Christian Demand
Die Invasion der Barbaren
Warum ist Kultur eigentlich immer bedroht?
zu Klampen • ESSAY
Herausgeber: Anne Hamilton;
Hardcover, 208 Seiten
Format: 11.5 x 18.5 cm
Erscheinungstermin: September 2014
ISBN 9783866744066 – 18,00 €
Man lasse sich nicht durch den Verlags-Neuschreib und die erste dass-Kontamination im Vorwort abschrecken:
Vorwort
Im Dezember 1772 wandte sich der Maler Sir Joshua Reynolds, Präsident der Royal Academy in London, mit einer feierlichen Ansprache an die versammelten Studenten, die der alljährlichen Verleihung der Akademiepreise entgegenfieberten. Die Botschaft des hochangesehenen Porträtisten an den aufstrebenden Nachwuchs fiel nicht sehr ermunternd aus. Mit der Malerei, murrte Reynolds verdrießlich, gehe es bekanntlich schon seit langem nur noch bergab. So wie er die Lage beurteile, sei es eher unwahrscheinlich, dass sie jemals wieder das hohe Niveau eines Raffael oder Michelangelo erreichen werde. Dennoch könne es die Akademie auch künftig keinem jungen Künstler ersparen, diese unerreichbaren Vorbilder hingebungsvoll zu studieren und zu kopieren, um ihnen auf diese Weise wenigstens so nahe wie möglich zu kommen. Man kann sich die betretenen Mienen der Anwesenden vorstellen.
Heutige Kunststudenten würden sich derartige Thesen vermutlich überhaupt nicht erst anhören. Schon seit mehr als 100 Jahren gilt die Vorstellung, daß man als Künstler irgend etwas durch die mühselige Nachahmung tradierter Formen oder das Befolgen akademischer Regeln zu gewinnen habe, geradezu als abwegig. Zwar existieren Kunstakademien nominell noch immer, doch deren Präsidenten legen in der Regel großen Wert auf die Feststellung, daß Studenten dort nicht mit der Aufarbeitung der Vergangenheit gequält, sondern in völliger Freiheit zu »assoziativem, surrealem, alogisch vernetztem Denken« angeleitet würden. Das ist nur konsequent, hat die Moderne doch dereinst mit aller Tradition gebrochen, und zwar ein für allemal. So jedenfalls steht es heute in den Schulbüchern: Romantiker, Realisten, Impressionisten, Kubisten, Dadaisten, Surrealisten etc., deren Werke heute den Stolz der Museen der westlichen Welt ausmachen, hätten in keiner Akademie ihrer Zeit reüssiert, während die Produktion, die dort geschätzt wurde, heute bestenfalls in den Depots verschimmelt. Die künstlerischen Leitwerte Innovation, Individualität, Originalität haben sich also offensichtlich bewährt. Wer es als Künstler zu etwas bringen will, muß folglich in erster Linie »authentisch sein«, wie es im Branchenjargon so schön heißt, und »eine eigene Position entwickeln«.
Anmerkung: Nichts übrigens gegen die alten Akademien. Wie wir selbst um 1975 im Kunstbetrieb sehen konnten, standen die abstrakt und tachistisch ausgebildeten Künstler dumm da, als wieder Gegenständlichkeit gefragt war.
Siehe auch SPON.
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