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Kieler Nachrichten
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Sigmar Salzburg
03.05.2007 08.47
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Kieler Nachrichten v. 30.04.07

Jahrhundertzeuge und Universalgelehrter
Carl Friedrich von Weizsäcker starb am Sonnabend im Alter von 94 Jahren


Seine Mitarbeit am deutschen Atomprogramm während der Nazi-Zeit empfand er später als große Schuld. „Wenn solche Waffen möglich werden, dann muss man den Krieg, die jahrtausendealte Institution des Kriegs überwinden, oder die Menschheit wird sich zu Grunde richten“, stellte Weizsäcker 1939 zusammen mit seinem Freund, dem Religionspädagogen Georg Picht, fest. …

Auch die Erkenntnis, dass Umwelt- und Entwicklungsprobleme global zusammengehören, wollte der Wissenschaftler früher als andere bewusst machen.


Der klassische Duden gab seit jeher nur „zugrunde“ als üblich an. Der Duden 07 führt nun die exhumierte Trennschreibung als „neu“ an, die daher von „fortschrittlichen“ Schreibern bevorzugt wird.

Schlimmer ist aber die reformerische Aufspaltung der Verbbildung „bewußtmachen“, die anbiedernd auch vom Neu-Duden empfohlen wird. Sie gibt dem obigen Satz die Wendung, Weizsäcker habe „die Erkenntnis absichtlich (oder: in vollem Bewußtsein) früher als andere machen“ wollen.

Ein Protest wird aber wohl ausbleiben, denn zu viele sind durch die „Reform“ schon abgestumpft worden.

Selbst gebildete Leser, die es einst besser gelernt haben, schreiben schon grammatischen Unsinn:

Christa Meves hat vollkommen Recht.

Kein Wunder, denn auch solide Journalisten schreiben ihnen den Unfug vor:

Und ewig singen die Wälder …
Von Bodo Stade

„Wald ist in Schleswig-Holstein ein knappes Gut.“ Sagt Umwelt- und Landwirtschaftsminister Christian von Boetticher im Vorwort zu einer neuen Hochglanzbroschüre mit dem sinnigen Titel „Wie man in den Wald ruft …“ Wie Recht er damit hat, zeigt die kräftezehrende Debatte um die Zukunft der offiziell gemeldeten 50 373 Hektar Landeswald.


Nicht einmal der Duden traut sich, neben „recht od. Recht haben; wie recht sie hat!“ auch „wie Recht sie hat“ zu setzen.

„Kräfte zehrende Debatten“ bleiben uns zum Glück erspart.

Erfinderische Schreiber bewältigen mühelos auch schwierige Wortbildungen:

Erster Mitmach-Tag der Feuerwehren ... Wie die Kielerin Agata Klimek (22), die unter Atemschutz im trockeneisvernebelten Zelt abtauchte

Es ist ein Witz, daß nun Erleichterungsideologen meinten, der Schreibgemeinschaft zumuten zu müssen, solche Wortbildungen ausfindig zu machen, bei denen eine Aufspaltung möglich erscheint, und bei diesen die Zusammenschreibung sich verbieten zu lassen.

Auch im Bereich Groß- und Kleinschreibung, der nach Ratsmitglied Eisenberg aus Zufallsgründen nicht vom Rat für Rechtschreibung korrigiert werden durfte, hat sich die angestrebte „Erleichterung“ als Schuß nach hinten herausgestellt. Wenn die Großschreibmanie der gewendeten Kleinschreibideologen nicht zu Fehlern inspiriert, vermittelt doch das Übermaß an Großbuchstaben eher das Gefühl einer Silikonbusen-Schau.

Sicherheitslücke im Photoshop … Erst vor Kurzem kam mit Photoshop CS3 eine neue Version auf den Markt … Die Experten raten deshalb [,] die entsprechenden Formate (BMP, DIB, RLE) bis auf Weiteres nicht zu öffnen.

Eins aber läßt sich konstant beobachten: Die zwingende Trennvorschrift „zu viel“ wird sorglos mißachtet:

Soeben gibt Stephan Waak als psychopathischer Mörder in ‚Das verräterische Herz’ dem alten Affen Paranoia gehörig Zucker; ein paar Esslöffel zuviel vielleicht.

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Sigmar Salzburg

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Sigmar Salzburg
01.05.2007 06.30
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Kieler Nachrichten v. 28.04.07

Mit jedem Tod stirbt eine Welt.
Auch meine stirbt mit mir,
und niemand kann nach mir
sie noch betreten.
Denn diese Welt gehörte mir allein
und ihm, mit dem zusammen
ich ein Ganzes war.

Alice Ohrenschall

(7.9.1919 – 23.4.2007)

In der Traueranzeige verabschiedet sich die Journalistin mit ihren eigenen Worten.

„1947 wechselte Alice zur »Welt«, der Zeitung der britischen Militärregierung, die sie ein Jahr später als Korrespondentin für Schleswig-Holstein nach Kiel schickte…“

Die „Rechtschreibreform“ hat sie mehrfach in Leserbriefen kritisiert:

„… Berufen zum pfleglichen Umgang mit der deutschen Sprache wären in erster Linie die Medien. Bisher nehmen sie diese Möglichkeiten allerdings nur selten wahr. Ihr Deutsch zeugt allzu oft von erschreckender Unkenntnis. Das gilt für Wort und Schrift, wobei die Rechtschreibreform alles getan hat, um die Sprache zu ruinieren. Die Urheber dieser Reform sollten sich schämen, wenn sie in der Zeitung einen solchen Satz lesen:
Erste Handball betonte Schule beim Hans-Geiger-Gymnasium…
“ (KN v. 7.2.03)

Und ein Jahr später:

Das sieht ja ganz so aus, als wären die Urheber der Rechtschreibreform zur Vernunft gekommen, als hätten sie begriffen, wie unsinnig vieles der Reform ist. Ehe die Reformierer erneut ans Werk gehen, sollten sie sich des Sprichworts „Blinder Eifer schadet nur“ erinnern.“ KN v. 6.2.04)


Mir schrieb sie die Verse:

Zur Rechtschreibreform
Das Känguruh
hält als Guru
gar nichts von jenen Lehren,
die ihm das H verwehren …


Das hindert die aktuelle KN natürlich nicht, der amtlichen Schwanz-ab-Vorschrift zu folgen:

Spielemacher: ….Spielfiguren bei Hüpf, Känguru, hüpf!

Eine ältere Würdigung des Lebens von Alice Ohrenschall findet sich in einem Blatt, dessen Thema sonst „Gender Mainstreaming in Schleswig-Holstein“ ist.
http://landesregierung.schleswig-holstein.de/
(Genaue Adresse mit Google unter „Ohrenschall“ suchen)

Gerade wird bei Spiegel-online über absurdes „Behördisch“ hergezogen. „Emanzisch“ tut es ihm aber längst gleich. Vielleicht geht es auch in diesem KN-Artikel um eine Form des obskuren „Gender Mainstreaming“:

Sie hat ihr zartes Alter von 127 Jahren (kein Alter für eine Hexe, wir wissen es!) nunmehr um runde 50 Jahre erhöht, in denen sie zur Global Playerin der Kinderbuchliteratur heranreifte, ihre Spuren hinterließ und zarte Hinweise darauf gab, was selbst ernannte „Hexen“ von heute auszeichnet.
Von Isabelle Hofmann
1957 von Otfried Preußler als Gutenachtgeschichte für seine Mädchen ersonnen, fliegt das pfiffige Geschöpf heute durch die Kinderzimmer der Welt. Die meisten ihrer Fans sind mittlerweile selbst in die Jahre gekommen, wie die lange Liste der Gratulanten beim Thienemann-Verlag zeigt. Thea Dorn, Veronika Ferres, Gesundheitsministerin Ulla Schmidt – alle starke Frauen, die mit ihren Glückwünschen auch noch eigene Wünsche an die kleine Hexe richten.


… wenn selbst ernannte Ministerinnen sich bemühen!

Hilflos mußte Otfried Preußler die Neuschreibverstümmelung seiner Jugendbücher hinnehmen. Es half ihm nichts, daß er schon mal in einem Hotzenplotz-Buch „belämmert“ geschrieben hatte. Rechte Reformer wollen alles.

Loriot alias Vicco von Bülow (vorherige KN) hatte vor zwei Jahren gesagt:
„Wenn wir so weitermachen, grunzen wir bald“

Durch die „Reform“ scheint die Umkehrung eines Millionen von Jahren dauernden Prozesses eingeleitet worden zu sein (wieder KN):

Die Menschwerdung des Affen soll sich einst im Afrikanischen Grabenbruch und damit zum Teil auf dem Gebiet des heutigen Äthiopien vollzogen haben.
„Dieses Gebiet ist nun mal ganz anders als der Rest Afrikas“, sagt der 28-jährige Betriebswirt Martin Hauptmann nach einer zweiwöchigen Rundreise. „Mich hat es seit Langem gereizt, das einzige afrikanische Land kennen zu lernen, das schon seit dem 4. Jahrhundert vom Christentum und davor lange Zeit vom Judentum geprägt wurde“, fügt der 52-jährige Arzt Alexander Gräwe hinzu. … auch Auto- oder Bustouren gehören zu jeder Äthiopien-Reise. Sie führen über Schwindel erregende Serpentinen, mehr als 3000 Meter hohe Pässe und vorbei an bizarren Berggipfeln.


