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Forum > Beispielsammlung über Sinn und Unsinn
Kieler Nachrichten
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Sigmar Salzburg
11.07.2007 12.32
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Kieler Nachrichten v. 07.07.07

Nötig ist eine nationale Bildungsstrategie“

Mit Ernst-Dieter Rossmann, SPD-Bildungsexperte, sprach Frank Lindscheid

„Im Interesse der jungen Menschen liegt es, dass wir möglichst wenig Schulabbrecher haben, die später auf Kosten des Steuerzahlers aufgefangen werden müssen. Deshalb brauchen wir eine nationale Bildungsstrategie…“.


Eine solche „nationale Bildungsstrategie“ genießen wir in Auswahl seit elf Jahren: die „Rechtschreibreform“.

Alles, was Rossman dazu einfällt, ist die Forderung nach Unterwerfung:

„Auch wenn die neuen Rechtschreibregeln nicht bei allen Teilen der Bevölkerung auf Gegenliebe stoßen, sollte unserer Meinung nach die Diskussion um die Reform der deutschen Rechtschreibung mit dem neusten Kompromiss beendet werden.

Sowohl bei der ersten Rechtschreibreform als auch jetzt ist eine großzügige Übergangsregelung (bis zum 31.07.07) vorgesehen, nach der die überholten Schreibweisen ein Jahr lang nicht als Fehler bewertet werden. Somit haben Lehrer, Schüler, aber auch alle Bürger unseres Erachtens ausreichend Zeit, sich an die neuen Schreibregeln zu gewöhnen.“
(Schreiben Rossmann v. 24.4.2006 an die Bürgerinitiative)

Die Träume vom leichteren Schreiben sind geplatzt, aber Platzangst haben die Schreibdiktatoren nicht: „Plazierungen“ bleiben weiter verboten.
Bei Neuemissionen sind gute Information und Geduld entscheidend
Die meisten Neuplatzierungen notierten bereits zum Handelsschluss am ersten am ersten Handelstag unter dem Abgabe preis. „Die Platzierungen am ersten Handelstag sind nicht berauschend verlaufen“, …Auch die Platzierung des Großmotorenherstellers … wartete am ersten Handelstag mit Kursverlusten auf …Trotz mehrfacher Überzeichnung lag der Schlussstand bei 23, 95 Euro.


Der Supermarkt „Plaza“ soll aber weiterhin nicht „Platza“ geschrieben werden müssen.

Auch ein „Bildungsexperte“ der Konkurrenz hinterließ Spuren in der Zeitung:

Wissenschaftsstaatssekretär und Vorsitzender des Aufsichtsrats [des Universitätsklinikums], Jost de Jager, …

Jost de Jager hielt am 15.9.1999 im Kieler Parlament die Kapitulationsrede der CDU zur „Rechtschreibreform“. Dafür ist er bei nächster Gelegenheit mit einem Posten belohnt worden. Man kommt ja herum: de Jager galt an der Uni als der größte Dünnbrettbohrer seiner Zunft.

Ein As war er jedenfalls nicht, anders als „French-Open-Ass“ Berdych:

Der 21 Jahre alte French-Open-Sieger bezwang in der Runde der letzten Acht den Tschechen Tomas Berdych ….

Halter kleiner Tiere wie Kaninchen oder Hamster sollten wiederum bei der Auswahl der Möbel Acht geben.
Acht und Bann über diese Schreibung, wie auch die folgende:
Richard Pound offenbarte, „ eine Hand voll internationaler Fachverbände befindet sich nicht in allen Punkten in Übereinstimmung mit dem WADA-Code“. [Anti-Doping-Agentur]

Die bewährte „Handvoll“ hat die zehnjährige Ausrottungskampagne einigermaßen überstanden:

Fundsachenversteigerung
Eckernförde – 56 Fahrräder, eine Handvoll Handys, Armbanduhren und schi-cker Modeschmuck


„Wir würden uns ja selber wehtun [Springreiter]

Traditionell üblich ist „weh tun“. Vermutlich wurde die Zusammenschreibung vorgeschrieben, weil man sonst analog zum inzwischen wieder aus dem Verkehr gezogenen „Leid tun“ auch „Weh tun“ hätte schreiben müssen. Als dann die peinliche Unmöglichkeit von „Leid tun“ auch den Kultusministern dämmerte, hat man „leidtun“ verfügt, weil man sonst hätte zugeben müssen, daß nichts reformbedürftig war.

[Hannes Hansen zur Ausstellung „Ungarische Avantgarde“] … Aber wer kennt Künstler wie Gyula Pap, Farkas Molnár, Lajos Kassák oder Béla Uitz? Von letzterem ist in Heikendorf das beschwingt farbenfrohe Aquarell Fabrik zu sehen … den Einfluss Céza – nnes

Die skurrile Großschreibung „Letzterer“ ist nach der „Neuregelung“ Pflicht!
Die Trennung Cézannes ist die logische Fortschreibung der „Ma-cken“-Trennweise.

Steinzeitdorf im Archäologisch-Ökologischen Zentrum Albersdorf (AÖZA) … mit großem Parkplatz und einem demnächst fertig gestellten Servicegebäude mit Toiletten.

… aus Fertigteilen hingestellt?

Solche Schreibungen sollten nach dem 1. August eigentlich nicht mehr vorkommen:

… Bekämpfung so genannter Flatrate-Partys … bei genauerem Studium der Zahlen zeigt sich dennoch auch eine Besorgnis erregende Entwicklung.

Hier spielt aber vermutlich jemand mit reformähnlicher Falschschreibung:

Bereits seit 40 Jahren Weg weisend
Kieler Leuchtturm hat als Lotsenversetzstation noch eine Zukunft
Dagmar Karsten von der Wasser- und Schifffahrtsdirektion Nord sieht noch Untersuchungsbedarf. „Es hat sich in den vergangenen Jahren in der Schifffahrt viel verändert …“


Schade, daß ich keine Gewährsleute mehr in der Schiffahrtsdirektion habe. Zu gerne hätte ich dort einige Flüche über das dritte „f“ erfahren.


Eine optische Erholung ist der Roman „Friesenblut“ von Olaf Schmidt. In dieser Folge könnte man meinen, er habe die Vorzüge reformfreier Schreibweisen vorführen wollen:

Fabricius, der kein Wort verstand, schaute Hansen ratsuchend an… Aus der Hütte trat eine zwergenhafte Gestalt heraus, ein alte Weib von furchteinflößender Häßlichkeit… Es nickte ab und an mißbilligend und stieß dabei die greulichsten Flüche aus ….

Auch eine Traueranzeige verwendet wie selbstverständlich die traditionellen ß, die sonst den Verstorbenen mit einer gewissen Pietätlosigkeit verweigert werden:

Leuchtende Tage,
nicht weinen, daß sie vorüber
sondern lächeln, daß sie gewesen


Und selbst in Rendsburg scheint ein Platz immer noch dem Anpassungseifer gemeindlicher Lokalpolitiker entgangen zu sein:

Rendsburg plant Hafenquartier
An die Obereider geht es vom angrenzenden Schloßplatz aus … Es begann vor drei Jahren mit der Sanierung des Schloßplatzes




– geändert durch Sigmar Salzburg am 11.07.2007, 19.29 –
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Sigmar Salzburg

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Sigmar Salzburg
05.07.2007 18.31
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Kieler Nachrichten v. 04.07.07

LITERATURRÄTSEL
Wer schrieb was?

