Virtuelle Wörterverbote
„Ein Blob kommt selten allein”, schrieb ein Filmkritiker, als neben den Neuverfilmungen des Science-Fiction-Films „Blob – Schrecken ohne Namen“ von 1958, 1972 und 1988 noch ähnliche Horrorfilme in die Kinos kamen. Darin geht es um eine außerirdische fleischige Masse, die die Menschen befällt. Eben witterte der Linguist Ekkehard Felder sprachlich so etwas in der AfD, da interviewt eine Hanna Zobel für den Infantil-Ableger von Spiegel Online, „Bento“, den hier schon bekannten Professor Anatol Stefanowitsch. Für ihn ist die Sprachgemeinschaft eher durch fortlebende, vermeintlich bräunliche Blob-Wörter gefährdet: „Lügenpresse“, „Volk“ „Umvolkung“, „Mädel“. Bento gibt vor: Die Nationalsozialisten haben Sprache ganz gezielt eingesetzt, um ihre Ideologie in der Gesellschaft zu verankern und Macht auszuüben. Sie hatten sogar ein Propagandaministerium, das sich damit beschäftigt hat. Geistern ihre Begriffe noch immer in unserer Sprache umher? Stefanowitsch, der Propagandist für mehr Anglizismen, pflichtet bei, ohne natürlich auf die gegenwärtig laufende, unvergleichlich gigantischere Umgestaltung von Sprache und Schrift durch verdeckte Gender-Ministerien, hunderte Gender-Lehrstühle, tausende Ministerialbürokraten, zehntausende Ämter und Millionen Mitläufer hinzuweisen:Ja, es gibt noch sehr viele davon.
Man muss zwei Kategorien unterscheiden: Einerseits gibt es Begriffe, die durch die Nazis eingeführt wurden, wie das Wort Lügenpresse. Da ist der Fall eindeutig. Wer solche Wörter gezielt benutzt, bedient sich am Gedankengut der Nationalsozialisten. Und da frage ich mich, warum überhaupt noch darüber diskutiert wird, ob solche Ideen rechtsradikal sind. Hier schwindelt Stefanowitsch – oder er ist sprachgeschichtlich nicht im Bilde. Wikipedia zählt auf:Lügenpresse ist ein politisches Schlagwort, das polemisch und in herabsetzender Absicht auf mediale Erzeugnisse gerichtet ist und sich seit der Mitte des 19. Jahrhunderts im deutschen Sprachraum nachweisen lässt. Zunächst wurde es gelegentlich von konservativen Katholiken gegen die im Zuge der bürgerlichen Revolutionen entstandene liberale Presse gewandt. Im Kontext des Ersten Weltkrieges fand „Lügenpresse“ sehr viel häufiger Verwendung; hier bezeichnete es aus Sicht Deutschlands und Österreich-Ungarns die Presse der Feindstaaten¹). Sowohl vor als auch im Nationalsozialismus nutzten NS-Agitatoren das Schlagwort ...
Darüber hinaus fand „Lügenpresse“ auch in Organisationen der Arbeiterbewegung zur Abwertung von als bürgerlich oder kapitalistisch wahrgenommenen Teilen der Presse sowie in der Exilpresse als Bezeichnung für die gleichgeschalteten NS-Medien Verwendung. Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges kam das Wort zunächst nur mehr sporadisch vor. Die ab August 1945 erscheinende Frankfurter Rundschau verstand sich explizit als Gegenentwurf zu „Hugenbergs Lügenpresse“.[1] In den Medien der DDR wurde das Wort im Kalten Krieg gelegentlich zur Herabsetzung der westdeutschen Presse benutzt. Nun unterschlägt Wikipedia: Von den Achtundsechzigern wurde „Lügenpresse“ vor allem gegen die konservativen Medien im linken öffentlichen Bewußtsein verankert. Günter Wallraff verlangte testweise am Zeitungskiosk „das Lügenblatt“ und erhielt die BILD-Zeitung. Wikipedia springt gleich ins 21. Jahrhundert und suggeriert, das anständige Menschen das Wort „Lügenpresse“ nicht mehr gebrauchen dürften:Seit Beginn des 21. Jahrhunderts wird der Begriff Lügenpresse – zumal in Deutschland – vorrangig von rechtsextremen und rechtspopulistischen, völkischen oder auch fremdenfeindlichen und islamophoben Kreisen verwendet ... So soll Kritikern die Schärfe polemischer Worte entwunden werden – auch eine Form des Neusprechs.
¹) z.B. die Propaganda, deutsche Soldaten würden Kinderhände abhacken – hat meine Großmutter noch miterlebt.
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