Willkommen Die 20 neuesten Beiträge im Forum
Fadensuche     Suche
Kennkarte ändern     Häufig gestellte Fragen   zu anderen Nutzern  kostenlose Anmeldung   Anfang  verabschieden
Jemandem diese Seite senden! Druckvoransicht zeigen
Forum > Rechtschreibforum
Es gehört nicht hierher, aber dennoch...
< voriges Leitthema     nächstes Leitthema >
Verfasser
Leitthema    Dieser Faden ist 60 Seiten lang:    1  2  3 · 7  8  9  10   11  12  13 · 20 · 30 · 40 · 50 · 57  58  59  60  Post New Thread     Post A Reply
Karl-Heinz Isleif
25.01.2005 07.08
Diesen Beitrag ansteuern
Fachausdruck?

Zitat:
Ursprünglich eingetragen von Theodor Ickler
Was ein Laie an Assoziationen zu Fachausdrücken hervorbringt, kann doch für die Fachleute nicht maßgebend sein.

J. Teubel (dessen giftige Anwürfe ich hier nicht mehr finde), hat nicht recht. Kapital gab es auch im Osten, denn die Gewehre mußten finanziert werden, mit denen 40 Jahre lang auf jeden geschossen wurde, der das Paradies verlassen wollte.

Peter Lüber hat eher recht. (Ich grüße meinen ehemaligen Lehrer, Herrn Ickler, und wage, ihm hiermit – als Laie – ganz vorsichtig zu widersprechen!).
‘Humankapital’ ist Fachjargon des Sklavenhandels, es bezeichnet dessen Geschäftsgrundlage. Das Wort ist semantisch dem ‘Menschenmaterial’ verwandt, stilistisch der ‚Lehrerschwemme’ u.ä. Unternehmensberater dürfen ihm einen karitativen Eimer überstülpen, das ändert den Geschmack des Ausdrucks nicht, das ‚Humane’ in ihm bleibt verdächtig. Unwort hin oder her, ich würde das Wort nicht gebrauchen. Nicht wegen irgendwelcher Jury-Entscheidungen, und auch nicht aus politisch motivierten Erwägungen, sondern weil es unsympathisch klingt und häßlich aussieht.

Karl-Heinz Isleif
Tokio, Japan

Mit Klick die Kennkarte von Karl-Heinz Isleif ansehen    Suche weitere Einträge von Karl-Heinz Isleif        Edit/Delete Message    Reply w/Quote    IP: Notiz
Theodor Ickler
25.01.2005 05.03
Diesen Beitrag ansteuern
Noch etwas

In der FAZ-Sonntagszeitung vom 23.1.05 erschien noch ein guter Artikel von Winand von Petersdorff, den ich aus Gründen des Urheberrechts nicht hierhersetzen kann:
„Warum versteht uns keiner? – Die Ökonomen sind ratlos. Ausgerechnet „Humankapital“ wird zum Unwort des Jahres gewählt.“
Dis SZ äußerte sich im gleichen Sinn.

__________________
Th. Ickler

Mit Klick die Kennkarte von Theodor Ickler ansehen    An Theodor Ickler schreiben   Suche weitere Einträge von Theodor Ickler        Edit/Delete Message    Reply w/Quote    IP: Notiz
Theodor Ickler
25.01.2005 04.53
Diesen Beitrag ansteuern
Fachausdrücke

Was ein Laie an Assoziationen zu Fachausdrücken hervorbringt, kann doch für die Fachleute nicht maßgebend sein. Die Frankfurter Jury, zu der ja auch unser alter Rechtschreib-Freund Hoberg gehört, hat sich in Bereiche eingemischt, von denen sie nichts versteht und nichts verstehen will – wie es eben ihrer Tradition entspricht. Anderswo spricht man von „Krankengut“ usw. – schrecklich, nicht wahr? „Minuswachstum“ ist auch schon angeprangert worden. Ein müßiges Spiel, an dem man sich aus Gründen des guten Geschmacks nicht beteiligen sollte.

