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Ruth Salber-Buchmüller
13.12.2004 18.31
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weniger "erfolgreich" beim FOCUS selbst

In den
Schulen wird die NRS „erfolgreich“ unterrichtet,
meint der Focus?
Und was ist mit dem FOCUS selbst? Wie klappt es da?
FOCUS online 13.12.04
„Kylie fiel über ihr Kleid“
Wir lesen von einer „Atem beraubenden“ Wette.
Ein paar Zeilen weiter heißt es:
„Weniger atemberaubend“ war ...
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Ruth Salber-Buchmueller

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Bernhard Schühly
13.12.2004 16.05
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Re: Schmieriger FOCUS

Zitat:
Ursprünglich eingetragen von Theodor Ickler
In seinem Jahresrückblick behauptet der FOCUS, die reformierte Rechtschreibung werde seit sechs Jahren an den deutschen Schulen „erfolgreich“ unterrichtet. Alle Redakteure wissen, daß es nicht stimmt. Aber warum schreiben sie es dann?
Ich glaube, das ist wie ein schlechter Aktien-Deal. Wenn einer heute von einem Unternehmen, daß gestern erst Konkurs angemeldet hat, andeutet, es hätte sich ein Investor oder Käufer gefunden, der die Firma wieder in Schwung bringt, dann steigen auch gleich die Aktien wieder – ob die Sache wirklich stimmt oder nicht, das prüft (erstmal!) keiner nach. Umso tiefer nachher der Fall, wenn der Schwindel aufgedeckt wird – dann fliegen Manager, Firmenchefs und Bankiers.
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Bernhard Schühly

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Theodor Ickler
13.12.2004 15.49
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Schmieriger FOCUS

In seinem Jahresrückblick behauptet der FOCUS, die reformierte Rechtschreibung werde seit sechs Jahren an den deutschen Schulen „erfolgreich“ unterrichtet. Alle Redakteure wissen, daß es nicht stimmt. Aber warum schreiben sie es dann?
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Th. Ickler

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margel
11.12.2004 11.44
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Versumpft

Es ist bemerkenswert- oder vielleicht doch nicht- daß man sogleich in schlechte Gesellschaft gerät, wenn man sich unter die Reformer und ihre Gefolgsleute begibt. Die Reform, ein grandioses Täuschungsunternehmen, zieht Dummköpfe, Lügner und eitle Schwätzer an wie ein Misthaufen die Schmeißfliegen.

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Theodor Ickler
11.12.2004 08.32
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Neues von Fröhler

Zeitschrift für Kulturaustausch 3/2004
Rechtschreibreform aus Sicht des Auslands
Wege aus dem orthographischen Chaos

von Horst Fröhler

Das Unbehagen über die Rechtschreibreform will nicht abebben. Zu viele fühlen sich zwangsbeglückt, zu wenig unmittelbar einsichtig erscheinen manche Änderungen. Und doch kommt man bei genauerem Hinsehen unweigerlich zum Ergebnis: Eine Reform der Rechtschreibung des Deutschen war dringend notwendig – wenngleich sich viele, auch der Verfasser dieser Zeilen, gewünscht hätten, sie wäre etwas anders ausgefallen.

Betrachten wir einmal die deutsche Sprachlandschaft. Sie besteht aus einer unüberschaubaren Zahl unterschiedlicher Dialekte und Umgangssprachen. Das Wort „nein“ hören Sie in der realen, also der gesprochenen Sprache als „nee“, „na“, „nö", ja sogar als „m-m“ oder "å-å". Wo der Tiroler sagt :“Des isch bärig“, sagt der Wiener: „Des is leiwand“, und wieder anderswo kann man: „Det fetzt“ hören. In einer so völlig disparaten Sprachlandschaft erwies es sich als notwendig, eine künstliche gemeinsame Plattform einzuziehen, die sogenannte Standardsprache oder „Schriftsprache“, um eine Verständigung im gesamten deutschen Sprachraum zu gewährleisten. Sage ich: „Das ist toll!“, versteht es jeder. Doch auch auf dieser künstlichen Sprachebene ist nur bedingt Einheitlichkeit gegeben. Wo wir „innerhalb“ sagen, sagt der Schweizer „innert“. Was für den Österreicher eine „Marille“ ist, heißt anderswo „Aprikose“. Und wenn der Deutsche sagt: „Die Brötchen sind alle“, muss man es den anderen erst übersetzen als: „Es gibt keine Semmeln mehr“.

Diese Situation trägt, wie wohl jeder zugestehen wird, stark chaotische Züge. Wo eine Sprachgemeinschaft gleich in zwei Ebenen auseinander driftet, wird Verständigung zunehmend schwieriger. Wenn dann aber innerhalb der künstlichen Sprachebene „Standardsprache“ zusätzlich nochmals die Rechtschreibung variiert, dann ist das Chaos perfekt. Und hier setzte die Reform den Hebel an: Wenigstens dieses Chaos sollte eingedämmt werden, wenn schon das Chaos auf den beiden anderen Ebenen (Dialekte und Standardsprache) nicht behebbar ist, weil Sprachentwicklung prinzipiell nicht „von oben her“ regelbar ist. (Zumindest nicht im deutschen Sprachraum; die Franzosen haben da andere Möglichkeiten.)

