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Sigmar Salzburg
05.12.2006 07.42
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h-Losigkeit

nordClick/Kieler Nachrichten vom 02.12.2006

Ich bin der Chef und stehe für diese Koalition
Kiel – Das Klima im schwarz-roten Regierungsbündnis ist in den vergangenen Wochen rauer geworden. Kurz vor der dritten Sitzung des Koalitionsausschusses am Montag erklärt Ministerpräsident Peter Harry Carstensen, warum er sich über Innenminister Ralf Stegner geärgert hat, …



Die „Kipper und Wipper“
beschnitten während des Dreißigjährigen Krieges die Münzen an ihren Rändern, verminderten so ihren Wert – für viele unbemerkt – und leiteten damit einen Währungsverfall ein. Späte Nachfahren dieser Fälscherbanden sind heute die Schreibreformer: Auch sie beschneiden an scheinbar unbedeutenden Rändern – diesmal unsere Schriftsprache, in genau kalkuliertem Maß, geringfügig, für manche nicht der Rede wert, aber aufs Ganze gesehen doch soviel, daß sich damit gute Geschäfte machen lassen oder Ideologien durchsetzen. Das Vertrauen in die deutsche Sprache sinkt – weltweit, und neudeutscher Geist fördert dies durch einen möglichst verächtlichen Umgang mit der eigenen Sprache und Schrift.

Die Beschneidung eines einzigen Wortes („rauh“) unter den mehr als sechzig anderen Wörtern mit Stammlaut „h“ enthüllt so einen Fall.

Dies ist nun nicht vergleichbar mit der früheren Vereinfachung des „th“ zu „t“, denn dieses „h“ wurde aus Gründen der Schreibökonomie schon vor 1902 oft weggelassen, wie aus dem „Orthographischen Wörterbuch“ (1880, kartoniert 1 Mark) von Konrad Duden hervorgeht.

Der Schriftsteller und Sprachkritiker Karl Kraus wehrte sich allerdings um 1900 heftig auch dagegen – hier in poetischer Form:

Elegie auf den Tod eines Lautes.

Weht Morgenathem an die Frühjahrsblüthe,
so siehst du Thau.
Daß Gott der Sprache dieses h behüte!
Der Reif ist rauh.
Wie haucht der werthe Laut den Thau zu Perlen
In Geistes Strahl.
Sie vor die Sau zu werfen, diesen Kerlen
ist es egal…


(Karl Kraus)

Der Dichter Hans Flachs führt nun in seinen heimlichen Sudelgedichten – hier eine Parodie auf das vorige – den kritischen Widerstand gegen die neue „h-Losigkeit“ der schreibeinigen Reformer fort:


Geht meuchelnd fort das Schreibreformgewüte,
stirbt auch das Rauh’.
Zum Spott der Sprache schlägt das auf’s Gemüte,
macht’s Deutsch zur Sau.
Das arme Schwein muß nun beim „Raufrost“ ringen
vor Sinnesqual.
Den Denkern, kürzer als die Sau kann springen,
ist's auch egal.


(Hans Flachs)


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Sigmar Salzburg
01.05.2006 13.29
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Hilfe in „neuster“ Rechtschreibung

Hans Flachs

Karl der Große

Wer wird sich an den Taten Karls des Großen
des Langen und des Breiten ernstlich stoßen!

Es schien ihm von Neuem vonnöten,
recht viele der Sachsen zu töten.
Sie pflegten doch – nicht erst seit gestern –
seit Langem den Franken zu lästern.

Bei Verden schon ließ er die Meisten verkürzen,
bei Weitem zu viele die Aller reinstürzen.
Im Jenseits zu leben ist frommer Sinn,
im Voraus sind alle nun glücklich drin.

Im Kloster geschoren darf Widukind bleiben,
im Nachhinein üben die Beiden das Schreiben.
In Rom wird der Karl auch noch Kaiser,
in Sonderheit Wittekind weiser.

Aus Hans Flachs „Gedichte deutscher Geschichte“
(PISA-Durchblick-Träning in neuster Schlecht-und Rechtschreibung)
Bloedel Schulverlach 2006

Zu Widukinds vermutlicher Klosterhaft siehe dies.