Die CDU in Schleswig-Holstein hat durch ihren Umfall das Vordringen der „Reform“ in den Norden gefördert. Jetzt will sie Begeisterung für die Machenschaften in der Politik wecken:

CDU Dänischenhagen wünscht sich junge, engagierte Menschen
Ortsverband möchte mehr Mitglieder – Noch kein Spitzenkandidat
Dänischenhagen – „Wir brauchen junge, frische Menschen, die bereit sind, sich zu engagieren.“ Das sagt Werner Nabert, frisch wiedergewählter Vorsitzender des CDU-Ortsverbandes Dänischenhagen. Trotz einer Mitgliederstärke von 50 benötigt man auch bei der CDU in Dänischenhagen Nachwuchs, …


Als er mir Plakatständer der CDU für die Bürgerinitiative gegen die „Rechtschreibreform“ lieh, sagte er, die CDU sei gegen die Volksabstimmungsgesetze gewesen, jetzt aber müsse die „Heide“ [Simonis] die Entscheidung des Volkes anerkennen. Ein Jahr später haben dann auch Kayenburg und Rühe den Volksentscheid gekippt – gegen den Willen der meisten CDU-Wähler.

Jetzt wird nicht nur die Volksabstimmung umgefälscht, sondern rückwirkend auch die Geschichte. Orthographisches Zeitkolorit darf sein, aber nur mit neuen „dass“:

Die Bedürftigen lagen ihm am Herzen
Christian Otte gründete ein Armenhaus, weit bevor dies öffentliches Thema wurde
Von Dr. Stefan Deiters

Im „Fundations-Brief“ vom 28. April 1739 schreibt Otte: „Nachdem ich zu Bezeugung schuldigen Dankbarkeit für alle von dem lieben Gott empfangene vielfältige Gutthaten und mir zugewandten Segen schon längstens entschlossen gewesen, und nunmehro bereits würklich den Anfang gemacht, zum Besten der Noth-leidenden Armen ein Armenhaus in dieser Stadt Eckernförde, als woselbst ich meine wenige Habseligkeit durch Gottes Gnade und Segen erworben, zu erbauen.“ … Das Gründungsdatum hatte auch für die Bewohner angenehme Konsequenzen: So berichteten die „Eckernförder Nachrichten“ am 2. Mai 1889 von den Feierlichkeiten der „sog. Otte'schen Stiftung“ anlässlich des 150-jährigen Jubiläums der Einrichtung. „Seitens der Stiftungsverwaltung wurde bestimmt, dass zur Feier des Tages den Insassen, alte hülfsbedürftige Wittwen, ein gutes Mittagessen nebst einer Flasche Wein a Person verabreicht werde.“



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Sigmar Salzburg

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Sigmar Salzburg
29.04.2007 11.30
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Kieler Nachrichten v. 26.04.07

Beschlossen: Renten steigen um 0,54 Prozent

Verkündet von Bundessozialminister Müntefering. Das betrifft meistens (in seinen Worten) „Hochwohlgeborene“, die die Rechtschreibreform gar nicht haben wollten. Deswegen hatten sie bisher auch keine Rentenerhöhung verdient und kriegen jetzt nur um 4 Euro mehr (bei einer Rente von 740 Euro).

So konnte ein Teil der 5 Milliarden, die die Volkswirtschaft die „Rechtschreibreform“ nach den neuesten Hochrechnungen bisher gekostet hat, wieder hereingeholt werden.
Und Müntefering brauchte – Dank auch dem Bundesverfassungsgericht und den nördlichen „Volksvertretern“– nicht weiter darauf bestehen, daß die „Reform“ gescheitert sei, wie er noch 1997 angekündigt hatte: „Sollte ein Land ausscheren, wäre die Reform gescheitert.“

Nun dürfen sich auch die Älteren nicht weiter beschweren, daß sie einer Desensibilisierungstherapie unterzogen werden, die ihre Allergie gegen die neuen „sss“ herabsetzen soll:

… ob im Adagio gerade Weihestimmung verbreitet oder der Schlusssatz mit viel Brio genommen wird.

Dafür überlisten die „Erleichterungen“ der Reformschreibung sogar manchmal die Korrekturautomaten:

Meldeschluss für Kanallauf … Rings um das Laufspektakel findet erneut das grosse Sport- und Spielfest „Familiade“ auf dem Sportplatzgelände statt.

Die Spaltschreibung verunsichert weiter: „Sogar bearbeitete Digitalfotos …“

Selbst bearbeitete Digitalfotos sollten Kunden nicht noch zusätzlich vom Online-Fotolabor optimieren lassen. … Wenn Kunden die Bilder zuvor aber bereits am PC bearbeitet haben, sorge eine doppelte Optimierung für den gegenteiligen Effekt …

Wir finden auch:
selbst gemachte Kuchen

und woanders …

Die Zutaten sind viel versprechend

Neben der Gastronomie lo-dern nun nicht die Grillkohlenfeuer, wie man für Bruchteile von Sekunden vermuten könnte, sondern:

Neben der Gastronomie lo-cken unter anderem ein Käsestand, ein Crepesstand

Die Schreibung „Kreppsstand“ für Crêpesstand, eines der Glanzstücke neuen Reformerfindergeistes, stößt nur auf ganz geringe Gegenliebe.

Hoffentlich wird uns dafür das Werk des Dichters Wilhelm Lehmann in authentischer Rechtschreibung geboten:

Vom grünen Gott der Neuen Sachlichkeit
Zum 125. Geburtstag des Naturdichters Wilhelm Lehmann
Eckernförde – Lange schien Wilhelm Lehmann mit seinem Werk ganz aus dem kulturellen Gedächtnis verschwunden. Doch allmählich erfährt der Schriftsteller, der in Eckernförde seine Heimat gefunden hatte, wieder Beachtung. Eine fast abgeschlossene Gesamtausgabe und Veranstaltungen zu seinem 125. Geburtstag zeugen davon….


Ein Beispiel aus meinen Büchern:

Februarmond

Ich seh den Mond des Februar sich lagern
Auf reinen Himmel, türkisblauen.
In wintergelben Gräsern, magern
Gehen Schafe, ruhen, kauen.

Dem schönsten folgt der Widder, hingerissen.
Die Wolle glänzt, gebadete Koralle.
Ich weiß das Wort, den Mond zu hissen.
Ich bin im Paradiese, vor dem Falle.

Wilhelm Lehmann
Eckernförde, 20. Jan. 65


(Wiedemann: Deutsche Gedichte in Handschriften)

Der Herausgeber weist darauf hin, daß Lehmann das Komma der letzten Zeile, das im Druck weggefallen war, wieder eingefügt hat. Die Komma-Pogrome der heutigen „Reformer“ und Schulbuchbearbeiter hat er zum Glück nicht mehr erleben müssen.

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Sigmar Salzburg
27.04.2007 09.41
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Kieler Nachrichten v. 25.04.07

LITERATURRÄTSEL
Wer schrieb was?

»Ein Arzt hat mir heute morgen ein fabelhaftes Detail von den Liebschaften des Kaisers erzählt: Die Frau wird in einem Wagen in die Tuilerien gebracht, in einem ersten Saal entkleidet, geht dann nackt in den anderen, wo der Kaiser sie gleichfalls nackt erwartet, erhält von Bacciochi, der sie geleitet, folgende Empfehlung und Erlaubnis: „Sie können den Kaiser überall küssen, bloß nicht ins Gesicht“ Ich glaube, bisher war man bei der Vergottung noch niemals dazu gelangt, aus dem Gesicht eines Menschen ein Allerheiligstes zu machen, das ein Kuß profanisieren würde!«

Was für eine schöne Ansammlung bizarrer, gemeiner und künstlerisch wertvoller Indiskretionen! Die „allabendliche Beichte“ der beiden Brüder hat auch heute noch das Feuer einer äußerst amüsanten Berichterstattung – die Pariser Salons des 19. Jahrhunderts erscheinen plötzlich wieder warm, wild und lebendig. Hier wird eine Liebschaft angeworben (und abgefertigt), dort plaudert der Kollege Flaubert sehr dezidiert über sein erstes Mal. Die Überlieferung von Gesprächsfetzen, Klatsch, Anekdoten, Reisebeschreibungen (etwa durch Deutschland), Berichten von Einladungen und den angesagtesten Salons der Zeit – geschildert in einem unverfrorenen Ton und mit frischer Unverblümtheit – haben dafür gesorgt, dass die zwanzigjährige Sperrfrist, die der zuletzt lebende Bruder nach seinem Tod (1896) für eine vollständige Veröffentlichung gesetzt hatte, schließlich auf sechzig Jahre ausgedehnt werden musste, „aus Rücksicht auf nicht verjährte Empfindlichkeiten“, wie es hieß.


Zweifellos geht es hier um das Tagebuch (Journal) der Brüder Jules und Edmond de Goncourt. Die deutsche Ausgabe (in Kulturschreibung) kenne ich leider nicht.

Und was findet man sonst noch an Schreiblichem neben der ss-Stussschreibung?

Mit dem Gute-Laune-Wetter steigt die Waldbrandgefahr – auch in Schleswig-Holstein
… Täglich seien zehn bis zwölf Stunden Sonne zu erwarten. Was Urlauber freut, ist das größte Ärgernis der Anderen: Die Hoffnung der Landwirtschaft auf ergiebigen, sanften Landregen dürften sich bis zum Monatsende nicht erfüllen. Bis zum 22. des Monats registrierten die Messstationen des Wetterdienstes einen durchschnittlichen Niederschlag von drei Litern je Quadratmeter, der bisher trockenste April brachte es 1974 auf 21,3 Liter je Quadratmeter. … Sicher ist bereits, dass der April der achte Monat in Folge ist, der in Deutschland zu warm ausfällt. dpa


Das dusselige „in Folge“ für „aufeinander folgend“ ist eine neue Sprachmarotte, entnervend besonders in den Fernsehnachrichten.

Anklage nach Halleneinsturz
Bad Reichenhall – Mehr als
15 Monate nach dem Einsturz der Eissporthalle von Bad Reichennall hat die Staatsanwaltschaft gegen fünf Männer Anklage erhoben…. Mehreren Gutachten zufolge haben schwere Mängel und Schlamperei bei Planung und Bau der Halle zum Einsturz des Daches geführt, das der hohen Schneelast im Januar 2006 standhielt.