Nur einige Beispiele, dass sich sogar die Schreibweise der Standardsprache vor der Reform von 1996 massiv auseinander entwickelt hatte: Das österreichische „sodaß" schrieb man in Deutschland „so daß", in der Schweiz „so dass“. Das ostdeutsche „Schofför“ schrieb man nur noch in Österreich so, sonst überall „Chauffeur“. Das Schweizer Wort „placieren“ wurde überall anders „plazieren“ geschrieben, die österreichischen Mehrzahlformen „Hobbies“ oder „Parties“ überall sonst „Hobbys“ und „Partys“. Die Unterschiede zwischen den „vier Rechtschreibungen“ reichten sogar bis in die Welt alltäglicher Abkürzungen: So waren in Österreich eigenwillige Schreibformen entstanden wie etwa „ua.“, „zB“, „dh.“, die überall sonst als „u. a.“, „z. B.“ und „d. h.“ bekannt waren. Die Rechtschreibreform gewährleistet nun zumindest im Schriftlichen eine gemeinsame Plattform.
Doch darüber hinaus sind noch andere positive Effekte zu vermerken:

1. Die Erlernbarkeit der Rechtschreibung ist zumindest da und dort etwas erleichtert worden. Musste man früher z. B. „Schiffahrt“ mit zwei, aber „Sauerstoffflasche“ mit drei -f- schreiben, so gilt jetzt nur eine Regel. Ähnliches ist etwa auch von der Neuregelung beim Bindestrich, beim Doppelpunkt und bei der Worttrennung zu sagen.

2. Wenigstens in kleinen Nischen unseres orthographischen Chaos, das der Situation im Englischen um nichts nachsteht, wurde gezielt entschärft. So wird nun nicht mehr „irgend jemand“ getrennt, aber „irgendwer“ zusammengeschrieben, nicht mehr „in bezug“ klein, aber „mit Bezug“ groß.

3. Die Tatsache, dass wenigstens da und dort Wahlmöglichkeiten geschaffen wurden, ist ein Indiz für den Rückbau doktrinärer Tendenzen. So hat sich bisher noch niemand darüber beschwert, dass man nun auch „selbstständig“ schreiben darf statt wie bisher doktrinär nur „selbständig“. Wem neue Vorschläge wie „Nessessär“ nicht gefallen, der muss sie ja nicht annehmen. Und wer sich gegen die neue Schreibvariante „existenziell“ wehrt, der wehrt sich im Grunde dagegen, dass man ihm Freiheiten einräumt.

4. Die Schulnoten im Fach Deutsch können in Deutschland erst seit der Reform nach einheitlichen Maßstäben erteilt werden. Denn vorher war so manches in dem einen Bundesland falsch, das in dem anderen richtig war. Deutschland benötigte daher die Reform – dringender, als es in Österreich oder der Schweiz der Fall war.

5. Die Regelungshoheit für Rechtschreibfragen liegt nun nicht mehr bei einem deutschen Privatunternehmen (Dudenverlag), sondern bei einer offiziellen zwischenstaatlichen Kommission.

Insgesamt war also der Entschluss, sich staatenübergreifend wieder auf eine gemeinsame Orthographie zu einigen, ein sehr begrüßenswerter und wichtiger Schritt, auch wenn das Ergebnis nicht ganz so überzeugend ist, wie es sein könnte. Aber das wohl Wichtigste daran: Die gemeinsame Verständigungsbasis im deutschen Sprachraum wurde für die Zukunft gesichert. Das sollten all jene, welche die Reform bemäkeln, in ihre Überlegungen mit einbeziehen. Es wird sie milder stimmen.

Kommentar:

Auf den zwielichtigen Österreicher Horst Fröhler hatte ich schon mehrmals hingewiesen. Man müßte einmal nachsehen, welche Rolle er in der ganzen unappetitlichen Sache gespielt hat. Zum neuen Text, den das Institut für Auslandsbeziehungen (Stuttgart) für abdruckenswert hielt, nur folgende Bemerkungen:

Fröhler tut 2004 so, als sei es darum gegangen, die Einheit der Rechtschreibung in den deutschsprachigen Staaten herzustellen. Alle Fachleute sind sich einig, daß die Einheitlichkeit schon vor 100 Jahren hergestellt war und es jetzt allenfalls noch um eine Vereinfachung gehe. Und nach Fröhler ist der ärgerliche Unterschied zwischen placieren und plazieren endlich dadurch beseitigt worden, daß man platzieren vorschreibt.
Aber auch in Deutschland scheint vor der Reform ein „Chaos“ geherrscht zu haben. Die deutschen Kultusminister werden mit Erstaunen ein Argument zur Kenntnis nehmen, das ihnen selbst noch nie eingefallen ist:
„Die Schulnoten im Fach Deutsch können in Deutschland erst seit der Reform nach einheitlichen Maßstäben erteilt werden. Denn vorher war so manches in dem einen Bundesland falsch, das in dem anderen richtig war. Deutschland benötigte daher die Reform – dringender, als es in Österreich oder der Schweiz der Fall war.“
Fröhler, der selbst eine vernichtende Kritik der Reform geliefert hat – was ihn nicht hindert, mit Fortbildungsveranstaltungen zu eben dieser Reform Geld zu verdienen –, stellt die abenteuerliche These auf: „Die gemeinsame Verständigungsbasis im deutschen Sprachraum wurde für die Zukunft gesichert. Das sollten all jene, welche die Reform bemäkeln, in ihre Überlegungen mit einbeziehen. Es wird sie milder stimmen.“ Verlogener geht es nicht.