»Als nun das Mädchen und der Mann,/ den Trank getrunken hatten – schon/ war der Menschheit Unrast da,/ LIEBE, Fallenstellerin der Herzen,/ stahl sich in beider Herz hinein./ Bevor sie etwas davon merkten,/ hisste sie die Siegesfahne,/ unterwarf sie ihrer Macht./ Die vorher zwei und zwiegeteilt,/ sie wurden eins und ungeteilt«

Eben hatte der umfassend gebildete Held noch dem Drachen die Zunge herausgeschnitten, nun sitzt er mit seiner dafür erhaltenen Trophäe, der wunderbaren Königstochter, auf dem Schiff und fährt zurück nach England. Und anstatt die Schöne für sich zu behalten, hält der Held sein Versprechen und nimmt die Königstochter als Frau für seinen König mit- verdammt loyal! Doch auf der Überfahrt nach England nehmen beide aus Versehen einen Zaubertrank ein, Ergebnis siehe oben: Endstation Liebe. Dieses im 13. Jahrhundert entstandene Versepos ist wie ein Aufschrei für die Stunden, Minuten absoluten Liebesglücks. Sie werden höher gehandelt als die daraus resultierende gesellschaftliche Superkrise. Und so finden die Ehebrecher ihr Liebesglück in der Minnegrotte – dem allegorischen Gegenstück zur „Gralsburg“ – einer Erfindung des Dichterkollegen (und Feindes!) Wolfram von Eschenbach.


Unter den richtigen Einsendungen verlosen wir einen Buchgutschein ä 20 Euro. Lösungen (Titel & Autor) bis 9. Juli an Kieler Nachrichten, „Uteraturrätsel“, Fleethörn 1-7, 24103 Kiel. Tel. 0431/ 9032895, Fax 9032896, E-mail: literaturraetsel@kieler-nachrichten.de


Ab Vers 11707 aus Tristan und Isolde von Gottfried von Straßburg

Nu daz diu Maget unde der man,
Isot unde Tristan,
den tranc getrunken beide, sâ
was ouch der werlde unmuoze dâ,
Minne, aller herzen lagærîn,
und sleich zir beider herzen în


Die Übersetzung dürfte von Dieter Kühn stammen (2003 S. Fischer Verlag). Mir liegen Leseproben in klassischer Schreibung vor. Das Reform-ss befremdet insofern. Aber S. Fischer ist ja nicht zimperlich:

http://www.nachrichtenbrett.de/Forum/showthread.php?threadid=268

Literarische Altertümer werden auch aus der Lübecker niederdeutschen Scene gemeldet:

Auf eine Reise fast 500 Jahre zurück nimmt die Niederdeutsche Bühne Lübeck ihre Zuschauer bei der Aufführung des niederdeutschen Jedermanns, „De Dütsche Schlömer“ von Johannes Stricker mit.

Drei Seiten weiter ist die Moderne bei ihm angekommen:

Damit ist der Weg frei für die Push-Mail für Jedermann.

Zum 5. Jahrestag hatte Martina Drexler am 1.8.03 den großen Reformdurchhalteartikel geschrieben:
„Es gibt kein Zurück mehr“.. Nun hat es doch ein Zurück gegeben, wenn auch nicht im erhofften Maße. Aber sie will nicht (oder ihr PC):
Zur Kieler FDP … Doch die Partei ist überzeugt, dass die Vorteile ihrer Kandidatenkür überwiegen. Sie könnte damit Recht haben …
Allerdings hat sie auch die übertriebenen Reformverrenkungen ihrer Kollegen nie mitgemacht.

Aus Karlsruhe kommt wieder einmal ein …

Karlsruher Blankoscheck
Richter geben der Politik für Auslandseinsätze weitgehend freie Hand
Kurz gefasst darf die Trupe nahezu alles, solange es der Friedenswahrung im Nato-Gebiet dient…. Die Verfassungshüter warfen der Linksfraktion zudem vor, ihre Klage nicht rechtzeitig eingelegt zu haben. Der Antrag auf eine so genannte Organklage müsse innerhalb von sechs Monaten nach einem behaupteten Rechtsbruch der Bundesregierung eingelegt werden.


Von der unnützen Spaltmöglichkeit von „weitgehend“ wird selten Gebrauch gemacht. Dagegen haben die Bahnstreiks das lahme Legen zum Pressesport gemacht, obwohl es seit 2006 wieder falsch ist:

… Beginn des vierstündigen Warnstreiks, der bundesweit den Bertreib der Deutschen Bahn fast komplett lahm legte.

„Es wäre unschön und unklug, ausgerechnet den Pendlerverkehr lahm zu legen“, hieß es … dpa

Dank des drittens f geht es mit der deutschen Wirtschaft aufwärts:

Die deutschen Schiffsbau-Zulieferer freuen sich im Schlepptau des weltweiten Schifffahrts-Booms über eine gewaltige Auftagswelle.

Den Glimmstengel-Herstellern ist die „Reform“ anscheinend weniger gut bekommen.

Kurz nach der Auflösung des Verbandes der Cigarettenindustrie streben sechs Hersteller mit insgesamt 60 Prozent Marktanteil einen neuen Branchenverband ohne Beteiligung des Marktführers Philip Morris an.

In der Financial Times vom 02.07.2007 glossierte Tobias Bayer:

Der Verband der Cigarettenindustrie (VdC) löst sich auf. Er zieht die Konsequenz aus der Rechtschreibreform. Ihm blieb nichts anderes übrig, da das Kürzel „VDZ“ schon von Zoodirektoren, Zeitschriftenverlegern, Zementwerken und der Zentralheizungswirtschaft beansprucht wird. Eine Verschmelzung mit dem VdK lehnte dessen Präsident ab. Hier handelt es sich klar um eine erzwungene Auflösung.

Neulich brachte das Fernsehen nachts eine Dokumentation über die Einflußnahme der Zigarettenindustrie auf Politik und Forschung, u.a. mit Hilfe von Stiftungen. Da drängte sich förmlich der Vergleich auf mit anderen „uneigennützigen“ Stiftungen, die im Bildungswesen den Regierungen die Arbeit abnehmen.


– geändert durch Sigmar Salzburg am 06.07.2007, 09.07 –
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Sigmar Salzburg

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Sigmar Salzburg
03.07.2007 07.32
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Kieler Nachrichten v. 02.07.2007

Unfaßbar:
Nach zehn Jahren Kritik am großen „Leid“ der „Reform“ und eineinhalb Jahre nach dem entlarvenden Zusammenbruch dieser Neuregel gibt es bei dpa Leute, die anscheinend nichts mitgekriegt haben:


Lieder für Diana
An die harten politischen Realitäten erinnerte auch Prinz Harry mit einer Grußbotschaft an die Kameraden seiner Einheit, die derzeit im Irak eingesetzt sind. „Ich wünschte, ich wäre bei euch. Es tut mir Leid, dass ich es nicht sein kann“, sagte Harry. … dpa


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Sigmar Salzburg

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Sigmar Salzburg
26.06.2007 13.44
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kn-online v. 22.6.2007

Laut Rat läuft Umsetzung der umstrittenen Rechtschreibreform rund

Mannheim (dpa) – Die Umsetzung der umstrittenen Rechtschreibreform läuft nach Ansicht des Rates für deutsche Rechtschreibung rund. „Insgesamt wurde uns bestätigt, dass das amtliche Regelwerk in Deutschland so gut wie problemlos übernommen wurde“, sagte der Vorsitzende des Rats, der frühere bayerische Wissenschaftsminister Hans Zehetmair, in Mannheim. Nach jahrelangem Streit war die Rechtschreibreform mit ihren bundeseinheitlichen Regelungen zum 1. August 2006 eingeführt worden.

http://www.kn-online.de/artikel/2172571


Die Umsetzung „läuft rund” (rotiert auf der Stelle?). In der Pressekonferenz kam zum Schluß doch noch zum Ausdruck, wozu der ganze Ratszirkus diente: dazu, daß Springer, Spiegel und FAZ „eingetütet“ wurden, wie Zehetmair entlarvend formulierte.