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Sigmar Salzburg
11.09.2005 07.36
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Hans Flachs

Des „Behenden“ Tod
tut uns allen Not


Grosse Dank-Psalmo-
die zur Reformwende

Diese sechs Stücke hasset der HErr,
und am siebenten hat er einen Greuel:
… Füße, die behende sind, Schaden zu tun;
(Sprüche 6,16 ff.)


Aufwändig ist die Wende,
notwendig und auch gut.
Nun schreibt man recht behände,
so Leid es manchen tut.


Aufwändig ist die Wende,
was nichts zur Sache tut.
Ein Wurm kriecht gern behände
und ohne Glieder gut.

Aufwändig ist die Wende,
nur Frommen macht sie Not:
Die Schlange kriecht behände
trotz Gottes Strafgebot!

Aufwändig ist die Wende,
doch Wunder sieht man schon,
denn Lahme gehn behände
gleich nach der Op’ration.

Aufwändig ist die Wende,
sie bringt das Deutsch ins Lot.
Gedanken fliehn behände,
das tut uns allen Not!

Aufwändig ist die Wende,
anwendbar und gut.
Manch Fisch schwimmt jetzt behände,
wie Weh das Darwin tut!

Inwendig an die Wände
des Grabs schreibt er voll Wut:
„Aufwändig ist die Wende,
so Gut sie euch auch tut.

Geht nur zu Fuß behände,
euch Affen liegt’s im Blut!“
Aufwändig ist die Wende,
sie tut zur Bildung Gut!

Reform ist eben trendy,
bald hat auch Gott gespurt
und chattet nur by Handy
auf Deutsch als Spottgeburt.

aus Hans Flachs „Reformierte Gesänge“
Bloedel-Verlach 2005

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Sigmar Salzburg
01.09.2005 16.02
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Hans Flachs

Das Schaf und der
viel versprechende Graf


Als früh es auf dem Kuh-Damm dämmert,
fühlt sich ein armes Schaf belämmert.
Geschwängert frech grad auf dem Damm
erwartet es nun wohl ein Lamm.
Überschwänglich tat’s ein Ortograf,
denn es war ja ein ganz dummes Schaf.

(Aus Hans Flachs „Dichter der Reform“
Bloedel-Schulbuchverlach 2005)


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Sigmar Salzburg
11.08.2005 12.38
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Liebe(r) Frau/Herr Gutenberg,
vielen Dank für Ihre Zeilen – auch im Namen von Hans Flachs, dem ich sie übermitteln werde. Leider lebt er ohne Internet und lehrt seinen Briefkasten nur selten. Mit seinen Lehrgedichten hofft er, auch in Schulbüchern veröffentlicht zu werden. Kritisches zur Rechtschreibreform ist daher von ihm nur selten zu erhalten. Einige Blätter ‚Sudelgedichte’ gerieten in meinen Besitz, als ich begann, sie als unfreiwillige Komik – in der Art von Frederike Kempner – zu sammeln. In einigen autobiographischen Versen schimmert seine Einstellung durch:

Hans Flachs ist ein Schmu-
macher und Chaot dazu.
Der Norm gehorcht er recht genau,
sein Widerstand ist der Kotau:

Zwei Seelen wohnen,
ach, in seiner Brust:
die Obrigkeit zu schonen –
und der heimelige Frust.


(unveröffentlicht in Privatbesitz)

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Gutenberg
11.08.2005 08.36
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Lieber Herr Flachs,

danke für Ihre Waldi-
dylle.

Leider kann ich nicht so gut dichten
wie Sie. Vielleicht können Sie meine
holperigen Reime noch verbessern
und in Ihrem Gedichtebändchen
veröffentlichen?

anderer Vorschlag:
RUMA-
ROMA
HOLT URO-
MA VON DEN ROMA.

RUMA-
ROMA
HOLT URO-
MA VON DER O-
MA.


MEIN URO-
PA SIEHT EURO-
PA GANZ WIE O-
PA.

oder:
UNSER O-
PA SIEHT EURO-
PA WIE URO-
PA.