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Th. Ickler

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Fritz Koch
08.12.2004 22.42
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Die geringere Silbenzahl wird beim Sprechen bevorzugt:

Neunzehnhundert hat weniger Silben als tausendneunhundert,
zweitausend hat weniger Silben als zwanzighundert,
zweitausendhundert hat weniger Silben als einundzwanzighundert,
erst zweitausendzweihundert hat so viele Silben wie zweiundzwanzighundert.

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Bernhard Schühly
08.12.2004 19.03
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Re: Zu Spracheigentümlichkeiten bei Datumsangaben

Zitat:
Ursprünglich eingetragen von Wolfgang Scheuermann
Warum kommt eigentlich niemand auf die Idee, vom Jahr „Zwanzighundertvier“ zu sprechen? (Wobei „Tausendneunhundertvier“ ebenso ausgefallen erscheint.)

Wird das Jahr 2124 wieder „Einundzwanzighundertvierundzwanzig“ heißen?

Ich glaube, das ist recht einfach zu erklären:
Es läßt sich wohl auf das Phänomen der „Wortökonomie“ zurückführen, das nämlich schon immer kürzere, einfachere und flüssiger auszusprechende Ausdrücke in der Umgangssprache bevorzugt worden sind und damit letztlich die anderen Synonyme verdrängten – was natürlich selten System hatte. Man zählt ja auch das Jahr „Tausendvier“, und nicht „Zehnhundertvier“. Trotzdem geht es dann mit den Bildungen „Elfhundertvier“ bis „Neunzehnhundertvier“ weiter, weil man die ersten 20 Zahlen so kurz ausdrücken kann: Wenn man nämlich wirklich konsequent sein wollte, müßte statt „neunzehn“ „neunundeinzig“ sagen. Wäre man diese Bildung – im Ihrem konkreten Beispiel das Jahr „Neunundeinzighundertvier“ schon lange gewohnt gewesen, würde die Umstellung auf „Einundzwanzighundertvier“ kein Problem. Hier ergäbe sich aber die Frage, ob man – gesetzt den Fall man hätte das kurze Wort „neunzehn“ nicht gehabt – nicht doch lieber „Tausendneunhundertvier“ verwendet hätte. Was man im 22. Jahr verwendet, werden wir sehen...vielleicht
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Bernhard Schühly

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Wolfgang Scheuermann
08.12.2004 14.32
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Zu Spracheigentümlichkeiten bei Datumsangaben

Warum kommt eigentlich niemand auf die Idee, vom Jahr „Zwanzighundertvier“ zu sprechen? (Wobei „Tausendneunhundertvier“ ebenso ausgefallen erscheint.)

Wird das Jahr 2124 wieder „Einundzwanzighundertvierundzwanzig“ heißen?
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Dr. Wolfgang Scheuermann

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margel
27.11.2004 22.28
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Lehrreich

Wolfgang Sauer in seiner wöchentlichen Kolumne „Worte&Wörter“: „Gastronomie“ hält Jürgen für fast so abschreckend wie Fremdenzimmer, zurecht.- Schnee von Vorgestern (?)

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Theodor Ickler
26.11.2004 08.40
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Zwiebelfisch: Der Spießer als Sprachkritiker