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Sigmar Salzburg
25.06.2007 09.16
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Angewandte Zweideutigkeit der Reform

Irina Palm (Sam Gabarski,
GB 2007). Die dicke Maggie
zieht meistens den Kürzeren,
bis sie in einer Sexkabine
Hand anlegt. Prompt geht es
aufwärts. Geschmeidige Komödie
mit Marianne Faithfull.
Neues Studio: Do-Mi 15.30, 17.45,
20.15 Uhr.


(Aus KN v. 21.6.07, S. 10 „Alle Filme“)

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Sigmar Salzburg
22.06.2007 07.57
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Kieler Nachrichten v. 20.06.2007

BRIEFE AN DIE REDAKTION

Eltern sind schon genug gebeutelt
Betr.: Kosten für Schülerbeförderung
….
Heute, im 21. Jahrhundert, sieht die finanzielle Lage vieler Eltern gänzlich anders aus: Arbeitsplatz Verluste, Hartz IV und 400-Euro-Jobs sowie die „Nichteinführung von Mindeststundenlöhnen“ stellen die Eltern von Schulkindern vor immer neue Probleme. Dazu kommt die wachsende Kostenbeteiligung der Eltern an den Lernmitteln (denken Sie an die gegen den schleswig-holsteinischen Bürgerwillen durchgeführte Rechtschreibreform).
Meines Erachtens sind die Eltern genug gebeutelt; schließlich haben sie die erneute Verlängerung der Schulwege und die anstehenden Gebietsreformen nicht zu vertreten: Schulpflicht beinhaltet in solchen Fällen auch die Pflicht der zuständigen Politiker, die betroffenen Eltern von Folgekosten freizuhalten.

Joachim Hachmeister,
Eckernförde


Nur noch selten darf Kritik an der „Rechtschreibreform“ und ihrer undemokratischen Durchsetzung in den Spalten der KN durchschimmern. Leserbriefe werden zudem ungefragt in die „neue“ Rechtschreibung konvertiert. Sogar historische Texte werden rückwirkend „angepasst“. Nur in bezahlten Kleinanzeigen erlaubt man sich das nicht – und dankenswerterweise auch nicht im Literaturrätsel:

LITERATURRATSEL
Wer schrieb was?

»Dazu aber ist zu sagen: daß unter all dem im 19. und 20. Jahrhundert mit am tiefsten die Künstler gelitten haben, gerade diejenigen, deren Auftrag es war, in furchtbaren Visionen den Sturz des Menschen in seiner Welt sichtbar zu machen. Es gibt im 19. Jahrhundert einen ganz neuen Typus des leidenden Künstlers, des einsamen, des irrenden, des verzweifelten, des am Rande des Wahnsinns stehenden Künstlers, den es früher höchstens als einzelnen gegeben hat. Die Künstler des 19. Jahrhunderts, die großen und tiefen Geister, haben oft den Charakter von Geopferten und sich Opfernden«
.
Seit der französischen Revolution, so die These dieses kunstphilosophischen Werks, schlittert die Menschheit zunehmend weiter in die innere Katastrophe. Die jeweilige Kunst wirkt hierbei, so die These, als Symptom und Symbol der Zeit. Mit der französischen Revolution und ihrer Forderung nach Gleichheit setzte der künstlerische Werteverfall ein; für die architektonische Herausforderung etwa bedeutete das, salopp gesagt: Die Hütte stand nun auf gleicher Stufe wie der Palast... die künstlerische Katastrophe mündete im Chaos der Moderne, einem „gestörten Gottesverhältnis“, dem völligen Wertezerfall – in der Füllung dieses entsetzlich gerissenen Loches, sieht der Autor die wahre Herausforderung der zeitgenössischen Kunst. Als das Werk 1948 erschien, jubelten die konservativen Kreise; Verfechter der Moderne, die nach der Nazizeit nun endlich Anschiuss an den künstlerischen Puls suchten, heulten dagegen empört auf. Das Buch wurde ein unerwarteter Erfolg, der die Moderne-Rezeption im Nachkriegsdeutschland entscheidend beschleunigte.

Die Lösung des letzten Rätsels lautet: Kurt Kläber (Pseudonym Kurt Held), Die rote Zora. Gewonnen hat Christa Staffer, Kiel. Unter den richtigen Einsendungen verlosen wir einen Buchgutschein im Wert von 20 Euro. Lösungen bis zum 26. Juni an die Kieler Nachrichten, „Literaturrätsel“, Fleethörn 1-7, 24103 Kiel, Tel. 0431/ 9032895, Fax 9032896, E-Mail literatur-raetsel@kieSer-nachrichten.de


„Verlust der Mitte” von Hans Sedlmayr.

Auf der gleichen Seite findet sich ein Wort zum Ungarn-Schwerpunkt des Schleswig-Holstein Festivals:

Wenn dann am Rande das kulturelle Erbe und die schönen Künste zur Sprache kommen, versteht man gleich vie besser, warum sich unter das lebenslustige Puszta-Temperament immer eine Träne mischt.
Nach Reformlogik hätte man die bisher übliche Schreibweise „Pußta” durch „Pussta” ersetzen müssen. Das sah wohl zu komisch aus. In freier Willkür will man daher nur noch die ungarische Schreibweise „Puszta” zulassen. „Gulasch“ soll aber aber immer noch so und nicht „Gulyás” geschrieben werden.

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Sigmar Salzburg

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Sigmar Salzburg
19.06.2007 11.17
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Kieler Nachrichten v. 18.06.2007

Der Chefredakteur der Kieler Nachrichten, Jürgen Heinemann, ließ mir diese Ausgabe durch den Briefschlitz stecken und spricht mich in einem Begleitschreiben sogar (scheinbar) persönlich an:

Sehr geehrter Herr Salzburg, heute lade ich Sie ein, die schönsten Seiten Ihrer Heimat kennen zu lernen. Lesen Sie jetzt täglich die Kieler Nachrichten …

Außer dieser Reformspaltung und dem KN-Slogan „So viel Zeitung muss sein“ (früher: „Soviel Zeitung muß sein“) ist nichts Reformiertes zu sehen.
In dieser Montagsausgabe selbst findet sich auf Seite 1 kein einziges Reformsignal – außer einer „22-Jährigen“.
Auf Seite 2 gibt es dagegen 11 „neue“ ss – einschließlich 7 nutzloser „dass“ statt „daß“, davon eins falsch:

Die Sorge, dass könnte der FDP im Osten Stimmen kosten, wird in der Führungsspitze verworfen.

Auf Seite 6 finden wir eine weitere Folge des „erleichternden“ ss-Schreibens:

„RMS Kiel“: Wendig und abgasarm … Die Abgasreinigung erfolgt durch Harnstoffeinspritzung und Russpartikelfilter.

