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Unwichtige Geschichtsfälschungen
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Sigmar Salzburg
03.06.2018 16.46
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Zum Tode Irenäus Eibl-Eibesfeldts

Der Zoologe und Ethnologe Irenäus Eibl-Eibesfeldt ist am Samstag gestorben. Das teilten Familie und Freunde des gebürtigen Wieners am späten Samstagabend mit. Vorangegangen war eine kurze, schwere Krankheit des Verhaltensforschers, der am 15. Juni 90 Jahre alt geworden wäre...
...
In seinem 1970 erschienen Buch „Liebe und Haß" schrieb er [eher mit ß]: „Ich vertrete die These, dass aggressives und altruistisches Verhalten durch stammesgeschichtliche Anpassung vorprogrammiert sind.“ Die aggressiven Impulse des Menschen würden „durch ebenso tiefverwurzelte Neigungen zur Geselligkeit und zum gegenseitigen Beistand aufgewogen“...

Eibl-Eibesfeldt eckte aber auch mit seiner These von der angeborenen Fremdenscheu an. Diese gehörte seiner Meinung nach zur biologischen Wesensart des Menschen, weshalb zu viele Einwanderer den sozialen Frieden gefährdeten...

spiegel.de 3.6.2018

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Sigmar Salzburg
09.05.2018 15.51
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Weiteres Fälschen zum Wohlgefallen der Schreibdiktatoren

Spiegel Online schreibt über die Suche nach einem vermißten Verwandten, der auf dem Feldzug gegen die Sowjetunion verschollen ist. Das kenne ich nur zu gut:

Spurensuche in Weißrussland
Wo ist Hans?

Wenn der Großonkel spurlos verschwindet: Hans Dohr, im Zweiten Weltkrieg Soldat an der Ostfront, gilt bis heute als vermisst. Sein Großneffe Tobias Lickes suchte nach Antworten – und hat einen NDR-Film über die Spurensuche gedreht.
Aber warum werden wieder die Briefe in die Rechtschreibung von 1996 umgefälscht? Das ss/ß-System nach Heyse gab es doch nur ganz kurz vor 1900 in Österreich. Die Schreibmaschinenschrift soll wohl zusätzlich Authentizität vorgaukeln.
Sonntag, den 24.4.1944.

Meine Lieben,
heute am Sonntag sende ich euch die herzlichsten Grüße. Hier haben die ersten Frühlingsboten (...) Einzug gehalten. Allerdings ist man hier mit dem Sonnenschein sehr sparsam. (...) Hier gibt es nicht viel Neues, alles geht seinen Gang weiter. Und wie ist es zu Hause? Der Tommy hat wohl wieder Köln angegriffen, wenn das doch mal bloß aufhörte. (...) Ja, mein liebes Trudchen, wollen wir hoffen, dass der Krieg bald ein Ende hat und wir uns alle gesund wiedersehen. Sonst, meine Lieben, wünsche ich Euch alles Gute und verbleibe mit den herzlichsten Grüßen. Dieser Brief ist ja nicht viel, aber von Herzen.

Euer Hans
----------------

Krefeld, den 10.7.1944

Lieber Hans,
in Gedanken sind wir immer bei Dir. Denn die schweren Ereignisse an der Ostfront machen uns Sorgen. Wenn schönes Wetter ist, gehe ich öfters mit Mutter zum Garten. Die Erdbeeren sind nun alle, jetzt kommen die Kirschen dran. Wenn Du erst im Winter kommst, können wir wenigstens Kirschtorte machen. Natürlich auch dann, wenn Du eher kommst. Für heute, lieber Hans, will ich denn schließen, in der Hoffnung, dass es Dir noch gut geht.

Kuss, Gertrud

spiegel.de 9.5.2018
Immerhin ist zu begrüßen, daß man die Anrede nicht auch noch in das Unhöflichkeits-du von 1996 umgefälscht hat, wie man es z.B. mit Schulbuchtexten von Marx, Lasalle und anderen macht.

Es bleibt die Frage nach dem Warum, denn das Bundesverfassungsgericht fand, daß bei Verwendung der bewährten Rechtschreibung „Nachteile nicht zu besorgen“ seien. Man kann nur zu dem Schluß kommen, daß über der ganzen „Reform“ der Orwellsche Geist schwebt, der im Gedächtnisloch verschwinden lassen will, daß es einstmals eine elegante und allgemein anerkannte Rechtschreibung gegeben hat, die aus Unfähigkeit, Mutwillen, Veränderungsideologie und Traditionshaß zerstört wurde.

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Sigmar Salzburg
15.04.2018 19.15
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Das Kuckucksei der Schreib„reform“ ...