Bastian Sick: Der Dativ ist dem Genitiv sein Tod. 3. Aufl. 2004. Köln: Kiepenheuer und Witsch
Das Beste ist der Titel, sonst die gewohnte Mischung aus Belehrung und Parodie, wie in Dutzenden von ähnlichen Werken seit über hundert Jahren („Sprachdummheiten“ usw.). Sogar die Beispiele sind großenteils dieselben: scheinbar/anscheinend, gewunken, teilweise Zunahme, das „Ultra-Perfekt“, brauchen ohne zu, Stundenkilometer usw. Der Verfasser nimmt den gewohnten normativen Standpunkt ein und stellt immer die „Regel“ (über deren Herkunft er sich keine Gedanken macht) höher als den tatsächlichen Gebrauch.
Sick macht sich mehrmals über die Rechtschreibreform lustig, hat seinen Text aber selbst in Reformschreibung abgefaßt. In besonderen grau unterlegten Abschnitten lehrt er ohne Vorbehalt die reformierten Regeln: zum Apostroph, zum ss/ß usw. Die Ergebenheit, mit er sich trotz Kritik und Witzelei den Reformregeln – natürlich in der überholten Fassung von 1996 – unterwirft, kommt besonders im Eintrag zu auseinander(setzen) zum Ausdruck (207). Wer hindert ihn denn daran, auf der wünschenswerten Unterscheidung zu bestehen?
S. 45 sehr konservativ-borniert über die Steigerungsformen zu weitreichend, und dann der Fehler meist befahrene Straße. Vgl. 227. Wer steigert denn viel versprechend zu mehr versprechend? Und wie schreibt man denn nun den Positiv, wenn die gesamthafte Steigerung Zusammenschreibung erfordert?
Zu dieses Jahres/diesen Jahres: „Dabei lässt die deutsche Grammatik hier keine zwei Möglichkeiten zu. Die Regel ist eindeutig.“ – Welche Grammatik, welche Regel?
„Man spricht ja auch nicht vom 'Zauber diesen Augenblick' oder vom 'Ende diesen Liedes', und ebenso wenig war Maria 'die Mutter diesen Kindes'.“ (92) Mit dieser willkürlich herangezogenen Analogie wird die eigentlich interessante Frage übergangen, warum Datumsangaben eben auch anders gebildet werden.
Es folgt eine überflüssige Deklinationstabelle zu dieser/diese/dieses. Wozu, wenn man doch außerhalb der Wendung diesen Jahres hier gar keinen „Fehler“ macht?
Den Plural Kaktusse will er nicht gelten lassen.
Den transitiven Gebrauch von handeln (Waren handeln) hält er für eine unglückliche Erfindung von Wirtschaftsjournalisten (85).
Der Anglizismus Sinn machen mißfällt ihm nicht nur, sondern Sick „beweist“ auch umständlich, warum eine solche Wortverbindung im Deutschen unmöglich ist – was dann freilich für das englische Vorbild ebenso zutreffen müßte, denn machen und make entsprechen ja einander. Und Freude machen, Dummheiten machen ...?
S. 94 ff. eine Belehrung über italienische Wortformen, aber Sick selbst schreibt einen Insalata mista.
Daß Verwaltunggebäude oder Essenmarke ohne Fugen-s schwerer auszusprechen seien, ist eine Selbsttäuschung des Verfassers.
In bass erstaunt glaubt Sick ein altes Wort für 'tief' zu erkennen, das noch in der Sprache der Musik (Bass) vorkomme: „Bass erstaunt heißt also zutiefst erstaunt.“ Warum schlägt er nicht nach, bevor er solche Thesen aufstellt?
Er schreibt ohne Bedenken Leid tun, Recht haben, auseinander setzen, deplatziert, es sei nahe liegend usw. Das „feine Ohr“ für die Sprache, das er sonst für sich beansprucht, scheint hier taub zu sein.
in der hoch exklusiven Kaffeebar (37).
noch mal (38). Dazu S. 220: „Genau wie 'erst mal' wird auch 'noch mal' in zwei Wörtern geschrieben, daran hat sich auch durch die Rechtschreibreform nichts geändert.“ (vgl. aber § 55 (4) des amtlichen Regeltextes, wo die Zusammenschreibung vorgeschrieben ist!)
das einzige (42)
zum zweiten (119)
fleischgeworden (129) (dies läßt erst der Duden 2004 wieder zu, wovon Sick noch nichts wissen konnte)
„Besonders hässlich ist es, Wörter auseinander zu reißen, die über ein so genanntes Fugen-s verfügen.“ (74) – ein besonders häßlicher Satz, nicht nur orthographisch: Fugen – verfügen (statt einfach haben) Dabei hat er selbst ein kritisches Kapitel über die krampfhafte Jagd nach Synonymen.
„Mit seinem 'Deutschen Wörterbuch' legte er (Jacob Grimm) den Grundstein für die Vereinheitlichung der deutschen Sprache.“ (91) Man lernt nie aus ...
Der Drang zum Höheren, zur „gepflegten Sprache“, verrät sich durch Schlüsselwörter wie indes, mitunter und eben jenes gestelzte verfügen.

Bei der Lektüre dieses stickigen Buches spürt man ein Bedürfnis nach frischer Luft.
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Th. Ickler

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Theodor Ickler
23.11.2004 10.07
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Schulbuchverlage

Im Laufe der Jahre hat sich immer deutlicher gezeigt, daß die Schulbuchlobby der Schlüssel zur gegenwärtigen Rechtschreibverwirrung ist. Sie ist anscheinend weitaus mächtiger als die Wörterbuchverlage, auf die unser Mißtrauen sich ja lange konzentriert hat. Es liegt auf der Hand, daß die Schulbuchverlage mit ihrer Strategie der „massiven“ Bearbeitung von Kultusministern und Ministerpräsidenten, womit sie sich ja vor ihren Mitgliedern selbst brüsten, erfolgreich waren. Frau Ahnen und Frau Wolff z. B. treten ganz unverhüllt als Interessenvertreter der Schulbuchverlage auf. Sogar die Deutsche Akademie für Sprache und Dichtung hat sich, in Pervertierung ihres eigentlichen Auftrages, die finanziellen Interessen der Verlage angelegen sein lassen. Dabei werden ihre eigenen Mitglieder von der Verbindung von Schulbuchverlagen und Kultusministern in die Zange genommen und erpreßt: entweder Zustimmung zur Textverhunzung oder Vertreibung aus den Lesebüchern!
Erstaunlich ist auch, daß zu der „Verbändeallianz“ (O-Ton VdS laut FAZ) auch der Bundeselternrat und die Landeselternräte gehören, ja anscheinend sogar Schülervertretungen, obwohl es hier eine natürlich Gegnerschaft geben müßte, denn der VdS kämpft ja schon viel länger als für die Rechtschreibreform für die Abschaffung der Lernmittelfreiheit. Die Elternvertreter – Hennes, Hendricks usw. – auf ihre Seite gezogen zu habenist ein phantastischer Erfolg. Frau Hendricks brachte es ja fertig, an den damaligen KMK-Vorsitzenden Lemke eine Ergebenheitsbekundung zu schicken, die man nur mit Beschämung lesen kann.
Mir sind von vielen Seiten interessante Dokumente zugetragen worden, aber ich möchte hiermit fragen, ob noch etwas Verwertbares bekannt ist, was man zu einer Dokumentation über die Schulbuchlobby brauchen könnte. Geschäftsführer Baer liest hier zwar mit, aber von ihm erwarte ich keine besondere Unterstützung.
__________________
Th. Ickler