Solche massenhaft ins Volk induzierten Fehler werden in der Zeitung meist durch die Korrekturautomatik weggefiltert – der schöne Schein der Reformschreibung.

Einige natürliche Schreibweisen werden aber von den Korrekturprogrammen mitunter übersehen, z.B. auf S. 20 das unsinnige Verbot der Zusammenschreibung von „zuviel“:

Drei Jugendliche über 14 Jahren hatten zuviel getrunken …

Auch das Gebot der Zusammenschreibung von „weh tun“ wird mißachtet:

Eine Heuschrecke mit 400-Millionen-Gehalt
Den Konkurrenten, sagt Schwarzman, müsse man „richtig weh tun“ und sie dann „töten“.


Dabei fällt mir auf: Der Duden 23. Auflage verlangt noch ausschließlich „wehtun“ – verständlich, sonst hätte man analog zum schwachsinnigen „Leid tun“ auch „Weh tun“ vorschreiben müssen. Man hatte aber schon „leidtun“ aufgenommen, um das heftig kritisierte Verbot von „es tut mir leid“ aufzuweichen.

Im Reform-Reform-Duden 24. Aufl. ist „Leid tun“ entfallen und nur noch das (nie dagewesene) „leidtun“ verpflichtend beibehalten worden – angeblich auf Betreiben von Rechtschreibrat Peter Eisenberg, dem die traditionelle Schreibweise nicht in sein Beschreibungssystem paßte. Erstaunlich aber ist, daß „weh tun“ neben der unsäglichen Dudenempfehlung „wehtun“ wieder zulässig sein soll. Warum „leid tun“ dann immer noch verboten sein soll, bleibt unerfindlich.

In den Kieler Nachrichten wird über den viel gescholtenen Oskar Lafontaine berichtet:

Er wettert gegen die „Reformchaoten“, …

Die Fortsetzung lautet hier zwar:

… die den „sicheren Sozialstaat“ zerstört hätten …,

man könnte aber mit vollem Recht ergänzen:

… und die mutwillig die sichere Rechtschreibung zerstört hätten.

Das Bewußtsein dafür ist allerdings bei der Linken immer noch schwach entwickelt, obwohl auch linke Zeitungen wie die „Junge Welt“ standhafter als die FAZ gegen das Reforminteresse der Mediengroßkonzerne Widerstand leisten. Aber schon 1997 gab es in der PDS Leute mit besseren Einsichten:

„Intensivere Beschäftigung mit Für und Wider der Reform in der Parlamentspause hat bei mir eine ablehnende Position unumstößlich reifen lassen. ... (MdB Prof. Dr. Christa Luft, PDS, 19.08.1997)



– geändert durch Sigmar Salzburg am 19.06.2007, 18.21 –
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Sigmar Salzburg

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Sigmar Salzburg
16.06.2007 14.35
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Kieler Nachrichten v. 16.06.2007

Ich habe schon mal einen Blick auf Seite 6 des Journals (Kinder, Spiele) geworfen:

Der große Grill-Meister-Test

Es fällt die höfliche Du-Anrede auf.
Trotz des Beliebigkeitvorbehalts im Regelwerk ist der geänderte Wortlaut ganz richtig als Rücknahme der „Reform“ in diesem Punkt verstanden worden. Im Zitat sollte allerdings kleingeschrieben werden. Das wurde die vorigen Male schon richtiger gemacht:

Aber Kiki sagt: „So einfach geht das nicht. Ich muss erst einmal testen, ob Du fit dafür bist.“

Die Schreibung „fitt“ – anders als „Tipp“ für „Tip“, ist nach dem Zufallsprinzip nicht eingeführt worden. Während der dazu passende „Tripp“ schon voreilig von einigen Reformprofiteuren verkündet wurde, muß der „Dipp“ wird wohl noch länger auf ein zweites „p“ warten:

Zu den Folienkartoffeln kannst Du entweder Butter oder einen Sour Cream Dip servieren.

In englisch-amerikanischen Wörtern mutet man den Kindern jede Schreib- und Leseschwierigkeit zu:

Zum Barbecue gibt es selbst gemachte, meist sehr scharf zubereitete Soßen.

Dafür gibt anderweitig eine Aussprachhilfe.

Was sind Cevapcici? (Sprich: Tschewaptschitschi)

Ganz ungemein erleichternd ist natürlich ein gut angerichtetes Wörterhack. Die Reformversion von „selbstgemacht“ hatten wir schon. Jetzt kommt noch die von „krebserregend“:

Um zu verhindern, dass das Fett von Fleisch und Wurst auf die Glut tropft (das kann Krebs erregend sein), sollte der Rost mit Alufolie belegt sein.

Geradezu mutig werden die Zeitungsmacher, wo sie einmal nicht „nachei-nander“ trennen:

Welche Zutaten kommen nachein-ander auf den Spieß?

In der rechten Spalte stehen die Spiele für die Großen – Schach und Bridge:

Aber im Tiebreak mit Schnellpartien (vergleichbar dem Elfmeterschießen im Fussball) unterlag er dann glatt.

Gehört man nicht gerade zur Kick-Ass-Scene, dann kann man Piek-Ass-Platzierungen beim Bridge genießen:

Pik-Ass hätte der Partner im ersten Stich gelegt….Da er ein Vierer-Pik verneint hat, waren seine Piks genau Ass, Dame, 7.



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Sigmar Salzburg
14.06.2007 15.45
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Kieler Nachrichten v. 13.06.07

Ein schmerzlicher Verlust:

Weltreisen – mit Leib und Seele Journalist –
Bücher schreiben – nie ohne Papier und Schreiber!
Keine Zeitung war vor ihm sicher!

Plötzlich und unerwartet hat unser gemeinsamer
Lebensweg sein Ende gefunden.

Karl-Ernst Jipp
* 15. 1. 1932 † 8. 6. 2007


Heute eine Anzeige der Landespressekonferenz:

In Gedenken an unseren
früheren Sprecher und
lanjährigen, engagierten
Kollegen


Am 6. Dezember letzten Jahres hatten die Kieler Nachrichten noch berichtet:

Exotin mit spannender Geschichte
Karl-Ernst Jipp hat ein Buch über die Geschichte der Strelitzie geschrieben


Wir haben Karl-Ernst Jipp zuletzt in unserer von Elternverein und Bürgerinitiative am 1. März 2006 veranstalteten Pressekonferenz im Landeshaus getroffen, an der er für die KNA teilnahm. Am Rande berichtete er von seinem Einsatz für den Verein Deutsche Sprache, er scheute sich nicht, die „Rechtschreibreform“ ein Verbrechen zu nennen und erwähnte, daß er immer noch in der alten Rechtschreibung schreibt und sein Rechner die pflichtgemäße Konvertierung machen läßt. (Beim „Spiegel“ halten das auch die meisten der Redakteure so – eine Reformfolge, die Stefan Aust „kafkaesk“ nannte).

Karl-Ernst Jipp war jahrelang Leiter des Kieler dpa-Büros, ging dann für einige Zeit nach Süddeutschland, kehrte aber wieder zurück. Daß er den Politikern nicht immer genehm war, läßt eine Notiz aus dem Jahr 1973 ausgerechnet im „Schwarzbuch CDU-Politik in Schleswig-Holstein“ der DKP vermuten:

Stoltenberg schaffte es sogar, den Leiter des Kieler Büros der Deutschen Presse-Agentur, Karl Ernst Jipp, aus seinem Amt entfernen zu lassen.