... ist die „neue“ ss/ß-Regel. Die Verfassungsrichter hatten hier versagt – trotz der Einsicht ihres Vorgängers Prof. Mahrenholz. Obwohl die bewährte Rechtschreibung nicht verboten ist und für hochrangige Literatur bevorzugt wird, herrscht die Hysterie, auch ältere Texte umzufälschen. Spiegel-EinesTages bringt wieder Auszüge aus einem Buch mit Texten des Schriftstellers Bernhard Schulz kurz nach dem Krieg:

„Wenn diese verdammten Idioten nur Schluss machen wollten“, schrieb Bernhard Schulz am 2. April 1945 seiner Gerda.
Man kann leicht nachprüfen, daß er am 2.4.1945 geschrieben hatte:
„Wann sehe ich Dich wieder? Wenn diese verdammten Idioten nur Schluß machen wollten!“
(angeblich Sütterlin, in Maschinenschrift abgeschrieben.)
Das „ehrerbietige“ große „Du“ fälscht man aber wohl meist nur für Schulbücher in das Reform-Prekariats-du um.
Der Journalist und Schriftsteller (1913-2003) hatte den Krieg mehr als satt, er wollte nach Hause, seine Frau und sein Baby im Arm halten, es sollte in diesen Tagen zur Welt kommen. Schulz geriet in amerikanische Kriegsgefangenschaft und kehrte erst im Spätsommer 1945 zu seiner Familie zurück...

"Bleistiftumriss eines Auferstandenen“: Mit dieser Überschrift versah Schulz den folgenden Text. Er bezieht sich auf den Kampf um die zentralrussische Stadt Suchinitschi, die Anfang Oktober 1941 von der Wehrmacht besetzt und knapp drei Mon[a]te später von der Roten Armee zurückerobert wurde.

spiegel.de 15.4.2018
Wohl aus der Gegend von Suchinitschi schrieb er auch an seine Frau, wie man auf der Homepage lesen kann:
23/1.42
Meine liebe, liebe Gerda!
Gestern erlebten wir einmal etwas Gutes. Die alte Frau Ju, die uns fast täglich Munition bringt, brachte Post mit. Ich bekam drei Briefe von Dir, vom 17., 18. und 19. Dezember. Über fünf Wochen hatte ich nichts mehr von Dir gehört. Du kannst Dir ausmalen, welche Freude es für mich war, so unverhofft drei Briefe zu bekommen! Die sind jetzt meine tägliche Lektüre! Gut, daß auch ein Brieflein von meiner Mutter dabei war! Es ist mir beim Lesen noch einmal ordentlich schwer gefallen, daß ich auf das Weihnachtsfest in der Heimat habe verzichten müssen... bernhardschulz.de
700 Kilometer weiter südlich wurde fünf Tage zuvor mein Vater nach einem Gefecht bei Kamenka vermißt, ohne daß danach jemals eine Spur von ihm gefunden wurde. Zu Weihnachten hatte meine Mutter (auch mit Namen Gerda) ihm noch einen Napfkuchen gebacken und mitten hinein einen Apfel gesteckt. Ob ihn das Paket vorher noch erreicht hatte?

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Sigmar Salzburg
26.03.2018 20.00
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Krokusblüte in Eckernförde 26.3.2018

Tafel vor einem weiten Krokusblütenrasen:

Blass vom Zorn des Winters
konnten sich Nieswurz und
Schneeglocken noch nicht
recht entschließen,
wirklich Blume
zu sein.

Wilhelm Lehmann
Bukolisches Tagebuch
27. Februar 1928

Lehmann für alle
© Umweltbildungswesen
Eckernförde 2018
Das Schild könnten ja auch – horribile dictu – unschuldige Schüleraugen sehen und ihnen die mühsam andressierte Heyse-Systemschreibung fürs Leben ruinieren. Deswegen muß das Original umgefälscht werden:
KIT – Botanischer Garten Wilhelm Lehmann – Februar: Nieswurz
„Blaß vom Zorn des Winters konnten sich Nieswurz und Schneeglocken noch nicht recht entschließen, wirklich Blume zu sein.“ Bukolisches Tagebuch, 27. Februar 1928. Tatsächlich zählt die Stinkende Nieswurz zu den ersten Pflanzen, die im zeitigen Frühjahr zu blühen beginnen ...
NB: Die „erleichternde“ Reformregel „ß nach Langvokal“ (Nießwurz) versagt hier.
Zu Wilhelm Lehmann siehe auch hier
.

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Sigmar Salzburg
24.03.2018 12.35
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Humboldt nach seinem Zeitgenossen Heyse 2017 „korrigiert“?

Zufällig gefunden:
250. Geburtstag Wilhelm von Humboldts
„So viel Weibliches in mir“

Geschlechtergerechtigkeit, Empathie, offene Ehe: Der Gelehrte Wilhelm von Humboldt war seiner Zeit oft weit voraus. Zum 250. Geburtstag des Tegeler Visionärs von Dorothee Nolte

„27. Juli in Spa einer Hure 1 Krone“

Und er besuchte Bordelle. „Ich lasse der Begierde ungescheut die Zügel schießen, und erkenne in dem Genuss, selbst in dem, den viele ausschweifend nennen würden, eine große und wohltätig fruchtbare Kraft.“ In einem Oktavheftchen hielt er fest, wie_viel er für die Befriedigung seiner körperlichen Bedürfnisse ausgegeben hatte: „27. Juli in Spa einer Hure 1 Krone; 30. Juli in Brüssel einer Hure 7 Sous; 10. August ,Fleischeslust’ 1 Karolin; 14. August ,Sinnenlust’ 2 Kronen 24 Sous.“

tagesspiegel.de 6.6.2017

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Sigmar Salzburg
12.03.2018 10.15
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Helmuth James Graf von Moltke ...

