Astrid Schulz an Eltern im SHEV
[SHEV] Bertelsmann, Vodafone & Co. Wie Stiftungen die Bildungspolitik beeinflussen
Ebenso wie Vodafone-Stiftung setzen sich auch Bertelsmann, Bosch und Telekom für traditionell linke Themen ein, wie die Förderung der frühkindlichen Bildung, bessere Integration von Migranten, und Inklusion.
[Anmerkung: Der Artikel mit den Hervorhebung des SHEV kann hier nur verkürzt wiedergegeben werden]
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Freitag, 03.07.2015
Bertelsmann, Vodafone & Co. Wie Stiftungen die Bildungspolitik beeinflussen
Eine ganze Reihe von unternehmensnahen Stiftungen in Deutschland hat sich dem Thema Bildung und Wissenschaft verschrieben. Sie bieten sich den Bildungseinrichtungen gern als finanzkräftige Kooperationspartner an. Damit setzen sie öffentlich Themen ganz ohne demokratische Legitimation, wie Kritiker bemängeln. Ist der Einfluss der Stiftungen auf die deutsche Bildungspolitik wirklich problematisch?
Von Claudia van Laak und Benedikt Schulz
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Vorwurf: Die Stiftungen verfolgen eine neoliberale Agenda
Für Gewerkschaftler, Studierendenvertreter und Bildungspolitiker aus dem linken Spektrum stehen die unternehmensnahen Stiftungen unter Ideologieverdacht. Ihr Einfluss, ihre Macht sei seit den 90er-Jahren stark gewachsen. Die Stiftungen verfolgten nicht immer offen eine neoliberale Agenda, wollten aus Deutschlands Schulen und Hochschulen wettbewerbsgetriebene Einrichtungen machen. So der Vorwurf. Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft hat sich ausführlich mit den unternehmensnahen Stiftungen beschäftigt. Andreas Keller:
Weil Stiftungen eine immer größere Rolle spielen in der Bildungspolitik, auf diese Weise auch Bildungspolitik beeinflussen. Das kann man auf jeden Fall sagen, dass Stiftungen auf die öffentliche Meinung einen großen Einfluss gezielt nahmen, dass sie auch in der Bildungspolitik, ganz konkret in der Hochschulpolitik, auf Umstrukturierungen drängten, das ist ganz systematisch seit den 90er-Jahren gemacht worden.
In Deutschland hat sich eine ganze Reihe von unternehmensnahen Stiftungen dem Thema Bildung und Wissenschaft verschrieben. Größter Player ist dabei die Bertelsmann-Stiftung, die jährlich rund 78 Millionen Euro ausgeben kann. Dazu kommen unter anderem die Telekom-, die Mercator-, die Bosch-, und die Vodafone-Stiftung und nicht zuletzt das zu weiten Teilen von Bertelsmann finanzierte Centrum für Hochschulentwicklung, CHE. Sie geben Studien in Auftrag, organisieren Kongresse, betreiben eigene Think-Tanks Denkfabriken und fördern konkrete Projekte. Blick auf die Repräsentanz der Bertelsmann-Stiftung in Berlin, Unter den Linden 1 (picture alliance / ZB / Peer Grimm)
Doch: Wie groß ist der Einfluss dieser Stiftungen wirklich? Schreiben sie heimlich die Schulgesetze? Sind sie Lobbyisten und wenn ja, wofür? Linke Studierendenvertreter haben da eine klare Meinung:
Lobbyismus funktioniert genau danach, dass partikulare Akteure Einfluss nehmen auf den parlamentarischen Gesetzgebungsprozess, das gehört zum Parlamentarismus dazu, befruchtet ihn auch, dem liegt aber eine Ungerechtigkeit zu Grunde: Wer kann sich überhaupt leisten zu lobbyieren? Natürlich nur diejenigen, die über die Ressource verfügen.
Sandro Philippi ist Vorstandsmitglied im freien Zusammenschluss von StudentInnenschaften, kurz fzs, und damit qua Amt ein Kritiker des Einflusses, den Stiftungen auf die deutsche Bildungspolitik nehmen. Für ihn sind sie Meinungsmacher. Philippi nennt ein Beispiel: Kaum ein Artikel zum Thema frühkindliche Bildung kam im vergangenen Jahr ohne einen Verweis auf die Bertelsmann-Studie aus, die ein Defizit von 120.000 Erzieherinnen und Erziehern festgestellt hatte. Themen öffentlich setzen, das gelingt den Stiftungen mit Erfolg. Drei Überschriften aus den letzten Monaten:
Studie der Bertelsmann-Stiftung: Flüchtlinge sollen leichter Jobs bekommen
Studie der Vodafone Stiftung: 20.000 Jugendliche sind vom Sozialsystem entkoppelt
Studie der Mercator-Stiftung: Die Bildung ihrer Kinder geht Migranten über alles
Einfluss nehmen auf gesellschaftliche Debatten, das tun auch andere. Gewerkschaften veröffentlichen ebenfalls Untersuchungen, die Studierendenschaften wollen gehört werden und machen Pressearbeit. Das weiß auch Sandro Philippi. Er vermisst aber die demokratische Legitimation der Stiftungen.
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Centrum für Hochschulentwicklung nachweislicher Einfluss
Mit ihrem Centrum für Hochschulentwicklung CHE einer gemeinsamen Institution von Hochschulrektorenkonferenz und Bertelsmann-Stiftung hat diese Stiftung nachweislich Einfluss auf die Bildungspolitik genommen. Ernst-Dieter Rossmann, wissenschaftspolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, moniert:
Wenn ich Einfluss hätte in der Hochschulrektorenkonferenz, würde ich mir eine solche Kooperation verbitten, weil ich finde, dass das einen Tick zu viel ist. Da müssen wir in der Tat aufpassen, dass es nicht aus Finanznot der öffentlichen Hand dazu kommt, dass sich dann eigentlich öffentliche Aufgaben, die über den Staat gemacht werden oder die von öffentlich geprägten Institutionen gemacht werden, mit anlehnen an wirtschaftliche Unterstützung.