LITERATURRÄTSEL
Wer schrieb was?


»Er wusste nicht, wie lange er so geweint hatte, als er ein Kratzen unter seinem Fenster hörte. Kam da jemand? Ersah hinauf. Ersah nichts, aber das Kratzen wurde deutlicher. Er wollte schon aufstehen und etwas sagen, da sah er eine Hand, die sich oben um das Fensterkreuz krallte, einen Augenblick später tauchte etwas Grünes auf und, bevor er noch sein Erstaunen meistern konnte, das rote Haar und der Kopf des Mädchens, das er vor einigen Minuten gesehen hatte.«

Weil er einen am Boden liegenden Fisch an sich genommen hat, ist der Junge in der Gefängniszelle gelandet – die Staatsmacht kennt kein Pardon, auch nicht mit Hunger leidenden Kindern. Als Mitglied der Wandervogel bewegung war der Autor dieses beliebten Jugendbuchs vor dem ersten Weltkrieg in ganz Europa unterwegs, später reiste er gemeinsam mit seiner Frau, einer damals bekannten Märchenerzählerin. Als einer der führenden Vertreter der kommunistischen Literaturbewegung veröffentlichte er Gedichte, Aufsätze und Reden, bis ihn die Nazis ins Exil zwangen. Dort veröffentlichte er, unter Pseudonym Erzählungen für Kinder, die zugleich realistisch und abenteuerlich waren – ein neuer Typ innerhalb des Genres. Der gebürtige Thüringer starb als Schweizer Staatsbürger.

Die Lösung des letzten Rätsels lautet: Wolfgang Koeppen, Jugend. Gewonnen hat … Unter den richtigen Einsendungen verlosen wir einen Buchgutschein ä20 Euro. Lösungen bis 18. Juni an Kieler Nachrichten, „Literaturrätsel“, Fleethörn 1-7, 24103 Kiel. Tel. 0431/ 9032895. Fax 9032896, E-mail: literaturraetsel@kieler-nachrichten, de


Lösung: Kurt Held (Kurt Kläber) „Die Rote Zora und ihre Bande“

Das ss-Signal läßt vermuten, daß eine der unsäglichen Reform-Ausgaben dem Text zugrundegelegt wurde: Die bekannte, in allen seriösen Bibliotheken vorhandene Ausgabe stammt aus dem Verlag Sauerländer von 1991.

Ich werde mir die neueren Ausgaben nicht antun, denn man könnte auf Seite 54 finden: „Der Erste war groß, plump und sah ungemein tollpatschig aus.“ Oder auf Seite 197 „Meine Frau hat noch eine Hand voll Kamille hineingeschüttet.“ , auf S. 204 „Das Mädchen behielt Recht“, ab S. 227 „Die Tunfische“ … „sahen Furcht erregend aus“. Ab 2006 könnte noch „Ich habe mir wehgetan“ (S. 137) hinzugekommen sein.

Aber auch andere „politisch korrekte“ Verrenkungen sind schon festgestellt worden. Vor ein paar Jahren bemerkte Theodor Ickler an dieser Stelle:

Das sechste Kapitel endet noch 1991 mit dem Satz:

Sie waren in Curcins Kamin schwarz wie die Neger geworden.

In der Neuauflage 1997 heißt es:

Sie waren in Curcins Kamin schwarz wie die Afrikaner geworden.


Eine unschuldige volkstümliche Wendung wird kriminalisiert und durch Literaturverfälschung liquidiert. Wie unsinnig: Ägypter sind auch Afrikaner und noch nie schwarz gewesen!

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Sigmar Salzburg

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Sigmar Salzburg
14.06.2007 08.35
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Kieler Nachrichten v. 12.06.2007

Auf Seite 1 eine Schreckensmeldung:

Wort „Kleinod“ ist vom Aussterben bedroht

Jury wählte seltene Begriffe -„Dreikäsehoch“ und „Lichtspielhaus“ auch in Gefahr
Berlin – „Kleinod“ ist zum schönsten bedrohten Wort der deutschen Sprache gekürt worden. Der Begriff stehe für etwas Wertvolles, bis ins 20. Jahrhundert sei darunter ein Schmuckstück verstanden worden, begründete der Autor Bodo Mrozek die Wahl als Sprecher der Jury. Auf den Plätzen zwei und drei landeten die Begriffe „blümerant“ und „Dreikäsehoch“. Die Jury aus Schriftstellern, Germanisten und Journalisten hatte aus knapp 3000 Einsendungen die ihrer Ansicht nach schönsten vom Aussterben bedrohten Wörter ausgewählt.
[…] Das auf den zweiten Platz gewählte Adjektiv „blümerant“ leitet sich vom Französischen „bleu mourant“ ab und bedeutet wörtlich übersetzt „sterbendes Blau“, mit dem eine leichte Ohnmacht umschrieben wurde. Auf den dritten Platz schaffte es der „Dreikäsehoch“ als Beschreibung für ein kleines Kind.
Auf Platz vier kam der Begriff „Labsal“, das für Erfrischung oder auch seelischen Trost stehen kann. Gefolgt vom Verb „bauchpinseln“, das schmeicheln bedeutet, sowie vom Begriff „Augenstern“, das umgangssprachlich für „das Liebste“ gebraucht wird. Unter die besten Zehn schafften es zudem die Wörter „fernmündlich“, „Lichtspielhaus“, „hold“ und „Schlüpfer“. afp


Die Ablenkung von der „Rechtschreibreform“ wird fortgesetzt: Nach dem „Schönsten Wort“, dem „Schönsten deutschen Roman-Anfang“ (Deutscher Sprachrat unter Jutta Limbach), nun das „Schönste von Aussterben bedrohte Wort“, gekürt von einer obskuren Jury unter „Spiegel“-Kolumnist Bodo Mrozek. Demnächst ist wohl ein Wettbewerb die „Schönste ausgestorbene Sprache“ zu erwarten. Deutsch hat gute Chancen. Wann hat man zuletzt das Wort „Glanzlicht“ gelesen? „Highlights“ in Massen sind aber anscheinend dem schreibschwachen Volk zuzumuten.

Manche Wörter sterben jedoch nicht den realen Tod, sondern werden durch künstliche Sinnentleerung zum scheinlebendigen Wechselbalg. Hier finden sich zahlreiche durch die „Rechtschreibreform“ umgedeutete Wörter, „Tollpatsch“, „belämmert“ oder „Quäntchen“ (statt „Quentchen“). Das Wörtchen „jedesmal“, seit Jahrhunderten wohlbekannt, soll völlig aus den allgemeinen Bewußtsein ausgelöscht werden.

Bei „Spiegel online“ haben die „fortschrittlichen“ Kräfte übrigens den Diskussionsstrang „Rechtschreibreform, die unendliche Debatte“ wieder einmal geschlossen, um auch dort die Rechtschreib-Zwangsbefriedung zu fördern.