... ein herausragender Widerständler gegen die Nazidiktatur, wurde am 23. Januar 1945 nach einjähriger Haft in Berlin-Plötzensee hingerichtet. Zufällig stieß ich bei Spiegel.de „EinesTages“ auf Teile des Briefwechsels zwischen ihm und seiner Frau, veröffentlicht wohl nach dem Buch „Briefe an Freya 1939 – 1945 C.H.Beck“:

Todestag
Helmuth James an Freya
23. Januar 1945
Mein Lieber, wie schön zu wissen, dass Du da bist. Wie sehr lieb. Eben brachte (der Wachtmeister) mir frisches Fleisch, Schlagsahne und Semmeln.
Sonst nichts anderes als dass ich Dich, mein sehr liebes Herz, sehr lieb habe und dabei bleibt's. J.
spiegel.de 22.12.2010
Wie zu erwarten, wurden die Schriftstücke wieder in das seit 1996 „gültige“ und „leichter erlernbare“, 200 Jahre lang fast vergessene Heyse-ss-System umgefälscht. Ein Faksimile zum Vergleich wurde nicht beigefügt, jedoch gibt es bei evangelischer-widerstand.de den Ausschnitt aus einem Brief vom 28. Dezember 1944 mit der Wiedergabe der Handschrift, deren Entzifferung ich versucht habe:


Ich denke jetzt manchmal – was ich seit Monaten nicht getan habe – darüber nach, wie alles wäre, wenn ich am Leben bliebe und wundere mich, ob ich das wohl alles wieder vergessen würde oder ob man aus dieser Zeit doch ein reales Verhältnis zum Tod & damit zur Ewigkeit behält. Ich komme zu dem Ergebnis, daß auch das Fleisch & Blut alles daransetzen würden, diese Erkenntnis wieder zu verdrängen, sodaß ein ständiger Kampf nötig wäre, um die Früchte dieser Zeit zu retten. Wir sind eben ein jämmerliches Geschlecht, darüber ist kein Zweifel, nur wissen wir es meist garnicht, wie jämmerlich wir sind. Jetzt weiss ich auch, warum Paulus & Jesaja, Jeremia & David & Salomo, Moses & die Evangelisten nie veralten: sie waren eben nicht so jämmerlich; sie hatten ein Format, das für uns unerreichbar ist auch durch Menschen wie Goethe ja selbst wie Luther nicht erreichbar. Was diese Menschen erlebt & erfahren haben, das werden wir nie ganz verstehen. Man fragt sich nur, ob damals solche Männer vielleicht in grösserer Zahl existiert haben? Man muss doch annehmen, daß uns ein Bruchteil von dem überliefert ist, was existiert hat. Wie ist es aber möglich, daß solche Männer damals existierten? Die sind doch wie eine andere Spezies Mensch. Und warum unter den Juden? Und warum heute auch unter den Juden nicht mehr?

Brief 28. Dezember 1944
Moltke verwendete die damals verbreitete ß-lose Lateinschrift, jedoch für „daß“ die Ligatur aus langem zweischlaufigem h und rundem Schluß-s der deutschen Kurrentschrift, die handschriftlich mitunter für ſs und ß verwendet wurde. Das hätte man mühelos und korrekt zitiert wiedergeben können, vor allem, weil auch trotz „Reform“ in der Schweiz amtlich ß-frei geschrieben wird. Aber man will den üblen Eingriff in die deutsche Schreibtradition vergessen machen und vor allem in den Schulen keine „Verwirrung“ stiften.

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Sigmar Salzburg
07.12.2017 20.02
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Tucholsky

Simone Guski ist „gelernte Philosophin, arbeitete viele Jahre lang als Kulturjournalistin mit dem Schwerpunkt Kunst im In- und Ausland für Tageszeitungen und Magazine“, schreibt der „Humanistische Pressedienst“. Dort fallen ihre fundierten Artikel zu Anthropologie, Primatologie und Tierrechten angenehm auf. Aber man wundert sich, warum sie (oder eher die Redaktion?) meint, ältere, in bewährter Kulturrechtschreibung verfaßte Zitate den Lesern nicht im Original zumuten zu dürfen, so daß diese nun verfälscht im Dass-Deutsch der Kultusminister erscheinen. Ihr hübscher Aufsatz „Können Tiere eitel sein“ verliert damit an Schönheit und Glaubwürdigkeit, zumindest für Kenner:

