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Sigmar Salzburg
10.10.2018 06.24
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Ein „objektiver“ Forscher

Gestern saß ich, von Paderborn kommend, im Zug und hörte die Ansage, daß schon in Hannover-Linden Endstation sei. Ein Mitreisender erläuterte, vor dem Hauptbahnhof sei die Königsbrücke gesprengt worden, und ich müsse für die restliche Strecke die Straßenbahn nehmen, um meinen Anschlußzug zu erreichen.

Die Fahrt führte mich durch eine altvertraute Gegend, die ich seit vierzig Jahren nicht mehr betreten hatte. Ich war entsetzt. Hätten nicht bisweilen wilhelminische Fassaden durchgeschimmert, ich hätte glauben mögen, ich wäre in Klein-Kabul. Dicht an dicht reihten sich Läden und Dönerlokale mit afghanischen, persischen, arabischen und türkischen Inschriften. Das Volk sah auch danach aus. Mir erstarb jegliches Heimatgefühl.

Nun lese ich, der AfD-Vorsitzende Alexander Gauland habe in der FAZ einen Gastbeitrag zum Thema „Heimat“ geschrieben und der „renommierte“ Antisemitismusexperte Wolfgang Benz mit seinem hochentwickelten „Nazi“-Riechorgan darin Ähnlichkeiten mit einer Rede Adolf Hitlers von 1933 erschnüffelt, lt. Tagesspiegel:

Eine „globalistische Klasse“ gebe kulturell und politisch den Takt vor. Ihre Mitglieder fühlten sich in einer abgehobenen Parallelgesellschaft als Weltbürger, schrieb der AfD-Politiker. Ihnen gegenüber stünden „diejenigen, für die Heimat noch immer ein Wert an sich ist und die als Erste ihre Heimat verlieren, weil es ihr Milieu ist, in das die Einwanderer strömen“.

Hitler hatte in seiner Siemensstadt- Rede 1933 gegen „eine kleine, wurzellose, internationale Clique“ Front gemacht, die überall und nirgends zu Hause sei, heute in Berlin lebe und morgen in Brüssel. Das Volk aber könne ihnen nicht nachfolgen, es sei „gekettet an seine Heimat, ist gebunden an die Lebensmöglichkeiten seines Staates, der Nation“.
Bei der Beschreibung von Verhältnissen werden sich immer Übereinstimmungen finden lassen, vor allem bei Sichtweisen, wie sie in den 20er-Jahren von links bis rechts verbreitet waren. Benz' üble demagogische Absicht wird deutlich, wo er ein gefühlsbeladenes Wort wählt, um Gauland eine geradezu liebevolle Nähe zu Hitlers Text zu unterstellen. Benz:
Trotz der auffälligen Übereinstimmung von Argumentation und Diktion handelt es sich aus formal-juristischen Gründen wohl nicht um ein Plagiat. Denn nicht der Wortlaut stimmt überein, sondern „nur“ die vorgetragene Ideologie. Doch Gaulands Text ist ganz offensichtlich eng an den Hitlers angeschmiegt.
Benz' Perfidie steckt auch in seiner Betonung seiner vorgeblichen Objektivität:
Nach der Lektüre und der feierlichen Versicherung, man halte nicht alle AfD-Wähler für runderneuerte Nazis, darf man wohl doch vermuten, dass derselbe Geist weht wie einst 1933.
Den Vogel aber schießt Benz mit der religiösen Klassifizierung von Juden in der AfD ab:
Seit neuestem gibt es eine Gruppe „Juden in der AfD“. Eine Handvoll nur, deren Berechtigung, sich Juden zu nennen, einer rabbinischen Prüfung möglicherweise nicht standhält.

tagesspiegel.de 9.10.2018
Ob er dabei auch an den beamtenrechtlich unqualifizierten thüringischen Verfassungsschutzpräsidenten Stephan J. Kramer gedacht hat? – der nur aufgrund seines vorgeblichen Judentums auf diesen Posten gehievt werden konnte und auf den trotz seiner Konversion auch die Einschätzung als „Kostümjude“ passen würde, wie sie Lea Rosh von traditionell jüdischer Seite erfahren mußte.

PS: Ich kenne Benz' Forschungen nicht, bin aber nach solcher „Objektivität“ auch nicht neugierig darauf.

M. Klonovsky bemerkt Unvergleichliches und gibt verwandte Texte an ... Dazu das Neueste: Gauland soll jetzt nicht mitfühlend Hitler (*1889), sondern direkt den „Kulturwissenschaftler“ Michael Seemann (*1977) plagiiert haben – erschienen im „Tagesspiegel“ 2016 (bildblog)! Wenn das stimmt, hätte Benz' Riechkolben Seemanns Hitler-Plagiat in Gaulands FAZ-Text gewittert! – Ein übler Artikel steht auch bei heise.de 13.10.2018

Die geschwätzwissenschaftliche Unschärferelation läßt alles als möglich erscheinen.

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Sigmar Salzburg
05.04.2018 17.29
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Herrschafts- oder Gleichschaltungsinstrument?

Der Schreibreformer Peter Gallmann war während der Vor-, Zwischen- und Nachbereitung der „Reform“ ein wichtiger Unsinnsstifter. In der Frühzeit dieses Forums sind ihm hunderte Einträge gewidmet (Suche). Jetzt wird er vom Dudenverlag aufgeboten, um die Katastrophe kleinzureden, die wir ohne die „Reform“ nicht gehabt hätten. Sie bekommt jetzt noch durch die Überfüllung der Schulklassen mit Migrantenkindern eine völlig neuartige Dimension – die natürlich auch wieder fast verschwiegen wird:

Tagesspiegel 03.04.2018 12:50 Uhr

Rechtschreibung „Ein Beitrag zur Chancengleichheit“

Wie steht es um die Rechtschreibung und ihre Vermittlung? Ein Gespräch darüber, warum es nicht egal ist, wie wir schreiben.

Im vergangenen Herbst veranstaltete die Dudenredaktion in Berlin eine Podiumsdiskussion zum Thema: „Warum es nicht egal ist, wie wir schreiben“. Der Dudenverlag hat diese Diskussion in einem Buch dokumentiert, das nun erschienen ist. Wir veröffentlichen einen gekürzten Auszug daraus. Teilnehmerinnen und Teilnehmer: Kathrin Kunkel-Razum, Leiterin der Dudenredaktion, Ulrike Holzwarth-Raether, Grundschullehrerin, Hochschulplanerin und Schulentwicklerin, Peter Gallmann, Professor in Jena für Deutsche Sprache der Gegenwart, Burghart Klaußner, Schauspieler.

KUNKEL-RAZUM: Immer wieder gibt es Klagen, dass junge Menschen nicht mehr rechtschreiben könnten. Stimmt das? Gibt es Studien, um das zu belegen?

GALLMANN: Es gibt Studien, aber man muss bedenken, dass über die Jahre hinweg nicht die gleiche Art Menschen gemessen worden ist. Diejenigen, die 1917 ihr Abitur gemacht haben, stammten aus einem anderen Personenkreis als die Abiturienten heute.

