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Norbert Lindenthal
07.10.2004 19.20
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Die Welt Dankwart Guratzsch

Donnerstag, 7. Oktober 2004 Berlin, 21:16 Uhr

Politik Deutschland
Seiten 1 und 2

Schüler schreiben nach Reform schlechter als vorher

Leipziger Wissenschaftler deckt eklatante Schwächen in der Rechtschreibung von Grundschülern auf

von Dankwart Guratzsch


Eigentlich sollte nach der Reform das Schreiben leichter werden...
Foto: ddp
 
Leipzig -  Das Kernstück der Rechtschreibreform wird von noch unveröffentlichten Studien stark in Zweifel gezogen: Nach Ergebnissen von Langzeittests des Leipziger Erziehungswissenschaftlers Harald Marx ist der Zischlaut "ß" der fehlerträchtigste der Rechtschreibreform. Fazit: Die verschiedenen s-Schreibweisen werden sieben Jahre nach der Umstellung so sehr durcheinander gebracht, daß nach der Reform mehr Fehler auftreten als vor der Reform.

Bei der Auswertung von Schülerarbeiten hat der Pädagogikprofessor Marx herausgefunden, daß Kinder, die die neuen Regeln seit sieben Jahren lernen, zunehmend sämtliche s-Schreibweisen durcheinanderbringen. Die Fehlerträchtigkeit der neuen Regeln ist so augenfällig, daß sie sich in graphischen Darstellungen wie ein Bruch abzeichnet. Das stellt ein Hauptargument der Reformbefürworter in Frage, wonach die Reform vor allem den Schülern Erleichterungen bringen sollte.

Dabei hat sich zunächst keine der neuen Schreibregeln so reibungslos eingebürgert wie die neue s-Schreibung. Danach wird aus "ß" nach kurzgesprochenem Vokal „ss“. „Schoß" blieb „Schoß", aber „Schloß" wurde „Schloss“. Leichter, so möchte man meinen, geht es nicht. Für viele ist die neue s-Regel deshalb zur Lieblingsregel der neuen Orthographie geworden. Marx hat nun Schülerarbeiten der zweiten bis vierten Klasse, die 1996 – also vor der Reform – in alter Rechtschreibung geschrieben wurden, mit solchen verglichen, die in den Jahren 1998, 2001 und 2004 – also in neuer Orthographie – verfaßt sind.

Das Resultat, das der WELT exklusiv vorliegt, belegt: Bei den von der Reform betroffenen Wörtern kann Marx nichts von der versprochenen „Erleichterung“ durch die neue Rechtschreibung feststellen. Wußten 1998 noch 53 Prozent der Viertkläßler, daß ein Wort wie „Schoß" mit "ß" zu schreiben ist, so waren es drei Jahre später noch 47, 2004 lediglich noch 35 Prozent. Vor der Rechtschreibreform hatten noch 89 Prozent der Altersgenossen die Vokabel richtig geschrieben. Doch nicht nur von der Rechtschreibreform unberührte Wörter mit "ß", auch solche mit „s“ werden zur neuen Fehlerquelle.

Ein Wort wie „Last“, das in alter Rechtschreibung noch 90 Prozent aller Viert-, Dritt- und sogar Zweitkläßler richtig zu schreiben wußten, bringen heute, sieben Jahre nach der Reform, nur noch 75 Prozent der Zweitkläßler, 81 Prozent der Drittkläßler und 61 Prozent der Viertkläßler korrekt zu Papier.

Den Schülertests mißt Marx deswegen große Bedeutung bei, weil dessen Ergebnisse als repräsentativ gewertet werden können. 1200 Schüler von der zweiten bis zur vierten Klasse haben mittlerweile das immergleiche Diktat geschrieben, einen „Lückentext“, in den 44 Wörter eingefügt werden müssen. Diese Versuchsanordnung garantiert die höchste denkbare Objektivität.

