Niemand ... ist gehalten, die neue Rechtschreibung zu verwenden
ARTIKEL VOM 09. NOVEMBER 2007
SKURRILES / VIELE STRAßENSCHILDER ENTHALTEN RECHTSCHREIBFEHLER
Verfahren im Grammatikchaos
Von Stuttgarterstraße über Kronenbergstrasse bis Löchgauer-Straße
Der Teufel sitzt im Detail, der Fehlerteufel offensichtlich auf Straßenschildern. Was darauf zu lesen ist, entbehrt oft jeder Logik. Die Gefahr, sich im Buchstaben-Dschungel zu verfahren, ist zwar eher gering, das Risiko, vom rechten Grammatik-Pfad abzukommen, jedoch enorm.
Hallo, wie komme ich denn von der Mühlwiesenbrücke in Bietigheim zum Behinderteneingang des Finanzamtes? Sie biegen von der Stuttgarterstraße rechts ab, werden in die Kronenbergstrasse geleitet, und oben auf dem Berg angekommen biegen Sie in die zweite rechts, die Löchgauer-Straße, ab. Richtig? Gut erklärt auf jeden Fall, und grammatikalisch korrekt ist diese Route auch wenn man den entsprechenden Straßenschildern glauben möchte. Diese kleinen Deutschsünden sind nicht erfunden, sondern lachen tagtäglich Autofahrern und Fußgängern von Hauswänden und Pfosten frech entgegen. Ins Orthografie-Nirwana, bitte hier entlang.
Zuständig ist für die Beschilderung die Stadt. Wird eine neue Straße nach einem Beschluss im Gemeinderat getauft, wird der Bauhof betrauftragt, die Bestellung an eine Schilder-Firma weiterzugeben. Bleibt die Frage, was das denn für eine Firma ist. Ein Wegweiser-Discounter nach dem Motto: Kaufe mehr Schilder, erhalte drei Zeichen umsonst? Auf den Buchstabensalat angesprochen, ist Anette Hochmuth, Sprecherin der Stadt Bietigheim-Bissingen, jedenfalls verdutzt: Das dürfte es nicht geben. Irgendeiner hat da gepennt.
Verunsicherung herrscht offenbar auch nach der Rechtschreibreform. Vordere und Hintere Schloßstraße in Untermberg sowie Freßäcker in Bissingen jedenfalls wehren sich bislang vehement gegen das schnöde -ss. Wir haben schon versucht, im Laufe der Zeit alles nach und nach auszutauschen. Einige Schilder sind uns wohl durch die Lappen gegangen. Ich mache keine Markungsbegehung, sagt Hochmuth hierzu.
Auch bei zusammengesetzten Namen aus Ort, dem Anhängsler -er und Straße herrscht Verwirrung. Zusammen, getrennt oder gekoppelt, was denn nun? Im Angebot gibt es jede Schreibweise, wenns ganz hart kommt wie bei der Löchgauer Straße mit allen Straßen- und Bushaltestellenschildern sogar alle drei auf einmal. Mit ähnlichen Schicksalen müssen auch Bewohner der Metterzimmererstraße und Geisinger-Straße leben. Vielleicht ist Verwirrung im Grammatikchaos ja die beste Verteidigung. Doch bei der Kronenbergstrasse muss Hochmuth zugeben: Das war noch nie richtig. Außer... es handelt sich um die Kronenbergs-Trasse, was jedoch zu bezweifeln wäre.
Trotzdem führt Hochmuth im Bezug auf Schilder weiter Gutes im Schilde: Wir legen schon Wert drauf, dass sie richtig sind. Man sei angewiesen auf Tipps aus der Bevölkerung. Allerdings müssen die Bietigheimer noch eine Weile auf einwandfreie Wegweiser warten. Derzeit ist man bei der Stadtverwaltung mit anderen Infotafeln beschäftigt. Aktuell sind wir dran, die Deutsche Fachwerkstraße für Touristen auszuschildern. Das ist was Größeres, weil es ganz Baden-Württemberg betrifft, erklärt Hochmuth. Und da die Schwaben bekanntlich alles können außer Hochdeutsch, sei ein kleiner Seitenhieb erlaubt. Gut merken: F-a-c-h-w-e-r-k-s-t-r-a-ß-e.
VON CAROLINE HOLOWIECKI
http://www.bietigheimerzeitung.de/bz/html/news/artikel_stadt.php4?artikel=3212600
( ... außerdem sind Eigen- und Ortsnamen bekanntlich von der „Reform“ nicht berührt. Hier verursacht subalterner Diensteifer sinnlose Kosten.)
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