Dresden grüßt:

HEUT ELBAU-
ENS GROSZER GLANZ:
AUF DEM ELBEU-
FERWEG TANZ.


FULDAU-
FERWEG IST EIN
TEERWEG.


VERE-
HELIGT WIRD BE-
FEHLIGT WAS IM MAI-
LICHT WAR GEHEI-
LIGT.


WALDI LIEBT DIE WALDI-
DYLLE, A-
ROMA DER WALDES-
STILLE, URO-
MA PFLÜCKT DIE KA-
MILLE.


ES KLECKST
MEIN FACHO-
BERBI-
OLEHRER;
ER HAT NEN DI-
CKEN EXT-
RAPOSTBE-
SCHWERER.


IN DER HOFE-
CKE IST EIN KLEINER
SEE MIT NER WILDEN-
TE.
__________________
DER GUTE.

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Sigmar Salzburg
08.08.2005 11.01
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Dichter werden die Dichter

Hans Flachs

WALDI-
DYLLE


RUMA-
ROMA
WILL DIE OMA
VON DEN ROMA.

RUNDHE-
RUM
MACHT NICHT STUMM,
ABER DUMM.

WILDE-
SELCHEN
UND AUCH ELCHEN
GIBT SIE WELCHEN.

WALDA-
MEISE
SINGT NUN LEISE
IHRE WEISE.


Aus Hans Flachs
„Merk Verse“ für die Grundschule,
(Kapitel: Silbentrennung)
Bloedel-Verlach 2005

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Sigmar Salzburg
27.07.2005 06.12
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Hans Flachs

Die So-
ckenode


Die So-
cken des Sok-
rates zu waschen
verweigerte Xanthippe,
diese Hippe.

Doch Ein-
stein der So-
ckenlose schafft mit
unvollständigen Quanten
keine Klippe.

Am Bild
rot-grüner
Bertlmann’scher So-
cken nahm Bell solche Quäntchen
auf die Schippe.

Aus: Hans Flachs
„Filosofen für die Doofen“
In neuster Rechtschreibung

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Sigmar Salzburg
27.04.2005 10.19
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Das Rolf-Dussel-Lied¹

1. August 2005

Die Fahne hoch, die Reihen fest geschlossen,
KMK² marschiert mit ruhig festem Schritt,
Kam'raden, die dereinst durch Volksentscheid erschossen³,
Marschier'n im Geist in ihren Reihen mit.

Die Schulen frei den Zukunftsvisionen,
Die Schulen frei vom alten Duden-Wahn,
Es schau'n auf die „ss“ voll Hoffnung schon Millionen,
Der Tag des leichten Schreibens bricht bald an.

Zum letzten Mal wird nun Appell geblasen
Zum Kampfe steh'n sie alle schon bereit,
Neu flattern Druckerfahnen über alle Klassen,
Der Altschrieb dauert nur mehr kurze Zeit.

Die Fahne hoch, die Presse mitgerissen,
KMK marschiert mit ruhig festem Schritt,
Kam'raden, die auch Volk und Vaterland beschissen,
Marschier'n im Geist in ihren Reihen mit.


Hans Flachs

¹Rolf Wernstedt, ²KMK Kultusministerkonferenz, ³Rücktritt Gisela Böhrk
Am 1.August 2005 wurde die „Reform“ verbindlich für die Schulen.

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Sigmar Salzburg
25.04.2005 07.21
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Entbehrliches h

[Zitat] … die WAZler sind lustig, die WAZler sind fro und schreiben „Rohheit“, „Zähheit“, nicht aber „Rauhheit“.
Begründung: „Da „rau“ ohne h geschrieben wird, heißt es auch weiterhin „Rauheit“.“


…dazu passend, wenn auch nicht jahreszeitlich:

Hans Flachs

krippenspil

das kint rut fro / in hoi unt stro /
frü bei raufrost / auf dem raufrost.
in der hoee / jolen aengel /
in der naee / hirtenbaengel.
drei weise nan / mit weirauch dan /
unt fil muerre / aus der duerre.
nun mut di ku / dem aesel zu:
im raufutter / wart wer mutter.
da beruigt di / das roe fi:
ir leit mir di raufe /
nur noch bis zur taufe.