Die elektronische Fußfessel der Agenturen versagt allerdings manchmal:

„Mecker-Beck“ liegt der Koalition schwer im Magen
So konnte die CDU genüßlich mitteilen, in der Koalition sei eben die SPD für die Mäkeleien zuständig. Generalsekretär Ronald Pofalla ernannte den SPD-Chef kurzerhand zum „Me-cker-Beck“. dpa


Der „Tunfisch“ („Tätigkeitsfisch“?) hat sich bei den Agenturen nicht durchgesetzt;

Mehr Schutz für Aal und Thunfisch

Der neueste Duden empfiehlt die Reformhackschreibung „Not leidend“, aber schon in der Auflage zuvor war man gezwungen, das übliche Wort „notleidend“ als „fachsprachlich“ für Kredite zuzulassen:

… die Befreiung des öffentlich-rechtlichen Bankensektors allein von notleidend gewordenen gewerblichen Immobilienkrediten …

Wie hätte das wohl ausgesehen: „die Befreiung von Not leidend gewordenen Krediten“ ? ...

Rostocker Studie: Kosten der Fehmarnbeltbrücke höher als der Nutzen
Die 20 Kilometer lange Brücke soll etwa 5,5 Milliarden Euro kosten.


Das ist etwa der Betrag, den die „Rechtschreibreform“, die uns von der unfähigen Politikerkaste aufgehalst wurde, nach neuesten Untersuchungen bisher gekostet hat.

Im Unterschied zur Brücke ist allerdings nicht der geringste Nutzen erkennbar. Es sei denn, man versucht es mit der Rabulistik eines Zehetmair – (in der F.A.Z. v.1.8.03):

Fünf Jahre Rechtschreibreform – besonnen korrigieren
FREMDE FEDERN: Hans Zehetmair

Etwas sehr Erfreuliches und aus meiner Sicht auch ziemlich Unverhofftes hat die Rechtschreibreform ganz sicher mit sich gebracht: die intensive, ja bisweilen leidenschaftlich geführte Auseinandersetzung mit der deutschen Sprache und ihrer Orthographie. Wer hätte das den Deutschen zugetraut?...


Dazu bemerkte Dr. Gerhard Eber in einem Leserbrief eine Woche später sehr treffend:

Die Freude darüber, daß die Rechtschreibreform zu einer intensiveren Beschäftigung mit der deutschen Sprache geführt habe, gleicht der Freude eines Museumswärters darüber, daß ein Verrückter Salzsäure über ein Rubens-Bild geschüttet hat, weil man sich nun doch immerhin intensiver mit Rubens beschäftige.

Tatsächlich wurde das Rubens-Bild „Höllensturz der Verdammten“ 1959 in der Münchener Pinakothek von einem Psychopathen schwer beschädigt. Die Spuren sind noch heute sichtbar.

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13.06.2007 11.23
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… sorgt dafür, daß sie am Lebensende bestimmt leben!

Das Mitglied des Landesseniorenbeirats, 76 Jahre alt, engagiert sich schon lange dafür, dass ältere Menschen bis an ihr Lebensende selbst bestimmt leben.
(Kieler Nachrichten v. 13.6.07)
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07.06.2007 20.14
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Kieler Nachrichten v. 06.06.07

LITERATURRÄTSEL
Wer schrieb was?

»Der Gang war rötlich linoleumbedeckt feucht vom Aufwischen mit feuchten Tüchern roch nach Petroleum und Karbol entflammbare Luft durch die er lief in grüngelb blauroter Iris blühendes Gezücht es kribbelte die Beine hoch die Feuertür war nicht gesperrt führte in den Dachstuhi der Stadthalle Tanzabend Ballettabend Schlagernacht die Sterne von Film und Funk verehrliche Gastspieldirektion der Berliner Hillermillerzillerrevue tausend süße Beinweibchen...«

In diesem atemlosen, Sinneneindrücke sprachlich zusammenschiebenden Stil geht es seitenlang weiter in diesem Erinnerungsbuch an eine Jugend in einer vorpommerschen Kleinstadt. Zwischendurch kurze, knappe Sätze, die Träume und Wirklichkeit, die vielfältige Wirklichkeit des ersten Weltkriegs, verorten. Nach langen Jahren des Schweigens, in denen er überwiegend Reisereportagen für den Rundfunk geschrieben hatte, meldete sich der Autor mit diesem Buch 1976 zurück. Die Fakten und Fiktion mischenden Erinnerungen sollten sein letztes im engeren Sinne literarisches Werk bleiben. Zu groß war seine Enttäuschung über die Ablehnung seiner Romantrilogie aus den Fünfzigern, die die neokonservative Wirklichkeit der jungen Bundesrepublik geißelte. Sein an Döblin, an Dos Passos, Joyce oder Faulkner erinnernder assoziativer Stil mag zu dieser Ablehnung beigetragen haben.

… Unter den richtigen Einsendungen verlosen wir einen Buchgutschein à 20 Euro. Lösungen (Titel & Autor) bis 11. Juni an Kieler Nachrichten, „Literaturrätsel, Fleethörn 1-7, 24103 Kiel. Tel. 0431/9032895, Fax 0431/9032896, E-mail: literaturraetsel@kieler-nachrichten.de


Solche Freizügigkeit in Sprache und Niederschrift ist natürlich nicht reformgemäß korrigierbar und sollte für alle Verschlimmbesserer tabu zu sein:

Wolfgang Koeppen „Jugend“

Eine kleine Korrektur: In der Ausgabe der Bibliothek Suhrkamp steht „Gastspieldirektion der berliner Hillermillerzillerrevue tausend süße Beinchenweibchen...“.

Mehr erwähnenswerte Literatur:

Mascha Kaléko wäre heute hundert Jahre alt geworden – die „deutschsprachige Großstadtdichterin“. Auch dabei läßt es sich nicht vermeiden, an die traditionelle deutsche Kulturrechtschreibung zu erinnern: Eins läßt sich nicht bestreiten:/ Jede Sache hat zwei Seiten./ – Die der andern, das ist eine, Und die richtige Seite: deine“ …

Abgesehen von den reformierten Trennungen führt auch der Fortsetzungsroman „Friesenblut“ von Olaf Schmidt den herkömmlichen Schreibgebrauch vor, den die Kultusminister mutwillig ausrotten wollen:

Elke ließ aus einer Arzneiflasche eine braune Flüssigkeit auf einen Eßlöffel tropfen. Ihr Vater öffnete seinen zahnlosen Mund – er hatte das Gebiß he-rausgenommen – und ließ sich die Medizin verabreichen. Dann schneuzte er sich ausgiebig …

Auf den übrigen KN-Seiten finden sich jedoch Spuren der Ä-Schreibreformer:

Die grünen Stängelteile der Holunderblüten …

Horoskop: Man wird Ihnen ein großes Lob für zuverlässige Mitarbeit aussprechen. Das verbessert Ihren guten Draht zur Chefetage noch um ein Quäntchen.

… der Großschreibreformer:

Einige meinten, „dass das Haupteinflussinstrument von Russland ohne Weiteres eine Rohstofferpressung sein könnte“.

… der falschen Großschreiber:

42 Prozent der Frauen möchten es immer allen Recht machen…. dpa

… und der Spaltschreiber:

51 Jahre alt ist die BMW-Isetta von Helge Ottemann aus Kiel jetzt geworden. „Erwischt“ wurde das rollende Fossil aus den 50er Jahren rein zufällig im Saxtorfer Weg, … Höchstgeschwindigkeit sind die technischen Daten dieser früher heiß geliebten so genannten „Knutschkugel“.