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Theodor Ickler
17.10.2004 03.13
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Der Fall Walgenbach


Im dritten Bericht der Zwischenstaatlichen Kommission für deutsche Rechtschreibung (Ende 2001) wurde eine sonst unbekannte „Sprachwissenschaftlerin Lisa Walgenbach“ als Kronzeugin für die Vortrefflichkeit der Neuregelung und ihre problemlose Umsetzung ausgiebig zitiert. Wegen offenkundiger Lächerlichkeit eines solchen Aufgebots (anstelle seriöser Gutachten und empirischer Begleituntersuchungen, die eben niemals angestellt wurden) ist diese Quelle im vierten Bericht der Kommission nicht mehr zu finden.

Walgenbach, die offenbar ihren Lebensunterhalt mit Fortbildung in reformierter Orthographie verdient, führt auf ihrer Website auch ihre Klientel einschließlich des Rheinischen Merkur an. Außer einer Kurzfassung der neuen Regeln bietet sie einen, allerdings sachlich und orthographisch fehlerhaften, historischen Abriß mit reformpropagandistischen Zwischentönen.

Die Revision der Reform im Jahre 2004 ist noch nicht berücksichtigt, der Internet-Text ist seit Jahren unverändert. Es folgen einige Anmerkungen zu Walgenbachs Darstellung.

Walgenbach schreibt:

„Im neuen Regelwerk sind von ehedem 52 Kommaregeln noch acht wichtige verbindlich; die Anwendung der übrigen Kommaregeln wurde im Zuge der Orthografiereform freigestellt, keines der im alten Regelwerk festgeschriebenen Kommas jedoch verboten. Eine Kommaregel wurde hingegen neu eingeführt:“ (... Komma nach wörtlicher Rede)

Und in ihrem geschichtlichen Überblick:

„Das alte Regelwerk benötigte 212 Regeln, das neue kommt mit 112 aus. Von 52 Kommaregeln sind nur noch acht übergeordnete übrig geblieben, eine wurde neu eingeführt.“

Die Geschichte von der Reduzierung der Regeln ist auch jahrelang von den Kultusministerien verbreitet worden und hat ihre Wirkung auf Unwissende nicht verfehlt.
Zunächst ist schon die Zahl 212 falsch. Von den 212 Richtlinien (nicht „Regeln“!) des Duden beziehen sich 26 gar nicht auf orthographische Fragen, 6 sind Doppelanführungen (wegen der alphabetischen Anordnung), und weitere 9 werden ausdrücklich als bloße Zusammenfassung der Kommaregeln dargestellt. Es gibt also nur 171 numerierte orthographische Richtlinien und nicht 212. (Die falschen Zahlen stehen schon in den „Informationen“ der KMK vom 1.12.1995, gehören also wohl zu den Voraussetzungen, von denen die Kultusminister bei ihrem Reformbeschluß ausgingen.)
Im übrigen betrifft diese Zahl ebenso wie die Zahl 112 für das neue Regelwerk nur die Numerierung und nicht die wirkliche Anzahl der Regeln, die im Falle der Neuregelung nach einer Untersuchung von Werner H. Veith weit über 1000 liegt. Renate Baudusch, die Mitschöpferin der neuen Rechtschreibung, kommt allein für die Zeichensetzung auf 227 Regeln, der ehemalige Dudenautor Dieter Berger auf 338.
Ebenso unsinnig ist die Behauptung, 52 Kommaregeln seien auf neun bzw. acht reduziert worden. In Wirklichkeit haben die neuen Kommaregeln den gleichen Umfang wie die alten (rund 10 DIN-A4-Seiten), nur die Numerierung ist geändert worden.
In dem Sprachratgeber „Wahrig: Fehlerfreies und gutes Deutsch“ (Gütersloh 2003) umfaßt die Rechtschreibung 202 Seiten, davon gut 56 Seiten für die Kommasetzung!
Aufschlußreich ist ein internes Papier der Dudenredaktion:
„Neuregelung: Das amtliche Regelwerk ist in 112 Hauptregeln gegliedert.
Umsetzung: Die Dudenrichtlinien werden auch künftig Hinweise enthalten, die über den rein orthographischen Bereich hinausgehen. Durch Neustrukturierung und vor allem durch Zusammenfassung einzelner Regeln und Regelbereiche wird die Zahl der Richtlinien von 212 auf 136 gesenkt.
Begründung: Die inhaltlich falsche, aber politisch wirksame Formel ,aus 212 mach 112‘ muß auch im Duden ihren angemessenen Ausdruck finden.“
Die Dudenredaktion bekannte sich also zur Mitwirkung an einem Täuschungsmanöver. Erst mit der zweiten Auflage im Jahre 2000 wird die Camouflage aufgegeben; es gibt wieder 169 Rechtschreibrichtlinien, so auch in der Neubearbeitung 2004.
Gern zitiert wird – auch von Kultusministerien – Walgenbachs Aussage, die Reform sei ein Reförmchen (Rheinischer Merkur 7.1.2000). Hier der ensprechende Absatz aus dem geschichtlichen Abriß:
„Setzt man für die geschriebene Sprache einen standardsprachlichen Grundwortschatz von 15.000 Wörtern an, so ändern im Zuge der Reform 600 ihre Schreibweise. Anders ausgedrückt: Statistisch gesehen ändern sich 4 % einer Textseite, und lässt man die ss/ß-Regelung außer Acht sind es sogar nur 0,5 % – die Reform ist ein Reförmchen.“
Hier stimmt nun überhaupt nichts. Erstens sind von den 12.500 Wörtern des amtlichen Wörterverzeichnisses gut 1.030 mit einem Sternchen als verändert markiert, das sind rund 8 Prozent – ohne Silbentrennung! (Mit Silbentrennung wären es etwa 18 Prozent.) Aber selbst nach diesen erheblich höheren Zahlen ergibt sich naturgemäß nicht, daß 4 oder gar 8 Prozent eines Textes, also jedes 25. laufende Wort, anders geschrieben werden. Im übrigen bleibt unerfindlich, warum man ausgerechnet die neue s-Schreibung „außer Acht“ lassen sollte, stellt sie doch das Aushängeschild der Reform dar und das Symbol dafür, daß man die Reform nicht grundsätzlich ablehnt (wie die Deutsche Akademie für Sprache und Dichtung mit Recht feststellte).

