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Dienstag 10. August 2004, 17:51 Uhr
Auch SPD-Politiker gegen Rechtschreibreform
Frankfurt/Main (AP) Auch prominente SPD-Politiker haben sich jetzt für eine Rücknahme der Rechtschreibreform ausgesprochen. Bislang war die Reform vor allem von Unions- und FDP-Vertretern attackiert worden. Unterstützung für die Reform kam am Dienstag aus der Wirtschaft und vom Goethe-Institut, das in vielen Ländern der Welt Deutschkurse anbietet. Die hessische Kultusministerin Karin Wolff (CDU) griff in einem Interview die Reformkritiker scharf an.
Der SPD-Innenexperte Dieter Wiefelspütz betonte in der «Bild»-Zeitung (Dienstagausgabe), er wolle sich nicht von «irgendwelchen Bürokraten» vorschreiben lassen, wie er zu schreiben habe. Auch SPD-Rechtsexperte Volker Neumann forderte eine Rückkehr zu den alten Schreibweisen. «Fast die gesamte deutschsprachige Literatur ist nach den bewährten Regeln verfasst», sagte er dem Blatt. Der wirtschaftspolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Rainer Wend, wurde mit der Erklärung zitiert, statt der versprochenen Vereinfachung trete große Verunsicherung ein. Auch Musiker, Schauspieler und Sportler kritisierten in «Bild» die Reform.
Wolff erklärte im «Mannheimer Morgen», es gebe wichtigere Dinge. «Die Debatte ärgert mich, zumal diejenigen, die sich jetzt zu Wort melden, wie Schriftsteller und Verlage, ihre Bedenken schon vor Jahren hätten anmelden können.» Den Verlagen, die eine Rückkehr zur alten Schreibweise angekündigt haben, warf sie vor, ein «Machtspiel» zu inszenieren.
Dass es in Österreich und der Schweiz keinen Proteststurm gegen das neue Regelwerk gibt, erklärt sich Wolff mit der allgemeinen Stimmungslage in Deutschland. «Die Rechtschreibreform ist ein Stellvertreter-Thema für all die anderen Reformen, mit denen wir Deutsche uns zurzeit schwer tun», sagte sie.
Der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Industrie- und Handelskammertages, Martin Wansleben, wandte sich gegen eine Rücknahme der Reform. Er sagte der «Berliner Zeitung», eine komplette Rolle rückwärts würde die Verwirrung perfekt machen und Millionenkosten verursachen.
Auch das Goethe-Institut will die Reform beibehalten. «Aus der Sicht der Deutschschüler des Goethe-Instituts gibt es seit Einführung des neuen Regelwerkes keine Anhaltspunkte, die besondere Schwierigkeiten im Gebrauch belegen», sagte die Präsidentin der Einrichtung, Jutta Limbach, der Nachrichten-Website tagesschau.de. Die Debatte sei zudem ungünstig für im Ausland gestartete Institutskampagnen für die deutsche Sprache.
Die Kultusministerkonferenz (KMK) rief alle Beteiligten zur Versachlichung auf. Sie kündigte die baldige Einsetzung des geplanten Rates für deutsche Rechtschreibung an, der im Herbst die Arbeit aufnehmen soll. Er sei «durch ein hohes Maß an Pluralität gekennzeichnet». In ihm sollen Institutionen, Journalisten und Schriftsteller vertreten sein, darunter auch Reformkritiker.
Letzte Woche hatten mehrere Medien fünf Jahre nach der Einführung der neuen Schreibweisen eine Rückkehr zur alten Rechtschreibung angekündigt. Dazu gehören der «Spiegel», die Blätter des Axel-Springer-Verlages und die «Süddeutsche Zeitung». Die ARD teilte dagegen am Dienstag mit, sie werde nicht von der reformierten Schreibweise abrücken. Auch ZDF-Sprecher Alexander Stock geht davon aus, dass sein Sender bei den neuen Regeln bleibt. Die Verlagsgruppe «Handelsblatt» teilte mit, ihre Publikationen würden weiter in neuer Rechtschreibung erscheinen.
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