Die Verbesserer der englischen Rechtschreibung wurden dagegen schlicht mißachtet:

Die Zahl der Geburten in Deutschland hat 2006 den tiefs-ten Stand seit 1946 erreicht. Mit 673 000 lebend geborenen Kindern kamen 13 000 Babies weniger auf die Welt als im Jahr zuvor, …

Die wenigsten werden es wissen: Der korrekte englische Plural „Babies“ ist von den Kultusministern zum Fehler erklärt worden. Die Schüler dürfen nur „Babys“ schreiben. Im Englischunterricht ist das natürlich wieder ein Fehler.


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Sigmar Salzburg
07.06.2007 06.47
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Aus den Kieler Nachrichten v. 01.06.07

Gerade habe ich einen Packen der letzten KN-Ausgaben auf den Tisch bekommen. Ob ich Lust habe, mir soviel Neu-Deutsch auf einmal anzutun, weiß ich noch nicht. Das früher immer neue Vergnügen, in den Kommentaren ausgesprochene Groteskschreibungen bewundern zu können, gönnen mir die Redakteure schon lange nicht mehr. Die Korrektursoftware funktioniert gut, so daß ss-Fehler die Ausnahme sind – im Gegensatz anscheinend zur FAZ. Ich warte allerdings auf das nächste „barfuss“, das von den Mannen des Bill Gates eingeschleust wurde.

Bevor das Verfallsdatum der Zeitung überschritten ist, eine auffällige Reformdummheit vom 1.6.07:


Tatsächlich ist das ZOB-Areal – aktueller Hässlichkeit zum Trotz – ein städtisches Filetstück, was klar wird, wenn man sich den knappen Hektar Stadt ohne das gräuliche Parkhaus vorstellt.

Dem Kommentator Boris Geißler ist die Möglichkeit genommen, auf einfache Weise auszudrücken, ob er grau oder greulich meint.

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04.06.2007 10.32
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Kieler Nachrichten v. 31.05.07

… sorgten zuletzt Äußerungen des Schriftstellers Ralph Giordano (84) zum Moschee-Bau für beträchtliches Aufsehen. … „Giordano hat so recht", bekannte der stellvertretende Ehrenfelder Bezirksvorsteher Jörg Uckermann jüngst in der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“.

Das bisher vorgeschriebene reformierte „er hat so Recht“ soll möglicherweise immer noch als richtig gelten – als Beispiel wagt es der Duden nicht mehr zu bringen.

Sonst wird die Gelegenheit selten wahrgenommen, „recht“ wieder herkömmlich klein zu schreiben:

Condoleeza Rice meinte, Rußlands Präsident Putin habe selbst gesagt, das Abwehrsystem sei gegen neue russische Raketem machtlos und könne von diesen zerstört werden. Darauf antwortete Lawrow: „Ich hoffe nicht, dass wir beweisen müssen, dass Condolezza Recht hat.“

Generalsekretär Ronald Pofalla erhielt gestern Abend in Kiel vor 200 CDU-Mitgliedern viel Zuspruch für seinen 91 Seiten starken Entwurf. „Eine Volkspartei muss Antworten für die Zukunft geben“, erklärte Pofalla. „Und wir haben sie“

… leider nicht für die Rechtschreibung. Die traditionelle Schreibweise „gestern abend“ wird auch unter Mitwirkung der CDU-Kultusminister radikal ausgemerzt, obwohl niemand beweisen kann, daß „abend“ ein Substantiv ist und daher großzuschreiben ist.

Die gescheiterte auseinander=getrennt-Regel geistert immer noch durch die Zeitungsspalten:

EU-Parlamentspräsident Pöttering nach der Knesset-Rede „… am Ende sind wir sogar mit einem Wangenkuss auseinander gegangen.“

Ein Kuss ß muß ein Kuß bleiben“ hieß ein Kampfruf der Bürgerinitiativen. Die betriebsame Ministerpräsidentin Simonis hielt dagegen, es wäre gleichgültig, ob „Kuß mit ss oder ß geschrieben“ würde, „Hauptsache, man kriegt ihn“, und behauptete, „die Kinder haben es nun leichter.“ Alles Schwindel: Tatsächlich ist es an den Schulen jetzt nicht gleichgültig, wenn jemand „Kuß“ schreibt, sondern ein „Fehler“. Die „Erleichterung“ zeigt sich in einer Zunahme der ss-Fehler um bis zu 22 Prozent.

Scandline ließ ihre Fähren „Mecklenburg-Vorpommern“, „Saßnitz“ und „Ask“ in Bremen und Kiel do-cken.

Ob für die Fähre tatsächlich noch die alte Schreibung verwendet wird, konnte ich nicht herausfinden. Angeblich schon vor der „Reform“ hat die Gemeinde 1993 ihren Ortsnamen geändert, vermutlich wegen der „Globalisierung“ – aber daß die Heyse-Regel den Bürgern aufgenötigt werden würde, war schon voraussehbar.

Die ss-Regel ist überhaupt „die Reform“. Ohne sie wäre das Reformmachwerk schon unauffällig verdunstet. Sie ist sozusagen die Trägersubstanz, die mit der Korrektur-Software zugleich den übrigen, meist ärgeren Reformunfug in die Texte schleust, z.B. bei einem ähnlichen medizinischen Vorgang:

Bei dieser zunächst nur als genetische Anlage diagnostizierten Krankheit ist der Körper nicht mehr im Stande, Fette abzubauen.

oder:

Brüssel tadelt makabre Spendershow … In Deutschland hingegen muss zuerst der Hirntod festgestellt werden, ein Verfahren, dass weitaus komplizierter und zeitaufwändiger ist.

Völlige Verwirrung hat die „Reform“ durch das Verbot von „jedesmal“ u.ä. gebracht. Jetzt wird auch dort gespalten, wo es falsch oder unsinnig ist:

Auf dem Speiseplan des Steinadlers stehen Tiere bis zur Größe eines Rehs. Die kräftigen Vögel töten ihre Beute mit den Fängen. Dabei überwältigen sie Tiere, die fast drei Mal so schwer sind wie sie selbst.

Die Spaltschreibung in der Wortbildung ist nicht auszurotten: „Es war kein Aufsehen erregender Prozess …“

Einen in den Ruhestand verabschiedeten Gefängniswärter hat eins immer geleitet: Die Vermutung, dass selbst unter der rauesten Schale hartgesottener Spitzbuben ein Kern stecken muss, der so schlecht nicht sein kann.

Der h-Raub am „rauhesten“ ist ebenfalls ein Spitzbubenstück, in der Hoffnung, daß die Sprachgemeinschaft zu träge ist, sich über einen geklauten Buchstaben aufzuregen. „Hartgesotten“ ist ausnahmsweise richtig geschrieben.

Dafür geht das öffentlich-rechtliche Fernsehen auf Dis-tanz zum Radsport. … Bundesinnenminister Schäuble (CDU) kündigte die … erneut die Einsetzung einer „Task Force“ an.

Eine direkte Frage an meine Familie: Was ist eine „Task Force“? Meine Frau weiß „etwas mit Krimi“, meine Tochter weiß gar nichts. Anstatt die „Rechtschreibreform“ zu fördern hätte Schäuble lieber besseres Deutsch üben sollen.


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31.05.2007 10.55
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Kieler Nachrichten v. 30.05.07

Auf der ersten Seite

Angelique Kerber ist frustriert: Die Kielerin scheitert bei den French Open in Runde eins

Sie war eben kein „French-Open-Ass“ – nach der verfänglichen „neuen“ Rechtschreibung.