Was aber ist es genau, das zur Vermehrung fehlerhafter Schreibungen bei Wörtern führt, an deren Schreibweise sich nichts geändert hat? Marx spricht von "Übergeneralisierung“ und meint damit: Die neue Orientierung der s-Schreibung an der Aussprache sowie die Tendenz, den Gebrauch des "ß" einzuschränken, verleiten zu einer unzulässigen Verallgemeinerung dieser Neuerungen. Wer statt „faßt“ nun „fasst“ schreibt, der schreibt anscheinend bald auch „Lasst“ statt „Last“. Und wer früher kein Problem mit „Klößen“ und „Rockschößen“ hatte, der meint heute, er dürfe daraus „Klöse“ und „Rockschöse“ machen. Auf welche Wörter sich seine Untersuchungen konkret stützen, will Marx bisher noch nicht preisgeben. Die Veröffentlichung in dieser Zeitung kommt einem Aufsatz des Wissenschaftlers in einer Fachzeitschrift zuvor. Deshalb sind die hier genannten Beispielwörter auch nur als Verständnishilfen zu verstehen.

-- Seite 2 --

Schüler schreiben nach Reform schlechter als vorher (2)

Auf die Diskussionen über die verbindliche Einführung der neuen Rechtschreibung an den Schulen im Sommer 2005 kann das Leipziger Forschungsprojekt nicht ohne Auswirkungen bleiben – zumal weder die Kultusministerkonferenz noch die Mannheimer Rechtschreibkommission über vergleichbare Erhebungen verfügen.

In Fachkreisen gilt Marx als Autorität. Der Professor für Pädagogische Psychologie und Dekan der Universität Leipzig hat sich als Herausgeber des angesehenen „Jahrbuchs der pädagogisch-psychologischen Diagnostik“ und der Buchreihe „Deutsche Schultests“ weit über seine Universität hinaus einen Namen gemacht. Über sich selbst sagt Marx: „Ich bin weder Anhänger noch Gegner der Rechtschreibreform.“ Inzwischen zeigen sich selbst die Urheber der Reform, die Mitglieder der Rechtschreibkommission in Mannheim, beeindruckt. Sie haben die jüngste Studie des Leipzigers angefor- dert.

Geht es nach der Mehrheit der Deutschen, hat die Rechtschreibung in ihrer jetzigen Form ohnehin keine Aussicht auf Erfolg. Waren im April noch 49 Prozent gegen die Reform, sind es mittlerweile 60 Prozent. Das ist das Ergebnis einer aktuellen Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Allensbach. Nur noch 11 Prozent der Deutschen sind für den Erhalt der neuen Schreibweise. Auf der anderen Seite ist es jedem Dritten egal, nach welcher Rechtschreibregel geschrieben wird.

Artikel erschienen am Fr, 8. Oktober 2004

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Detlef Lindenthal
04.10.2004 10.12
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Rückumstellung

Weil dort überall keine Handwerker arbeiten, seufz.
Recht ordentlich arbeitende Rückumstellungsfilter gibt es bei http://gutes-Deutsch.de und http://normalfilter.de .
__________________
Detlef Lindenthal

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Dr. Konrad Schultz
04.10.2004 09.33
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Rückumstellung doch nicht so einfach

Heute gibt es in der „Welt“ einen Artikel "Über die Seßhaftigkeit eines 101-Jährigen“.

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Norbert Lindenthal
25.09.2004 11.52
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Welt

25.9.2004

Aktuell

Wulff kündigt der Kultusministerkonferenz

Der Landesbeitrag von jährlich rund 2,5 Millionen Euro soll künftig zur Qualitätsverbesserung an niedersächsischen Schulen verwendet werden


Ministerpräsident Christian Wulff (CDU)
Foto: dpa
 
Niedersachsen will nach den Worten von Ministerpräsident Christian Wulff (CDU) die Kultusministerkonferenz (KMK) der Länder verlassen.