Ich glaube, dass die Rechtschreibbeherrschung insgesamt leicht abgenommen hat, ganz einfach auch deshalb, weil die heutigen Schüler und Schülerinnen innerhalb des Deutschunterrichts ein viel breiteres Spektrum an Fähigkeiten zeigen müssen. Früher hat man einen Besinnungsaufsatz geschrieben, das war die Leistung. Heute müssen sie ganz verschiedene Textsorten beherrschen. Da bleibt einfach weniger Zeit, um sich auf die Rechtschreibung zu konzentrieren. Rechtschreibung ist eine Anstrengung, und jede Generation muss Rechtschreibung neu und mühsam lernen.

HOLZWARTH-RAETHER: Ich beobachte in den Einschulungsgesprächen, dass die Kinder heute viel mutiger und autonomiebestrebter sind. Für diese kleinen selbstbewussten Menschen ist es schwieriger, sich an Regeln, auch Rechtschreibregeln, zu halten.
[...]

KLAUSSNER: Freunde, die Lehrer sind, erzählen mir, der Anteil von Kindern aus Migrationsverhältnissen in den Grundschulen der Arbeiterbezirke sei höher, als man sich vorstellen kann. Die Sprachbarriere steige deshalb enorm an, auch die Rechtschreibbarriere. Und das zweite Thema, auf das man sehr deutlich schauen muss, ist die Frage der Digitalisierung. Ich weiß nicht, ob Schreiben mit der Hand oder Tippen auf der Tastatur im Schulalltag heute überwiegt. Die Schreibschrift meines älteren Sohnes ist nicht besonders leserlich und die des jüngeren noch schlechter, weil sie die Schreibschrift praktisch nicht mehr anwenden.

KUNKEL-RAZUM: Welches sind die fehlerrelevantesten Gebiete bei der Rechtschreibung?

GALLMANN: Am anfälligsten ist die Zeichensetzung. An zweiter Stelle kommt die Groß- und Kleinschreibung und erst an dritter Stelle die Getrennt- und Zusammenschreibung.

Ich glaube, bei der Zeichensetzung werden zum Teil beim Unterrichten Fehler gemacht: zu früh, zu disparat, also zu kleinteilig. Die Chancen, die man bei der Vermittlung der Zeichensetzung in der Sekundarstufe II hätte, werden überhaupt nicht wahrgenommen, dort werden nur noch literarische Werke diskutiert. Die formale Seite der Sprache wird vernachlässigt – und gerade in dem Alter sind Schülerinnen und Schüler äußerst aufnahmefähig.
Gerade in der Zeichensetzung ist durch die „Reform“ viel Unheil gestiftet worden.
HOLZWARTH-RAETHER: Ein großes Problem für die Grundschulen ist, dass viele Kinder mit Sprachdefiziten, Defiziten beim Sprechen und in der Artikulation in die Schule kommen. Dafür gibt es ein Bündel an Gründen. Im Vorschulalter wird zum Beispiel heutzutage viel weniger mit den Kindern gesungen, artikuliert gesprochen und gereimt.
[...]

KUNKEL-RAZUM: Heiß diskutiert im Zusammenhang mit nachlassenden Rechtschreibleistungen wird der Ansatz in der Grundschule, die Kinder erst mal schreiben zu lassen, ohne sie zu korrigieren. Es geht um die Methode „Lesen durch Schreiben“.
[...]

GALLMANN: Gegen den Einstieg, dass man über das Schreiben auch das Lesen lernt, ist überhaupt nichts zu sagen, er funktioniert durchaus.

KUNKEL-RAZUM: Ich gebe persönlich zu, dass ich mich selber zum Teil schwer getan habe, als unser Sohn so unterrichtet wurde. Weil wir als Eltern eben nicht korrigieren sollten, um den Kindern den Spaß am Schreibenlernen nicht zu verderben.

GALLMANN: Das gehört aber gar nicht zur Methode. Nichts verbietet es den Lehrern, sorgfältig zu korrigieren.

KUNKEL-RAZUM: Warum ist denn korrekte Rechtschreibung eigentlich wichtig? Welche Konsequenzen hat es im beruflichen oder im privaten Kontext, wenn Rechtschreibung vernachlässigt wird?

HOLZWARTH-RAETHER: Ich habe auch in der Hauptschule unterrichtet und für mich war immer ein großer Auftrag, dass die Schülerinnen und Schüler dort die Chancen, die sie haben, wirklich wahrnehmen können. Das heißt, Rechtschreibung war für mich ein Beitrag zur Chancengleichheit.

Heutzutage sehe ich, wenn man von Künstlerinnen oder Künstlern eine E-Mail kriegt, dass sie nur so von Rechtschreibfehlern wimmelt – aber das ist irgendwie kreativ und man lässt es durchgehen. Aber wenn ein Hauptschüler sich mit einer fehlerhaften Bewerbung vorstellt, kann es schon sein, dass er nicht zum Vorstellungsgespräch eingeladen wird.

Die Rechtschreibung spielt eben – das ist das Verrückte – nicht bei denen eine Rolle, die es sowieso geschafft haben, sondern eher bei denen, die es nicht schaffen.

KLAUSSNER: Das ist eine absolute Herrschaftsfrage – und auch eine Zivilisationsfrage. Wer falsch schreibt, ist unten durch.

GALLMANN: Ich würde es ein bisschen praktischer sehen. Jemand, der einem anderen etwas mitteilen will, tut gut daran, die äußere Form zu optimieren, weil der Inhalt ernster genommen wird. Und genau das muss man in der Schule vermitteln.

tagesspiegel.de3.4.2018
Was hatte doch der Kultusminister Rolf Wernstedt versprochen? * „Mit der Reform sind wir 90 Prozent unserer Rechtschreibprobleme los.“* Den brachialen Beitrag dazu wollten Gallmann & Co. liefern, und haben es doch nur toll patschigen „Missetätern“ (Reich-Ranicki) gebracht:
Th. Ickler: Wenn Sie zum Beispiel die Großschreibung in „heute Abend“ usw. betrachten, müssen Sie dazu auch bedenken, was der heutige Großschreibungsfanatiker Peter Gallmann einige Jahre zuvor darüber gesagt hatte und wie fadenscheinig seine jetzigen Argumente für die Großschreibung sind. Darin folgen ihm die allermeisten Germanisten nicht, und es steht auch im Widerspruch zu den drei Kriterien für Substantive, die im Regelwerk selbst angegeben sind. Das wird sich bestimmt nicht halten lassen. hier

Es ist wiederum bezeichnend für Gallmanns Beitrag, daß er den hergebrachten Schreibbrauch kaum oder gar nicht respektiert. So hat er auch ernsthaft erwogen, die barocke Schreibweise „Freundinn“ wiedereinzuführen, damit „Ausnahmen“ (wie er sie versteht) beseitigt werden... Es ist schon oft darauf hingewiesen worden, daß „Leid tun“ nicht die einzige anstößige Neuschreibung innerhalb der Gruppe ist. So spricht gegen „Pleite gehen“, daß mit „gehen“ keine Substantive, sondern Adjektive (und Partizipien) verbunden werden: „kaputt“, „verloren“ usw... hier
Vorgestern habe ich einen längeren handschriftlichen Text meiner Frau abgetippt. Die Konfusion einer belesenen Literaturkennerin durch den allgegenwärtigen Reformunfug war wieder hautnah spürbar.