Nicht nur „Mißgunst“ wandelt sich zur „Missgunst“:

Die 20-jährige Riyo Mori hat bei den Misswahlen in Mexiko-Stadt ihre 76 Konkurentinnen auf die Plätze verwiesen.

„Miss“ heißt nach meinem Lexikon „Fräulein“, ein Wort, das aus dem Verkehr gezogen wurde. Warum gibt denn noch „Misswahlen“?

Peter Schulz prunkte als Rocco trotz kleiner Unschärfen mit Bassschwärze und menschlicher Wärme.

Am 20. 8. 1998 wurden die Leser im nördlichen Schleswig-Holstein vom Schleswig-Holsteinischen Zeitungsverlag zur Übertölpelung mit einer Ausgabe in neuer ss-Schreibung und erklärender Schwindelstatistik beglückt. Die Bürger haben dort jedoch nicht anders als weiter im Süden die „Reform“ im Volksentscheid eindeutig abgelehnt.

So muß es wundernehmen, wenn Literatur von 1993 in den KN in Dass-Deutsch abgedruckt wird:

LITERATURRATSEL
Wer schrieb was?

»Ich verehrte meinen Hemingway. Ich hielt ihn für einen herausragenden Schriftsteller, ungeachtet der Mode, sich über ihn lustig und ihn damit verächtlich zu machen. Als ein ehrgeizig aufstrebender Kollege mit dem rücksichtslosen Namen Schmitz, der gerade erst die Fachhochschule mit Diplom verlassen hatte, mich mit der inquisitorischen Arroganz eines Dorfgendarmen aufforderte, vor versammelter Mannschaft die Gründe für mein Hemingway-Schaufenster zu offenbaren, Hemingway sei doch tot, so tot, wie man nur sein könne, und hoffnungslos out, ja, so hatte er sich ausgedrückt: hoffnungslos out, da hatte ich nur höflich und knapp mit „nein, danke“ geantwortet. Barsch war mir mein Chef ins Wort gefallen und hatte mich mit den Worten „warum sitzen Sie dann hier?“ angegiftet: „Lesen Sie doch mal Brechts Arbeitsjournal. Unter ,Meinungen, die ich nicht teile', steht dort, dass ,Hemingway ein Gehirn hat,'" „Bitte, ich kann auch gehen“, hatte ich geantwortet...“

Und er geht, der Buchhändler, der die gerade modernen Schmähungen des Nobelpreisträgers Hemingway, die gleich nach dessen Tod einsetzten, nicht mitmachen will. Er geht auf die Suche nach einem unter Literaten geradezu mythischen Koffer. Den Koffer mit allen Manuskripten Hemingways, der dessen Frau 1922 auf einem Pariser Bahnhof abhanden kam. Unser Buchhändler reist durch die ganze Welt, zu allen Orten, an denen Hemingway sich einmal aufgehalten hat. Mit ihm reist ein Freund, ein Studienrat, der einen anderen Tick pflegt. Ihm geht es um den richtigen Gebrauch des Konjunktivs und darum, wie dieser unwilligen Gymnasiasten beizubringen sei. Natürlich finden die sympathischen Eigenbrötler den Koffer nicht. Nicht einmal bei Marlene Dietrich in Paris, die doch vielleicht einmal mit Hemingway ... aber das ist eine andere Geschichte. Sie erzählt der Literaturwissenschaftler in den Worten ihrer Memoiren.


Gerhard Köpf: „Papas Koffer“.

Versuche, das von den „Volksvertretern“ bewußt machtlos gestaltete Instrument „Volksentscheid“ anzuwenden, gibt es seit 1998 immer wieder:

Dithmarschen verschafft sich Gehör
Volkinitiative vor dem Petitionsausschuss
Kiel – Die Volksinitiative gegen Zwangsfusionen von Kreisen lässt nicht locker. Gestern reisten die Dithmarscher in Kiel an, um vor dem Petitionsausschuss ihren Widerstand zu begründen – und Abgeordnete auf ihre Seite zu ziehen.

[…] Beim anschließendenden Volksentscheid bräuchte sie schließlich die Unterstützung von mindestens einem Viertel der Stimmberechtigten. Dann wäre der Gesetzentwurf angenommen.

Wir wissen inzwischen: Die jahrelange Arbeit kann durch ein müdes Handaufheben der „Volksvertreter“ zunichte gemacht werden. Für die Gültigkeit ihrer Wahl sind keine 25 Prozent erforderlich. Deshalb drücken die noch ganz andere Dinge durch:

Gerangel um den Schulbus
In den Kreisen wächst der Widerstand gegen die Zwangsbeteiligung der Eltern an den Kosten
Kiel – Der Konflikt um die Kosten der Schülerbeförderung spitzt sich weiter zu. Immer mehr Kreise wehren sich inzwischen dagegen, die Eltern zur Kasse zu bitten – obwohl sie das Geld im Haushalt dringend brauchen und eine Regelung im Schulgesetz selbst gefordert hatten. Muss der umstrittene Paragraph 114 am Ende „von oben“ durchgedrückt werden?


„Von oben“ durchgedrückt wurde 1998/99 auch die zwanghafte Auseinanderschreibung, die jetzt aber wieder falsch ist:

Die Band [The Police] … war 1986 auseinander gegangen.

Man ist gespannt, ob die alberne so-genannten-Spaltung ein Ende hat, wenn die „neue“ – oft alte – Agenturschreibung am 1.8.07 in Kraft tritt.

Diesen so genannten Subsistenzwalfang beansprucht auch die Walfangnation Japan für ihre Fischer …Dabei „verschweigt Dänemark (…) den Fang von jährlich mehr als 4000 Kleinwalen“, berichtete der Deutschlandchef der Internationalen Walschutzorganisation Whale an Dolphin Conservation Society (WDCS), Nicolas Entrup.

Die wie-viel- und zu-viel-Spaltungen, oft mißachtet, sind überhaupt noch nicht wieder diskutiert worden:

Die Verbraucher sollen zudem erfahren, wie viel Fett … „zur Fettleber führen kann“ … nein, so geht es nicht weiter sondern: … „oder Kilokalorien des empfohlenen Tagesbedarfs sie mit eine Schokoriegel oder einer Protion Cornflakes aufnehmen.

Neuwittenbek – Voraussichtlich 2010 rücken die Bagger an der Fähre in Landwehr an. Dann will das Wasser- und Schifffahrtsamt Kiel-Holtenau dort den Nord-Ostseekanal verbreitern. … Damit verlieren Kreuzottern ihren Lebensraum. Die Schlangenart gilt als stark bedroht. …
„Am Dortmund-Ems-Kanal gibt es das gleiche Problem. Vielleicht können wir uns deren Erfahrungen zu Nutze machen.“


„zu Nutze“ anstelle von „zunutze“ war früher unüblich, aber nicht verboten. Jetzt wird es als Reformschreibung geadelt. Dagegen wird das übliche „zur Zeit“ verboten und nur als „zurzeit“ gestattet – eine reine Bürokraten-Schikane.

Noch ein paar Notizen von den Zeitungen der Tage zuvor:

Vor
SG-Raubein-Johnny
und
Rauer Alltag im Stil von „Ötzi“
(26.5.07)

spielte die Band Johnny Liebling doch „rauh“.
Schön rauh und live aufgenommen klingt das alles, …

Ein Hoch auf den unangepaßten Berichter Steffen Ruth! (24.4.)



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