Leider können die Planer und Durchsetzer der „Rechtschreibreform“ trotz der schweren Mängel und Schlampereien nicht angeklagt werden. Häufig ist jetzt auch das falsche „Stand halten“. Besonders unter der Fuchtel der Wikipedia-Neuschreib-Polizei meinen manche Beiträger, sich besonders linientreu verhalten zu müssen:

Sein Beispiel, als er trotz der andringenden feindlichen Truppen allein Stand hielt und den fliehenden Scharfschützen zurief, ihren Oberst doch nicht zu ...
de.wikipedia.org/wiki/Franz_Jelačić_von_Bužim

… und immer wieder Folgen des Großschreibfimmels:

… ein kompetenter, reich bebildeter Schalplattenführer und damit ein Muss für jeden, dem es Ernst ist mit dem Jazz.


Die alte Wortbildung eine „Zeitlang“ wurde auf dem Hackbrett der „Reform“ gnadenlos zerstückelt. Jetzt ist sie wieder gnädigst zugelassen, aber bei Dumm-Dudens wird eine „Zeit lang“ empfohlen:

„Der Dackel ist ein zeitloser Hund, der kommt nie aus der Mode!“ Zu Olympia 1972 in München hatte es einen Boom der kleinen Vierbeiner gegeben, weil Dackel „Waldi“ als Maskottchen für das Sportereignis warb. „Da waren es eine Zeit lang einfach zu viele“, sagt Nickeleit.

Zusammen mit der ebenso dusseligen Duden-Empfehlung „lang gestreckt“ kann man sich Sätze ausmalen wie „dem Patienten wurden die Beine eine Zeit lang gestreckt“, bei denen sogleich der Verdacht aufkommt, hier wäre ein reformerischer Prokrustes in die Unfallchirurgie gewechselt.

Purpur, Höllenstein und Drachenblut
77-Jähriger hat sein Wissen über chemische Stoffe aufgeschrieben
Das Zusammenspiel der Stoffe in der Natur, wie man sie sich zu Nutze machen kann – das sei unheimlich spannend, findet er.


Obwohl „zunutze“ seit langem üblich ist, meinen die Reformer, uns „zu Nutze“ aufdrängen zu müssen, diesmal ohne Duden-Empfehlung. Statt „zur Zeit“ soll dagegen „zurzeit“ allein richtig sein, „mit Hilfe“ hat man aber neben dem neuen „mithilfe“ allergnädigst gestattet. An Satzanfang bereitet es nun Unsicherheitsgefühle, ob nicht vielleicht doch die richtige „Mithilfe“ gemeint sei:

Wie kam es überhaupt zum „Tag des Baumes“? Mitte des vergangenen Jahrhunderts wanderte der Journalist Julius Sterling Morton nach Nebraskaaus. Dort vermisste er – Bäume. … Mithilfe der eigenen Zeitung propagierte er den Grundgedanken seiner Resolution: …

Und nun noch etwas Heimatnahes:

Post-Original Fiede Nissen feiert Dienstjubiläum
Langeneß – Das Briefträger-Original aus dem Norden, Fiede Nissen, feiert Jubiläum: Seit 30 Jahren bringt er Post auf die Halliginseln. Der 57 Jahre alte Kult-Postschiffer mit dem Rauschebart versorgt die nordfriesischen Halligen Langeneß. Oland, Gröde und Habel an sechs Tagen pro Woche mit Briefen, Paketen und vielem mehr.


Leider wird unsere ss-indoktrinierte Jugend, wenn sie noch Plattdeutsch kann, den Namen der Insel durch die e-Längung als „Lange Nase“ verstehen.

Auf der Suche nach Leben in fernen Welten haben europäische Astronomen einen Aufsehen erregenden Fund gemacht: Eine noch namenlose „Super-Erde“ kreist mehr als 20 Lichtjahre von der Erde um den Roten Zwerg Gliese 581, eine rund 20 Lichtjahre entfernte Minisonne im Sternbild Waage.

Astronauten haben, nach älteren Agenturmeldungen, selbst in nahen Umlaufbahnen kein intelligentes Leben auf der Erde wahrnehmen können. Das wird auch mit besseren Instrumenten ihren Kollegen von Gliese 581 nicht gelingen, besonders nicht im Geltungsbereich der „Rechtschreibreform“.

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Sigmar Salzburg

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Sigmar Salzburg
26.04.2007 12.51
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Kieler Nachrichten v. 24.04.07

Kaum Wähler in Sachsen-Anhalt
Magdeburg
– Der Wahlsieg der CDU bei den Kommunalwahlen in Sachsen-Anhalt wird von der historisch geringen Wahlbeteiligung überschattet. Die Beteiligung an den Kreistags- und Landratswahlen war mit 36,5 Prozent die niedrigste bei Kommunalwahlen in der Geschichte der Bundesrepublik. dpa


Die CDU holte 34,3 Prozent dieser 36,5 Prozent. Das heißt nicht anderes, als daß die CDU künftig mit einer Zustimmung von 12,5 Prozent der Wahlberechtigten regiert. Entsprechend groß ist das Lamentieren der Politiker. Wolfgang Thierse sprach schon von einer „Zuschauer-Demokratie“.

Mitunter aber wollen die Politiker die Bürger zu Zuschauern degradieren – etwa bei der „Rechtschreibreform“. Bei der schleswig-holsteinischen Abstimmung darüber sollten 1998 die miesesten Tricks gerade recht sein, um die nur bei Volksabstimmungen vorgeschriebene Mindestwahlbeteiligung von 50 Prozent nicht zu erfüllen und die Wähler von den Urnen fernzuhalten. Als das mißlang, haben kurzerhand 70 verschworene Abgeordnete den Mehrheitswillen von 1114311 Schleswig-Holsteinern annulliert, um die neuen „dass“ über die Geiselnahme der Schüler auch im Norden durchzusetzen.

Kurz zuvor hatten die Seilschaften bei der Presse mit der flächendeckenden Zwangsmissionierung der Leser begonnen, in der seither solche Sätze nicht selten sind:

Am Baikalsee gönnten sich Helmut Kohl und Boris Jelzin einige erholsame Tage in den Weiten Sibiriens. … Der Deutsche, nur ein Jahr älter, stand auf dem Höhepunkt seiner Macht. Der Russe begann, dass Erbe der Sowjetunion zu verwalten. (S.3)

Ansonsten wurde das Reformgift in vielen Sparten nur homöopathisch eingesetzt, um den Nachweis ihrer Giftigkeit zu erschweren:

In der koalitionsinternen Debatte über die Sicherheitsgesetze wird der Ton rauer.

Dabei ist das „h“ im Rauhen ein Stammlaut seit der Frühzeit der Sprachgeschichte, wie man im Fortsetzungsroman (gegenüber dem Vortage wieder in richtiger Rechtschreibung) noch ahnen kann:

Sie [die Insul Föhr] wird bewohnet von rauhen Leuten, wiewol sie ein wenig mehr als die Sylter poliret seyn, halten sonst noch über alt=friesi-schen Habit, zusampt deroselben Sprachen, steiff und fäst.
C. Danckwerth: Newe Beschreibung der zwey Hertzogtümer Schleswich und Holstein


Leider wird auch der klassische Text der neuen Silbentrennung unterworfen durch einen Automaten, der solches für möglich hält:

Anselm hatte keinen Aufbruchslärm gehört, kein Stühler-ücken, keine Verabschiedungen….

Seit der „Reform“ sind auch solche Entgleisungen nicht selten:

Lübeck – Mit einem erneuten Geständnis des Angeklagten hat gestern eines der Aufsehen erregendsten Sexualstrafverfahren der letzten Jahre vor dem Landgericht Lübeck begonnen. Der Angeklagte aus Bad Oldesloe soll zwischen 1996 und 2006 sechs Mädchen sexuell missbraucht haben, die von seiner Ehefrau als Tagesmutter betreut wurden.
… Eines Tages habe er in seinem Arbeitszimmer am Computer Pornobilder betrachtet, als eines der Pflegekinder herein_gekommen sei. „Die Kleine fragte, ob sie auch mal gucken dürfe. Ich habe sie auf den Schoss genommen – und da ist es dann passiert“, …


Auch Harmloseres wirkt für Könner entnervend und fürs Volk verdummend:

Ein 17-Jähriger verguckt sich in die wesentlich altere Postbotin Rosemarie
Joe Reinhardt, pubertierender Spross wohlhabender Eltern, viel versprechender Abiturient und potenziell erfolgreicher Pianist, begegnet der Frau, die ihm die Liebe zeigt …
(Sat.l)

In Lübeck gibt man eine Medizin-Komödie, die auch auf die Rechtschreib-Quacksalberei passen könnte:

Bühnenjux: Gesund bis der Arzt kommt
Lübeck – Es gibt die Geschichte, dass ein Arzt im alten China nur für die Zeiten entlohnt wurde, in denen sein Patient gesund war. Wurde dieser krank, wurden die Zahlungen eingestellt. Unser System funktioniert bekanntlich genau anders herum: Ohne Kranke steht der Mediziner ohne Einkommen da.
In diesem Dilemma steckt der Protagonist der 1923 geschriebenen Komödie Knock oder der Triumph der Medizin des Franzosen Jules Romains – im Nachbarland ein Klassiker, hierzulande fast unbekannt. Auf Anregung des scheidenden französischen Generalintendanten Marc Adam ist Knock in den Lübecker Kammerspielen jetzt in der Inszenierung von Uwe Dag Berlin zu sehen, …
Die Handlung ist recht simpel: Dr. Knock übernimmt von eine schlecht gehende Praxis in der Provinz. Die Dörfler sind kerngesund und noch dazu geizig, so dass sich der Arzt etwas einfallen lassen muss. Mit gezielter (Des-)Information über Keime und Krankheitssymptome sowie der Verordnung von Bettruhe und strenger Diät gelingt es ihm, die Zahl der Patienten binnen kurzem in nie gekannte Höhen zu treiben -nach dem Motto „Gesunde sind Kranke, deren Krankheit bloß noch niemand erkannt hat“…

Quacksalber auf Erfolgskurs: Andreas Hutzel (Dr. Knock) mit Doris Schefer. Foto hfr


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Sigmar Salzburg
25.04.2007 11.44
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Kieler Nachrichten v. 23.04.07 und davor

Ein kleiner Schock in der Morgenstunde: In der Zeitung vom Montag finde ich in der 4. Fortsetzung des bisher unreformierten Romans „Friesenblut“ von Olaf Schmidt alle Zeichen der neuen Unkulturschreibe: Anselm dachte daran zurück, wie Jahn und er sich kennen gelernt hatten. … gewusst, schoss, bewusst, so genannte, Schluss, dass … (3x).