Zur Worttrennung:

„Im Deutschen lautet die Grundregel für die Worttrennung am Zeilenende:
Man trennt Wörter am Zeilenende so, wie sie sich bei langsamem Vorlesen in Silben zerlegen lassen.
Die Rechtschreibreform sucht die Worttrennung durch konsequente Anwendung dieser Grundregel zu vereinheitlichen.“
Walgenbach weist nicht darauf hin, daß schon wenige Zeilen später ein Verstoß gegen die Grundregel vorliegt: die Nichttrennung von ck. Irreführenderweise, aber ganz im Sinne der Kultusminister, stellt sie diese Neuerung sogar als besonders konsequent dar:
„Bei der Worttrennung wird ck nicht mehr durch kk ersetzt, sondern bleibt als Konsonantenverbindung erhalten und kommt geschlossen auf die neue Zeile (wie bereits bei ch, sch, ph, rh, sh, th)“
Aber die Analogie ist falsch, denn anders als die angeführten Di- und Trigraphen steht ck als Ligatur für ein Silbengelenk, wie es auch in § 3 der amtlichen Neuregelung ausdrücklich festgehalten wird.
Die Silbentrennung bei Fremdwörtern wir kommentarlos vorgeführt, ihre wirklichen Folgen gehen aus folgendem Exkurs hervor:

Silbentrennung als Bildungsfrage

Bemerkungen im Anschluß an die 23. Auflage des Duden (August 2004)


Die Silbentrennung hat sich infolge der Rechtschreibreform vom wahrhaft „marginalen“ Bereich zum zentralen Problem entwickelt. (Das sagt auch der stellvertretende Leiter der Dudenredaktion, Werner Scholze-Stubenrecht: Sprachwissenschaft 2/2000.) Die Konkurrenten auf dem Wörterbuchmarkt wetteiferten jahrelang darin, wer die meisten Trennstellen gemäß den neuen Regeln verzeichnet: a-brupt, as-tigmatisch, Fide-ikommiss, Hämog-lobin, Pog-rom. Nach dem Sinn der Silbentrennung wurde gar nicht mehr gefragt. Auf diesem Weg in die Barbarei geht der neue Duden – in stetem Kontakt mit der Zwischenstaatlichen Kommission – weiter als je zuvor. Dabei stützt er sich auf eine unveröffentlichte, 60 Seiten umfassende Liste von Trennstellen, die zwischen den Wörterbuchredaktionen und der Kommission vereinbart worden ist (Scholze-Stubenrecht ebd.).

Die neue Abtrennbarkeit einzelner Vokalbuchstaben ist jetzt in allen Wörterbüchern weitestgehend berücksichtigt: Bilderbuche-he, Gottesa-cker, Buche-cker usw. Das amtliche Regelwerk empfiehlt zwar, irreführende Trennungen zu vermeiden, und gibt traditionelle Beispiele wie Altbauer-haltung, Sprecher-ziehung, Seeu-fer an. Die Regel K 168 des neuen Duden interpretiert diese Empfehlung (die aber keinen Regelstatus hat): „Trennungen, die den Leseablauf stören oder den Wortsinn entstellen, sollte man vermeiden. Sie sind jedoch nicht falsch.“ Dazu werden u. a. die bekannten, einigermaßen harmlosen Spargel-der angeführt. Aber die Abtrennung einzelner Buchstaben stört den Leseablauf immer, und genau dies war der Grund, warum man bisher davon Abstand genommen hatte. Was soll es da noch heißen, sie sei „nicht falsch“? Eine merkwürdige Auffassung vom Rechtschreiben und von der Sanktionierung durch orthographische Regelwerke. Vernünftigerweise machen seriöse Texte keinen Gebrauch von der Abtrennung einzelner Buchstaben; nur an den Schulen wird sie gelehrt:

„Alt: Aber, Atem, Eber, eben, Osten: Buchstaben so ganz allein, liebes Kind das darf nicht sein. Neu: A-ber, E-ber, e-ben, O-fen, U-fer: Vokale stehen auch allein, das finden sie besonders fein.“ („Sprachbuch 5“, Bayerischer Schulbuchverlag 1996)

Tausende von Fremdwörtern sind so getrennt, daß man von einer systematischen Verdummung sprechen kann: A-nurie, Ap-lanat, Apop-tose, Apos-t-roph (aber nur: apo-plektisch, apo-tropäisch, apo-kryph), au cont-raire, Herost-rat, Kont-rition, Legas-thenie, Manusk-ript, Metas-tase, Me-töke, Monoph-thong, Parap-luie, Pseu-depigrafen ...