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Sigmar Salzburg
02.10.2017 17.05
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Volksentscheide in Berlin (aus einem Artikel)

In den vergangenen 20 Jahren gab es acht Volksinitiativen

Auch wenn Berlin von Schweizer Verhältnissen noch weit entfernt ist * – die plebiszitäre Bilanz kann sich sehen lassen: In den vergangenen 20 Jahren gab es acht Volksinitiativen. Insgesamt 34 Mal wurde die Einleitung eines Volksbegehrens * beantragt, die zwölf Mal tatsächlich in ein Volksbegehren und – mit dem am Sonntag zu treffenden Tegel-Votum – sechs Mal in einen Volksentscheid mündete. Es ging dabei um eher kuriose Anliegen * wie die Rücknahme* der Rechtschreibreform in Berlin, um verkehrspolitische Großprojekte wie die Förderung des Radfahrens oder um ein Nachtflugverbot für den BER, wenn er denn einmal eröffnet wird.

tagesspiegel.de 22.9.2017

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Sigmar Salzburg
21.09.2017 09.04
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Sprachentwicklung

Mein Deutsch, dein Deutsch

Schauderhaft kreativ: Der „Bericht zur deutschen Sprache“ beschreibt Phänomene wie das Gendersternchen und sterbende Dialekte.

von Anja Kühne

Wie geht es dem Deutschen? Aus konservativer Sicht nicht besonders gut: Die deutsche Sprache wird von Anglizismen überwuchert, der Genitiv scheint so schwer angeschlagen wie die Dialekte, und die Orthografie ist von der Rechtschreibreform verstümmelt. Zusätzlich wird das Deutsche von Randgruppen gequält: Nach dem großen I der FeministInnen muss es das Gendersternchen erdulden, Jugendliche mit Migrationshintergrund erfinden in ihrem wilden Sprach-Mischmasch eine neue Grammatik, und in der Politik werden Wahlprogramme in „Leichter Sprache“ zum Standard erhoben. Allerdings: All diese Phänomene lassen sich auch optimistisch betrachten. Dann zeugt der Sprachwandel von der großen Flexibilität der deutschen Sprache, die dank der Kreativität ihrer Sprecherinnen und Sprecher ständig reicher wird.

Verfällt die deutsche Sprache oder blüht sie? „Weil Nani hatte keine Zeit“, „wegen dem schlechten Wetter“ – solche Sätze müssten der Eleganz des Deutschen ja eigentlich keinen Abbruch tun, erklärt der Linguist Wolfgang Klein (Nijmegen). Er selbst fände solche Formulierungen aber „schauderhaft“: „Was von den Normen abweicht, die man uns in der Kindheit eingebleut oder eingebläut hat und die von den Autoritäten eingehalten werden, empfindet man als falsch, als schlecht, als hässlich, als Deppensprache; es kennzeichnet den Ungebildeten. Varietäten sind aber nie in sich selbst falsch. Sie sind nur anders als jene, die man selber hochhält.“ Klein präsentierte am Mittwoch in Berlin gemeinsam mit anderen Linguistinnen und Linguisten den „Zweiten Bericht zur Lage der deutschen Sprache“.

Die Linguistik betrachtet sich nicht als Sprachpolizistin, sie sieht es als ihre Aufgabe, die Sprache zu beschreiben: „Die letzte Normautorität ist aus dieser Sicht die Sprachgemeinschaft selbst“, erklärte der Potsdamer Linguist Peter Eisenberg. „Es macht keinen Sinn, gegen den Sprachgebrauch normativ anzustinken.“

Das Gendersternchen – ein „Willkürakt“

Eisenberg hat gleichwohl verschiedene Phänomene gesichtet, die in der Öffentlichkeit Besorgnis erregen. So geht er, ein entschiedener Gegner der Rechtschreibreform, davon aus, dass diese „dem Orthographieunterricht quantitativ und qualitativ viel Wasser abgegraben hat“, was mit ein Grund für die nachlassenden Rechtschreibfähigkeiten bei Schülern sei. Den Wunsch nach „politisch korrekter Sprache“ hält Eisenberg für eine Bevormundung. Auch geschlechtergerechte Sprache („BäckerInnen“, „Bäcker_innen“ oder „Bäcker*innen“) lässt er nicht wie andere Linguisten als nützliche Innovationen der Sprachgemeinschaft gelten. Denn hier handle es sich nicht um sprachliche Evolution, sondern um „Willkürakte“ [....]


„Er ist voll geil jetzt, macht disch rischtisch platt so, voll der Killer“

Um Zugehörigkeit zur Gruppe geht es auch beim innovativen Deutsch von Jugendlichen mit türkischem Migrationshintergrund, in der Öffentlichkeit „bald Türkendeutsch, Kanaksprak, Türkenslang oder Kiezdeutsch“ genannt, wie Norbert Dittmar (Berlin) und Yazgül Eimeek (Münster) schreiben. Der Ethnolekt unterscheide sich deutlich vom „Gastarbeiterdeutsch“ der sechziger und siebziger Jahre; er dient dazu, eine eigene Identität im Gastland der Eltern und Großeltern aufzubauen. [...]

Die „Koronalisierung des Ich-Lauts“ („disch“, „rischtisch“), die besonders von türkischstämmigen Jugendlichen benutzt werde, diene offenbar dazu, sich damit als „anders als die Mitglieder der Mehrheitsgesellschaft“ zu erkennen zu geben, er gehört zum „subkulturellen Gegengestus“, erklären Norbert Dittmar und Yazgül Eimeek. Denn während die Generation der türkischen Gastarbeiter tatsächlich Probleme mit der Aussprache des Ich-Lauts hatte, treffe dies auf die junge Generation nicht zu. [...]

„Vielfalt und Einheit der deutschen Sprache. Zweiter Bericht zur Lage der deutschen Sprache“. Hrsg. Deutsche Akademie für Sprache und Dichtung/Union der deutschen Akademien der Wissenschaften 2017. Stauffenberg Verlag, 331 Seiten, 29,95 Euro.

tagesspiegel.de 20.9.2017 (gekürzt)

Eben habe ich im Wartezimmer im „Schlei-Boten“ dazu etwas gänzlich Gegenteiliges gelesen:

„Die Lage der deutschen Sprache ist sehr gut. Das oft fehlerhafte Schreiben in Chats und Messenger-Diensten beeinträchtigt das Schreiben anderer Texte aus Sicht einer Expertin kaum. Die Schreiber seien in der Lage, zu unterscheiden und ihre Sprache anzupassen, sagte die [im obigen Artikel nicht erwähnte] Sprachforscherin Agelika Storrer... (Schlei-Bote 21.9.2017)

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Sigmar Salzburg
14.01.2017 09.25
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Zwei Artikel über das rechte Schreibenlernen

Die Tagesspiegel-Redakteurin Anja Kühne interviewt die Professorin für Grundschulpädagogik (i.R.) an der Humboldt-Universität, Renate Valtin, die auch Mitglied im Konsortium der internationalen Grundschulstudie Iglu ist. In den „Potsdamer Neuen Nachrichten“ schreibt Kühne über Fehlerstudien, die die orthographischen Leistungen der letzten Jahrzehnte vergleichen. Hier sollen nur einzelne markante Aussagen herausgegriffen werden. .


Streit um Rechtschreibung
„Das Kind nicht entmutigen“

Lehrerinnen und Lehrer sollen Fehler schon früh korrigieren, sagt die Grundschulpädagogin Renate Valtin. Aber mit Gefühl.
von Anja Kühne

Schülerinnen und Schüler sollen von Anfang an spontan schreiben, selbst wenn sie dabei Fehler machen, meint Renate Valtin.