Ich eile in unseren Laden und sehe in die heutige Ausgabe: Alles ist wieder beim alten. Also nur ein falscher Tastendruck? Bei der Gelegenheit sehe ich auch, daß die schreiblich umgefallene FAZ nicht mehr geführt wird. Außer mir haben wohl auch noch andere darauf verzichtet.

Es scheint so, als ob Kuriositäten – wie „so genannt“ – den Schreibern der KN oft auch nachträglich in ihre Texte automatisch hineingeferkelt werden. Es wundert einen dann kaum noch, daß sich scheinbar auch intelligente Schreiber mit derlei orthographischen Dummheiten bloßstellen.

Bei einer Landung des Versuchs-A 380, da … „rutscht das Heck Funken sprühend über den Boden.

Man spürt einerseits den Willen zum wohl konstruierten Sound… also zum vermutlich konstruierten Song …

Ähnliches stand auch in der vorherigen Ausgabe:

KN 21.04.07

Tadeusz Galias und Jutta Ziemkes Inszenierung setzt auf eine wohl kalkulierte und wohltuende Langsamkeit.

Versuch macht auch Kinder klug
Experimente in Kindergärten sollen den Nachwuchs für die Naturwissenschaft begeistern

…Die DRK-Kindertagesstätte in Dänischenhagen sowie unter anderem der evangelische Kindergarten in Raisdorf, die Villa Kunterbunt in Rendsburg und die DRK-Kita in Selent gehören landesweit zu 26 so genannten Konsultationskitas: Leitung und Personal werden an Fachschulen fortgebildet…
Bildungsministerin Ute Erdsiek-Rave weist darauf hin, dass die musikalisch-ästhetische und mathematischnaturwissenschaftliche Bildung noch immer auseinander drifteten.


Nachdem „auseinander“ immer „auseinander geschrieben“ werden sollte, soll jetzt wieder das Gegenteil richtig sein.

In der nächsten Überschrift erinnert nichts mehr an den einstigen Trennfimmel:

Frech und selbstgenäht

Aber was tut man auch sonst noch unseren Kindern an:

Kiel – Auf vielen MP3-Playern ist sie zu finden, ohne dass Eltern es ahnen: Es geht um Musik mit Gewalt verherrlichenden, pornografischen oder menschenverachtenden. Texten, in denen alle Tabus gebrochen werden.

„Den Arschficksong? Klar können wir den… Ihre bevorzugten Porno-Rapper heißen Bushido, King Orgasmus und Frauenarzt, und diese scheinen es als Sport zu begreifen, sich in ihren Texten gegenseitig an pornografischer Gewalt zu übertreffen.


Nur noch ganz selten taucht die Groteskschreibung „zu Lande“ auf:

Von A wie Aspirin bis Z wie Zündkerze – kein anderes europäisches Land hat so viele Erfindungen hervorgebracht wie Deutschland. Von Michael Witt

Es war im Nachkriegs jähr 1949, als die Berlinerin Herta Heuwer am 4. September mit ihrer indischen Wurstkreation zum ersten Mal einen Kunden angelte. Inzwischen ist ihre Currywurst weltweit bekannt und hier zu Lande eine Volks-Delikatesse, …


Die dritte Fortsetzung des Romans hebt sich noch wohltuend vom übrigen Pennälerschrieb der Zeitung ab:

Sie zeigt drei verwitterte Grabsteine, von rauher See umspült, ein Halligfriedhof bei Sturmflut. Er drehte die Karte um und las, wohl zum zehntenmal, die in chaotischer Krakelschrift hingeworfenen Zeilen: Anselme!

Manchmal schlägt aber auch das Gute an anderer Stelle durch:

Weil seine Bilder ungeschönte Wahrheiten zeigen, musste der preisgekrönte Fotograf G.M.B. Akash seine Heimat Bangladesh verlassen …. Landschaften, Stilleben, Blumen, das alles interessiert ihn nicht. …

Vom Tag zuvor, dem 20.04.07, will ich nur zitieren, daß „die schleswig-holsteinische Politikerin Angelika Beer (Bündnis 90/Die Grünen) seit Langem für die Unabhängigkeit des Kosovo eintritt.

So kurios es aussieht, es soll „richtig“ sein. Aber warum soll „seit Gestern“ falsch sein? Auch das ist als Dativ deutbar: „Dem Gestern weine ich keine Träne nach!“

Auf S. 21 finden wir ein Leben auf Schnellstrassen

Mit den ss ist Spiegelchef Stefan Aust (wie auch Angela Merkel 2003) auch nicht ganz sicher, wie beide im Chat offenbarten, Aust gestern in Spiegel online:

Offenbar hat die Justiz es mit der Zuordnung der Taten es nicht so genau genommen. ich weiss auch nicht, ob es sinnvoll ist, jemanden, der schon einmal 20 Jahre wegen mehrfachen Mordes verbüsst hat, nun noch einmal verurteilen sollte, … Soweit ich weiß, handelt es sich in diesem Fall nicht um den Bundesnachrichtendienst,

Auf S. 26 besichtigt die durch die „Reform“ schwer belastete Bundesbildungsministerin Schavan ein sprachliches Monster … das Exzellenzcluster „Ozean der Zukunft“

Ein anderer Beteiligter hat immer noch schlechte Kritiken.

Schäuble wolle den Schritt in eine ganz andere Gesellschaft, „ in der alle technischen Möglichkeiten genutzt werden, um uns alle zu überwachen“, warnt Benneter. „Das hat schon Orwell’sche Ausmaße.“

Schäubles frühe Förderung der „Reform“ liegt auf ganz ähnlicher Linie. Benneter sollte dennoch nicht im Glashaus mit Steinen werfen, denn gerade seine Partei ist immer noch Vorreiter bei der Durchsetzung von Neusprech und Neuschreib.

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Sigmar Salzburg

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Sigmar Salzburg
23.04.2007 07.43
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Noch Kieler Nachrichten v. 19.04.2007

Volksinitiative nimmt weitere Hürde

Kiel – Die in Dithmarschen gestartete Volksinitiative gegen Kreisfusionen hat eine weitere Hürde genommen. Der Innen- und Rechtsausschuss des Landtages bestätigte gestern die Zulässigkeit und stellte damit die Weichen für eine Debatte im Parlament. Wie berichtet, hatten die Dithmarscher innerhalb weniger Wochen mehr als 33 000 Unterschriften „gegen eine Zusammenlegung von Kreisen ohne deren Zustimmung“ gesammelt. Notwendig sind grundsätzlich nur 20 000….


Alle Achtung für den Mut und die Zuversicht der Dithmarscher. Denn heutzutage können 70 Kieler Abgeordnete einen erfolgreichen Volksentscheid durch Handaufheben „demokratisch“ zunichte machen. Früher mußte von der anmaßenden Staatsmacht noch ein Söldnerheer in den wilden Westen Schleswig-Holsteins abgeordnet werden, wie erinnerlich aus einem Geschichtsquiz der Kieler Nachrichten vom 25.9.2004:

KN-GESCHICHTSQUIZ
Das Ende der „Schwarzen Garde“
Frage 18: Welche Söldnertruppe fiel 1500 in Dithmarschen ein?
Richtige Antwort: A) Die „Schwarze Garde“

… Erinnert werden sollte an eine Schlacht, in der einem aus 6000 Waffen tragenden Dithmarscher Bauern bestehenden Heer ein 12000 Mann starkes feindliches Heer gegenüber_stand. An der Spitze der Truppen des dänischen Königs Johann und seines Bruders, Herzog Friedrich, stand die berüchtigte „Schwarze Garde“, ein aus allen Teilen Europas zusammen_gewürfeltes Söldnerheer, das König Johann schon bei der Eroberung Stockholms unterstützt hatte.


Wie viele kräftige Bauerburschen mögen wohl die 6000 Waffen getragen haben?

Doch zurück zur Ausgabe v. 19.04.07: Fast nur auf den Kulturseiten tritt die Kulturbanauserie des flauen „Rauhen“ hervor – dort, wo man das „h“ am meisten vermißt, etwa bei der Beschreibung der Stimme der Sängerin Christina Stürmer …

Doch der Mittelpunkt bleibt stets Christina. Die freut sich glaubhaft ihres Bühnenlebens und singt mit leicht angerauter, durchaus tragfähiger Stimme Songs mit Titeln wie „Nie genug“, „So wie ich bin“ und „Keine Zeit zum Schlafengehen.“

… oder bei ähnlichen Darstellungen:

Beim Midtempo-Song „Sonne“ schimmert dann beinahe Pop-Romantik unter der rauen Oberfläche durch.

„Lieder“ scheint es nicht mehr zu geben. Selbst deutsche Texte werden zu „Songs“ verarbeitet. Das waren noch Zeiten, als manche Barden sich bewußt „Liedermacher“ nannten!

Von frühen Ausflügen ins Plattdeutsche über Jubiläumshommagen an Count Basie und Duke Ellington bis hin zu eigenen Songs von Big Band-Leiter, Komponist und Arrangeur Jens Köhler, dem es mit imponierender Konstanz gelingt, stets aufs Neue eine tadellos funtionierende Einheit aus vielen Individualisten zu formen.

Aber in der Sprachreform verlegen sich manche eben gerne aufs Neue, wie bei der „Rechtschreibreform“.