In allen solchen Fällen fragt der aufgeklärte Beobachter: Was springt für den Sprachkritiker dabei heraus? Da muß man nicht lange suchen. Es geht darum, die eigene moralische Vortrefflichkeit zur Schau zu stellen, und zwar, das ist ja gerade das Schöne, ohne jede eigene Anstrengung. Man sitzt am Frühstückstisch, blättert die Zeitungen durch und räsoniert über die Miesheit der anderen.

Natürlich gibt es Euphemismen. Aber sind sie es wert, entlarvt zu werden? Jeder weiß doch, daß Freistellungen Entlassungen sind.

An der ganzen Geschichte ist nur eins merkwürdig: Warum geht dpa so willig mit? Aber vielleicht erledigt sich das in Zukunft, falls die Jury einsichtig genug ist, ihre wenig ruhmreiche Aktion nach dem jüngsten Debakel einzustellen.
__________________
Th. Ickler

Mit Klick die Kennkarte von Theodor Ickler ansehen    An Theodor Ickler schreiben   Suche weitere Einträge von Theodor Ickler        Edit/Delete Message    Reply w/Quote    IP: Notiz
PL
25.01.2005 02.45
Diesen Beitrag ansteuern
Re: Re: Re: Luftverschmutzung

Da ich meinen letzten Asthmaanfall doch noch überstanden habe, bin ich jetzt wieder in der Lage, hier um Worte zu ringen.

Nach allem, was ich in diesem Forum gelesen habe, behaupte ich, daß alle Befürworter der bewährten Rechtschreibung etwas gemeinsam haben: nämlich das Bedürfnis, richtig verstanden zu werden, wenn sie sich schriftlich äußern.

Assoziationen zum Wort „Humankapital“ (in Stichworten):

Kapital: z.B. Land, Immobilien, Edelmetalle, Bargeld, Aktien oder was noch sonst; kurzum Besitztümer. Also Kapital ist etwas, das (wenige) Menschen besitzen. Der Mensch nun als Kapital betrachtet (für mich eine Vorstellung, bei der es mir schlecht wird): Wessen Besitz ist dann der Mensch? – Hierzu: Leibeigenschaft und Sklaverei.

Ein wesentlicher Aspekt des Humanismus war und ist das Bestreben, die „biblischen Zeiten“ zu überwinden. Leider leben wir immer noch in biblischen Zeiten: In Deutschland haben Kultusminister einen neuen Turm zu Babylon errichtet. An ihm steht, orthographisch korrekt in Stein gemeißelt, das Wort zu lesen: „DEM DEUTSCHEN HUMANKAPITAL“.

Peter Lüber

Mit Klick die Kennkarte von PL ansehen    Suche weitere Einträge von PL        Edit/Delete Message    Reply w/Quote    IP: Notiz
Detlef Lindenthal
23.01.2005 06.57
Diesen Beitrag ansteuern
Luftverschmutzung, Selbstreinigung


„Jeder, der lebt, verschmutzt die Umwelt.“
Kollektives Zusammenzucken ist deshalb angesagt, weil, seit grüne Weiblein und Männlein die Parlamente und Medien erobert haben, „Umweltschmutz“ als neue Argumenthülse vorhanden, das Hinterfragendürfen aber noch nicht nachgewachsen ist.

... als Umweltverschmutzer bezeichnen, auch als Stoffwechsler ...
Wenn ich meinen Apfelgripsch hinters Blumenbeet werfe, so ist das Umweltverschmutzung oder Stoffwechsel. Wenn alle Menschen das machen würden, lägen dort 6 Milliarden Apfelgripsche, je 10 Gramm macht das 60.000 Tonnen Apfelabfall – das gibt Ärger im Dorf! Sed dosis fecit venenum; der von mir verursachten Verschmutzung ist auch, als Stoffwechselbeitrag der Umwelt, deren Selbstreinigung gegenzurechnen: Meine Gänse freuen sich über Apfelreste, und mein Garten läßt mehr Holz nachwachsen, als ich in einem Winter verheize. Meine Stoffwechsellast hält sich also im Rahmen, und ich wage, sie als vertretbar zu bezeichnen.