Frau Valtin, Baden-Württembergs Kultusministerin Susanne Eisenmann (CDU) hat die Grundschullehrkräfte des Landes angewiesen, Rechtschreibfehler schon bei Schulanfängern sofort zu korrigieren. Ist das eine gute Anweisung?

Das kommt auf den Entwicklungsstand des Kindes an. Hat es noch nicht gelernt, phonetisch zu schreiben – also den Lauten Buchstaben zuzuordnen –, wäre eine Korrektur des „Wortsalats“ eine Überforderung für Kind und Lehrkraft. Kann es aber phonetisch verschriften und macht dabei orthografische Fehler, sollte man es darauf aufmerksam machen, wie die „Erwachsenen-Schreibweise“ aussieht. Allerdings sollte man das Kind nicht entmutigen. Die Hinweise müssen also gemäß der psychischen Robustheit des Kindes dosiert sein.[...]

... die umstrittene Methode „Lesen durch Schreiben“ von Jürgen Reichen ...
[...]
Alle empirischen Untersuchungen hierzu sind eindeutig negativ. Deshalb sollte man diese Methode verbieten. [...]

Manche Leute haben den Eindruck, dass Schulabsolventen heute weit schlechter in Rechtschreibung sind als frühere Generationen. Zu Recht?

Es gibt keine große Längsschnittuntersuchung, aus der wir das ersehen könnten. Ich habe nur eine anekdotische Evidenz: Wenn ich meine Studierenden früher das Kosog’sche Diktat schreiben ließ – „Tut nie unrecht, seid Ihr aber im Recht, so habt Ihr recht“ und so weiter –, hatten sie schon in drei Sätzen so viele Fehler wie die Leute achtzig Jahre vorher im ganzen Text. Allerdings hat die Rechtschreibreform inzwischen ja vieles leichter gemacht....

[Eigene Anmerkung: Nach den in diesem Forum über 18 Jahre geführten Untersuchungen kann diese Einschätzung nur auf einer unangemessenen Überbewertung minimaler Vorteile für Frühkläßler beruhen, die es nicht rechtfertigen, in die gewachsene kulturelle Tradition einer 100-Millionen-Schreibgemeinschaft einzugreifen.]

Was die Grundschule betrifft, so zeigen die Rechtschreibtests von Iglu 2001 und 2006, dass sich die Leistungen sogar signifikant verbessert haben. Insgesamt ist mir allerdings die Betonung des Themas Rechtschreibung in der bildungspolitischen und didaktischen Diskussion in Deutschland völlig unverständlich. International spielt die Beherrschung der Rechtschreibung so gut wie gar keine Rolle. Stattdessen wird zu Recht die Förderung der wichtigen Kompetenzen Lesen und Schreiben als Verfassen von Texten betont...

tagesspiegel.de 9.1.2017

Rechtschreibung
Bei den Methoden herrscht in der Schule Vielfalt

von Anja Kühne

Alphabetisierung. Die meisten Lehrerinnen und Lehrer setzen vermutlich verschiedene Methoden parallel ein.

Die Lehrkräfte haben beim Unterrichten der Rechtschreibung viele Freiheiten. Doch sie müssen Ziele erreichen.

Die meisten Bundesländer stellen es den Lehrkräften frei, mit welchen Methoden sie den Kindern das Schreiben beibringen. Die Lehrkräfte sollen so ausgebildet sein, dass sie die Methoden je nach Unterrichtssituation und Lerntyp auswählen. Die Berliner Schulverwaltung erklärt, die umstrittene Methode von Jürgen Reichen „Lesen durch Schreiben“ (siehe Interview) sei mit den Berliner Rahmenlehrplänen nicht vereinbar. Danach sollen schon Erst- und Zweitklässler Regeln ausprobieren und anwenden.

Das einzige Land, in dem sich die Lehrkräfte an der Reichen-Methode orientieren sollen, ist das Saarland. Allerdings hat die Kultusministerkonferenz 2015 eine Empfehlung abgegeben, wonach „das Kind ausgehend von seinen lautorientierten Verschriftungen von Anfang an systematisch an das orthografisch korrekte Schreiben herangeführt“ werden soll, also nicht nach Reichen gelernt werden soll.
Die meisten Lehrkräfte kombinieren verschiedene Methoden
[...]

Ein Drittel verfehlt bei der Rechtschreibung die Regelstandards

Ob Viert- und Neuntklässler die Bildungsstandards in Rechtschreibung erreichen, wird im IQB-Ländervergleich getestet. Beim letzten Test im Jahr 2011 lag etwa ein Drittel der Schüler unter dem Niveau der Regelstandards – ebenso wie beim Test der Neuntklässler von 2015.
Ob die Schülerinnen und Schüler die Rechtschreibung vor Jahrzehnten besser beherrschten, lässt sich nach Auffassung des Mercator-Instituts nicht sicher sagen. So ergab 2006 ein Vergleich der Leistungen von 200 Kindern in Düsseldorfer Grundschulen mit Schülerleistungen von vor 20 und 40 Jahren, dass die Kinder sich nicht grundsätzlich verschlechtert haben. Eine andere Studie, in der Leistungen von 976 Kindern aus den Jahren 1972, 2002 und 2012 verglichen wurden, stellte hingegen eine deutliche Verschlechterung fest. Die Ergebnisse solcher Studien seien „mit Vorsicht zu interpretieren“, schreiben die Forscher. Schließlich müsse bei einem Vergleich von Schülerleistungen über Jahrzehnte hinweg „die Veränderung der Lebenswelt, des Unterrichts und der späteren Arbeitswelt berücksichtigt werden“. In der Schule werde heute mehr auf kreatives Schreiben Wert gelegt als auf Rechtschreibung – „auch wenn die gesellschaftlichen Erwartungen hierzu im Konflikt stehen“.

pnn.de 10.1.2017

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Sigmar Salzburg
18.12.2016 15.11
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Streitthema Orthographie

„Rechtschreibfehler von Anfang an korrigieren“

In Baden-Württemberg sollen ab sofort Schreibanfänger orthographisch korrigiert werden. Freiere Methoden dürfen die Schulen nicht mehr praktizieren.

Baden-Württemberg will das „freie Schreiben“ in der Grundschule verbieten. Die weit verbreitete Methode, nach der Erstklässler in der ersten Klasse Wörter so schreiben dürfen, wie sie sie aussprechen, ziehe zu viele Fehler bei der Rechtschreibung nach sich und sei „nicht mehr zu praktizieren“, erklärte Kultusministerin Susanne Eisenmann (CDU) am Freitag.

Reaktion auf schlechtere Ergebnisse im Leistungsvergleich

Ab sofort müsse darauf geachtet werden, dass die Schülerinnen und Schüler von Anfang an korrekt schreiben. Das sei auch eine Konsequenz aus dem schlechten Abschneiden beim Ländervergleich des Berliner Instituts zur Qualitätsentwicklung im Bildungswesen (IQB). Nach der aktuellen, im Oktober veröffentlichten Studie waren Baden-Württembergs Neuntklässler in Deutsch und Englisch im bundesweiten Vergleich zurückgefallen – mit Defiziten auch bei der Rechtschreibung. In fast allen anderen Ländern lag Niveau der Schüler bei der Orthografie aber über dem von 2008...

tagesspiegel.de 17.12.2016

... aber deutlich schlechter, als vor vierzig Jahren, nachdem kurz zuvor die erste Rechtschreibreform von einem einsichtigen Kultusminister verhindert worden war.