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Sigmar Salzburg

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Sigmar Salzburg
22.04.2007 06.16
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Kieler Nachrichten v. 19.04.2007

Cho wirkte eher seltsam als furchteinflößend.

In diesem Satz erinnert nichts mehr an die „Rechtschreibreform“. Dennoch: Einige Zeitungen wollen sich an die Empfehlungen des Einheits-Dumm-Dudens 2006 halten, der den Kultusministern zuliebe etliche Groteskschreibungen der einstigen „Reform“ konserviert. Die Springer-Presse müßte nun eigentlich schreiben:
„Cho wirkte eher seltsam als Furcht einflößend.“
Diese Schreibung sollte nach Vorstellung der „Reformer“ und der ihnen nachstolpernden Kultusminister sogar die einzig zulässige werden.

Dagegen empfiehlt der Duden direkt darunter „furchterregend“ und führt nur als auch mögliche Reformvariante „Furcht erregend“ an. Konfuser geht es nicht. Man braucht sich nicht zu wundern, daß dieser gewichtigste allen Duden fast genau doppelt soviel wiegt vor 80 Jahren – mit all dem unsinnigen Reformschrott, der nun eingefügt wurde.

Bis auf das ss-Evangelium und einigen Kleinkrampf werden die Grotesken in den Kieler Nachrichten allerdings weniger. Selbst Frank Lindscheid meidet inzwischen den Reformextremismus und orientiert sich anscheinend mehr am traditionellen Gebrauch:

Nachdem Oettinger sich zunächst weigerte, seine Äußerung zurückzunehmen, sprach die Kanzlerin einen Aufsehen erregenden Rüffel aus – für Merkels Regierungszeit ist dies ein bisher einmaliger Vorgang. Ihr Umfeld spielte Teile des Telefonats den Medien zu.

Interessant ist folgender Hinweis:

Damit verändern sich die unionsinternen Koordinaten: Der schwer berechenbare Stoiber ist inzwischen ein Ministerpräsident auf Abruf, Oettinger bundespolitisch geschrumpft und ganz nebenbei hat die Parteichefin mit dem Schwaben auch ein Mitglied des legendären „Andenpakts“ (siehe unten) öffentlich vorgeführt – jener Karriere-Seilschaft aufstrebender und mittlerweile etablierter Unions-Männer.

Diese sogenannten „Jungen Wilden“ der CDU waren eine Zeitlang die Hoffnung der Reformgegner, weil sie sich schon 1995 deutlich gegen die „Reform“ ausgesprochen hatten. Als sie dann in Amt und Würden waren, wollten sie aber nicht mehr an ihr „Geschwätz von gestern“ erinnert werden, und Christian Wulff, der sich als einziger vorgewagt hatte, knickte um seiner CDU-Karriere willen schnell ein. Der KN-Artikel über den „Andenpakt“ ist daher auch für Reformgegner von Interesse:

Der Andenpakt: ein geheimer Männerbund in der CDU
Warum Merkel so wenig Unterstützung von den Ministerpräsidenten hat

Von Olaf Albrecht

Sie waren jung und planten ihre politischen Karrieren. Auf einer Südamerika-Reise im Sommer des Jahres 1979 gab es einen berüchtigten Treueschwur, begleitet von einer improvisierten Resolution. „Die Lage ist ernst“, stand auf diesem Dokument. Der „Pacto Andino“, der legendäre Andenpakt, wurde auf einem Flug nach Chile geschlossen. Und aus den jungen Wilden, die damals eher im Spaß einen Bund gründeten, ist heute eine Riege von Ministerpräsidenten und Spitzenpolitikern aus der CDU geworden. Der Pakt besteht noch und ist einer der wohl mächtigsten Geheimzirkel der Republik.

Zu den damaligen Gründungsmitgliedern gehören Roland Koch, Christian Wulff, Peter Müller, Franz Josef Jung und Günther Oettinger. Sie verstehen sich als Herz der CDU. Neuaufnahmen in ihren Kreis, zu dem ungefähr 20 Männer gehören, sind selten. Vor zwei Jahren erhielt der Merkel-Gegner Friedrich Merz Zutritt zur geheimen Runde. Die Vertraulichkeit ist die größte Stärke. Jahrzehnte war der Pakt unbekannt, erst vor vier Jahren wurde seine Existenz bestätigt. Zu jedem ordentlichen Männerbund gehören Rituale. Einer spielt den Generalsekretär, es gibt eine Klassenkasse , einmal im Jahr reist die Runde für einige Tage ins Ausland. Und der Treueschwur enthält einen Nichtangriffspakt. Dazu gehört, dass ein Mitglied nie ein anderes öffentlich kritisiert oder gar dessen Rücktritt fordert. „Auch ein verstecktes Gemetzel wie bei Schröder und Lafontaine wäre bei uns nicht denkbar“, verriet einmal der Niedersachse Wulff.

Die Mitglieder stimmen sich auch politisch ab – besonders wenn es um personelle Entscheidungen in der Partei geht. So feierte die Runde offenbar ihren größten Erfolg, als sie die Kanzlerkandidatur von Angela Merkel 2002 verhinderte. In konspirativen Telefonaten einigte man sich auf Edmund Stoiber, heißt es. Der CSU-Vorsitzende, so das Motiv für das geheime Vorgehen, habe gegen den damaligen Kanzler Gerhard Schröder die besseren Karten. Zudem könnte die Truppe bei einem Wahlerfolg die Amtszeit von Stoiber beruhigt abwarten. Denn die CDU-Männer waren stets davon überzeugt, dass einer aus ihren Reihen irgendwann selbst das Kanzleramt erreicht.

Von diesen Zielen hat sich die Runde vorerst verabschiedet. Angela Merkel hat sie alle überholt. Keiner wollte allerdings in ihr Kabinett eintreten. Allein Franz Josef Jung wurde nach Berlin abgeordnet und gilt dort als eine Art Wachposten für den Männerbund. So beobachtet die Kanzlerin weiterhin misstrauisch das Treiben der Konkurrenten. Zur strategischen Linie der Gruppe gehört vorerst die uneingeschränkte Loyalität zu Merkel. So hat die Kanzlerin derzeit keine Attacken zu erwarten. Sie erhält aber auch keine öffentliche Unterstützung, wenn sie mit einem aus der Gruppe einen Konflikt hat. Nach Oettingers missglückter Trauerrede verhielten sich die Männer so, wie sie es sich 1979 über den Anden geschworen hatten: Sie schwiegen.




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21.04.2007 06.44
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Kieler Nachrichten v. 18.04.07

Auf Seite 2 finden sich wieder unter den neuen ss-Wörtern nutzlose bis erschwerende 74 Prozent „dass“ statt „daß“:

Wulff und die Kehrtwende
Damit werde Niedersachsen möglicherweise das erste Bundesland sein, dass einen weit reichenden Nichtraucherschutz umsetze. dpa


Filbingers NSDAP-Antrag ist abgebildet.
„Über Merkel gibt es eine gewisse Verärgerung. Manche sagen, durch ihre öffentliche Kritik sei das Ganze erst hoch gekocht worden“, sagte der Kreisvorsitzende der CDU Esslingen

Ob „Eßlingen“ sich wie „Saßnitz“ vorauseilend „reformiert“ – oder besser „internationalisiert“ – hat, weiß ich nicht; „hochkochen“ steht sogar in den letzten beiden Reform-Duden.

Dagegen soll die neue Trennschreibe hier zwingend „richtig“ sein, obwohl sie suggeriert, die Zeugin des Massakers in Blacksburg habe sich in totem Zustand der Polizei gestellt:

„Ich habe mich tot gestellt

Im Duden 06 wird „sich tot stellen“ sinnigerweise nun neben „tot umfallen“ (in totem Zustand umfallen) eingeordnet.

Das Wort „monatelang“ scheint nicht mehr bekannt zu sein:

Vor allem Niederländer, die daheim oft Monate lang auf einen Termin beim Facharzt warten müssen, freuen sie über die schnelle Behandlung durch deutsche Spezialisten.


Der neue Forsetzungsroman – angenehm in traditioneller Rechtschreibung – wird allerdings durch das neue Trennprogramm verunziert: fins-ter, Wa-larten
Obwohl die Trennung „Wa-larten“ sicher nicht richtig sein soll, atmet sie doch den Geist der neuen „Vol-lendung“.

Da die Ermittlungen über Herkunft und Vermarktung der so genannten transgenen Zierfische noch andauern, hält sich das Ministerium mit Informationen zurück. Nur soviel konnte Dr. Hans-Georg Starck gestern verraten …

Die so-genannten-Afferei will nicht wieder aussterben, obwohl nach Vermutung des reformfreundlichen Professors Kürschner diese seit 200 Jahren unübliche Wortspaltung nur durch ein Versehen in das „Regelwerk“ gekommen sein soll. Dagegen ist das sinnlose ausdrückliche Verbot von „soviel“ erst bei wenigen Schreibern angekommen.

Zwischen Papst und der Loren … Der Papst ist der Einzige, der ein „Käppi“ – einen Pileolus in Weiß tragen darf …

Die Überbetonung des Unwichtigen durch Großschreibung ist ein Kennzeichen der „Reform“, die folgerichtig auch zu falscher Übertreibung verführt:

Der Sonntag fällt traditionell in Kiel aus. Am Besten, man verbringt ihn bei schönem Wetter draußen …

Fehlen darf dann auch nicht:

Er behielt Recht.

Das neue Prinzip „Großschreibung bei Verdacht auf Substantivierung“

Grand Prix für neue Lieder des Nordens … Von Pop über Rock über Hip Hop bis hin zum Shanty oder dem Volkslied ist alles möglich. Einzige Einschränkung: „Die Texte müssen auf Deutsch sein.“

Das
LITERATURRÄTSEL
Wer schrieb was?

soll einen Kinderbuchklassiker von 1948 wiedergeben:

Aber es nützte nichts. Sie hatten keine Löcher, in denen sie sich verstecken konnten, und darum wurden sie zusammen mit Wasser und Schaum aus dem Mund hinausgebürstet. Sie fielen durch das Rohr der Wasserleitung und schwammen bis zu dem großen, tiefen Meer und hier schwimmen sie immer noch und suchen nach einem anderen Zahnloch, in das sie hineinkriechen können.
Die wahrscheinlichen Neuschreibverstümmelungen wurden uns hier erspart.

