Buchmesse – 20 Jahre „Reform“
DIE DREI VERANSTALTUNGEN ZUR RECHTSCHREIBREFORM
Die erste Veranstaltung (20 Jahre Rechtschreibreform Bilanz und Ausblick) blieb ohne jede öffentliche Resonanz, obwohl sich dabei neun Kenner und Betroffene mit großem Ernst zu Wort gemeldet haben: Mario Adorf, Gabriele Ahrens, Organisatorin des niedersächsischen Volksbegehrens, Friedrich Denk, der Typograph Friedrich Forssman, der Kinderbuchverleger Hans-Joachim Gelberg, der Lehrerverbandspräsident Josef Kraus, der Editionsphilologe Prof. Roland Reuß, der Lyriker und Geschäftsführer der österreichischen IG Autorinnen Autoren Gerhard Ruiss sowie Arnold Stadler. Die Ton- und Filmaufnahme von dieser Veranstaltung im Saal Concorde in Halle 4.C wird das Niveau der Wortmeldungen dokumentieren.
Die zweite Veranstaltung die Preisverleihung am Tag darauf im Lesezelt war besonders erfolgreich. Auch das wird die Filmaufnahme zeigen. Für die kommenden Jahre sollte man jedoch auf der Buchmesse eine kleine Änderung erwägen: Das Signierzelt steht etwa 30 Meter vom Lesezelt entfernt (früher stand es deutlich näher). Deshalb konnte ein etwa viertelstündiger Wolkenbruch am Ende der Veranstaltung fast alle davon abhalten, die Bücher der Preisträger Elias Hirschl, Hans Krieger, Hans Kruppa, Christina Müller und Alva Sokopp zu erwerben und signieren zu lassen. Auch die Bücher der Jurymitglieder Mario Adorf, Elfriede Jelinek und Gisela Widmer, für die sie im voraus Exlibris signiert hatten, fanden erst an den nächsten Tagen ihre Leserinnen und Leser.
Die dritte Veranstaltung Die Rechtschreibung in Verlagen, Zeitungen, Schulen und Hochschulen war besser besucht als die erste und besonders spannend. Zwar fehlten drei der angekündigten Gäste, Matthias Dräger, Dr. Uwe Grund und Prof. Roland Reuß, teils aus familiären, teils aus gesundheitlichen Gründen. Dafür wirkten zwei kurzfristig eingeladene Experten mit: Andreas Hüllinghorst, Verlagsleiter der »jungen welt», und Dr. Peter Höfle, Kafka-Spezialist, früher Suhrkamp-Lektor, heute Deutschlehrer. Als erster sprach der langjährige F.A.Z-Redakteur für Bildung Dr. Kurt Reumann über die Rolle der F.A.Z als Kritikerin der Rechtschreibreform.
Nach ihm erklärte Andreas Hüllinghorst, warum die »linke« »junge welt« sich bis 2014 noch deutlicher gegen die Rechtschreibreform gewehrt hat: nicht so sehr aus Protest, sondern aus sprachlichen Gründen, weshalb sie auch heute, von der ss-Regel abgesehen, weitgehend in »klassischer« Rechtschreibung erscheint. *
Sodann begründeten der Verleger Stefan Weidle und der Typograf Friedrich Forssman, warum sie bei der klassischen Rechtschreibung bleiben und nach wie vor über den Eingriff der Obrigkeit in die Entwicklung der Schriftsprache erzürnt sind.
Sodann berichteten Dr. Peter Höfle und OStD Christoph Susewind von ihren Erfahrungen in der Schule, bevor Prof. Rudolf Wachter von der Universität Basel die Ziele der Schweizer Orthographischen Konferenz (SOK) erläuterte.
Alle Referenten waren sich mit dem Publikum (und dem langjährigen Vorsitzenden des Rechtschreibrats Hans Zehetmair) einig: Die klassische Rechtschreibung war und ist die bessere, und eine baldige Wiedergewinnung einer stabilen und einheitlichen Orthographie ist im Interesse aller, die deutsch lesen und schreiben, unbedingt wünschenswert. (Zu dieser Veranstaltung fand sich in der Online-Ausgabe der F.A.Z. ein »Blog«, den man »am besten gar nicht ignoriert«: mit Invektiven statt Argumenten und einem Informationswert gegen Null.)
DIE BEIDEN VORTRÄGE ÜBER DAS LESEN
Unter den mehr als 3.000 Veranstaltungen auf der diesjährigen Buchmesse waren die beiden Vorträge von Friedrich Denk (Warum Lesen die klügste Freizeitbeschäftigung ist, bei der man nebenbei auch das Rechtschreiben lernt und: Lies – und werde reich! Was wir von Bill Gates, Mark Zuckerberg, Warren Buffet und Steve Jobs lernen können) die einzigen, in denen unmittelbar für das Lesen von Büchern und Zeitungen geworben wurde. Der zweite Vortrag war gut besucht und ablesbar an der Zahl der verkauften Bücher von Mario Adorf, Elfriede Jelinek und Hans Kruppa, für deren Lektüre speziell geworben worden war auch erfolgreich (der Text des Vortrags findet sich auf der Webseite http://www.friedrichdenk.info).
Der erste Vortrag wurde kaum beachtet, obwohl es in ihm vor allem darum ging, wie man Kinder für das Lesen gewinnen kann. Allerdings gab es zu diesem Vortrag den wohl besten Bericht über alle fünf Veranstaltungen des Arbeitskreises Lesen und Rechtschreiben heute. Geschrieben hat ihn Magnus Reitinger, Kulturredakteur des Weilheimer Tagblatts, einer Regionalzeitung des Münchner Merkur. Hier ist er: Lies und werde reich!
In seinen Vorträgen über das Lesen wirbt Friedrich Denk immer auch für das Lesen der gedruckten Tageszeitung, weil man da vier lebenswichtige Fähigkeiten lernen kann: Alles, was wir sagen oder schreiben, sollte 1. zutreffend, 2. interessant, 3. gut formuliert und 4. kurz sein. Und das kann man nirgends so gut lernen wie bei der Lektüre einer Tageszeitung, die von Profis geschrieben wird, die sich immer um Objektivität und um interessante Themen bemühen, die fast alle sehr gut schreiben können und sich immer kurz fassen müssen. Im Netz ist das anders. Da ist vieles nachlässig recherchiert und formuliert, emotional gefärbt und oft zu lang. Und im Netz gilt leider mehr und mehr, was Steve Jobs 2008 einem Reporter gesagt hat: »Tatsache ist die Leute lesen nicht mehr. The fact is that people don’t read anymore.« (http://bits.blogs.nytimes.com/2008/01/15/the-passion-of-steve-jobs/)
http://www.rechtschreibreform.de/presse-zur-buchmesse/
(Die diesem Text vorgeschalteten Presseberichte wurden bei uns größtenteils schon veröffentlicht.)
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