Seit unsere Lehrer die Kunst des Hinterfragens als Herrschaftshindernis entdeckt haben, wird sie in Schulen hintertrieben statt unterrichtet. Ergebnis: siehe Rechtschreibfrage; siehe unsere Welt insgesamt.
__________________
Detlef Lindenthal

Mit Klick die Kennkarte von Detlef Lindenthal ansehen    An Detlef Lindenthal schreiben   Suche weitere Einträge von Detlef Lindenthal        Edit/Delete Message    Reply w/Quote    IP: Notiz
Theodor Ickler
23.01.2005 05.31
Diesen Beitrag ansteuern
Re: Re: Luftverschmutzung

Zitat:
Ursprünglich eingetragen von Peter Lüber
An Theodor Ickler:

„Jeder, der lebt, verschmutzt die Umwelt.“ – Also wirklich, dieser Satz hat mich umgehauen. Ich versuche nun, mich wieder aufzurappeln. Vielleicht gelingt es mir.

Peter Lüber


Das verstehe ich nun wieder nicht. Wie kann man so etwas Elementares denn verkennen? Herr Lüber kann dies nicht mehr lesen und auch nicht antworten, denn er hat sich endgültig verabschiedet. Wir heizen, die meisten von uns fahren Auto usw. – ganz zu schweigen vom Kern der Sache, den Gütern,die wir hübsch sauber ge- und verbrauchen, die aber unter beträchtlicher Umweltbelastung hergestellt werden (z. B. die PCs, an denen wir gerade sitzen, aber auch die Marmeladenbrote, die wir zum Frühstück essen).
Natürlich kann mich Herr Lüber als Umweltverschmutzer bezeichnen, auch als Stoffwechsler, wenn er will. Mich haut das nicht um – so wenig wie andere Tatsachen des Lebens.
__________________
Th. Ickler

Mit Klick die Kennkarte von Theodor Ickler ansehen    An Theodor Ickler schreiben   Suche weitere Einträge von Theodor Ickler        Edit/Delete Message    Reply w/Quote    IP: Notiz
Rolf Genzmann
22.01.2005 15.55
Diesen Beitrag ansteuern
Nachhaltiges, Unwort, im Wändekreis der Rapunsion

Vorgestern durfte man schon wieder mal eine Sternstunde der Redekunst erleben, der Bundestag behandelte die Nachhaltigkeit. Die SPD Abgeordneterin erfreute uns nachhaltig mit Nachhaltigkeit, Nachhaltigkeit und Nachhaltigkeit sowie weiteren rund fünfzig mal Nachhaltigkeit. Ebenso nachhaltig wurde von der CDU, von den Grünen und von der FDP die Nachhaltigkeit und die Nachhaltigkeit betont. In jedem Satz der Bundestagsredner und RednerInnen kam das Wort Nachhaltigkeit mindestens einmal vor. Offenbbar gibt es einen Nachhaltigkeitsausschuss, eine Nachhaltigkeitsverordnung, ein nachhaltiges Nachhaltigkeitsgesetz, eine soziale Nachhaltigkeit, die wirtschaftliche Nachhaltigkeit, die umweltpolitische Nachhaltigkeit und Nachhaltigkeitsbestimmungen auf jedem nur denkbaren Gebiet für jeden kleinsten Furz.
Nachhaltigkeit war das Wort der Woche, des Monats, – Vorhaltigkeit kam nicht zum Zuge, noch nicht einmal die Hinterhaltigkeit oder -hältigkeit. Kein Haushälter, keine Vorbehalte, keine Zuhaltigkeit, kein Zuhälter, keine Gehälter, auch fehlte jeder Bezug zu Inhalt und Gehalt.