Die Lösung des letzten Rätsel lautete: Arnon Grünberg, Blauer Montag . Darauf war ich nicht gekommen.

Neben den „Missständen“ „im Übrigen“ fiel noch die Bastard-Wortbildung „Hipheit“ auf:

Der Hipheit dieses Albums tut das keinen Abbruch.

Müßte man nun nicht „Hippheit“ in der „Tippgemeinschaft“ fordern?

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20.04.2007 08.13
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Kieler Nachrichten v. 17.04.07

Eine erfreuliche Nachricht: Der neue Fortsetzungsroman des jungen Autors Olaf Schmidt erscheint in traditioneller Rechtschreibung. Er wird in einem Interview vorab vorgestellt:

Zuhause spreche ich Fering
IM GESPRÄCH
Mit dem Schriftsteller Olaf Schmidt sprach Rainer Paasch-Beeck

Olaf Schmidt, Autor des Romans Friesenblut, der ab morgen als Fortsetzungsroman in den Kieler Nachrichten und der Segeberger Zeitung erscheint, ist ein echter Föhringer. Er wurde dort 1971 gebo-ren und hat die Insel erst zum Studium verlassen. Nachdem er in Leipzig in Germanistik promoviert hat, lebt er dort mit seiner Frau und seinem zweijährigen Sohn als Literaturredakteur des Stadtmagazins Kreuzer. Der Schauplatz seines im letzten Jahr erschienenen ersten Romans Friesenblut ist Föhr. Darin macht sich ein junger Kunsthistoriker auf die Suche nach einem verschwundenen Gemälde. Wie er dabei mit über 200 Jahren wechselvoller Föhrer Geschichte konfrontiert wird, erzählt Schmidt kunstvoll und spannend zugleich, …

Ihr Held verfängt sich in den Fallstricken der jüngeren Geschichte. Wie haben es die Föhrer aufgenommen, dass Sie auch die NS-Zeit zum Thema Ihres Romans gemacht haben?

„ Ich glaube positiv. Bei einer Lesung in Utersum, meinem Heimatdorf, waren die Reaktionen schon so, dass gesagt wurde, es sei heftig, was da im Roman erzählt werde. Aber gleichzeitig hieß es auch, dass es ja schließlich stimme. Die Menschen dort gehen sehr offen mit dieser Zeit um. Auch hier haben Wissenschaftler und Heimatforscher schon so viel ans Tageslicht befördert, dass mein Buch in dieser Hinsicht keinen Tabubruch darstellt.“

Die Initialzündung für die Handlung ist ein wiederaufgetauchtes Bild des Föhringer Malers Oluf Braren. Wie sind Sie auf den gekommen?

„Zugegeben, außerhalb Norddeutschlands kennt wohl kaum jemand Braren. Aber in seiner Heimat ist er bekannt. Für mich war er eine ideale Vorlage für eine fiktionalisierte Biographie. Die Lücken musste ich nur noch durch mein Erzählen auffüllen.“

Also doch ein „Heimatroman“?

„Ach, was heißt das schon. Jeder anständige deutsche Roman spielt doch in der Provinz. Nicht zuletzt ein Buch wie Uwe Johnsons Jahrestage hat mich zu meinem Projekt ermutigt.“

Olaf Schmidt: Friesenblut. Roman. Eichborn Verlag, 270 Seiten, 19,90 €


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Sigmar Salzburg
18.04.2007 12.36
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Kieler Nachrichten v. 16.04.2007

Seite 2 der KN: 14 neue „ss“. 80 Prozent davon sind „dass“, deren ss nichts erleichtern.

Sonstige „Erleichterungen“: keine!

Dennoch blufft der Schreibratsvorsitzende:

Zehetmair sagte, zwar könne man noch nicht sagen, ob die Fehler in den Schulen weniger geworden seien. Ihm komme es jedoch darauf an, „dass die Sprache ihre Sinnhaftigkeit wieder erhält.“( ddp Nadine Emmerich, 31.12.2006)

Zur Schande für die deutsche Demokratie muß festgestellt werden, daß nicht der Volksentscheid vom 27.9.98 – den Zehetmair gerne verhindert hätte – sondern die Springer AG bewirkt hat, daß in der Zeitung nun zu lesen ist, Baden-Württembergs Ministerpräsident Günther Oettinger habe gesagt:

„Es war nie meine Absicht, die Verfolgten und die Opfer zu verletzen. Sollte das geschehen sein, tut es mir leid. Und dafür entschuldige ich mich auch.“

Filbinger und Oettinger sind beide für ihre Karriere zu Mitläufern geworden, der eine bei den Nazis, der andere bei der „Rechtschreibreform“, trotz anfänglichen Zauderns.

Zehn Jahre lang wurden den Schülern Schreibweisen wie „die Nazi-Verfolgten tun mir Leid“ eingebleut. Auf eine Entschuldigung, wie von Antje Vollmer (B90/Grüne) gefordert, wird man hier jedoch vergebens warten: „Was jetzt fällig ist, ist eine Entschuldigung bei den Kindern dafür, dass sie das Falsche lernen mussten.“ (Reichenhaller Tagblatt 24.09.2004)

Realschule ausgezeichnet
Als erste Schule in Schleswig-Holstein hat die Struensee Realschule Satrup jetzt das Zertifikat „Gesunde Schule“ erhalten. Seit vielen Jahren bietet die Schule Projekte und Netzwerkarbeiten rund um das Thema Gesundheit an. „Gesundes Schulfrühstück“, „die Schulcafeteria in Zusammenarbeit mit einem Elternverein“, „Gesundheitsförderung im schulischen Alltag“ „Gewaltprävention in Schulen“, „Gläserne Schule: Suchtprävention“, „Demokratie lernen und leben“ und weitere Angebote hat die Struensee Realschule entwickelt. …


Wie in Schleswig-Holstein von den führenden Parteien die Demokratie „gelebt“ wird, sollte anhand der Behinderung und schließlichen Annullierung des Volksentscheids gegen die „Rechtschreibreform“ an jeder Schule durchgenommen werden.

Landesschau-Preisträgerin Silke Radenhausen zeigt ihre textilen Kunstwerke im Brunswiker Pavillon.
Das ist in gewisser Weise Malerei“, sagt Silke Radenhausen. Wie Recht sie hat.


Der Duden 06 traut sich nicht mehr zu behaupten, diese Markierung von „recht“ als Substantiv sei richtig. Bei einer Umstellung soll aber doch die Großschreibung erlaubt sein, etwa „sie hat ja Recht“. Das Wörtchen „so“ führt dann einen spontanen Wortartwechsel herbei: „sie hat ja so recht!“ – Welch eine Verkomplizierung gegenüber der bewährten Rechtschreibung, die „recht“ nur als kleinzuschreibendes, verblaßtes Substantiv behandelt!

Manche unsinnige Großschreibungen kommen dagegen sehr schlecht bei den kultivierteren Schreibern der KN an. Zu Richard Strauss’ Sinfonia domestica schreibt Christian Strehk:

Zwar muss man, wie häufig geschehen, die sinfonische Tondichtung nicht gleich als „trivial“, „kleingliedrig“ oder gar „peinlich“ abtun, doch gelingt Fritzsch und den Musikern im Gefecht mit technischen Höchstschwierigkeiten und einer sich immer wieder hochschaukelnden Dynamik auch nicht der glasklare Nachweis des Gegenteils. Sie sind da nicht die ersten.

Die neuen Schreibregeln fordern hier die Großschreibung. Man beachte die Sinnverwirrung mit „den Ersten“ als den Ausgezeichneten u.ä.

Neben grammatisch Falschem findet sich auch die etymologische Sprachbanauserie ums „Rauhe“:

Open Air-Galerie
… Pierre Schumann wurde 1917 in Heide geboren. „Ich bin mit meinen Eltern sehr oft nach Büsum gefahren, da hat es Möven in rauen Mengen gegeben“, erinnert sich der Künstler, der heute in Sagau bei Eutin lebt …


oder

Götz George (68), bekannt als Ruhrpott-Raubein Schimanski …

„Rau ist flau“

Ins Lächerliche gleitet die Reform des Schneuzens ab:

Unterwegs mit Polizisten des 4. Reviers

Plötzlich stürmt aggressiv ein Hüne auf die Beamten los. Die verteidigen sich und sprühen ihm Pfefferspray in
[s] Gesicht, zerren den Angreifer zu Boden und legen ihm Handschellen an. Danach ist ob der beißenden Wirkung des Pfeffersprays kollektives Husten und Schnäuzen angesagt.

Als „Schnäuzen“ hätte ich die Begrüßung durch unsere Dogge (der Hundegott hab sie selig!) bezeichnen können, wenn sie ihre Pfoten auf meine Schultern legte und mir mit ihrer Schnauze einen feuchten Nasenstüber verpaßte.

Zur Vervollständigung der Kulturbanauserie darf auch das umfunktionierte „Quentchen“ nicht fehlen:

Wie uns zahllose (betroffene) Fußballlehrer immer wieder zum Saisonen-de vermitteln wollen, entscheidet im Abstiegskampf „meist allein das Quäntchen Glück“. …

Man zeigt eine leicht erlernbare Bildung in der richtigen Schreibung des Wortes „Quentchen“. Das war den Ideologen der „Reform“ ein Dorn im Auge. Deswegen wurde nicht nur das eigentlich Falsche zugelassen, sondern das Richtige auch regelrecht verboten.