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Sigmar Salzburg
16.08.2016 07.07
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20 Jahre Rechtschreib„reform“

Auch der Berliner Tagesspiegel kommentierte die 20 Jahre Rechtschreib„reform“, lenkte aber ins belanglose Allgemeine ab:

Denken und Sprache, die unsere Identität ausmachen, hängen unauflöslich zusammen. Schärfe, Klarheit, Ausdrucksvermögen brauchen ein Mindestmaß an Form. Ein Kommentar von Peter von Becker
Bemerkenswert ist nur der Hinweis auf ein durch Stefan Stirnemann herausgegebenes Werk:
Dieser Tage kann man in der Berliner Verlagsreihe „Die Andere Bibliothek“ in zwei schönen Bänden Eduard Engels „Deutsche Stilkunst“ wiederentdecken. Nach 85 Jahren. Denn Engels einstiges Standardwerk war zuletzt 1931 in der 31. Auflage erschienen, später haben die Nazis den jüdischen Autor verfemt und vergessen gemacht. Engel schrieb im Kapitel „Sprachschulmeisterei“: „Gemeinsam ist allen Sprachschulmeisterern die Taubheit gegen das ewig fließende, ewig sich wandelnde Leben der Sprache im Munde lebendiger redender Menschen.“
tagesspiegel.de 14.8.2016
Es ist aber stark anzunehmen, daß sich Eduard Engel dabei nicht das jetzt in Deutschlands sozialen Brennpunkten entstehende Kiez-Deutsch vorgestellt hat.

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Sigmar Salzburg
12.08.2016 09.52
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20 Jahre Rechtschreibreform

„Neue“ Rechtschreibung ist für manche noch immer ein Gräuel

Für manche Deutschen hat die Rechtschreibreform ihren Schrecken auch nach 20 Jahren nicht verloren. Die allermeisten Neuerungen haben sich aber durchgesetzt.

[Typisch Lügenpresse: Die Neuerungen wurden von ebendieser Presse durchgesetzt! ]

von Amory Burchard

Herr Eichinger, der Beginn der Rechtschreibreform liegt 20 Jahre zurück und noch immer haben viele nicht ihren Frieden mit den „neuen“ Schreibweisen gemacht. Überrascht Sie das?

Rechtschreibung ist ja etwas, das wir uns in bestimmter Weise angeeignet haben und mit dem wir uns lebenslang beschäftigen. Da tut man sich mit Veränderungen schwer [besonders, wenn sie wenn sie willkürlich und nichtsnutzig sind]. Die Reform von 1996 wurde auch nicht sehr glücklich durchgeführt. Es gab anfangs zu wenige Kompromisse mit dem bisherigen Schreibgebrauch. Manche Menschen haben den Schrecken von damals bis heute nicht verloren.

Der Rat für deutsche Rechtschreibung, dem Sie angehören, beobachtet seit der verbindlichen Einführung der Reform in den Schulen im Sommer 2006 den Schreibgebrauch. Was hat sich durchgesetzt und was nicht?

Eigentlich haben sich die meisten Dinge durchgesetzt. Auch wenn es öffentlich zum Teil anders dargestellt wird: Die Veränderung der s-Schreibung (dass statt daß) machen alle mit – bis auf statistisch unbedeutende Ausreißer.

[Das bewirken die hierarchische Erpressung und die Automatenkorrekturen. Freiwillig hätten sich nicht so viele dieser überflüssigen und traditionsfeindlichen Änderung unterworfen.]

Dass viele gleichwohl Probleme haben, das als Artikel oder Pronomen mit einem s und dass als Konjunktion mit Doppel-s zu schreiben, hat nichts mit der Reform zu tun. Hier besteht ein traditionelles grammatisches Problem weiter.

Zu Verwirrung führen auch die seit 2006 geltenden Änderungen der Reform, wonach es etwa nicht mehr Leid tun heißt, sondern leidtun – im Gegensatz zum früheren leid tun. Was denn nun, fragen die Leute.

In den vom Rechtschreibrat untersuchten Textsammlungen haben sich diese Neuerungen sehr weitgehend durchgesetzt.
[Durchsetzungsforschung! ]
Aber es gibt ähnliche Konstellationen, in denen der Gebrauch stark schwankt. Schreiber, die anheimstellen oder überhandnehmen getrennt schreiben wollen, erkennen dabei noch das Heim und die Hand . Die Meinung im Rat ist, dass man solche Fälle eher liberal handhaben und in der Schule nicht mehr unbedingt als Fehler anstreichen sollte. Was gar nicht funktioniert hat, ist oft die Integration, also die Eindeutschung, von Fremdwörtern: Praktisch niemand schreibt Vademekum oder Büfett. Hier wollen wir die „alte“ und die „fremde“ Schreibweise, also Vademecum und Buffet wieder zulassen.

[Weil der Rat die Kulturverbrechen „rau“ oder „dass“ nicht antasten darf, muß der „40-Köpfige“ nun mit Korinthenkackerei Wichtigkeit vortäuschen. Als Lateiner wäre mir „Vademekum“ nie eingefallen – abgesehen, daß ich es in 70 Jahren auch nie gebraucht habe. Meint Eichinger „an Heim stellen“ ernst? ]

Wie sieht es bei der vereinfachten Komma-Setzung aus? Herrscht dabei tatsächlich eine allgemeine Verunsicherung, von der häufig die Rede ist?

Dafür gibt es keine perfekte Lösung. Immer schon überlagern sich bei der deutschen Kommasetzung das grammatische Prinzip – teile Nebensätze ab – und das inhaltliche Prinzip, mit dem wir Zusammenhänge darstellen. Daran hat sich durch die Reform nichts geändert. Aber einige Fälle sind der schreiberischen Gestaltung freigestellt, etwa das Komma zwischen Hauptsätzen mit und. Der Rat will sich jetzt ansehen, ob man die Regeln systematischer darstellen kann.

Beobachten Sie Unterschiede zwischen den Textarten, die Sie untersuchen, also etwa zwischen gedruckten Schulbüchern, Belletristik und Online-Texten?

In Schulbüchern ist die Reformschreibung bundeseinheitlich durchgesetzt. Die Verlage haben sie ja selber mit beschlossen und wirken im Rat mit. Die Belletristik aber ist frei, gesetzmäßig gilt die neue Rechtschreibung nur für die Schule und für die Amtsschreibung. Literarische Texte leben davon, dass sie orthografisch eigenwillig sind. Autorinnen oder Autoren, die darauf bestehen, in alter Rechtschreibung zu erscheinen, können das bei ihren Verlagen durchsetzen.[längst nicht immer! ]
[...]

Wie sehen Sie die Sonderregeln, denen Zeitungen folgen? 2007 hat unter anderem die „FAZ“ erklärt, der Einheitlichkeit zuliebe die reformierte Rechtschreibung endgültig zu übernehmen, aber „Unsinnigkeiten“ wie platzieren und Stängel nicht mitzumachen, sondern weiterhin plazieren und Stengel zu schreiben.

Hausorthografie-Regelungen sind intern sinnvoll, wenn es dem konservativen Selbstverständnis widerspricht, jede Änderung mitzumachen. Das ist symbolisches Handeln, wobei die Zeitungen dabei keineswegs konsequent sind.