Die Bundesland werde in den nächsten Wochen den Staatsvertrag über das Bildungsgremium kündigen, sagte Wulff der „Neuen Osnabrücker Zeitung“ laut Vorabmeldung. Damit sei „ein Jahr Zeit sein, eine neue Koordinierung zu verhandeln, die effizienter, sparsamer und offener für neue Entwicklungen sein muss“. Viele in der KMK seien „überfordert, alten Vorstellungen verhaftet und nicht aufgeschlossen“.

Niedersachsen zahle jährlich rund 2,5 Millionen Euro an die KMK. Dieses Geld solle nun für eine Qualitätsverbesserung an Schulen eingesetzt werden, „statt für die Bürokratie von 250 Leuten, die zum Teil nichts anderes tun, als vom grünen Tisch aus Konzepte theoretisch zu entwerfen und dann gegen gewichtige Einwände rechthaberisch zu verteidigen“, sagte Wulff.

Die seit 1948 existierende KMK hat die Aufgabe, bildungs- und kulturpolitische Fragen mit überregionaler Bedeutung zu koordinieren. Die Zuständigkeit für Schulen, Hochschulen und Forschung liegt nach dem Grundgesetz bei den Bundesländern.

Artikel erschienen am Sa, 25. September 2004

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DS
25.09.2004 11.50
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Welt newsticker

KMK-Präsidentin kritisiert Ausstieg Niedersachsens

Mainz (dpa) – Mit heftiger Kritik hat die Präsidentin der Kultusministerkonferenz, Doris Ahnen, auf den angekündigten Ausstieg Niedersachsens reagiert. Eine Abstimmung in der Bildungspolitik sei zwischen den Ländern unabdingbar, so Ahnen. Kritik äußerten auch die Lehrergewerkschaft GEW und Berlins Kultursenator Thomas Flierl. Niedersachsens Regierungschef Christian Wulff hatte angekündigt, aus der Konferenz auszusteigen. Er will neu verhandeln, um das Gremium effizienter und offener zu machen.

erschienen am 25.09.2004 um 13:07 Uhr
© WELT.de

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Norbert Lindenthal
01.09.2004 18.22
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Die Welt

Mittwoch, 1. September 2004 Berlin, 20:19 Uhr

Politik Deutschland

Bulmahn: Duden soll künftig wieder Rechtschreibung normieren

von Joachim Peter

Berlin -  Bundesbildungsministerin Edelgard Bulmahn (SPD) hat sich erstmals in die Debatte um die Rechtschreibreform eingeschaltet und für Änderungen an der neuen Rechtschreibung plädiert. „Sprache verändert sich. Die neue Rechtschreibung sollte man daher nicht in Beton gießen“, sagte die Ministerin vor Journalisten in Berlin. Außerdem sprach sie sich dafür aus, dass „der Duden die Normierung künftig wieder vornehmen“ solle. Bislang hatte die Bundesministerin stets betont, die Frage der Rechtschreibung sei Sache der Länder und der dafür eingesetzten Zwischenstaatlichen Kommission.

Der Vorstoß Bulmahns stieß jedoch seitens der Opposition auf Kritik „Ich habe alles andere als ein gutes Gefühl, wenn wir dem Duden die alleinige Rechtschreibungshoheit wieder zurückgeben und damit ein marktwirtschaftliches Element über Sprache entscheiden lassen“, sagte FDP-Bildungsexpertin Ulrike Flach der WELT. Vielmehr hege sie eine „gewisse Sympathie“ für die jüngsten Vorschläge der Akademie für Sprache und Dichtung.

Diese hatte am Montag die Einsetzung eines Expertenrates für Rechtschreibung gefordert, der seine Vorschläge für einen Kompromiss bis zum Ende der bisher festgelegten Übergangszeit zur endgültigen Einführung der neuen Rechtschreibregeln im August 2005 ausarbeiten sollte. Die Akademie schlug ferner vor, den Stichtag für den Übergang zur neuen Rechtschreibung um ein Jahr zu verlängern. „Wir werden die neue Rechtschreibung nicht völlig abschaffen können, weil dazu die politischen Mehrheiten fehlen“ sagte Flach. Der Vorstoß der Akademie wurde auch von Kulturstaatsministerin Christina Weiss (parteilos) positiv aufgenommen. „Der Vorschlag ist klug“, sagte sie der dpa. Die Regierungschefs der Länder sollten sich daher erneut zu Beratungen zusammensetzen.