Hier auf den Rechtschreibseiten war gerade mal wieder von aufwändig nachhaltig die Rede.
Bedauerlicherweise haben die Reformer im volksetymologischen Bereich noch ohne Nachhaltigkeitsverordnungen handeln dürfen. In der Not behalf man sich mit einem Stammprinzip, das aber bei aufwändig noch nicht einmal aufwänden einbrachte. Sogar das einfache wändig konnte man nicht erschließen, obwohl damals noch jeder vom Wändehals sprach. Kein Wunder, wenn Reformgegner Einwändungen erheben gegen die Verwändung einzig und allein von aufwändig. Sogar BILD hat sich abgewändet unter Markierung eines Wändepunktes, obwohl doch humankapitale Schulkinder aufwändig bereits auswändig zu lernen hatten. Inwändig weiß jeder, die Anwändung der Reform bedarf noch mehr eines nachhaltigen Hinwändens, wie auch die Sonne den Wändekreis bestrahlt und sich dann umwändet. Die Wändeltreppe, die an der Wand klebt, fehlt noch ganz, obwohl es doch evident ist. Und im Zuge der Nachhaltigkeit wird das Gewinde dem Gewände weichen müssen. Windschief wird zu wändschief.
Die Wimper, die unsicher von der sich wändenden Braue stammt, wird zu Wämper, der Windhund zum Wändhund, nach dem Stamm der Wänden.
Auch im Denglisch treten nachhaltige Wändungen ein: he wänd, – Vergangenheitsform von to go, sich wänden, gehen.

Den Erfindern des Unwortes des Jahres aber sollte man diese Tätigkeit entwänden.
Ich bin mehr für ein Wort des Jahrzehnts, was sag ich, des neuen Jahrhunderts, möchte es sogar nachhaltig selbst aus einem Wörterbuch auswählen. Ein Kölsch für den, der’s auch findet und mitstimmt.
Hier ist es: RAPUNSION.

__________________
Rolf Genzmann

Mit Klick die Kennkarte von Rolf Genzmann ansehen    An Rolf Genzmann schreiben   Suche weitere Einträge von Rolf Genzmann        Edit/Delete Message    Reply w/Quote    IP: Notiz
PL
22.01.2005 15.39
Diesen Beitrag ansteuern
...

Ich kapituliere und gebe hiermit bekannt, daß dies mein letztes Wort in diesem Forum ist.

Wie viele Erkenntnisse habe ich gewonnen in diesem Forum! Ich danke allen hier. Für die Beibehaltung der bewährten deutschen Rechtschreibung habe ich mich eingesetzt, mit allen Mitteln, die mir zur Verfügung stehn. Die Lektüre der Beiträge dieses habe Forums habe ich jedem und jeder empfohlen, als Quelle seiner, bzw. ihrer Bereicherung.

Die deutsche Sprache liegt mir sehr am Herzen – sie ist mein einziges Kapital. In meinem Testament steht, wer was von mir erben wird: Alles, was ich besitze, das aus Papier und/oder Karton ist, erbt meine Freundin Cristina. Also Bücher und Handschriften, die zu 100 Prozent unter Einhaltung der Regeln der bewährten deutschen Rechtschreibung verfaßt worden sind.

Als Vater einer leiblichen Tochter (Flora) und als Pflegevater von fünf angenommenen Kindern (Mirjam, Sara, David, Benjamin und Debora) verabschiede ich mich hier – aus gesundheitlichen Gründen – nicht ohne mich nochmals dafür zu bedanken, was Menschen wie Karin Pfeiffer-Stolz zur Erhaltung der Würde des Menschen tun und getan haben.

Peter Lüber

Mit Klick die Kennkarte von PL ansehen    Suche weitere Einträge von PL        Edit/Delete Message    Reply w/Quote    IP: Notiz
Fritz Koch
22.01.2005 13.47
Diesen Beitrag ansteuern
Wir zahlen viel Geld dafür, daß hier die Umwelt sauber bleibt.

Ohne diese Investitionen und Gebühren wären wir auch in Deutschland Umweltverschmutzer. Jeder Mensch produziert Abfälle.