[Solche Abweichungen werden bei derDurchsetzungsforschung des Rates schlicht ausgeklammert. Konsequenter als die FAZ schreiben vermutlich die „junge Welt“, „Konkret“ und „Ossietzky“ durchgängig traditionell und verwenden nur zur Tarnung seit 2014 die ss-Regel. Die „Junge Freiheit“ und die vielen konservativen Publikationen, auch im Internet, werden auch aus politischen Gründen ausgegrenzt. ]
[...]

Wie geht es weiter mit der Rechtschreibreform: Was wird als Nächstes geändert?

Ganz große Änderungen sind nicht mehr zu erwarten. Ambivalenzfälle sind die große Aufgabe für die Zukunft des Rechtschreibrats. Wir beobachten die Schwankungen im Sprachgebrauch und geben Empfehlungen zu Varianten: Wenn du konservativ bist, schreib es so, wenn du progressiver erscheinen willst, so. Unter anderem werden wir der Kultusministerkonferenz im Oktober empfehlen, bestimmte Großschreibungen bei festen Begriffen wie der Große Lauschangriff in vernünftiger Weise im Regelwerk zuzulassen. Da ist die Regel bislang zumindest unklar, jetzt soll solch eine Schreibung auch als ein Normalfall gelten.

Das Gespräch führte Amory Burchard.

Ludwig M. Eichinger (66) ist Direktor des Instituts für Deutsche Sprache in Mannheim und Mitglied im Rat für deutsche Rechtschreibung... Foto: Promo/Backofen Mannheim

tagesspiegel.de 12.8.2016

Der „Große Lauschangriff“ ist aktuell wohl das Wichtigste, was dem anpassungsfähigen* Professor einfallen konnte. – Es bleibt festzuhalten: Die Rechtschreib„reform“ war das seit 1945 größte Kultur-Schurkenstück gegen den Willen der deutschen Mehrheit! Das ist aber inzwischen nicht mehr der einzige Grund, alle dafür verantwortlichen Parteien abzuwählen.

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Sigmar Salzburg
18.10.2015 04.51
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Der „Tagesspiegel“ kann’s noch infamer

Messerangriff auf Henriette Reker
Pegida hat in Köln mitgestochen

14:57 Uhr Von Martin Niewendick [Ex-Jungle-World]
Die OB-Kandidatin Henriette Reker wird am Wahlkampfstand schwer verletzt. Das ist auch das Ergebnis der Hetze fremdenfeindlicher Gruppen.
tagesspiegel.de 17.10.2015

retweetet: Ralf Stegner 17. Okt. 2015

Diese Logik ist infam, aber im Tagesspiegel nicht mehr selten. Die Überschrift erinnert mich an einen BILD-Titel anläßlich der Rettung der Verschütteten von Lengede 1963 durch eine Erdbohrung: Gott hat mitgebohrt

Vielleicht hat hier „Gott“ mitgestochen, wie bei den Islamisten. Nach Presseberichten soll der Täter ausgerufen haben:


„Ich rette den Messias. Das ist alles falsch, was hier gemacht wird. Ich befreie euch von solchen Leuten.“
welt.de 18.10.2015

Nachtrag: Siehe dagegen Klonovsky.

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Sigmar Salzburg
25.04.2015 08.08
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Horst-Wessel-Lied im Musikunterricht

Was darf Schule?

In Köpenick ist eine Musiklehrerin des Emmy-Noether-Gymnasiums von einem Unbekannten angezeigt worden. Sie hatte mit ihren Schülern im Unterricht das verbotene Horst-Wessel-Lied durchgenommen. Die Staatsanwaltschaft ermittelt nun wegen des „Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen“.

Was ist an dem Gymnasium passiert?

Der Vorwurf lautet: Die Musiklehrerin habe die Elftklässler [also reifere Schüler] aufgefordert, das Lied zu singen und Marschieren zu imitieren. Aus Sicht der Schule und der Lehrerin stellt sich das anders dar: Die Schüler sollten den Rhythmus „mit dem Fuß erfassen und die Melodie mitsummen“.

Thema des Unterrichts war „Lieder im Dienste politischer Propaganda“. Die musikwissenschaftliche Analyse des Wessel-Liedes habe zur Vorbereitung auf eine Klausur gedient, in der es um das Lied „Der Kälbermarsch“ von Bertolt Brecht und Hanns Eisler gehen sollte. Der „Kälbermarsch“ ist eine 1943 entstandene Parodie auf das Horst-Wessel-Lied. Der Schulleiter sagt, die Schüler bestätigten die Darstellung der Lehrerin. Sie habe klar darauf hingewiesen, dass das Lied verboten sei und sie es zu Studienzwecken analysierten.
tagesspiegel.de 16.4.2015

Inzwischen ist das Verfahren eingestellt.

Ein guter Unterricht verwendet Parodien gerne, denn sie erhellen den Geisteszustand der Zeit oft mehr als ermüdende Greuelberichte. Dazu muß man aber das parodierte Original einigermaßen kennen.

Wir haben hier übrigens auch eine Parodie des Horst-Wessel-Lieds (von Hans Flachs) veröffentlicht, die die Rechtschreib„reform“ aufs Korn nimmt. Schließlich war auch sie ja ein beliebtes Naziprojekt, das noch im Bombenhagel des Krieges vorangetrieben und danach von den verbliebenen Reformern in die Gegenwart „gerettet“ wurde.

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Sigmar Salzburg
25.07.2014 07.30
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Entzogener Doktortitel

Schavans Jubelprofessoren
von Anja Kühne
[...]
Bruno Bleckmann, der für Schavans Plagiatsverfahren zuständige Dekan der Philosophischen Fakultät, hat die 73-seitige Dokumentation am 7. Juli dem Akademischen Senat der Universität vorgetragen und dort verteilt.

MPG-Chef Gruss insinuiert, die Arbeit werde zu streng bewertet

Das Papier, das dem Tagesspiegel vorliegt, gibt weitere Einblicke in die Vorgänge. Bekannt wird damit ein Brief, den Peter Gruss, der damalige Präsident der Max-Planck-Gesellschaft, an den Fakultätsrat geschrieben hat, nämlich am Tag vor der Entscheidung darüber, ob die Fakultät nach der Vorprüfung von Schavans Dissertation („Person und Gewissen“, 1980) das Hauptverfahren eröffnen will. Vor dem Hintergrund, dass die Max-Planck-Gesellschaft sich selbst als Elite der deutschen Wissenschaft betrachtet, ist die Stoßrichtung ihres Präsidenten besonders erstaunlich. Obwohl zu diesem Zeitpunkt schon klar ist, dass Schavans Arbeit überprüft werden sollte (die zahlreichen Fundstellen, die ein Plagiatsjäger im Internet dokumentiert, legen das nahe, ebenso wie die durch den „Spiegel“ veröffentlichte Dokumentation Rohrbachers), insinuiert Gruss, die Dissertation drohe zu streng und mit falschen Maßstäben bewertet zu werden.