Was wir an Tieren schön finden, abgesehen von ihrer Anmut, die Muster ihrer Felle und Gefieder, entstanden zur Abschreckung, zur Arterkennung und sollen den potentiellen Partner beeindrucken. Aber schmücken sich Tiere auch? Nein, meint Nobelpreisträgerin Christiane Nüsslein-Volhard in ihrem jüngsten Essay. Doch, meinte ein Leser unserer Rezension...
Am Schluß bringt Frau Guski einen Textabschnitt aus der „Weltbühne“, die eigentlich nur bewährt druckte, und man ahnt, daß da etwas nicht stimmt:
Unter dem Decknamen Ignaz Wrobel schrieb Kurt Tucholsky am 3.6.1930 in seiner Weltbühne den Verhaltensforscher [Wolfgang Köhler 1917] detailliert zitierend:
Da erzählt er, wie die Affen gern allerlei Gegenstände mit sich herumschleppen, an ihrem Körper anbringen, sich mit ihnen behängen. „Fast täglich sieht man ein Tier mit einem Seil, einem Fetzen Zeug, einer Krautranke oder einem Zweig auf den Schultern dahergehen. Gibt man Tschego eine Metallkette, so liegt diese sofort um den Nacken des Tieres. Gestrüpp wird mitunter in größeren Mengen auf dem ganzen Rücken ausgebreitet getragen. Seil und Zeugfetzen hängen gewöhnlich zu beiden Seiten des Halses über die Schultern zu Boden; Tercera lässt Schnüre auch um den Hinterkopf und über die Ohren laufen, so dass sie zu beiden Seiten des Gesichts herunterbaumeln.“

Und Köhler fügt nun eine glänzende Beobachtung hinzu: "… dass die am Körper hängenden Gegenstände Schmuckfunktion im weitesten Sinne haben. Das Trotten der behängten Tiere sieht nicht nur mutwillig aus, es wirkt auch naiv-selbstgefällig. Freilich darf man kaum annehmen, dass die Schimpansen sich eine optische Vorstellung von ihrem eignen Aussehen unter dem Einfluss der Toilette machen, und nie habe ich gesehen, dass die äußerst häufige Benutzung spiegelnder Flächen irgend Beziehung auf das Behängen genommen hätte; aber“ – passt auf! – „aber es ist sehr wohl möglich, dass das primitive Schmücken gar nicht auf optische Wirkungen nach außen rechnet – ich traue so etwas dem Schimpansen nicht zu –, sondern ganz auf der merkwürdigen Steigerung des eigenen Körpergefühls, Stattlichkeitseindrucks, Selbstgefühls beruht, die auch beim Menschen eintritt, wenn er sich mit einer Schärpe behängt oder lange Troddelquasten an seine Schenkel schlagen. Wir pflegen die Selbstzufriedenheit vor dem Spiegel zu erhöhen, aber der Genuss unsrer Stattlichkeit ist durchaus nicht an den Spiegel, an optische Vorstellungen unsres Aussehens oder an irgend genauere optische Kontrolle überhaupt gebunden; sobald sich so etwas mit unserm Körper mitbewegt, fühlen wir ihn reicher und stattlicher.“
Wolfgang Köhler beobachtete also, wie Schimpansen sich Ranken, Stofffetzen und Metallketten um die Schultern beziehungsweise um den Hals hängten. Demnach ginge es den Schimpansen zwar nicht darum schöner zu sein, aber sich imponierender zu fühlen. Sozusagen um ein Körpergefühl, eine Sebstwahrnehmung wohlgemerkt. Nicht zufällig hat Tucholsky diesen Aspekt schmunzelnd aufs Korn genommen. Sporenklirren oder Säbelrasseln muss den deutschen Militärs, wie Tucholsky sie noch erleben konnte, ein ähnliches Glücksgefühl verschafft haben. Diese Art von „Schönheit“ hört man! So wie sich schön Fühlen macht auch sich fulminant und beachtenswert Fühlen glücklich, und auf diese Emotion, nicht die Außenwirkung kommt es bekanntlich genauso an, wenn wir Menschen uns einmal so richtig aufbrezeln.

hpd.de 7.12.2017
Da kann man die Lebenserfahrung des Erlanger Sprachwissenschaftlers Theodor Ickler nahtlos anschließen, warum wohl nicht nur einzelne Wichtigtuer, sondern gerade die Medien und Redaktionen die Durchsetzung der hübsch häßlichen und sinnlosen „Reform“ für die Kultusminister betrieben haben: Diese Art von Staatsgefälligkeit sieht man!
„Welch wohligen Schauer muß es dem unterwerfungssüchtigen deutschen Mitläufer bereiten, wenn er zum erstenmal dass schreibt oder so genannt spaltet und sich damit demonstrativ auf die richtige Seite, die Seite der Staatsmacht schlägt! („Der Staat schreibt vor“ 1998).