Der Einfluss des CHE auf die Politik, speziell auf das 2006 beschlossene nordrhein-westfälische Hochschulfreiheitsgesetz, ist mehr als deutlich.
Noch bevor der damalige FDP-Wissenschaftsminister Andreas Pinkwart den Kabinettsentwurf für sein Gesetz präsentierte, formulierte das Centrum für Hochschulentwicklung CHE zehn Anforderungen an ein Hochschulfreiheitsgesetz. Mit klarer Stoßrichtung weniger Staat und mehr Autonomie für die Hochschulen.
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Hieß es beim Entwurf des FDP-geführten Wissenschaftsministeriums:
Die Hochschulen werden als Körperschaften des öffentlichen Rechts verselbständigt und sind künftig keine staatlichen Einrichtungen mehr. Wir lösen damit die Hochschulen aus dem staatlichen Weisungsrecht.
Auch die CHE-Forderung nach einem auch von außen besetzten Hochschulrat erfüllte der Gesetzentwurf.
Leitbild der unternehmerischen Hochschule eingeführt
Hat da eine Lobbyorganisation dem Minister die Feder geführt? Andreas Pinkwart, heute Rektor einer privaten Leipziger Hochschule, wollte sich zu diesen Vorwürfen nur schriftlich äußern.
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Kritik am Hochschulranking
Durch das Hochschulranking, eine Art Stiftung Warentest für Hochschulen, übt das CHE einen beträchtlichen Einfluss auf die deutsche Hochschullandschaft aus. Und auch wenn die Gütersloher seit Jahren an der Methodik feilen – die Kritik daran begleitet das Ranking seit seinem Bestehen.
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Studierendenvertretern wie Sandro Philippi geht es nicht nur um den unmittelbaren Einfluss von Bildungsstiftungen, sondern auch um die Frage, welche vielleicht verdeckte Agenda diese verfolgen.
Ich bin ziemlich sicher, dass die Ideologie eine solche ist, dass die besten Steuerungseffekte, die effizienteste gesellschaftliche Leistung daraus resultiert, dass man in einem Wettbewerb zueinander steht. Und zwar auf allen Ebenen.
Die Art des neu an den Unis entstandenen Wettbewerbs aber begünstige nicht unbedingt die beste Bildung.
Jüngste Vodafone-Veröffentlichungen lesen sich gar nicht neoliberal
Mark Speich von der Vodafone-Stiftung erklärt dagegen: Uns geht es um Chancen- und Teilhabegerechtigkeit und tatsächlich lesen sich die jüngeren Veröffentlichungen von Vodafone ganz und gar nicht neoliberal. Mark Speich:
Wenn es neoliberal ist, dass man sich dafür einsetzt, dass Kinder aus sozial schwachen Familien gelingenden Bildungsaufstieg erleben können, dann würde ich mich zu dem Begriff auch ganz offensiv bekennen, also insofern ist dieser schillernde Begriff etwas schwierig.
Ebenso wie Vodafone-Stiftung setzen sich auch Bertelsmann, Bosch und Telekom für traditionell linke Themen ein, wie die Förderung der frühkindlichen Bildung, bessere Integration von Migranten, und Inklusion. Doch Kritiker bleiben skeptisch...
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Die Bertelsmann-Stiftung hält die Mehrheit am Konzern und finanziert sich im Wesentlichen durch dessen Gewinne. 2014 hat die Stiftung so etwa 117 Millionen Euro eingenommen. Ein solches Modell hat Vorteile für das Unternehmen es spart Steuern. Andreas Keller von der GEW kritisiert:
Auf diese Weise haben sie die Möglichkeit, salopp formuliert, zweckgebunden Steuern zu zahlen, sie sparen Steuern und geben dieses gesparte Geld dann über Stiftungen für bestimmte Zwecke aus, das ist nicht alles reine Philanthropie, wie das häufig so getan wird, das sind Steuersparmodelle.
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Grundsätze für die Zusammenarbeit mit Stiftungen
Ist der Einfluss der Stiftungen auf die deutsche Bildungspolitik wirklich problematisch? Oder anders gefragt: Helfen die privaten Einrichtungen nicht, der föderalen Kultusbürokratie Beine zu machen? Diese Meinung vertritt Michael Kretschmer, Vize-Vorsitzender der Unionsfraktion im Bundestag und im Beirat des Bundesverbands deutscher Stiftungen.
Das, was die Stiftungen im Bereich Wissenschaft und Bildung tun, sind neue Innovationen, das Ausprobieren von Dingen, die bislang nicht da waren, neue Konzepte, dafür fehlt in den Ländern in aller Regel das Geld und es fehlt am Ende auch an den kreativen Ideen.
Dass die Stiftungen früher als andere Defizite im deutschen Bildungswesen erkannt und Impulse gegeben haben, geben auch Kritiker wie Andreas Keller von der GEW zu. Der SPD-Politiker Ernst Dieter Rossmann formuliert folgende Grundsätze:
Stiftungen dürfen nicht Gesetze schreiben, Stiftungen dürfen nicht die öffentliche Hand, deren Finanznot, ausnutzen können. Stiftungen sollen ihren Rahmen finden, aber in diesem Rahmen können sie Impulse geben, können sie Diskurse mit fördern, können sie Gutes tun. So würde ich die Stiftung aktuell wahrnehmen im Bildungsbereich und so sollten wir das auch für die Zukunft halten.
deutschlandfunk.de 03.07.2015
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