„Das Verfahren wird auch außerhalb Deutschlands mit großem Interesse verfolgt“, lässt er den Fakultätsrat am 21. Januar 2013 wissen und fordert „insofern“ „eine differenzierte Betrachtung“ von Schavans Arbeit: „Das schließt meines Erachtens eine Berücksichtigung der Zitationskultur des jeweiligen Faches sowie der technischen Arbeitsmethoden im Jahr 1980 und davor mit ein. Zumal nicht die wissenschaftliche Aussage der vorgelegten Dissertation, sondern der berichtende Teil von den Plagiatsvorwürfen betroffen ist.“ Gruss schließt mit der Warnung: „Vor dem Hintergrund der Berichterstattung in den Medien kann ich Sie als Mitglieder des Fakultätsrats nur darin bestärken, alles zu tun, um die Wissenschaft und wissenschaftliche Prinzipien nicht zum Spielball politischer Interessen werden zu lassen.“

Das Gericht bescheinigte Schavan „arglistige Täuschung“

Schavan hat aber keineswegs versehentlich einige Fußnoten vergessen, wie sie Schülern noch im April erklärte („Südwestpresse“ vom 10. April). Das Gericht hatte ihr im März „arglistige Täuschung“ bescheinigt. Es dokumentierte 60 Fundstellen, keineswegs nur im „berichtenden Teil“ der Arbeit. Von „handwerklichen Fehlern“ könne keine Rede sein. Da es eine Verjährung für Plagiate in Dissertationen aus guten Gründen nicht gebe, sei Schavan der Doktorgrad zu Recht aberkannt worden. Ebenfalls nicht überzeugen ließ sich das Gericht von dem nicht nur von Gruss vorgetragenen Argument, in der Erziehungswissenschaft habe man vor 35 Jahren seine Zitate aus anderen Werken nicht durchgängig belegt (hier das gesamte Gerichtsurteil).

Wusste Gruss es wirklich nicht besser? Oder könnte es sein, dass nicht wie von ihm angedeutet der Fakultätsrat in Gefahr war, „zum Spielball politischer Interessen“ zu werden, sondern er selbst, wie sein Brief nahelegen könnte? Die von ihm verfolgte Strategie, das Verfahren durch wolkige Anspielungen ins Zwielicht zu bringen, ist für Schavans Unterstützer aus der Wissenschaft typisch. Mit dieser Methode hatte nicht zuletzt die Allianz der zehn großen Wissenschaftsorganisationen versucht, den Gang des Verfahrens zu beeinflussen – wie Gruss, unmittelbar bevor an der Uni die Entscheidung über die Eröffnung des Hauptverfahrens anstand. Vier Tage vor dem Termin verschickt die Allianz eine „Gemeinsame Erklärung“ an die Presse. Darin suggeriert sie, die Düsseldorfer würden „in der Wissenschaft übliche Verfahrenselemente“ ignorieren, „wie das Mehraugen-Prinzip, die Trennung von Begutachten, Bewerten und Entscheiden sowie eine angemessene Berücksichtigung des Entstehungskontextes“ aus fachwissenschaftlicher Perspektive.

Obwohl diese Darstellung inhaltlich falsch war und auch nie belegt wurde, wurde sie im Anschluss immer wieder in Umlauf gebracht – auch von Berlins früherem Wissenschaftssenator Jürgen Zöllner¹ in der „Zeit“ und noch unmittelbar vor dem Gerichtsurteil wiederum in der „Zeit“ vom damaligen Vorsitzenden des Wissenschaftsrats, Wolfgang Marquardt.

tagesspiegel.de 25.4.2014

¹) Zöllner, als Bildungs- und Wissenschaftsminister in Rheinland-Pfalz Schavans Amtskollege seit 1995 und mit ihr an der Durchsetzung der Rechtschreib„reform“ beteiligt.

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Sigmar Salzburg
16.01.2014 12.00
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Ein Berliner Platz für den Freiheitskämpfer

Der Platz vor dem Schloss soll nach Nelson Mandela benannt werden

Fast alle wollen es und der Bezirk Mitte könnte es – deshalb dürfte ein Platz vor dem Schloss in wenigen Jahren nach dem Freiheitskämpfer und großen Versöhner Nelson Mandela benannt werden. Jedenfalls stößt der Vorschlag der Stiftung Zukunft Berlin, über den der Tagesspiegel gestern berichtete, auf viel Zustimmung.

Nelson Mandela hat nichts für Deutschland geleistet und außerdem mit terroristischen Mitteln seine Ziele verfolgt. Die geschätzten 20.000 Toten sollten eigentlich eine Ehrung in unserem Land ausschließen. Nicht nur Margret Thatcher hat ihn einen Terroristen genannt. Und – gibt es etwa einen Mahatma-Gandhi-Platz in Deutschland, benannt nach dem bedeutendsten Vertreter der Gewaltlosigkeit?

Einen, der wieder an der Spitze von Zeitgeist und „Fortschritt“ marschiert, kennen wir schon:


Auch der frühere Bildungssenator Jürgen Zöllner unterstützt die Initiative: „Mandela steht für die gegenseitige Achtung der Menschen untereinander und für die Chance, die Unterschiedlichkeit als Bereicherung anzusehen.“ Mit der Benennung eines Platzes nach dem Freiheitskämpfer und Versöhner werde die Intention der Bundesrepublik Deutschland deutlich: Dass das Humboldtforum eben auch als Symbol für ein „neues, anderes Miteinander in der Welt“ stehe ....
tagesspiegel.de 11.1.14

Dann müßten doch ebenso Ulrike Meinhof, Gudrun Enßlin und Andreas Baader einen Platz oder eine Straße erhalten. Auch sie waren Freiheitskämpfer, wenn auch nur für eine kleine Minderheit. Sicher hätten auch sie gerne nach ihrem Sieg die großen Versöhner gespielt. Werden wir demnächst eine Denis-Cuspert/Deso-Dogg-Straße kriegen, benannt nach dem Berliner „Freiheitskämpfer“ gegen Syriens Assad?

Auch John F. Kennedy und Salvador Allende gehören nicht auf deutsche Straßenschilder, mag der eine ehrenwert gewesen sein und der andere sich zum „Berliner“ ernannt haben. Die Hervorhebung ausgewählter Exoten verfolgt ausnahmslos ideologische Ziele, und solche möchte ich grundsätzlich nicht in Platz- und Straßennamen verewigt sehen.


(geä. 17.01.)

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Sigmar Salzburg
21.11.2013 08.08
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Klummpatschig

Heidi Klum unterbrach Vorlesung an der Humboldt-Uni

Das Model Heidi Klum hat mit seinem Fernsehteam eine Psychologie-Vorlesung besucht – mit Genehmigung der HU. Jetzt fragen Studierendenvertreter, warum die Uni-Leitung dann Workshops zu Bondage und Drag von Studierenden behindert


Heidi Klum darf keine weiteren Vorlesungen an der Humboldt-Uni stören. HU-Präsident Jan-Hendrik Olbertz sagte am Dienstag im Akademischen Senat, solchen Besuch zu empfangen gehöre nicht „zu den Aufgaben einer Universität“. Vor zwei Wochen war das Model mit einem Fernsehteam in einer Psychologie-Vorlesung erschienen. Klum ließ sich dort mit einer Studentin filmen, die sich in einem Bewerbungsverfahren für Klums Fernseh-Show „Germany’s Next Top Model“ qualifiziert hat...