Das Paradoxe der neuen Silbentrennung besteht in der Annahme, daß jemand Fremd- und Fachwörter zwar gebrauchen, aber zugleich nicht wissen soll, wie sie aufgebaut sind: Me-tempsychose, A-bort, Prog-nose, A-norexia nervosa. Dennoch ist nicht einmal die mechanische Abtrennung des letzten von mehreren Konsonantenbuchstaben konsequent durchgeführt: Att-rappe, Att-ribut sind weiterhin nicht erlaubt, obwohl ihre Zusammensetzung nicht leichter zu durchschauen ist als viele andere (Ap-proach – nur so zulässig). Den haarsträubenden Trennungen Kon-s-k-ription, De-s-k-ription steht Pro-s-kription gegenüber.

Es ist schon früh gezeigt worden, daß die scheinbare Vereinfachung in Wirklichkeit zu neuen Problemen führt. Wer Tonsil-lektomie, Hyste-rektomie, Mas-tektomie; A-narchie, Hie-rarchie, Oli-garchie; Res-pekt, Epis-kop usw. trennt, wie es der Duden vorsieht, gibt sich erstens als Stümper zu erkennen und läßt sich zweitens die Einsicht in den wahren Aufbau der Fremdwörter entgehen. Auf lange Sicht wäre es ökonomischer, sich die Bestandteile -ektomie, -archie, -spekt, -skop usw. anzueignen, um sie in entsprechenden Wortreihen wiederzuerkennen und anzuwenden. Mit Lektomie, Rektomie, Tektomie, Narchie und Rarchie kann man nichts anfangen. Indem das Wörterbuch solchen Unsinn gleichberechtigt neben die morphologisch korrekten Trennungen stellt, tut es dem ratsuchenden Benutzer keinen Gefallen, sondern verweigert ihm die Auskunft, um derentwillen er überhaupt nachschlägt.

Die Trennungen Bi-omüll, Ge-odreieck, Kore-akrieg, Malari-aerreger, malari-akrank, Radi-oapparat, Sepi-azeichnung, Stere-olautsprecher, The-okrat, Vide-ofilm, sogar Vide-o-on-Demand usw. sind immer noch nicht korrigiert, entsprechen also wohl der Auffassung der Zwischenstaatlichen Kommission, die den reformierten Duden ausdrücklich als zuverlässig bezeichnet. Da einzelne Vokale zwar am Anfang (o-der), aber nicht am Ende eines Wortes (Kore-a) abgetrennt werden, setzen die Reformer mit solchen Trennungen voraus, daß die betreffenden Wörter nicht einmal als Zusammensetzungen erkannt werden – eine absurde Annahme.
Für die Inkonsequenzen bei der Silbentrennung seien noch einige wenige Beispiele angeführt. Es kann jetzt getrennt werden A-nämie, A-neurysma, a-nonym, A-nurie usw., aber weiterhin nur An-algesie, An-alphabet. In entgegengesetzter Richtung ist An-omie verhunzt. Es wird getrennt trip-loid, aber nur tri-klin. Bei Ext-rawunsch ist eine neue Trennstelle vorgesehen, bei Extrazimmer nicht. Das allgemein bekannte und im Deutschen produktive Fremdsuffix ex- wird mutwillig zerrissen: e-xulzerieren, E-xuvie, E-xarch; nur bei Ex-artikulation gibt es eine Ausnahme. Ext-ruder ist in der anderen Richtung verunklart. En-anthem ist sprachrichtig getrennt, E-xanthem nicht. Vier Trennstellen statt einer einzigen hat jetzt E-x-e-d-ra. Welchem „Wenigschreiber“ soll das nützen?

Dudenchef Matthias Wermke schrieb kürzlich, die Reform nütze „denjenigen, die sich mit ihren
Bewerbungsschreiben nicht blamieren wollen“ (Südwestpresse vom 14.08.2004). Deshalb sollen Trennungen wie A-bitur, A-blativ, A-bort usw. „zulässig“ sein. Nun, wer zum Vorstellungsgespräch in Freizeitkleidung erscheint, tut ebenfalls nichts Verbotenes, wird sich aber, wenn er dann nicht genommen wird, kaum darauf berufen können. Auch wenn es amtlich „erlaubt“ ist, seine Unwissenheit zur Schau zu stellen, wird man sich damit blamieren.

Die neuen Trennmöglichkeiten, nach denen niemand gerufen hat, wirken nicht nur ungebildet, sondern sie verwirklichen ein grundsätzlich bildungsfeindliches Programm. Wer es nicht mehr aus eigener Erinnerung kennt, kann sich in der Dokumentation zum GEW-Kongreß „vernünftiger schreiben“ (Frankfurt 1973; Fischer-Taschenbuch von Drewitz/Reuter 1974) informieren.

