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9.8.2004
Streit um Rechtschreibung geht weiter
(Bild)
Der Griff zum Duden ist auch für Rechtschreib-Profis häufig notwendig.
Berlin (dpa) Der stellvertretende CDU-Vorsitzende Jürgen Rüttgers hat die Ministerpräsidenten aufgefordert, die endgültige Einführung der Rechtschreibreform zu stoppen. «Wenn die Ministerpräsidenten nicht handeln, tritt die Reform am 1. August 2005 für alle Ewigkeit in Kraft», sagte Rüttgers am Montag der dpa. Deshalb gebe es einen massiven politischen Handlungsdruck.
Rüttgers forderte eine einheitliche Linie bei der Rechtschreibreform. Es gehe nicht um Alleingänge einzelner Länder, sondern um die Rückkehr zur sprachlichen Einheit in Deutschland. Der CDU-Politiker hatte angekündigt, nach einem Sieg bei der NRW- Landtagswahl im Mai 2005 dafür zu sorgen, «dass man zu den bewährten Regeln zurückkehrt».
Ein Stopp der Reform würde das Chaos bei der Rechtschreibung nicht vergrößern, sagte der CDU-Politiker: «Das Chaos ist doch schon da.» Die Schüler lernten etwas anderes, als sie in den Zeitungen oder in den Büchern lesen könnten. Deshalb müsse schnell geklärt werden, wie in den Schulen weiter verfahren werden solle.
Eine sofortige gemeinsame Aktion der großen deutschen Verlage zur künftigen Rechtschreibung hat der Deutsche Journalisten-Verband (DJV) gefordert. Es könne nicht sein, dass 60 Prozent der Medien zur alten Rechtschreibung zurückkehrten, während der Rest die neuen Regeln weiter anwende, erklärte der DJV- Vorsitzende Michael Konken am Montag.
«Die entsprechenden Gremien haben versagt, jetzt sind die Praktiker gefordert», sagte Konken. Die Kultusminister hätten es versäumt, die Änderungen durch eine öffentlichkeitswirksame Kampagne den Menschen nahe zu bringen. «Die Reform fand in der Schule und in der Dudenredaktion statt.» Politik und Rechtschreibkommission müssten sich nicht wundern, wenn die Praktiker dem Hickhack um die Rechtschreibung ein Ende machten, da «die Reform an der Öffentlichkeit vorbei erdacht und umgesetzt wurde».
Der Schriftstellerverband PEN plädiert für eine Rücknahme der Rechtschreibreform so schnell wie möglich. «Die Reform ist als geheime Kommandosache von der Bürokratie ausgeheckt worden», sagte PEN-Präsident Johano Strasser am Montag in einem dpa- Gespräch. «Ich finde, dass sich nicht irgendwelche Bürokraten in Hinterzimmern einfach neue Regeln ausdenken und dem staunenden Publikum aufzwingen sollten.»
Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) ist gegen eine Rücknahme der Rechtschreibreform. «Es gibt seitens der Bundesregierung keine Überlegungen, die Rechtschreibreform rückgängig zu machen», sagte der stellvertretende Regierungssprecher Hans- Hermann Langguth. Der Kanzler habe bereits vor Wochen klar gemacht, dass er es für falsch halte, die Reform rückgängig zu machen. Langguth verwies auf die Zuständigkeit der Länder in dieser Frage. Unterdessen lösten Forderungen nach einer Volksabstimmung zur Orthografie neue Kontroversen aus.
Rund 70 Rechtsprofessoren aus Deutschland, Österreich und der Schweiz befürworten eine Volksbefragung zur umstrittenen Rechtschreibreform. Der Sprecher der Initiative, der Münchner Rechtsanwalt Johannes Wasmuth, sagte am Montag, die Entscheidung über die Reform müsse den Kultusministern genommen und wenigstens an die Parlamente überwiesen werden. Am besten sei eine Volksabstimmung, sagte er. Das Grundgesetz sieht allerdings zu solchen Themen bisher keine bundesweiten Volksentscheide vor.
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