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Sigmar Salzburg
24.11.2017 08.09
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„Daß“ stört!

Aus Protest gegen Helmut Schmidts Atompolitik zündete sich Hartmut Gründler an und starb vor genau 40 Jahren.

„Gründler war davon überzeugt, dass seine Selbstverbrennung ein gewaltiges Echo erzeugen würde. Damit lag er allerdings völlig falsch“, stellte Buchautor Nicol Ljubic bei seinen Recherchen fest. [...] Denn als Gründler am 21. November starb, schrieb etwa die „Zeit“: „Hartmut Gründler ist schon wieder vergessen, kaum, dass sein Tod vermeldet worden ist.“
spiegel.de/einestages 21.11.2017

Selbstverbrennung: Gründler? – Kenn' ich nicht! | ZEIT ONLINE – Die Zeit
www.zeit.de › DIE ZEIT Archiv › Jahrgang 1977 › Ausgabe: 49
Hartmut Gründler ist schon wieder vergessen, kaum daß sein Tod vermeldet worden ist...

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Sigmar Salzburg
10.11.2017 06.56
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Lutz Rathenow bei Spiegel Online, 9.11.2017:

Das mit Harald Hauswald 1987 in einem Münchner Verlag veröffentlichte Buch „Ost-Berlin – die andere Seite einer Stadt“ war trotz oder wegen seines Verbotes in der DDR auch ein Beispiel von hellsichtiger DDR-Verdrängung. O-Ton:

„Natürlich ist das Ding pervers, aber es zeigt seine Krankheit und verbirgt sie nicht verklemmt. Der Verlust dieses Bauwerks würde das Leben hier ärmer machen. Und wenn nur die Wut darauf abhandenkäme. Und nicht nur die ist es. Die Mauer als Motor, der permanent Spannung erzeugt. Im Moment der Trennung waren beide Teile am Auseinanderfallen, sodass die Mauer sie zusammenfügte. Ein Reißverschluss. Der Kitt von Ganzberlin.“
spiegel.de 9.11.2017

Veranstaltungsplakat „Ost-Berlin – die andere Seite einer Stadt“: Ankündigung einer Vernissage mit Lutz Rathenow und Fotos von Harald Hauswald am 24. Mai 1987 in der Galerie der Umwelt-Bibliothek Berlin.
Quelle: Robert-Havemann-Gesellschaft
jugendopposition.de

Wurde die Rechtschreibung schon 2005 „angepasst“?:
Zwei Jahre vor dem Mauerfall erschien das Buch „Ost-Berlin – die andere Seite einer Stadt“ von dem Berliner Schriftsteller Lutz Rathenow und dem Fotografen Harald Hauswald – und wurde von den DDR-Behörden wegen „versuchter Gruppenbildung“ verboten. Jetzt haben die Autoren ihr Buch vollständig überarbeitet und durch bisher nicht veröffentlichte Fotos ergänzt..

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Sigmar Salzburg
22.10.2017 07.08
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Kriminalistische Konfusionen durch die Rechtschreib„reform“

Man gibt sich Mühe bei Spiegels, alles richtig wiederzugeben, aber nachzuprüfen, ob es gelungen ist, dafür sind 39 Cent doch (verboten:) zuviel. Unsere Rubrik wirkt:

AUS DEM SPIEGEL
Ausgabe 43/2017

Verbrechen
„Ich habe Franziska in einem Fass verpackt und das Fass zugeschweißt“

24 Jahre lang versteckt ein Mann die Leiche seiner Frau, konserviert in Katzenstreu in einer Garage. Trotzdem kann er nicht verurteilt werden. Wie ist das möglich?


Von Maik Großekathöfer

„An die Polizei. In diesem Fass ist die Leiche meiner ehemaligen Frau Franziska Sander, geb 4.8.65.“

So beginnt, in kalter Klarheit, der Brief, den Jens K. (Namen geändert) auf das Fass gelegt hat, in dem er seit 24 Jahren seine tote Frau verwahrt. Der Verfasser spricht seinen Adressaten direkt an, die Polizei, er hat sie längst erwartet. Den Brief schrieb er vor mehr als zehn Jahren, mit Kugelschreiber auf kariertem Papier.

Jens K. fährt fort: „Sie hat sich am 10.2.1992 selbst das Leben genommen. Sie hat sich mit Paketband an einem Haken in unserer damaligen Wohnung erhängt. Ich habe sie trotz ihrer ständigen Depressionen sehr geliebt, habe den Wunsch verspürt ihr zu folgen.“

Der Brief, drei gefaltete Seiten, steckt unter einem Stück Pappe, das K. auf das Fass geklebt hat, auf das Grab seiner Frau. Neben dem Schreiben stehen in großer Schrift die Worte "Faß enthält LEICHE“ auf der Pappe, darunter das Wort „Polizei“ und ein Pfeil, der zum Brief zeigt.

Der schwarze Marker, den K. für diesen überdeutlichen Hinweis benutzt hat, liegt noch auf dem Fass, als die Ermittler alles finden.