Mit Klick die Kennkarte von Fritz Koch ansehen    Suche weitere Einträge von Fritz Koch        Edit/Delete Message    Reply w/Quote    IP: Notiz
PL
22.01.2005 12.17
Diesen Beitrag ansteuern
Re: Umweltverschmutzung durch Menschen

Darf ich, da – gemäß Herrn Icklers Urteil, „jederMensch, der lebt, die Umwelt verschmutzt“, – Sie als ‚Umweltverschmutzer‘ bezeichnen?

Peter Lüber

Mit Klick die Kennkarte von PL ansehen    Suche weitere Einträge von PL        Edit/Delete Message    Reply w/Quote    IP: Notiz
Fritz Koch
22.01.2005 11.26
Diesen Beitrag ansteuern
Umweltverschmutzung durch Menschen

Fahren Sie zum Beispiel mal nach Bosnien, dort sehen Sie, wie eine Umwelt mit rußenden Kohleöfen und ohne Abwasserreinigung und ohne organisierte Abfallbeseitigung aussieht. Wir können uns in Deutschland ein sehr gut organisiertes System leisten. Das ist woanders nicht selbstverständlich.

Mit Klick die Kennkarte von Fritz Koch ansehen    Suche weitere Einträge von Fritz Koch        Edit/Delete Message    Reply w/Quote    IP: Notiz
PL
22.01.2005 11.16
Diesen Beitrag ansteuern
Re: Luftverschmutzung

An Theodor Ickler:

„Jeder, der lebt, verschmutzt die Umwelt.“ – Also wirklich, dieser Satz hat mich umgehauen. Ich versuche nun, mich wieder aufzurappeln. Vielleicht gelingt es mir.

Peter Lüber

Mit Klick die Kennkarte von PL ansehen    Suche weitere Einträge von PL        Edit/Delete Message    Reply w/Quote    IP: Notiz
Fritz Koch
22.01.2005 11.12
Diesen Beitrag ansteuern
Die Anerkennung als Kapital schützt vor Kapitalvernichtung

durch Entlassungen, denn Kapitalvernichtung gilt als Dummheit oder Unfähigkeit einer Firmenleitung.

