Demokratiewidrige Machtstellung der Bundesverfassungsrichter
2004 erschien im Debattenmagazin „Berliner Republik“ ein Artikel des Rechtsanwalts Dr. Jan-Dirk Rausch, Karlsruhe, der sich mit der Stellung des Bundesverfassungsgerichts im Föderalismusstreit befaßte. Daraus hier nur einige Stichworte, soweit sie auch die Rechtschreibreform betreffen könnten:
Entmachtet das Bundesverfassungsgericht!
Jan-Dirk Rausch -- Immer mehr Gesetze landen in Karlsruhe und die obersten deutschen Richter finden ständig größeren Gefallen an der Ausübung politischer Gewalt. Höchste Zeit dafür, das Wahrheitsmonopol der elitären Oligarchen in Rot zu bändigen
Öffentliche Kritik am Bundesverfassungsgericht ist selten. Denn die Roten Roben in Karlsruhe erscheinen unentbehrlich und unfehlbar zugleich. Was sie sagen, wird hingenommen. Gesetzgeber und Öffentlichkeit haben sich danach zu richten. Und beschwert sich einmal eine Persönlichkeit der Politik über die höchste deutsche Rechtsinstanz, wie im Jahr 1973, als Kanzleramtsminister Horst Ehmke gesagt haben soll, er lasse sich von den acht Arschlöchern in Karlsruhe seine Ostpolitik nicht kaputtmachen, dann wittert die versammelte Hofjournaille den Verfassungsnotstand und spricht von der Demontage des Bundesverfassungsgerichts…
Derart gesellschaftlich akzeptiert haben sich die Verfassungsrichterinnen und -richter in den vergangenen Jahren ein Imperium aufgebaut, das sie längst mächtiger hat werden lassen als alle parlamentarischen Institutionen zusammen…
Sendungsbewusstsein und Machtstreben
Der Staatsrechtslehrer Winfried Brohm, ein Schüler des oben vermeintlich zitierten Horst Ehmke, sieht im Bundesverfassungsgericht die Gefahr einer elitären Oligarchie, die darin bestehe, dass Kompetenzträger aus Engagement, Sendungsbewusstsein oder persönlichem Machtstreben dazu neigten, ihre Entscheidungsbefugnisse laufend zu erweitern, auch gegen die Interessen der von ihnen vertretenen Institution.
In Wirklichkeit regieren die Oligarchen schon längst und das Parlament hat seine ureigene Rolle, politisch über die Notwendigkeit von Gesetzen zu entscheiden, bereits eingebüßt. Schon lange werden in Karlsruhe nicht mehr in erster Linie Grundrechte gehütet, längst wird hier Politik gemacht…
Der Buchstabe der Verfassung ist nicht mehr der Maßstab verfassungsgerichtlicher Entscheidungen.
… Beispiel Rechtschreibreform: Kein Zivil- oder Verwaltungsgericht in Deutschland würde auf die Idee kommen, ein Urteil zu erlassen, wenn der Kläger seine Klage zurückgenommen hat. Anders das Bundesverfassungsgericht: Die Rücknahme der Klage sei schlichtweg unwirksam, denn die Sache sei von allgemeiner Bedeutung wegen der Auslegung und Fortbildung des Verfassungsrechts…
Was sinnvoll ist, weiß Karlsruhe am besten
Mittlerweile hat die politisch motivierte, selbst gegebene Kompetenzerweiterung des Bundesverfassungsgerichts einen kaum für möglich gehaltenen Höhepunkt erreicht…
Nicht mehr das Parlament, nicht mehr die gewählten Volksvertreter in Bundestag und Bundesrat, sondern nur noch acht Richter in Karlsruhe entscheiden über die Notwendigkeit jedweden Gesetzes und begründen diesen beispiellosen Eingriff in den Kernbereich der Legislative in besonderem Zynismus ausgerechnet damit, dass dies der Bundestag anlässlich einer Änderung des Grundgesetzes 1994 so gewollt habe.
Da schon jeder Jurastudent im ersten Semester lernt, dass juristisch ohnehin alles begründbar ist, sollte man sich hiervon nicht irritieren lassen, und vielmehr den Blick darauf richten, wie das Bundesverfassungsgericht mit seiner neuen, ebenfalls selbst gegebenen Macht umgeht…
Monopolisten der Wahrheit auf dem Marsch
Das Bundesverfassungsgericht bestimmt zudem nicht nur, ob das Gemeinwesen ein Gesetz braucht, es nimmt darüber hinaus auch noch für sich in Anspruch, Umstände neu zu bewerten, die zu einem Gesetz geführt haben, und sich damit endgültig an die Stelle des Gesetzgebers zu setzen...
Dass diese Richtigkeitskontrolle ein Wahrheitsmonopol bedeutet, gleich einem absolutistischen Herrscher, einer totalitären Partei oder Kirche, dürfte auch den Verfassungsrichtern nicht entgangen sein…
Wer tatenlos zusieht, wird ferngesteuert
… Im Interesse des gesamten Volkes, von dem die Staatsgewalt ausgeht, ist es notwendig zu verhindern, dass acht Richterinnen und Richter bestimmen, was gesetzlich erforderlich und richtig ist. Und wenn man weiß, dass die Verfassungsrichterinnen und -richter dazu neigen, sich zu elitären Oligarchen aufzuschwingen, darf man als Parlamentarier dieser Entwicklung nicht tatenlos zusehen. Sonst wird man irgendwann von Karlsruhe ferngesteuert.
Berliner Republik 1/2004
In Sachen der „Rechtschreibreform” lief es unerwartet so: Die Richter entschieden parteilich, daß die Schüler ohne Gesetz in einer Art von Geiselnahme praktisch jeder Narretei der Kultusminister auszuliefern seien. Sie stellten zugleich sicher, daß das Ausscheren eines Landes, etwa durch einen für ganz Deutschland repräsentativen Volksentscheid, entgegen der bis dahin geltenden Übereinkunft, nicht das Scheitern der Reform nach sich ziehen mußte.
Zahlreiche verfassungswidrige Punkte im Urteil zur Rechtschreibreform v. 14.7.1998 werden auch in der Untersuchung von Dr. Wolfgang Roth aufgeführt. Meiner Meinung nach gibt es noch etliche mehr.
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