Artikel erschienen am Do, 2. September 2004

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Norbert Lindenthal
01.09.2004 18.13
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Re: Die Welt

Zitat:
insgesamt 32385 Stimmen abgegeben

Hoffentlich stimmt die Zahl! In welchem Zeitraum? Hat schon jemand herausgefunden, ob diese Abstimmung manipuliert werden kann? Auf den ersten Blick scheint sie eher technisch ganz gut zu sein. Vielleicht gibt es mal ein Technikergespräch, so daß wissenschaftlich einwandfreie Bedingungen entstehen?

Wer aus der Runde würde mitmachen?
__________________
Norbert Lindenthal

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Norbert Lindenthal
01.09.2004 17.51
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Die Welt



Welt.de-Umfrage

 
  Bevorzugen Sie die klassische oder die neue Rechtschreibung?
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Bevorzugen Sie die klassische oder die neue Rechtschreibung?



66.7 %Klassische Rechtschreibung
26.7 %Neue Rechtschreibung
6.6 %Ist mir egal
insgesamt 32385 Stimmen abgegeben

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Norbert Lindenthal
01.09.2004 17.46
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Die Welt

Mittwoch, 1. September 2004 Berlin, 19:41 Uhr

Hoffen auf den Cheney-Effekt

Pünktlich zum Parteitag der Demokraten haben Amerikas Schriftsteller ein Lexikon der Post-Bush-Ära vorgelegt

von Wieland Freund

Lexika verwalten die Vergangenheit, und sei es die unmittelbare, Veraltung ist ihr Schicksal. Irgendwann wird die „Mantille“, ein „leichter Frauenmantel, 19. Jhd.“, aus dem „Kleinen Brockhaus“ verschwinden, und die Handwörterbücher werden auf den „Schloßvogt“ verzichten – die Rechtschreibreform hat der Gute schon nicht mehr mitgemacht. Wörterbücher der Zukunft hingegen gibt es gemeinhin nicht – außer bei George Orwell und im amerikanischen Präsidentschaftswahlkampf.

Pünktlich zum Parteitag der Republikaner in New York nämlich hat sich die überwältigende Mehrheit bekannter amerikanischer Schriftsteller zusammen getan zum lexikalisch anspruchsvollsten Projekt des Bush-Bashing. „The Future Dictionary of America“, im unabhängigen McSweeneys-Verlag von Jonathan Safran Foer, Nicole Krauss und McSweeney's-Macher und -Finanzier Dave Eggers herausgegeben, verzeichnet jene Begriffe, die eine lange vergangene Ära Bush den Amerikanern hinterlassen hat. Aus „okay“ ist in der utopischen Zukunft des Jahres 2034 beispielsweise „blowkay“ geworden, ein Adjektiv wie es für einen beliebigen neuen Seantor Rhode Islands Anwendung findet. Der sei, so besagt der Beispielsatz, zwar ein Schürzenjäger, aber so lange er nicht Tausende Amerikaner unter falschen Voraussetzungen in einen Krieg schicke, sei das schon „blowkay“. Als „rumsfeld“ hingegen wird in 30 Jahren, Beiträger Kurt Vonnegut zufolge, jemand bezeichnet werden, der „casualties“, Unfallverluste, verdauen könne.

Die Liste der Beiträger ist so lang wie prominent, einen namhaften amerikanischen Schriftsteller auf Seiten Bushs müsste man ohnehin suchen wie die Stecknadel im Heuhaufen. Unter anderen haben Donald Antrim, T.C. Boyle, Michael Chabon, Jonathan Franzen, Glen David Gold, Stephen King, Joyce Carol Oates, Richard Powers und Colson Whitehead Einträge geliefert, auf der beigelegten CD, „The Future Soundtrack of America“, musizieren David Byrne, R.E.M. oder Tom Waits. Beinahe 200 Autoren hat das Projekt versammelt, viele von ihnen waren schon zuvor, etwa im März bei der New Yorker Spendenlesung der Organisation „Downtown for Democracy“, als Anti-Bush-Aktivisten hervorgetreten. Jeder Cent der Erlöse des Lexikons, so lässt McSweeney's verlauten, komme „fortschrittlichen Organisationen“ zugute, die „für die Wahl 2004“ arbeiteten.