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„Verbrechen „Ich habe Franziska in einem Fass verpackt und das Fass zugeschweißt““

spiegel.de 22.10.2017
Wie „erleichtert“ muß sich der Mann gefühlt haben, wenige Jahre nach dem Vorfall das Wort „Faß“ mit ss schreiben zu dürfen. Aber hatte er die Pappe nicht danach beschrieben?

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Sigmar Salzburg
15.08.2017 14.29
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„Reform“ nach Heyse schon 1945 in der Nordwest Zeitung?

Der 19jährige Hochstapler Willi Herold findet in den letzten Kriegstagen 1945 die Uniform eines Hauptmanns der Luftwaffe, übernimmt so verkleidet die Macht in einem Lager im Emsland und läßt 168 Menschen hinrichten – die Nazi-Version des Hauptmanns von Köpenick.

Herold schlägt sich nach Wilhelmshaven durch. Dort nehmen ihn britische Marinesoldaten am 23. Mai 1945 fest, weil er einen Laib Brot gestohlen hat. Doch das britische Militärgericht findet seine Identität heraus, am 16. August 1946 beginnt in Oldenburg der Kriegsverbrecherprozess.

„Man hat oft die Groteske skizziert, dass wir auch einen Briefkasten mit erhobenem Arm grüßen würden, wenn man es uns befohlen hätte. Wir haben oft darüber gelacht. Wir hätten es nicht tun sollen“, schreibt ein Journalist der „Nordwest Zeitung“ zum Prozessauftakt. Willi Herold wird zum Tode verurteilt – am 14. November werden der „Henker vom Emsland“ und fünf seiner Helfer in Wolfenbüttel mit dem Fallbeil hingerichtet.
spiegel.de/einestages 14.8.2017
Spiegel Online übernimmt die orthographische Fälschung ins Heyse-ss-System von irgendeiner anderen Veröffentlichung.

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Sigmar Salzburg
05.08.2017 10.12
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Vera Lengsfeld warnt ...

... daß sich Europa in eine ähnlich explosive Situation hineinmanövriert, wie es Stefan Zweig für die Zeit kurz vor dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs beschrieben hat:

Fatale Ähnlichkeiten mit der Welt von gestern

Der österreichische Schriftsteller Stefan Zweig hat kurz vor seinem Freitod ein Buch geschrieben, das uns in beklemmender Weise den Spiegel vorhält. Wer es liest, muss feststellen, wie verzweifelt wenig aus den verhängnisvollen Fehlern, die Europa im vergangenen Jahrhundert zweimal ins Unglück gestürzt haben, gelernt wurde.

Zum dritten Mal ist sind Politik und Medien dabei, sich als Gesellschaftsklempner zu betätigen und am noch lebenden Körper Europas eine Vivisektion durchzuführen. Das dritte Gesellschaftsexperiment ist die gewaltsame Umwandlung der historischen Vielfalt unseres Kontinents in eine multikulturelle Einöde. Mit Hilfe einer Masseneinwanderung von Menschen aus vormodernen Kulturen soll eine „Superkultur“ anstelle der europäischen Kulturen entstehen.
Leider ließ Frau Lengsfeld ihren ss-Deutsch-Automaten den Text bearbeiten, so daß auch alle Zitate Zweigs in der Rechtschreibung der Gesellschaftsklempner von 1996 erscheinen:
„Wir aber, die wir noch die Welt der individuellen Freiheit gekannt, wir wissen und können bezeugen, dass Europa sich einstmals sorglos freute seines kaleidoskopischen Farbenspiels. Und wir erschaudern, wie verschattet, verdunkelt, versklavt, verkerkert unsere Welt dank ihrer selbstmörderischen Wut geworden ist.“...

„Wenn man ruhig überlegend fragt, warum Europa 1914 in den Krieg ging, findet man keinen einzigen Grund vernünftiger Art, nicht einmal einen Anlass“.

„Jeder Einzelne erlebte eine Steigerung seines Ichs nicht mehr isoliert, sondern als Teil einer Masse, seine sonst unbeachtete Person hatte einen Sinn bekommen.“¹ Es herrschte „das Verlangen, die bewussten Urtriebe, die ‚Unlust an der Kultur‘, die alten Blutinstinkte“ auszuleben.
Es begann damit, daß ab 1999 plötzlich alle Texte umgewandelt wurden. Man fragte sich, wie schon Stefan Zweig ...
„ob ich wahnsinnig sei unter all den Klugen oder grauenhaft wach, inmitten ihrer Trunkenheit“.

Es war in den ersten Kriegswochen unmöglich, ein ernsthaftes Gespräch zu führen. Es ist, als ob Zweig die Situation von Deutschland und Europa 2015-2017 beschriebe...
Wer 2015 etwas gegen den offensichtlich gesetzwidrigen Irrsinn unserer Regierung sagte, wurde gnadenlos zerrissen.
Nach einer langen Friedensperiode ist das „Friedensprojekt“ der Eurokraten dabei, Europa einem neuen Krieg auszuliefern. Diesmal wird es aller Voraussicht nach kein konventioneller Krieg sein, sondern eine Art Bürgerkrieg der „Neubürger“ gegen die, die „schon länger hier leben“...

