Das Heyse-Unheil
Vierzehn Jahre nach der ersten Einführung der „erleichternden“ Reformschreibung an den Schulen herrscht im deutschen Sprachraum immer noch heillose Verwirrung – am sichtbarsten bei der s-Schreibung. Die heimtückische Zwangsmissionierung durch die Presse verbiegt erlernte Fähigkeiten. Eine ganze Sprachgemeinschaft wurde und wird in ein Heer von Schreibstümpern verwandelt. Die Beispiele kann man täglich in den einsehbaren Online-Leserbriefen lesen, z.B. auch in der „Presse“, die sich anfangs noch auf Wunsch der Leser der neuen „Stussschreibung“ verweigert hatte:
Es muß mit der Ausbeuterei des Volkes endlich Schluß sein, und dass muß eben zumindest für alle grundsätzlich lebensnotwendigen Dinge gelten, dass diese vollkommen unbesteuert sind. Nur alles was darüber hinaus geht, darf einer Besteuerung unterliegen! Es muß die Gehaltserhöhung für alle Beamte zurückgenommen werden …
Die Presse 2.11.2010
Dabei hatte der Schreibratsvorsitzende Zehetmair am Anfang seiner Tätigkeit noch vollmundig verkündet, alles käme auf den Prüfstand. Wie das dann aussah, hat Th. Ickler in der FAZ nach seinem Ausscheiden aus dem Rat dargestellt:
… Mannheim, 28. Oktober [2005]
Die s-Schreibung soll auf einer Plenarsitzung diskutiert werden. Ich sehe jedoch auch hier keinerlei Änderungsbereitschaft. Angeblich kommen die Schüler problemlos zurecht. Untersuchungen gibt es natürlich nicht. Als ich feststelle, daß wir keine Schulorthographie, sondern eine Orthographie für Qualitätstexte zu machen hätten, höhnen einige Mitglieder gleich wieder, als hätte ich kein Herz für Kinder.
„Ja, da kann man nur noch gehen“ FAZ
Am 2. Januar des folgenden Jahres durfte der „Spiegel“ dann das Monate zurückliegende Wort der abgetretenen KMK-Präsidentin Wanka von der Beibehaltung der Reform aus „Staatsräson“ veröffentlichen. Ihre Nachfolgerin, die versierte SPD-Taktikerin Erdsiek-Rave, kappte kurzerhand alle weiteren Überprüfungen und zwang den Rat, schon am 2. März ein unfertiges Reparaturprodukt vorzulegen, wodurch ein weiterer schon avisierter Überprüfungstermin gestrichen werden mußte.
So konnten (zit. nach Th. Ickler) Besch/Wolf als faule Entschuldigung anführen: Da dem Rechtschreibrat von politischer Seite nur gut ein Jahr für Korrekturen an dem Regelwerk von 1998 zugestanden wurde, konnten weitere störende Elemente (etwa Fremdwort-Eindeutschungen in der Schreibung; falsche Etymologisierung, Dreifachkonsonanz; ß-Schreibung als halbe Lösung) nicht beseitigt werden. Sie bleiben Bestandteil des Regelwerks von 2006.
Die Fehlerträchtigkeit des Heyse-Systems bei Schülern wurde schon 1999 durch Prof. Harald Marx beobachtet und 2009 durch den Germanisten Uwe Grund unwiderleglich festgestellt.
Mit unseren Vorschlägen wollten wir Sinnbeeinträchtigungen und ästhetische Beeinträchtigungen vermeiden,“ hatte Zehetmair noch vier Monate vorher angekündigt. Die Beseitigung der neuen „Esssucht“ hätte dazugehören müssen. Aber dann wäre die „Reform“ wohl zusammengebrochen.
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