Im AS weideten Studierendenvertreter den Vorfall genüsslich aus. Schließlich hat das Präsidium gerade eine Veranstaltung des „Referats für Lesben, Schwule, Bisexuelle, Trans* und Inter“ der Studierendenschaft verhindert, indem es sich weigerte, Räume unentgeltlich bereit_zu_stellen: für Workshops mit praktischen Übungen zu Bondage (Fesselung zur sexuellen Stimulation) und Drag („Männer“ in „Frauen“-Bekleidung). Die Studierendenvertretung sieht dies als Teil des studentischen Lebens und als zu einer theoretischen Beschäftigung mit diesen Themen gehörend.
tagesspiegel.de 19.11.2013

Die „junge Welt” glossiert (in bewährter Rechtschreibung) den Vorfall unter dem Titel:

Affenfelsen des Tages: Humboldt-Universität
jungewelt.de 21.11.2013

Uni-Präsident Jan-Hendrik Olbertz war seinerzeit bekanntlich vom Affenfels Kultusministerkonferenz an die Uni geflüchtet, nachdem er sich genötigt gefühlt hatte, beim Affentanz „Rechtschreibreform“ mitzumachen.

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Sigmar Salzburg
06.03.2013 21.18
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Sprachforschung

Deutsch lebt
... Am Freitag stellten sie [vier Sprachwissenschaftler] gemeinsam den ersten „Bericht zur Lage der deutschen Sprache“ in Berlin vor. Darin haben sich die Sprachforscher mit der öffentlichen Besorgnis über den „Verfall“ des Deutschen auseinandergesetzt und Entwarnung gegeben.
Seit der Rechtschreibreform in den 1990er Jahren ist das Interesse an Sprachregeln gestiegen. Skeptiker sprechen vom Verlust des deutschen Formenreichtums …
tagesspiegel.de 3.3.2013

Der Bericht gleicht dem Welt-Artikel v. 2.3.13

Der markierte Satz erinnert an die Freude des Ex-Kultusministers Zehetmair über das infolge der „Rechtschreibreform“ zugenommene Interesse an der deutschen Sprache, das FAZ-Leser Dr. Gerhard Eber ( F.A.Z. v. 6.8.2003) sehr treffend glossiert hat:


Die Freude darüber, daß die Rechtschreibreform zu einer intensiveren Beschäftigung mit der deutschen Sprache geführt habe, gleicht der Freude eines Museumswärters darüber, daß ein Verrückter Salzsäure über ein Rubens-Bild geschüttet hat, weil man sich nun doch immerhin intensiver mit Rubens beschäftige.

(Das Rubens-Bild „Höllensturz der Verdammten“ wurde 1959 in der Münchener Pinakothek von einem Psychopathen übel zugerichtet.)

Nachtrag: Die Feuilletons drucken gläubig die Einlassungen der Wissengschaftlhuber nach. Allein Thomas Paulwitz in der „Jungen Freiheit“ läßt sich nicht jeden Unsinn aufbinden:

Der Lagebericht ist als wissenschaftlicher Bericht getarnt. Doch schon bei der Vorstellung ließ der Germanist Peter Eisenberg die Maske fallen, indem er seine Absichten verriet, und die sind alles andere als wissenschaftlich: Man hoffe, drohte Eisenberg, daß künftig nicht mehr jeder ungestraft jeden Unfug über den vermeintlichen Sprachverfall verbreiten könne…

Auch Eisenberg langt kräftig daneben, zum Beispiel mit dieser Behauptung: „Ein Soldat in der Armee von Kaiser Wilhelm konnte gerade mal seinen Namen schreiben.“ Dem Potsdamer Sprachwissenschaftler ist entgangen, daß die kaiserliche Feldpost während des Ersten Weltkrieges etwa 28,7 Milliarden (!) Briefe und Karten beförderte. Es ist nicht nur unwahrscheinlich, sondern auch leicht zu widerlegen, daß die Soldaten in diesen Briefen lediglich Bilder malten und nur ihren eigenen Namen hineinschrieben. Wahrscheinlich war die Schreibschrift der Soldaten häufig sogar sauberer, deutlicher und schöner als es diejenige sein kann, welche sich die Opfer der „Vereinfachten Ausgangsschrift“ heute aneignen.
JF 9.3.2013

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Sigmar Salzburg
13.01.2012 09.39
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Thomas Rietzschel

Wulff, Guttenberg & Co
Anleitung zum Unfähigsein

Wulff, zu Guttenberg, Rösler: Die Stunde der Dilettanten hat geschlagen. Blender haben Hochkonjunktur – vor allem in der Politik.

Dass die Dilettanten von dem, was sie tun, meist nichts verstehen, weiß jeder Dilettant und hält es den anderen gern vor. „Dilettant“, reimte Paul Heyse Ende des 19. Jahrhunderts, „heißt der kuriose Mann. / Der findet sein Vergnügen daran, / Etwas zu machen, was er nicht kann.“ Dass es auch etwas gibt, das die Dilettanten sehr wohl beherrschen, wird leicht übersehen. Dabei ist genau das, die Kunst, sich und der Welt etwas vorzumachen, ihr Metier. Erfolgreiche Dilettanten sind Meister der Blendung.
In der Politik können sie es weit bringen, was nicht heißen soll, dass jeder Politiker ein gewiefter Dilettant sein muss …

Auch die Diktatoren des 20. Jahrhunderts waren Hochstapler, die ihr Unvermögen durch die Selbstüberhebung zu kompensieren versuchten.

Immer dann, wenn er sich mit der Macht verbindet, wird der Dilettantismus zur Bedrohung. Aus den einfältigen Versagern werden professionelle Dilettanten. Wo sie erfolgreich sind, hat die Gesellschaft am Ende auszubaden, was sie in ihrer Selbstüberschätzung ahnungslos anrichten, gleich, ob sie als Banker die Einlagen ihrer Kunden verspielen, sich als Politiker mit einer Rechtschreibreform am Kulturgut der Sprache vergreifen oder ob sie einen Rettungsschirm nach dem anderen aufspannen, weil sie meinen, einmal gemachte Schulden ließen sich mit noch höherer Verschuldung aus der Welt schaffen.

Stets wissen die Dilettanten, was sie gern wollen würden. …
Werden wir hier schlichtweg für dumm verkauft oder sind die Politiker bereits derart überfordert, dass sie sich selbst zum Narren halten müssen? …

Der intellektuelle Selbstzweifel jedoch ist die Sache der Dilettanten nicht. Vielmehr sind sie fachlich enthemmte Tatmenschen…

Die harmlosen Pfuscher, die sich einst von Paul Heyse verspotten lassen mussten, sind sie schon lange nicht mehr. Ihr weltpolitisches Vabanquespiel hat nichts mehr zu tun mit den ironischen Provokationen des Hochstaplers Felix Krull.

Thomas Rietzschel lebt als freier Autor in der Nähe von Frankfurt/Main. Anfang Februar erscheint im Zsolnay Verlag sein Buch „Die Stunde der Dilettanten. Wie wir uns verschaukeln lassen“ (256 S., 17, 90 €).

tagesspiegel.de 4.1.2012

Während der Literatur-Nobelpreisträger Paul Heyse (1830-1914) inzwischen fast vergessen ist, wurde eine Idee seines Großvaters Johann Christian August Heyse (1764-1829) exhumiert und zum „Herzstück“ der jetzigen ss-Reform gemacht, obwohl weder Sohn noch Enkel ihr folgen wollten. Sie war für die Frakturschrift entwickelt worden, wo sie weniger Schaden angerichtet hätte.

Nebenbei: Das Wort „Dilettant“ hatte ursprünglich keine abwertende Bedeutung, sondern benannte (v. ital. „dilettare, dilettarsi“ erfreuen, sich erfreuen) einen unprofessionellen Liebhaber einer Kunst. Das kann niemals auf die Kulturapparatschiks zutreffen, die die „Rechtschreibreform“ verbrochen haben.

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