„Die Russen, die Deutschen, die Spanier, sie alle wissen nicht mehr, wie viel Freiheit und Freude der herzlos gefräßige Popanz des ‚Staates‘ ihnen aus dem Mark der innersten Seele gezogen.“

Stefan Zweigs zeitloses Werk kann als Warnung davor gelesen werden.

Stefan Zweig „Die Welt von gestern“

vera-lengsfeld.de 4.8.2017
Schade, daß Frau Lengsfeld die Zitate umgefälscht hat, obwohl ihr Link auf ein anständig gedrucktes Taschenbuch weist und auch gutenberg.spiegel.de den richtigen Text anzeigt. Fürchtete Frau Lengsfeld, die schon umdressierten Leser zu verstören?

¹) Wie die Rechtschreibbastler: Nach unbeachteten 100 Jahren plötzlich im Mittelpunkt der Gesellschaft!

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Sigmar Salzburg
03.08.2017 14.09
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1996er Heyse-System schon 1941?

Hitlers Panzergeneral rettete sich in ein Irrenhaus ...

Zu Weihnachten 1941 übernahm Schmidt die 2. Panzerarmee als Oberbefehlshaber – rund 200.000 Soldaten. Zusätzlich trug er nun die Verantwortung für mehrere Hunderttausend sowjetische Zivilisten, die im Gebiet seiner Truppen lebten. Schon als Chef des Armeekorps, also mit ganz überwiegend direkt frontbezogenen Aufgaben, hatte Schmidt gegen den berüchtigten „Kommissarbefehl“ protestiert: „Als Sofortmaßnahme muss der Schießerlass für politische Kommissare fallen“, schrieb er in einer Denkschrift im September 1941.

welt.de 16.7.2017

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Sigmar Salzburg
24.03.2017 21.14
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Spiegel online zu Walsers Neunzigstem

Wenn der Kulturredakteur des Spiegel (oder sein Korrekturautomat) alle alten Zitate in die „neue“ Rechtschreibung umsetzt, ist es Zitatenfälschung. Wenn er „schrieb“ o.ä. dazusetzt, werden daraus Lügenfälschungen:

Martin Walser und seine Kritiker
Ein bisschen hinrichten
Sein Zerwürfnis mit Marcel Reich-Ranicki ist legendär – aber Martin Walser hatte nie ein einfaches Verhältnis zur Literaturkritik. Erinnerungen von Volker Hage zum 90. Geburtstag des Schriftstellers.