(aus „hans flachs: unterklassen lergedichte“, bloedel-schulverlach 1973)
Ein holperiges „früwerk“ des anpassungswilligen Dichters.
Von den damaligen Reformideen blieb 1996 nichts – bis auf das h-lose „rauh“.
Der Fortfall dieses „entbehrlichen“ h ist (bei den Kultusministern) „unstrittig“.

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Sigmar Salzburg
15.04.2005 07.24
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Zensiert!

Hans Flachs

Stammprinzip

Es tollt so toll der Tollpatsch nun,
weil’s auch Germaniens Töllpel tun,
und nach Reformers Sesselfurz
steht dabei der Ständelwurz.

Belämmert denkt manch rauer Bengel
zufrieden stellend an den Stängel.
Den Kürzern ziehn war einst ein Gräuel,
man verbläut’s oft mit dem Bleuel.

Doch heute hilft behändes Reiben
der kleinen Hand voll leicht zu schreiben:
Viel Freud’ beim Lernen ist uns lieb,
drum gilt seit Augst das „Stammprinzip“.

Das „Imprimatur“ der Kultusminister wurde leider verweigert,
so daß dieses Gedicht im Sammelband „Achilles Verse“ vorerst fehlt
(für die pubertäre Mittelstufe, Bloedel-Schulverlach).

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Sigmar Salzburg
10.02.2005 04.53
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Verwirrt

Wenn das Eis laufende Mädchen entzückt,
wenn das Seil tanzende Mädchen vergnügt,
dann denkt manch Opa, der das erblickt:
Ach hätt’ ich doch früher mehr gerügt.

Soll die Verwirrung beim Alten bleiben?



Aus Hans Flachs „Achilles Verse“
Übungen in Reimen (Mittelstufe)
Bloedel Schul-Verlach

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PL
02.02.2005 15.17
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In jenem Garten lauschte ich folgendem Gespräch:

A: Rosen sind Blumen.
B: Das sehe ich anders. Es gibt Blumen, die zwar Rosen genannt werden; aber ob diese Blumen Rosen sind, bezweifle ich.
A: Ich bleibe dabei: Rosen sind Blumen.
B: Und ich widerspreche Ihrer Behauptung. Rosen ist ein Oberbegriff, darunter man nicht Blumen verstehen kann, weil Blumen selbst ein Oberbegriff ist.
A: Ha! Mit Ihrem Fachchinesisch können Sie mich nicht verwirren. Rosen sind Blumen Punkt.
B: Als renommierter Rosenzüchter sage ich Ihnen, daß ich weiß, wovon ich spreche. Ihre Meinung ist die eines simplen Rosenliebhabers.
A: Ich nenne Sie ein dünkelhaftes Schwein!
B: Und ich Sie einen tumben Holzkopf!
C: Rosen! Wollen Mann kaufen rote Rose für Frau oder – hihi – Geliebte?
B: Danke, habe keinen Bedarf.
A: Gerne. Was kostet eine?
C: Wenn für Frau, nix kosten, wenn für Geliebte, ist gratis, wenn für Studium, umsonst.
A: Dann geben Sie mir bitte drei. – Dankeschön.
B: Frechheit, von diesen Rosenverkäufern.

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Karl-Heinz Isleif
02.02.2005 04.47
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Des Kaisers reformierter Garten

Es war einmal ein Garten, der allen Menschen des Landes gehörte, er hieß ‘Deutsch’. Die Pflanzen in ihm waren von einer sagenhaften Vielfalt, man finde dergleichen nur noch in ganz wenigen anderen Gärten, so hörte man sagen. Des Gartens Pfade waren verzweigt und geheimnisvoll verschlungen, fast konnte man sich in ihm verirren. Doch gerade das machte seinen Zauber aus.