Auch für solche absurden Machenschaften haben die „Volksvertreter“ des Kieler Landtags die Hand gehoben – gegen den Willen des Volkes …

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Sigmar Salzburg

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17.04.2007 07.27
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Kieler Nachrichten v. 14.04.2007

Unter dem Titel „Begnadeter Sonderling“ wird des 175. Geburtstages von Wilhelm Busch gedacht.

Den Ruhm, den ihm Max und Moritz & Co. schon zu Lebzeiten einbrachte, konnte er anscheinend nicht genießen. Busch plagten Zeit seines Lebens Selbstzweifel. Vielleicht liegt darin sein präziser Blick für menschliche Schwächen mitbegründet. Als einen „selbstquälerischen, grundgescheiten, mitleidenden Sadisten“ hat der Historiker Golo Mann den Künstler bezeichnet. Seine vermutlich einzige große Liebe zur Bankiersfrau Johanna Keßler blieb unerfüllt.

Andere weibliche Annäherungen wies er grob zurück. Vor Jahren wurde mir ein Brief im Privatbesitz gezeigt, den er einer jungen Dame, Vorfahrin eines hiesigen Musikprofessors, geschrieben hatte: „Wer ist sie überhaupt? Sieht sie vielleicht so aus?“ und es folgte eine Skizze in der Art der frommen Helene. Natürlich schrieb er in der älteren deutschen Traditionsschreibung, die durch Hitler 1941 und die ihm folgenden Reformer 1998 so verändert wurde, daß die indoktrinierte Jugend sie kaum noch entziffern kann und zudem den Namen „Keßler“ mit einem falschen langen „e“ liest.

Auf jeden Fall hat er auch die Anrede „Du“ groß geschrieben, eine gute Sitte, die unsere dummdreisten Kultusminister zehn Jahre lang an den Schulen haben zerstören lassen. Zu einer vollständigen Rücknahme dieser Vorschrift haben sie sich dennoch nicht bereitgefunden. Jedoch redet man die Jugend nun auf der Kinderseite der KN zwanzigmal in traditionell höflicher Form an und zitiert sogar richtig das „du“ in der Sprechblase in kleinen Buchstaben, eine geistige Leistung, die die Nachrichtenagenturen selten schaffen.

Als „Erleichterung“ bleiben sechs „muss“ und ein „dass“ sowie „selbst gemachte Pfeile“, die die bisherigen 5 Milliarden Reformkosten vollauf rechtfertigen.

Albert Einstein hat noch im Mai 1954 geäußert: „Wilhelm Busch, insbesondere der Schriftsteller Busch, ist einer der größten Meister stilistischer Treffsicherheit. Ich denke – außer vielleicht Lichtenberg hat es keinen Ebenbürtigen in deutscher Sprache gegeben.“

Wieder KN: In Erinnerung indes bleibt Busch nicht als avantgardistischer Künstler, sondern als Erfinder der frechen Lausbuben Max und Moritz. Seine Aphorismen gingen wie Luther- oder Goethe-Zitate in die deutsche Sprache ein.

An der Bild- und Sprachkraft dieses Dichters bedienen sich ungeniert seit langem auch Kleinkünstler aller Art – zum Beispiel Hans Flachs, dessen Parodie „Augst und Zabel“, anonym verbreitet, anscheinend schon eine gewisse Volkstümlichkeit erlangt hat:

http://home.ivx.de/t600348/gedichte.htm

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Sigmar Salzburg
12.04.2007 08.58
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Kieler Nachrichten v. 11.04.2007

Das Literaturrätsel gibt mir Rätsel auf. Ich tippe auf: Leon de Winter „De (ver)wording van de jongere Dürer“ von 1978, ein Erstlingsroman, der 1986 zunächst unter dem Titel „Die (ver)Bildung des jüngeren Dürer“, dann aber unter „Nur weg hier! Die Abenteuer eines neuen Taugenichts“ erschienen ist.

LITERATURRÄTSEL
Wer schrieb was?
„... doch sie fauchte: „All meine Mühe umsonst!“ und rief mir noch nach: „Was ich alles für dich getan habe, mein Junge! Herrgott, wenn du das wüss-test!“ Ich hatte ihr sagen wollen, dass sie eigentlich sehr zufrieden mit mir sein konnte, denn schließlich hatte ich ihre Wohltätigkeit überlebt, die Horde der Psychologen und all der anderen Leute, und das ist so ungefähr das Schwierigste, was man überleben kann. Aber dann sagte ich es doch nicht. Ich hatte nicht den Eindruck, dass es noch einen Sinn machte.“

So recht weiß der junge Mann, der nichts mehr von den Holocaust-Geschichten seiner Eltern hören will, nicht, was er mit sich anfangen soll. Intelligent, ebenso tatkräftig wie ausgeflippt, taumelt er durch das, was nicht einmal er selbst ein Leben nennt. Das ist immer anderswo. Der jugendliche Taugenichts und Rebell ohne Ziel trägt in diesem Erstlingsroman des damals gerade 23-jährigen Autors den gleichen Namen wie dieser. Auch die Lebensläufe der beiden berühren sich. Doch der Autor hat sich mit Theaterstücken, journalistischen Arbeiten und einer ganzen Reihe von Romanen aus dem Sumpf, in dem er einst steckte, herausgezogen und ist mittlerweile einer der profiliertesten jüngeren Vertreter der niederländischen Literatur.


Die kryptische Andeutung des Autorennamens erschließt sich mir nicht, denn im Original heißt die Hauptfigur „Herman Dürer“. 1997 wird der Aufbau-Verlag noch die unreformierte Fassung verbreitet haben. Wann die nichtnutzige neue ss-Verferkelung vorgenommen wurde, konnte ich noch nicht herausfinden.

Einem verhilft dieser Kulturbanausenstreich sicher nicht: den Schülern.

Diese KN-Ausgabe enthält auf den ersten vier Seiten rd. 40 neue „ss“. Diesmal sind sogar 80 Prozent davon neue „dass“, die um nichts leichter zu treffen sind als die traditionellen „daß“, dafür aber noch leichter verwechselt werden.

Gerade berichtete die Schulbuchverlegerin Karin Pfeiffer-Stolz auf den Seiten der Forschungsgruppe Deutsche Sprache, von Briefen einer ganzen Schulklasse – unter Aufsicht des Deutschlehrers – an einen Schriftsteller, in denen es von dass/das-Fehlern wimmelte. Wie peinlich!

In der Zeitung werden auch Lesefallen sichtbar: „Hoeneß“, „Haßstraße“, „Anschlussstellen“ „Multifunktionss-canner“

Natürlich grassiert auch die (teilweise wieder verbotene) Trennschreiberei: so genannt, schwer fällt, zufrieden geben, sicher gehen, zwei Mal, zufrieden stellend, offen stehen, aneinander geschnittene Momentaufnahmen, … und mehr Banauserien wie vom rauen, derben Sound, nummerierte, -Jährige oder im Roman – sonst vergleichsweise vorsichtig in der Anwendung neuer Schreibungen – Heute Nacht werde ich die Sache hinter mich bringen … Olga fasste sich als Erste.

Wie unheilvoll das Wirken politischer und wirtschaftsnaher Kulturapparatschiks auch in anderen Bereichen ist, kann man an den Protesten von Künstlern gegen die Betriebsamkeit des Kienbaum-Instituts in Kiel sehen:

Nichts begriffen
Zu: Kienbaum geistert durch die Kultur
Wie in einem schlechten Film kam ich mir vor beim Lesen von Maren Kruses Text. Was Andere mit Heuschrecken und hedgefonds bezeichnen, können wir im Kulturbereich von nun an getrost „Kienbaum“ nennen….
Prof. Bernhard Schwichtenberg, Kiel

Als Kiels ehemaliger Kulturdezernent, Dr. Heinz Rethage, zu Zeiten seines Amtsantritts von dem einzigen Gedanken beseelt war, im Zuge der (selbst) angesagten Synergieeffekte Einsparungen vorzunehmen, da hatte er in seiner sich selbst attestierten kulturellen Ahnungslosigkeit für eine Weile die tolle Idee, alle städtischen Ausstellungshäuser und Galerien am besten doch in ein einziges Gebäude zu stecken. … Sehr bald hatte er dann selbst (immerhin nach Berücksichtigung fachlicher Argumente) von dieser absurden Idee Abstand genommen – und – wenig später auch Kiel von ihm. Auf eine ähnlich einsichtige Lösung zur rechten Zeit kann man vor dem Hintergrund der Kienbaum-Schildbürger-Überlegungen nur hoffen.
Ulrich Behl, Kiel


Da liegt liegt der Gedanke an die „Rechtschreibreform – ein Schildbürgerstreich“ nahe.

Auch in der Nachbarstadt Eckernförde erkennt man den Wert des historischen Stadtbildes und leidet an den Verstümmelungen, die aus Dummheit und Bequemlichkeit zugelassen wurden.

Schönheit und Sünde in der Kieler Straße

… Sieht man einmal vom zumeist geschäftlich genutzten Erdgeschoss ab, verfügt die Kieler Straße über einige architektonische Juwele. Dazu zählen eindeutig das Jacobsenhaus von 1898 im wilhelminischen Baustil an der Ecke zum Rathausmarkt, das ehemalige Kaufhaus Witt im reinsten Jugendstil (leider zum Rathausmarkt hin verschandelt) und das Behrendt-Haus Nr. 25, die frühere Stadtschule. Eine weitere Attraktion ist die „Ritterburg“ von 1537 mit ihren aufgesetzten geschwungenen Renaissancegiebeln (Nr. 48, heute „Ihr Platz“), ehemals herrschaftlicher Adelssitz derer von Rantzau. Auch andere Häuser sind Dokumente ihrer Zeit und werden von ihren Eigentümern mit viel Mühe erhalten. …

Schräg gegenüber auf der anderen Seite steht ein Beispiel, wie eine Fassade nicht aussehen dürfte. Das Eckhaus Kieler Straße/Gänsemarkt ist neben der Nr.15 ein typisches Beispiel dafür, wie man in den siebziger Jahren Fassaden „zeitgemäß modernisierte“. Modern hieß glattflächig und ohne Schnörkel. Deshalb verblendete man kunstvoll gestaltete Fassaden mit Kunststoffplatten auf Holzlattenkonstruktionen und ersparte sich damit aufwändige Reparaturen am Mauerwerk. Die Fassaden galten als praktisch und zeitlos, verloren damit aber jeglichen Charakter…


... wie die klassische Literatur in „neuer“ Rechtschreibung. Wann sich bei den Kultusministern wohl die Einsicht durchsetzen wird, daß die „Rechtschreibreform“ der neunziger Jahre eine ganz ähnliche Kulturbanauserei ist?

