Thilo Sarrazin ...
... hat der „Achse des Guten“ einen Text überlassen, der wohl von ihm selbst getippt wurde. Die durch seine einstigen Ämter erzwungene Reformschreibung hat er, wie es scheint, nicht so recht verinnerlicht. Ansonsten sind seine Bemerkungen, wie immer, bedenkenswert:
Gastautor 09.01.2015 22:45 Leserkommentare (0)*
Angela Merkel bestreitet gerne Debatten, indem sie ihnen ausweicht
Thilo Sarrazin
... Angela Merkel bestreitet gerne Debatten, indem sie ihnen ausweicht (Die im Herbst 2010 durch mein Buch Deutschland schafft sich ab ausgelöste Debatte nannte sie damals „nicht hilfreich“ und lehnte seine Lektüre öffentlich ab). Jetzt dagegen entschied sie sich nach langem Schweigen für die Offensive und forderte in ihrer Neujahrsansprache die Bürger auf, nicht zu den Pegida-Demonstrationen zu gehen. Jene, die dazu aufriefen, hätten zu oft Vorurteile, Kälte, ja sogar Hass in ihren Herzen. Inhaltlich sagte sie zu den Forderungen nichts, Einwanderung bezeichnete sie als einen Gewinn für uns alle.
... Mit ihrer klaren Abgrenzung läßt Angela Merkel rechts von der Union eine offene Flanke, größer als ein Scheunentor. Das heißt, dass sie sich mit einer dauerhaften Existenz der AfD längst abgefunden hat, und nach ihrer Meinung die Union lieber mit der SPD und Grünen um die Stimmen der linken Mitte in Wettbewerb treten soll. Verschiebungen in der Positionierung sind das Recht einer jeden Partei und Ausdruck eines natürlichen Wandels.
Bemerkenswert ist jedoch Angela Merkels Wortwahl:
- Wer Vorurteile, Kälte, ja sogar Hass im Herzen hat, ist im Zweifel ein schlechter Mensch. Die politische Botschaft aus dem amtlichen Mund der Bundeskanzlerin lautet also: Rechts von der Union sammeln sich vorwiegend schlechte Menschen, und die Anführer dort sind es allemal.
So kann man Bürger einschüchtern und bedrohen, während gleichzeitig der Verfassungsschutz des Landes Sachsen verlauten läßt, dass sich unter den politischen Forderungen der Pegida nichts Verfassungsfeindliches entdecken läßt.
- Die Behauptung „Einwanderung ist ein Gewinn für uns alle“ hebt Angela Merkels Strategie der Diskussionsverweigerung auf ein neues Niveau...
Ähnlich war Angela Merkel auf dem Höhepunkt der Eurokrise verfahren, als sie den Satz erfand “Scheitert der Euro, dann scheitert Europa”. Damit vermischte sie etwas Zufälliges, nämlich das ungewisse Schicksal einer erst 20 Jahre alten Gemeinschaftswährung, mit etwas Fundamentalem, nämlich dem künftigen Schicksal der europäischen Völker.
Beides, Einwanderung und Euro, läßt sich nicht in ein simples Ja-Nein-Schema pressen.
...
Es gibt eigentlich nur ein Gebiet, auf dem die deutsche Politik die langfristige Zukunft fest im Auge hat: Sie möchte das Weltklima retten ... Aber selbst wenn es funktioniert, ist noch nicht klar, wie man damit das Weltklima retten kann, denn am CO2-Ausstoß der Welt hat Deutschland nur einen Anteil von 2 %. Und selbst wenn der Gesamtausstoß von Deutschland auf Null sänke, könnte man damit nur den weltweiten Zuwachs von einem Jahr ausgleichen.
Es ist ein bißchen paradox und gleichwohl richtig:
Auf verquere Weise passen die blinden Flecken der deutschen Politik bei Einwanderung, Euro und Rente ganz gut zum langfristigen Klimaziel.
Zuerst erschienen in der Zürcher Weltwoche
achgut.com 10.1.2015
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