Titanic
Das Satire-Magazin Titanic bleibt anscheinend immer noch der traditionellen Kultur-Rechtschreibung treu – durch den Umzug zu Gruner + Jahr ist das aber vermutlich gefährdet. Im Titel tauchte jetzt der Spruch auf:
Das endgültige Aprilscherzmagazin
Pflichtblatt für Gruner+Jahr-Anwälte
http://www.titanic-magazin.de/heft.html
… und auf Facebook:
Kritik am aktuellen Titel
Nach dem Umzug der titanic zu Gruner+Jahr möchte die Redaktion ein wenig transparenter werden. Kritik am aktuellen Titel, wie sie etwa das religiöse Onlinemagazin kath.net äußert, kann ab sofort telefonisch durchgegeben werden unter 040 37 03-0. B...
Die Anspielung bezieht sich auf die Titelkarikatur:
Ein Geistlicher steht vor dem Kruzifix und verdeckt mit Kopf und rotem Käppi die Lendenpartie.
Dies hat die Phantasie des CSU-Politikers und Opus-Dei-Mitglieds Norbert Geis so beflügelt, daß er Handlungen erkennt, die gar nicht zu sehen sind. Und das stachelt ihn zu einer aufputschenden Attacke in der Tagespost an:
UNÜBERBIETBARE BESUDELUNG
Von Norbert Geis
Die „Titanic“-Karikatur ist strafbar – Auf Meinungsfreiheit kann sich das Blatt nicht berufen ...
die-tagespost.de 8.4.2010
Norbert Geis, der lustlos auch gegen die „Rechtschreibreform“ aufgetreten ist, hat sich vor allem einen Namen dadurch gemacht, daß er harte Strafen für Gotteslästerung forderte, d.h. für die angebliche Beleidigung eines nicht nachweisbaren höheren Wesens.
Selbst wenn die Phantasien des Dr. Geis zuträfen – wäre der Titanic-Titel nicht eine angemessene satirische Verbildlichung dessen, was die Bischöfe auch angeprangert haben?:
… Der Mainzer Kardinal Karl Lehmann hatte den Tätern in seiner Karfreitagspredigt Verrat am Evangelium vorgeworfen. »Sie schwächen und verraten das Evangelium Jesu Christi, ...«
Reutlinger General-Anzeiger 6.4.10
Eine noch detailreichere Phantasie zur Titanic-Karikatur entwickelt Helmut Matthies von kath.net:
kath.net 8.4.2010
Die Frommen verlangen die Unterdrückung jeglicher Kritik an ihren Vorstellungen und Handlungen. Daß aber Geistliche, Bischöfe und Päpste ständig vor mir und anderen als wertelose, gemeingefährliche Atheisten warnen dürfen, ist anscheinend für diese Leute in Ordnung.
P.S.: Norbert Geis beanstandet auch: „Das Gesicht des Gekreuzigten wird mit dem Ausdruck eines blöden Menschen dargestellt.“ Wie hat denn wohl ein nicht-blödes Gesicht Geisscher Norm auszusehen?
Nachtrag:
Titanic-Chef Leo Fischer spielte auf Nachfrage von «Meedia» das religiöse Unschuldslamm: «Wir sind schockiert über die zum Teil anstössigen und jugendgefährdenden Phantasien, die dieser Titel in manchen Hirnen auslöst. Wir von Titanic sehen hier einen Priester, der sich hingebungsvoll einem Kruzifix zuwendet vielleicht in demütiger Anbetung.» Er sei überrascht, so viele katholische Leser zu haben, führt der Chefredaktor weiter aus. «Wir werden in christlicher Gelassenheit abwarten, bis das Publikum sich wieder beruhigt.»
20min.ch 9.4.10
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