Noch aber leben und wirken sie, die Dichter, die man der umerzogenen Jugend entfremden will:

Vom Vers zur Schwalbe
Machen Spaß: Gedichte und Kurzprosa von Hans-Jürgen Heise
Von Rainer Paasch-Beeck
… Heise legt nun, nach dem Zyklopenauge der Vernunft (2005) und der großen Gedichtsammlung von 2002 erneut eine umfangreiche Sammlung von Texten vor.

Wer jedoch glaubt, dass die kurzen „Öko-Gedichte“ mit Titeln wie Maroder Fluß oder Nachgebessertes Biotop Zugeständnisse an den jüngsten Zeitgeist sind, sieht sich getäuscht: Die ersten Entwürfe stammen schon aus den 60er und 70er Jahren und gehören damit in eine Zeit, als Heise seinen Ruf als innovativer Poet begründete. Dazu gehört der weitgehende Verzicht auf den Reim, was ihn in den Augen mancher Traditionalisten wohl verdächtig erscheinen lässt.

Zu ihrer Beruhigung sei auf einen schönen Reim auf den Wiener Schmäh und einen kurzen, aber letztlich vergeblichen Ausflug in die Anarchie verwiesen: „So viele Jahre / trug ich einen Parker / Und war doch niemals / ein Autarker.“ Alt-68er heißt dieses kleine Gedicht von 1996 und steht stellvertretend für viele solcher Wortspiele, die in dem großen und tiefstapelnden Kapitel Eine Handvoll Lustigkeit zu den Glanzlichtern dieses Buches gehören.


Am Schluss des Buches hat der Kieler Kulturpreisträger Hans-Jürgen Heise unter der Überschrift Juvenilia ein paar kurze Prosatexte versammelt, die einen späten Einblick in die frühe Phase seines Schreibens erlauben. Im melancholischen Schluss-text geht es um den zu spät erfüllten Wunsch des kleinen Jörg. Nicht nur damals muss-te er lernen, dass man im Leben fast alles zu spät bekommt. Die frische Gedichtbrise des Lyrikkobolds Heise kommt deshalb genau zur richtigen Zeit.

Hans-Jürgen Heise: Ein Kobold von Komet. Gedichte und Kurzprosa, Wallstein Verlag, 292 Seiten, 24 €

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11.04.2007 11.04
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Kieler Nachrichten v. 07.04.2007

Auf der Titelseite ein Bild von Giotto und ein reformierter Evangelientext nach Johannes:

Als sie das gesagt hatte, wandte sie sich um und sah Jesus dastehen, wusste aber nicht, dass es Jesus war. Jesus sagte zu ihr: Frau, warum weinst Du? Wenn suchst Du? Sie meinte, es sei der Gärtner, und sagte zu ihm: Herr, wenn du ihn weggebracht hast, sag mit, wohin du ihn gelegt hast.

Der einzige nennenswerte Widerstand der Nachrichtenagenturen gegen die „Rechtschreibreform“ war die Verweigerung der Du-Kleinschreibung. In Verkennung des Sinns dieses Brauchs wurde das große Du aber für alle Fälle empfohlen. Nach den letzten Korrekturbeschlüssen ist nun anscheinend die Konfusion vollständig.

Prominente Osterspaziergänge

Gemeint sind wohl die „Osterspaziergänge Prominenter“, mit nichtsnutzigen Spaltschreibungen, einmal vom Duden empfohlen, dann wieder nicht …

Vor allem die abwechslungsreiche Landschaft und die Begenung mit Fauna und Flora in dem lang gestreckten Tal machen für Stegner den Reiz des Eidertalwanderweges aus… Am Scheitelpunkt des Rundkurses schreitet der SPD-Politiker dann über die so genannte blaue Bücke bei Techelsdorf …

… oder in anderen Politiktexten – unsinnigerweise vom Duden empfohlen und das zweite neuerdings wieder verboten …


[Kurt Beck] … Der Aussöhnungsprozess müsse Widerstandskräften offen stehen, die nicht dem harten Kern der Taliban angehörten, … Afghanistans Außenminister Dadfar Spanta warf Beck Ahnungslosigkeit vor. Wenn westliche Politiker von modernen Taliban wüssten, sollten sie „Adresse und Kontaktpersonen“ nennen, damit sich die Regierung in Kabul mit ihnen auseinander setzen könne.

Welcher arme Schüler kann sich beim Lesen solcher Zeitungstexte noch Sicherheit im Schreiben aneignen?

Schmiergelder bleiben Thema Nummer eins
Unterdessen wächst nach einem Bericht des „Spiegel“ der Druck auf Siemens-Aufsichtsratschef Heinrich von Pierer.


Eins hat er immerhin scharfsichtig erkannt:
Qualitätsprobleme sieht von Pierer in Deutschland immer noch bei den Kindertagesstätten und Schulen. „Das sind Themen, über die eine Kultusministerkonferenz nächtelang diskutieren müsste“, so von Pierer, „nicht über eine völlig überflüssige Rechtschreibreform.“ … (lt Hamburger Abendblatt v. 15.11.06)

Spenden an politische Parteien gelten bekanntlich vor dem Gesetz nicht als Schmiergelder. So zählt z.B. „der Bertelsmann-Konzern zu unseren großen Gönnern“, wie der Vertreter einer Partei sagte, die im Kieler Landtag zugunsten des Konzerns für die Annullierung des Volksentscheids gegen die „Rechtschreibreform“ gestimmt hat.

Da die Werte der Jugend nicht nur in der Schule umgewertet werden dürfen, sieht es für die deutsche Kultur ganz schön finster aus:

Lukrativ provokativ
HipHopper sido bediente im MAX die geballte Erwartungshaltung der Fans
… Auf der anderen Seite prasseln die „explicit lyrics“ mit der Fäkalienkeule auf die eingeschworenen HipHop-Jünger ein, gerät der mittlerweil indizierte „Arschficksong“ zum Höhepunkt einer teilweise makabren Show.


Bob Dylan ist leider nur noch lebendes Denkmal:

Wer jetzt unheilbar an Dylan-Gutfinderitis erkrankt ist, kann in der gut gefüllten, aber auf halbe Kapazität runtergefahren Color Line Arena wenigstens übersprung-sartig der Verzückung verheißenden Tatsache anheim fallen, dass seine seine musikpoetische Durchlaucht nach Jahren des rücken- und fingerwehen Verzichts wieder zur Gitarre greift.

Jüngere Autoren werden einfach zwangsreformiert, zumindest die Berichte über sie, Jan Dress zum Beispiel:

Einchecken im „Hotel Yorba“
„Ich habe einen prall gefüllten Karteikasten mit lauter voll geschriebenen Karten“, lacht der Wuppertaler, „ich muss jetzt eigentlich noch noch schreiben.“ … Hotel Yorba klingt beim Einche-cken schon mal ganz viel versprechend


Selten kommen die mitteleuropäisch-reformierten Schreibleistungen der jungen Generation in der Zeitung zum Vorschein, z.B. in den Bekanntschaftsanzeigen:

Zwei süsse M., Mitte 20, suchen Treffs mit einsamen Frauen u. Girls …

Bei der Berufswahl kennen selbst Fachleute oft nicht die neuen Berufsbezeichnungen:

Facility Manager arbeiten auf mehreren Ebenen, die sich nach der Ausbildung richten. Für die oberste Führung sollte ein Hochschulabschluss vorliegen.

Früher hieß das Hausverwalter und Hausmeister.

Aber selbst Gott muß eine Änderung der Berufsbezeichnung hinnehmen:

Kirchenmusik für den großen „Boss“

Nur tief im Landesinneren gibt es noch Widerstandsnester gegen die neue „Kultur“:

Neuwittenbek – Das kleine Pappschild ist bezeichnend: „Kaffee zum Mitnehmen.“ Konsequent widersetzt sich das Personal vom Neuwittenbeker Höker dem Zeitgeist. Während der schwarze Wachmacher anderswo als „Coffee to go“ angepriesen wird, kommt für Maret Bruhn außer Hochdeutsch höchstens Platt in Frage.

… und ein Monteur aus Kiel meint: „Dieser Laden ist ein richtiges Kleinod.“ Das finden die Neuwittenbeker auch.

– geändert durch Sigmar Salzburg am 11.04.2007, 20.01 –
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11.04.2007 08.12
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Re: Tutti-Akkorde

Zitat:
Ursprünglich eingetragen von Christoph Kukulies
Akkorde in der Schreibweise bereiten mir keinerlei Problem. Oder übersehe ich den Witz? ...

Lieber Herr Kukulies,
natürlich bereitet die Schreibgewohnheit keine Schwierigkeiten. Gemeint war aber, daß die „Eindeutschung“ des c, die nach langer Tradition (z.B. Schillers „Don Karlos“) in der Einheitsschreibung von 1902 für verbindlich erklärt wurde, aus heutiger Sicht nicht sinnvoll war. Beispielweise muß man für die Internetsuche immer zusätzlich die deutsche Schreibweise eines international bekannten Begriffes eingeben. Die „Rechtschreibreform“ übertreibt dies jetzt mit nie gekannten Germanisierungen wie „Polyfonie“, sogar mit Duden-Empfehlung, oder Konfusion des k-Ersetzungsprinzips in „Stuckateur/Stuckator“.

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