Zusammen schreibt dieses Who is Who der US-Literatur Satire oder macht einfach Quatsch, wird beleidigend, sieht schwarz oder rosarot – ein überdimensioniertes „rat pack“ in gar nicht goldenen Zeiten. Für die meisten der Beiträger ist Richard Nixon ein Kindheits- oder Jugendtrauma und Nixon gegen Bush ein Waisenknabe. Dementsprechend geht es zur Sache. Paul Auster definiert „bush“ nur scheinbar botanisch als „giftige Familie der Sträucher, mittlerweile ausgestorben“, dem Eintrag „dubyavirus“ („aggressiv invasive, tragisch weit verbreitete Krankheit“) lässt sich entnehmen, dass George W. Bush irgendwann zwischen 2004 und '34 als Kriegsverbrecher der Prozess gemacht wurde.

Nicht umsonst sind hier Schriftsteller am Werk, hinter vielen Einträgen verbirgt sich eine, gar nicht selten hoffnungsfrohe Geschichte. Robert Coover beispielsweise hat den Begriff „ashcrofted“ geprägt, der auf solche Politiker Anwendung findet, die „auf Grund religiöser Wahnvorstellungen“ für ein öffentliches Amt nicht länger geeignet sind und deshalb aus demselben entfernt werden. Und Jeffrey Eugenides scheint sich gar ein Happy End noch während der Amtszeit George Bushs vorstellen zu können. Als „Cheney-Effekt“ beschreibt er eine „Persönlichkeitsveränderung infolge einer Organtransplantation, üblicherweise des Herzens“.

Hoffen auf den Cheney-Effekt (2)

Wer jedoch glaubt, hier schon das Triumphgeheul der Pro-Kerry-Aktivisten zu hören, irrt. Immerhin verzeichnet das „Future Dictionary of America“ keineswegs die Neologismen des Jahres 2005, das George W. Bush bereits allein das texanische Unterholz bekämpfend auf seiner Ranch in Crawford verbracht hat. Nein, 2034 ist lang hin, und die Zuversicht der Beiträger ist eine andere – sie gilt der ältesten Demokratie der Welt. Länger als acht Jahre saß schließlich nur Franklin Delano Roosevelt im Oval Office, übrigens ein Demokrat. Alles also hat ein Ende – wo gewählt wird, eher früher als später –, und wenn es um die Wurst geht wie bald an den Urnen: die hat gleich zwei.

Artikel erschienen am Do, 2. September 2004

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Dominik Schumacher
24.08.2004 18.52
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Welt

Dienstag, 24. August 2004 Berlin, 20:49 Uhr

Politik Deutschland

Das Buch der Verwirrung

Der neue Duden zwischen klassischer und neuer Rechtschreibung

von Dankwart Guratzsch

Frankfurt/Main  -  In manchen Buchhandlungen war er unter der Hand schon seit einigen Tagen zu bekommen. Heute wird er in Mannheim offiziell vorgestellt: der neue Duden. Selten in der Geschichte dieses Standardwerkes ist die Edition schon im Voraus so umstritten gewesen wie jetzt. Denn die Neuauflage macht die Verwirrung komplett. Obwohl das Nachschlagewerk in neuer Rechtschreibung erscheint, enthält es schon wieder ungezählte neue Schreibvarianten und verbindliche Neuschreibungen, mit denen die neue Rechtschreibung ein weiteres Mal verbessert werden soll.

