministerin Johanna Wanka 95 Prozent der „Reform“ ausmacht, ändert hier zu 61 Prozent die traditionellen „daß“ in nichtsnutzige „dass“ und bringt psychologisch sogar mehr Verwirrung anstelle von „Erleichterung“. Die neuen albernen Groß- und Trennschreibungen samt „Volksetümologien“ wirken nun wie Mottenfraß in „des Kaisers neuen Kleidern“.
„Schlussentlich“ kann man feststellen: Wissentlich haben die „Reformer“ die Kultusminister und diese „letztentlich“ die Bürger betrogen, teilweise nicht einmal aus böser Absicht, sondern weil ein tsunami-artiger negativer „Flynn-Effekt“ die Altparteien und Lehrergewerkschaften ergriffen hatte, durch den die raffgierigen Medienkonzerne und penetranten Gesellschaftsveränderer ein leichtes Spiel hatten – gegen den Willen des Volkes.
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