Aus der Südd. Zeitg. v. 21.1.05, Wirtschaft, „Sprachforscher verunglimpfen gut gemeinte Idee Die Jury kritisiert einen Begriff, der Mitarbeiter als Träger von Fähigkeiten und Erfahrungen ansieht und nicht als Kostenfaktoren“, Beitrag von Professor Christian Scholz, Lehrstuhl für Betriebswirtschaftslehre mit Schwerpunkt Organisation, Personal- und Informationsmanagement an der Universität Saarbrücken:
„Endlich ist sich die Nation einmal einig – die Wahl von 'Humankapital' zum Unwort des Jahres 2004 setze ein klares Zeichen, und zwar ein richtiges. Die vielen Befürworter der Entscheidung folgen einer einfachen Argumentation: Es ist und bleibt verwerflich, den Mitarbeiter als ökonomischen Faktor anzusehen. Wer das macht, erkennt den Menschen nicht als ganzheitlich-soziales Wesen an. Den Ignoranten gehe es nur um Geld und nicht – wie dem Sprachforscher Professor Horst Dieter Schlosser als Präsident der Unwort-Wahljury – um das Wahre, Gute und Schöne, sagen die Humankapital-Kritiker.
Sie fragen rhetorisch, ob es denn nicht stimme, dass auf Ökonomie fixierte Unternehmensberater von McKinsey oder der Boston Consuling Group mit Instrumenten wie 'Gemeinkostenwertanalyse' und 'Übergewinn pro Mitarbeiter' Arbeitsplätze vernichten? Werden nicht wegen dieser Orientierung jeden Tag Menschen 'freigesetzt' – egal ob bei Siemens, Hewlett-Packard oder der Bahn?
Die Argumentation der Humankapital-Kritiker ist simpel und passt gut in verbreitete Denkmuster. Nur leider ist an diesen Überlegungen so ziemlich alles falsch, was falsch sein kann. Wer das Wort Humankapital nutzt, dem geht es nicht um Kostensenkung und Entlassungen. Ganz im Gegenteil: So hat die Europäische Union den Begriff Humankapital in die Debatte eingeführt, um auf die Bedeutung von Wissen und Fähigkeiten der Menschen hinzuweisen. Noch weiter gehen Organisationen wie der Human Capital Club, die den Wert von Mitarbeitern als Kapital der Firmen hervorheben.
Auch bei Diskussionen um Unternehmensbewertungen gibt es deutliche Tendenzen, neben leicht berechenbaren Aktiva wie Grundstücken immaterielle Werte wie Humankapital einzubeziehen. Davon profitieren die Beschäftigten, da sie dann nicht nur als Kostenfaktor gesehen werden, sondern zugleich schützenswertes Kapital darstellen.
Ebenfalls falsch in der Argumentation von Professor Schlosser und Co. ist der Vorwurf an Beratungsunternehmen wie McKinsey. Viele Berater sind sich der positiven Bedeutung von Humankapital durchaus bewusst. Sprechen sich die Experten aber gegen Massenentlassungen aus und weisen auf die Bedeutung des Humankapitals, also des Wissens und der Erfahrung der Mitarbeiter, hin, machen sie sich häufig Feinde in der beratenen Firma: den Finanzvorstand, der Personalkosten senken will, und den Personalvorstand, der den Begriff Humankapital an sich für unangemessen hält. Die Scheu vor dem H-Wort lässt sich auch in der personalwirtschaftlichen Fachpresse ablesen: Nahezu alle Autoren wehren sich gegen die ökonomische Bestimmung des Humankapitalwertes.
Die Unwort-Jury kritisiert einen Begriff und tötet damit eine gut gemeinte Idee – auch dadurch, dass der Präsident des Gremiums auf seiner Internet-Homepage den ehemaligen Bundespräsidenten Johannes Rau zitiert mit dem Satz 'Unworte bereiten Untaten den Boden'. Wer will schon zu einer unmenschlichen Randgruppe gehören, die offensichtlich Untaten plant?
Professor Schlosser muss sich zudem fragen lassen, was an die Stelle der Idee des Humankapitals treten soll. Wir kennen die Hochglanzbroschüren der Personalabteilungen mit Slogans wie 'Bei uns steht der Mensch im Mittelpunkt'. Ist das die Alternative? Auf der einen Seite die unantastbare Würde des Menschen, auf der anderen Seite entlassen sie Mitarbeiter und behandeln sie menschenverachtend – eben weil manche Konzerne ihre Angestellten nicht als wertvolles Kapital sehen: Wollen wir wirklich zurück zu dieser Scheinheiligkeit?
Stigmatisierte Randgruppe
Die Jury um Schlosser hat zynisch und menschenverachtend gehandelt: Sie hat eine intellektuelle Minderheit brutal stigmatisiert und in verantwortungsloser Weise diskreditiert – eine Minderheit, die eine Alternative sucht zur Denkhaltung, dass Mitarbeiter vor allem Kostenfaktoren sind. Die betroffenen Wissenschaftler und Praktiker werden sich schlimmstenfalls von dem verunglimpften Thema zurückziehen.
Es wurde die Chance vertan, ein positives Signal zu setzen, denn für den Standort Deutschland und die Wissensgesellschaft sind Menschen das wichtigste Kapital. Humankapital hätte statt zum Unwort zum Wort des Jahres gewählt werden sollen.“

Mit Klick die Kennkarte von Fritz Koch ansehen    Suche weitere Einträge von Fritz Koch        Edit/Delete Message    Reply w/Quote    IP: Notiz
Theodor Ickler
22.01.2005 09.59
Diesen Beitrag ansteuern
Luftverschmutzung