Freitag, 24.03.2017 17:04 Uhr

Es begann mit einem Leserbrief. Er schickte ihn im Februar 1964 von Friedrichshafen nach Hamburg. Das Thema: Marcel Reich-Ranicki, der zuvor im SPIEGEL ordentlich gerupft worden war... Mit Mitte dreißig, in seinem Leserbrief, war der emporstrebende Schriftsteller kämpferischer gestimmt. „Der blinde, einsträngige Indikativ ist sein bevorzugter Modus“, schrieb er dem SPIEGEL: „Urteilen, aburteilen und ein bisschen hinrichten.“
Spiegel-Lüge: Selbstverständlich hatte Walser „ein bißchen hinrichten“ geschrieben.
Über Rudolf Augstein, den er schon 1947 kannte und mit dem er später befreundet war, äußerte Walser sich erstmals 1987 im SPIEGEL. Den „Erfinder eines Hamburger Nachrichtenmagazins“ behandelte er nicht ohne Spott („Immer wieder kriegt er es hin, dass seine Sätze strahlen wie aus dem allerbesten Latein übersetzt“)...
In Walsers Laudatio steht natürlich im Original geschrieben:
Immer wieder kriegt er es hin, daß seine Sätze strahlen wie aus dem allerbesten Latein übersetzt. Einmal murmelt er eher schwermütig, der Publizist dürfe eigentlich gar nicht daran denken, "daß Cicero den Catilina erledigen, nicht aber Cäsar und dessen Alleinherrschaft verhindern konnte“. (Spiegel 8/1987)
Weiter in Spiegel-Neudeutsch:
Immer wieder wurde dabei Walsers Sprachkraft bewundert und das künstlerische Ergebnis bemängelt. Walsers auf „Halbzeit“ folgender Roman „Das Einhorn“, hieß es 1966, sei „so eloquent, dass es kaum noch auszuhalten ist. Der Roman selbst hält es nicht aus.“
Natürlich wurde wieder „nur“ ein „daß“ umgefälscht:
Walsers neuer Roman „Das Einhorn“, eine Art zweite „Halbzeit“, ist so eloquent, daß es kaum noch auszuhalten ist. Der Roman selbst hält es nicht aus. Gewiß, auch hier gibt es wieder Preziosen der Formulierkunst (Spiegel 37/1966)
In der Zeit des Wiedervereinigungs- und Rechtschreibumbruchs traten seltsam widersprüchliche Positionen zutage: Grass als Gegner der Wiedervereinigung blieb auch Gegner der Rechtschreib„reform“, während Walser trotz seiner Freude über die Wiedervereinigung schließlich Mitläufer der orthographischen Spalter wurde.
Tatsächlich war es ein gründliches, ein grundsätzliches Gespräch über Deutschland und die Rolle der deutschen Intellektuellen – die standen, wie Günter Grass, in jenen Tagen zu einem großen Teil der Wiedervereinigung skeptisch gegenüber. Walser dagegen erklärte, "dass für mich die Entwicklung, die jetzt zur Einigung geführt hat, das schönste Politische ist, was ich in meinem Leben erfahren habe“,
Walsers Rede wurde jedoch richtig so wiedergegeben:
WALSER: Also erst einmal muß ich wirklich deutlich sagen, daß für mich die Entwicklung, die jetzt zur Einigung geführt hat, das schönste Politische ist...(Spiegel 41/1990)
Auch hier kann sich der Kulturredakteur damit herausreden, daß er die Worte Walsers ja so gehört habe:
„Ich kenne keinen Schriftsteller, der lieber nach seinen politischen Auftritten beurteilt werden möchte als nach seinen Romanen“, sagte er fünf Jahre später zu mir, als ich für den SPIEGEL mit ihm sprach. „Die Forderung, dass bei einem Schriftsteller die Weltveränderungsbotschaft dabei sein müsse, ist eher eine Art von Gesellschaftsspiel.“
Im Spiegel kurz vor Beginn der Reformkatastrophe 1995 steht es jedoch so:
Walser: Ich kenne keinen Schriftsteller, der lieber nach seinen politischen Auftritten beurteilt werden möchte als nach seinen Romanen. Die Forderung, daß bei einem Schriftsteller die Weltveränderungsbotschaft dabeisein müsse, ist eher eine Art von Gesellschaftsspiel. (Spiegel 4.9.1995)
Das „Treffen an Goethes Geburtstag“ fand dann in Walsers Wohnort mit dem reformresistenten Namen Nußdorf statt, der nun reformlogisch „Nuusdorf“ auszusprechen wäre. Hier haben die nichtsnutzigen Politiker ihr Weltveränderungs-Gesellschaftsspiel nicht zuende zu spielen gewagt.
Dieses Treffen im August 1995 verdankte sich weniger einem aktuellen Anlass als einer alten Verabredung zwischen uns. Mein erster Besuch in Nußdorf am Bodensee, die erste persönliche Begegnung mit Walser, hatte genau zehn Jahre zuvor stattgefunden... ( spiegel.de 24.3.2017)
Man kann nun einwenden, daß hier sichtbar wird, wie harmlos das ganze „Reförmchen“ sei. Gerade das penetrante Dass-Deutsch zeigt aber, wie sinnlos dieser herostratische Anschlag auf die seit 600, 400 und 200 Jahren gewachsene Rechtschreibung war, in dem eine Handvoll Wichtigtuer und Politkasper hundert Millionen Deutschsprachige am Nasenring mitgezogen haben. Jetzt soll niemand mehr an die gute Tradition erinnert werden.

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Sigmar Salzburg
21.02.2017 21.46
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Zeitzeugen des Hungerwinters 1946/47

Und dann brach über Europa einer der strengsten Winter des 20. Jahrhunderts herein. Zwischen November 1946 und März 1947 sanken die Temperaturen auf bis zu minus 20 Grad. Die Elbe war komplett vereist, der Rhein auf einer Länge von 60 Kilometern. Damit war die Binnenschifffahrt lahmgelegt – die Versorgung mit Rohstoffen und Nahrung kollabierte.

Erst kommt das Fressen, dann die Moral

„Jeder besaß das nackte Leben und außerdem, was ihm gerade unter die Hände geriet. Kohlen, Holz, Baumaterialien. Jeder hätte mit Recht jeden des Diebstahls bezichtigen können. Wer in einer zerstörten Großstadt nicht erfror, musste sein Holz oder seine Kohlen gestohlen haben, und wer nicht verhungerte, musste auf irgendeine gesetzwidrige Weise sich Nahrung verschafft oder verschafft haben lassen.“

So beschrieb der aus Köln stammende Schriftsteller Heinrich Böll den Alltag im zweiten Nachkriegswinter: die Deutschen als „Gesellschaft von Besitzlosen und potenziellen Dieben“ im täglichen Überlebenskampf.

spiegel.de 20.2.2017

So hat es Heinrich Böll (1917-1985) natürlich nicht beschrieben. Er verwendete entweder die bewährte Duden-Rechtschreibung von 1901 oder die ß-lose, wie sie vielfach bei Lateinschrift üblich war.

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