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Zeichensetzung

Die wichtige und ungemein schwierige neue Kommaregel, wonach auch nichterweiterte Infinitive nach einem Korrelat obligatorisch mit Komma abzutrennen sind (Er hatte es satt, zu lügen), wird unterschlagen. Die gerühmte Weglaßbarkeit der Kommas in vielen anderen Fällen ist sogar von maßgeblichen Reformern als Mißgriff erkannt worden. Die Schulbuchverlage haben Kommas zunächst mit großem Eifer getilgt, inzwischen werden sie aber weitgehend wiederhergestellt. Das ist von der „Vereinfachung“, die Walgenbach rühmt, übriggeblieben.

Laut-Buchstaben-Zuordnung

Das „Stammprinzip“ ist nur auf einige wenige Wörter ausgeweitet worden (Gämse, Stängel, behände), zum Teil in bewußtem Verstoß gegen die sprachgeschichtliche Wahrheit (Volksetymologien wie einbläuen, Quäntchen). Hunderte von Wörtern hätten ebenso verändert werden können (käntern von Kante, Spängler von Spange usw.). Dieser Teil der Neuregelung geht ausschließlich auf ein Steckenpferd des Reformers Augst zurück, andere Reformer wie Nerius lehnen ihn ab, konnten sich aber nicht durchsetzen. Walgenbach selbst spricht zutreffend von „Einzelfällen“ bei der Umlautschreibung, wobei unklar bleibt, ob sie das Wesen der Stammschreibung erfaßt hat.

Daß Zierat nichts mit Rat zu tun hat, erwähnt die „Sprachwissenschaftlerin“ Walgenbach nicht einmal.

„Die Orthografiereform sucht den mit einer Vielzahl von Sonderregelungen belasteten Bereich der Getrennt- und Zusammenschreibung dadurch überschaubar zu machen, dass sie von der Getrenntschreibung als dem Normalfall ausgeht.“
Auch die herkömmliche Rechtschreibung ging von der Getrenntschreibung (und Kleinschreibung, s. u.) als Normalfall aus. Die wesentliche Änderung besteht darin, daß selbst klare Fälle von Zusammensetzung, also wirkliche Wörter, sprachwidrig aueinandergerissen werden. Dieser Fehler ist durch die Revision 2004 teilweise rückgängig gemacht, jedoch durchweg durch Wiederzulassung der grammatisch richtigen Schreibweise als Variante neben der falschen.
Walgenbach übergeht diese Problematik die das ganze Gebäude der Reform ins Wanken gebracht hat, indem sie sich auf einige triviale Formen wie Rad fahren beschränkt.
Groß- und Kleinschreibung
Die Substantive Angst, Bange, Gram, Leid, Pleite und Schuld werden in Verbindung mit den Verben sein, bleiben und werden kleingeschrieben, z. B. pleite sein, schuld sein, gram bleiben.
Natürlich werden nicht die Substantive, sondern die Adjektive klein geschrieben, genau wie bisher. Außerdem übergeht Walgenbach die skandalös falsche Vorschrift, auch Pleite gehen usw. zu schreiben, obwohl auch hier nachweislich Adjektive vorliegen. Dasselbe gilt für leid tun und recht haben (neu: so Leid es mir tut; wie Recht er hat usw. – krasse Grammatikfehler, die aber auch in der Revision von 2004 nur teilweise durch die richtigeren Schreibweisen wenigstens ergänzt worden sind). Schon für Konrad Duden war klar:
„Bei Ausdrücken wie leid tun, not tun, weh tun, schuld sein, gram sein; mir ist angst, wol, wehe, not ist von selbst klar, daß das zum einfachen Verbum hinzugetretene Element nicht als Substantivum fungiert; (man erkennt) die nicht substantivische Natur jenes Zusatzes am besten durch Hinzufügung einer nähern Bestimmung. Man sagt er (...) hat ganz recht, hat vollständig unrecht u. dgl. Die Anwendung von Adverbien, nicht von Adjektiven, zeigt, daß man einen verbalen Ausdruck, nicht ein Verb mit einem substantivischen Objekt vor sich hat.“ (Die Zukunftsorthographie (usw.). Leipzig 1876, S. 70)
Den heutigen Reformern sind solche Selbstverständlichkeiten verlorengegangen; aber gerade daran scheitert die Rechtschreibreform.



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Th. Ickler

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Fritz Koch
15.10.2004 18.21
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Ist die "große deutsche Rechschreibspaltung"

ein wirkliches Problem oder Haarspalterei?

(Die DDR hat die „Spalterflagge“ nie als Haarspalterei abgetan.)

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Bernhard Schühly
15.10.2004 17.14
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Ergänzung

Zitat:
Ursprünglich eingetragen von Fritz Koch
hier einige neue Namensvorschläge:

die neue Rechtschreibung: die Spalter-Rechtschreibung
die KMK: die Rechtschreibungsspalter
die zweigeteilte Rechtschreibung: die große Rechtschreib-Spaltung, das große Rechtschreib-Schisma

Es fehlt nur die immer wieder zur Rechtfertigung verwendete Rückfrage der „Willigen“:
„Das ist doch alles nur Haarspalterei!“
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Bernhard Schühly

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Fritz Koch
15.10.2004 16.45
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Brauchen Politiker, besonders Kultusminister

ein Gesetz gegen Antipolitikerismus und gegen Antikultusministerismus, weil sich Antipolitikerismus und besonders Antikultusministerismus immer mehr ausbreiten und schon große Teile der Bevölkerung erfaßt haben?

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