Ich finde das Wort „Luftverschmutzungsrecht“ sehr gut. Jeder, der lebt, verschmutzt die Umwelt. Um das in Grenzen zu halten, hat man verschiedene Methoden erprobt. Der Handel mit Anteilen erwies sich als besonders flexibel und erfolgreich, besser als starre technische Vorschriften. Der Eigennutz, die verläßlichste Größe, sorgt dafür, daß jeder versucht, von hohen Anteilen herunterzukommen und damit seine Kosten zu minimieren. Je weniger für die Luftverschmutzung bezahlt werden muß, desto mehr kann man z. B. in Humankapital investieren. Gute Idee!
__________________
Th. Ickler

Mit Klick die Kennkarte von Theodor Ickler ansehen    An Theodor Ickler schreiben   Suche weitere Einträge von Theodor Ickler        Edit/Delete Message    Reply w/Quote    IP: Notiz
Theodor Ickler
22.01.2005 09.54
Diesen Beitrag ansteuern

Kommentar
Simples Feindbild


18. Januar 2005 orn. Die Welt ist einfach, wenn die Feindbilder simpel sind. „Humankapital“ ist das Unwort des Jahres, „Luftverschmutzungsrecht“ folgt auf Platz drei. Diesen Unehrentitel vergibt eine Jury von Sprachwissenschaftlern, wenn ein Wort „sachlich grob unangemessen“ ist und „möglicherweise die Menschenwürde verletzt“. An den Kriterien ist nichts auszusetzen. Sprache prägt das Denken, es gilt, früh auf die Bremse zu treten. Im Fall des Luftverschmutzungsrechts wird in der Tat ohne Wimpernzucken ein positives Recht an etwas Negativem festgestellt. Allein – darf man hier stehenbleiben und ausblenden, daß erst definierte Ansprüche Grenzen setzen, daß das implizite Recht auf Verschmutzung ohne ein explizites Verschmutzungsrecht unendlich wäre? Wird etwas unangemessen dadurch, daß man es klar beim Namen nennt? Wirklich bedenklich ist jedoch die Wahl des Wortes „Humankapital“. Es degradiere Menschen zu nur noch ökonomisch interessanten Größen, lautet der Vorwurf. Also degradieren auch funktionale Kollektivbegriffe wie Personal, Mitarbeiter und Gewerkschaft? Wohl kaum. Der Feind ist das Wort „Kapital“. Dabei ist Kapital schlicht Vermögen – und entspringt in jeder Form stets menschlichen Köpfen. Die ganze abendländische Philosophie ist darauf ausgerichtet, daß der Mensch diesen Reichtum vervollkommnet. Vor einem Reflex, der darin Böses sehen will, vermag der Humanismus nur zu kapitulieren.


Text: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 19.01.2005, Nr. 15 / Seite 11

Mit Klick die Kennkarte von Theodor Ickler ansehen    An Theodor Ickler schreiben   Suche weitere Einträge von Theodor Ickler        Edit/Delete Message    Reply w/Quote    IP: Notiz
Alle Zeiten sind MEZ    Dieser Faden ist 60 Seiten lang:    1  2  3 · 7  8  9  10   11  12  13 · 20 · 30 · 40 · 50 · 57  58  59  60  Neuen Faden beginnen     antworten
Gehe zum Forum:
< voriges Leitthema     nächstes Leitthema >

Benutzungs-Regeln:
Wer kann im Forum lesen? Jeder Gast / jeder angemeldete Nutzer.
Wer kann ein neues Leitthema oder eine Antwort eintragen? Jeder angemeldete, eingewählte Nutzer.
Einträge können von ihrem Verfasser geändert oder auch gelöscht werden.
HTML-Kennungen beim Eintragen erlaubt? AN. Schnuten erlaubt? AN. vB-Kennungen erlaubt? AN. Bilder-Einbindung mit [IMG] erlaubt? AN.

Maßnahmen der Verwaltung:
Leitthema öffnen / schließen
Leitthema umziehen lassen
Leitthema löschen
Leitthema ändern

Herausgeber · Schreiben Sie uns · Forum

Technik von: vBulletin, Version 1.1.4 ©Jelsoft Enterprises Ltd. 2000. Rechtschreibung.com – Nachrichten zur Rechtschreibfrage