Zu jener Zeit aber tummelten sich ehrgeizige und für alles Schöne unempfängliche Unterlinge am Hof des Kaisers. Ihnen waren die Blumen zu bunt, die Bäume zu hoch und die Wege zu krumm. Es fehle an rechten Winkeln, Schneisen und Abkürzungen, erklärten sie. Und, nach einer Intelligenzpause, schön brauche ein Garten nicht zu sein, es komme vielmehr darauf an, daß man ihn leicht putzen und einfach durchqueren könne. Lange fanden sie kein Gehör, denn die meisten Bewohner des Landes nahmen das Gerede nicht ernst. Sie hielten rechtwinklige Ordnung nicht für ein Kennzeichen guter Gärten. Auch die Gärtnermeister lächelten milde und kümmerten sich nicht um die Schwätzer. Sie fuhren in ihrer Arbeit fort, kappten hier und da behutsam einen Ast, wenn es sich gar nicht mehr vermeiden ließ, oder lichteten das Gestrüpp, wenn die Sonne das darunterliegende Gras nicht mehr erreichte, oder pflanzten behutsam ein paar neue Bäume, wo die alten, knorrigen Stämme umgefallen waren. Mehr taten sie nicht.

Für die Unterlinge jedoch war Garten nur ein anderes Wort für Urwald. Und weil sie nicht ausgelastet waren und sich langweilten, redeten sie auf den Kaiser ein, aus Spaß. Man müsse den Garten umgestalten, er passe nicht mehr in diese Zeit. Es gebe ohnehin zu viele arbeitslose Holzfäller, die beschäftigt werden müßten, fügten sie hinzu, um ihren Standpunkt mit einem sozialen Aspekt zu verzieren; zu jener Zeit war das Mode. Den Kaiser, der müde vom vielen Regieren war, erwischten sie mit ihrem Antrag beim Gähnen. Er wolle seine Ruhe haben. Holzfäller, so erinnerte er sich, hatten im weitesten Sinn mit Pflanzen zu tun. Also hätten die Unterlinge wahrscheinlich recht. Und er gab ihnen freie Hand. Als die Holzfäller das vernahmen, stutzten sie ob der unerwarteten Ehre, aber sie ließen sich die Gelegenheit nicht entgehen: Sie jubelten und legten alsbald Axt und Säge an. Sie schnitten und trennten, sie pflügten und hackten, es war eine Orgie. Als sie zu Sinnen kamen und eine Pause einlegten, war der Garten zerstört. Selbst Einheimische konnten ihn nicht wiedererkennen.

Als der Kaiser das Ergebnis sah, schlug er die Hände vor das Gesicht und weinte bitterlich. “Was habe ich nur angerichtet!”, schrie er in den Nachthimmel, als es keiner hörte. In seiner Not fiel ihm der Trick mit den Kleidern ein, von dem er in seiner Jugend so oft hatte erzählen hören. “Ich muß”, dachte er, seine Tränen trocknend, “das vergewaltigte Gelände als Paradies verkaufen.” Sprach’s, und rief seine Unterlinge zu sich. “Gehet hin und verkündet: Der reformierte Garten ist der größte Fortschritt seit der Erfindung des Zweispänners.” Und so verkündeten sie es.

Die Bürger mochten den neuen Garten nicht, dachten aber: “Wenn der Kaiser von Fortschritt spricht, muß was dran sein”. Also pilgerten sie zu dem ehemaligen Garten, priesen die neue Unordnung und versprachen, sich schnell daran zu gewöhnen. Zwischen herunterhängenden Zweigen und unbegehbaren Wegen bahnen sie sich seither mühsam ihren Weg durch das einstige Paradies. Es sind gute Bürger: Sie sind zwar verunsichert, stolpern, brechen ein, verletzen sich im querliegenden Fallholz – aber sie klagen nicht.

Nur ein paar Gärtnermeister, die wissen, wie richtiges Grün aussieht, fallen aus der Reihe: “Des Kaisers neues Gelände ist kein Garten, sondern ein Verhau!” Sie sagten es von Anfang an, aber man hörte sie nicht. Es gab zu wenige von ihnen und sie sagten es zu leise.

Karl-Heinz Isleif

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Sigmar Salzburg
01.02.2005 09.04
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Professor Unrat

Manch reger Schrat
will’s Deutsch zerreiben
als schräger Rat
für’s deutsche Schreiben.


Hans Flachs


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