Viele dieser Neuschreibungen erlauben die Rückkehr zu klassischen Schreibweisen, andere führen völlig neue Varianten ein. Und in dieser Form soll die neue Rechtschreibung im Sommer 2005 verbindlich werden. Schüler, die diese Reform der Reform dann nicht beherrschen, bekommen jedes falsch geschriebene Wort als Fehler angestrichen.

Schon im Frühjahr hatte der Erlanger Sprachwissenschaftler Theodor Ickler vorausgesagt, dass die neuerliche „Reform der Reform“ etwa 3000 bisher nicht gestattete Schreibweisen betrifft. Die Zahl hatte Ickler aus einer Wörterliste für den Buchstaben „D“ ermittelt, in der die geplanten Änderungen exemplarisch vorgeführt worden waren. Icklers Zählung hatten sowohl die Kultusminister als auch die Mitglieder der Mannheimer Zwischenstaatlichen Kommission für deutsche Rechtschreibung heftig widersprochen und unterstrichen, es handle sich überwiegend nur um „Präzisierungen und Ergänzungen“. Kein einziges Buch müsse neu gedruckt werden.

Nun liegt mit dem Duden bereits das erste neu gedruckte Buch vor und stößt die Beschwichtigungsversuche über den Haufen. Der Erlanger Wirtschaftswissenschaftler Christian Dörner hat den Neududen durchforstet und kommt zu der Einschätzung, dass noch „weit mehr als 3000 Schreibweisen neu zugelassen und verbindlich vorgeschrieben worden sind“. In akribischer Untersuchung musste er feststellen, dass nicht einmal der Duden selbst die neuen Schreibweisen durchgängig anwendet, die in den beigegebenen Regeln dekretiert werden (siehe nebenstehende Beispiele).

Da sich die mehreren Tausend neuen Schreibweisen bislang auf dieses eine Wörterbuch beschränken, wird es immer fraglicher, ob der Einführungstermin Sommer 2005 für die neue Neuschreibung gehalten werden kann. Es kommt hinzu, dass schon jetzt von weiteren Änderungen und Anpassungen die Rede ist, die ein Rat für deutsche Rechtschreibung vornehmen soll, den die Kultusminister im September berufen wollen.

Möglicherweise ist dies auch der Grund dafür, dass andere Wörterbuchverlage mit dem Druck von Neuauflagen zögern. Andererseits zeichnet sich als immer unausweichlicher ab, dass sämtliche Wörterbücher neu gedruckt werden müssen, weil die im Duden wiedergegebenen Regeländerungen dies erzwingen.

Inzwischen beginnt sich auch in Österreich und der Schweiz der Widerstand von unten gegen die Reform zu formieren. Als erste österreichische Zeitungen kehren das Massenblatt „Kronen Zeitung“ und das Magazin „News“ zur klassischen Rechtschreibung zurück. SPÖ-Chef Alfred Gusenbauer sieht „keinen Sinn“ in den neuen Schreibregeln und bemerkt amüsiert: " Wozu, bitte, brauchen wir etwas, das niemand haben will und an das sich niemand hält?“

In der Schweiz haben die renommierten Schweizer Monatshefte die Kehrtwende vollzogen, nach dem sie schon im November 2003 ein ganzes Themenheft dem „Fehlkonzept Rechtschreibreform“ gewidmet hatten.

Artikel erschienen am Mi, 25. August 2004

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Norbert Lindenthal
21.08.2004 20.48
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Welt am Sonntag

Ausgabe vom Sonntag, den 22.08.2004

Politik

Die Schlacht der Worte
Die Woche im Landtag
von Peter Lamprecht

Der Dialog der führenden Landespolitiker gewinnt nach der allmählich endenden Sommerpause an Frische und Schärfe, vorsichtig ausgedrückt. Bis zum Wahltag im Mai droht die Schlacht der Worte. Oder wie würden Sie es nennen, wenn SPD-Ministerpräsident Peer Steinbrück die wechselnde Haltung seines CDU-Kontrahenten Jürgen Rüttgers zu den Hartz IV-Gesetzen so karikiert: „Er liegt in der Furche. Und dann entdeckt er plötzlich die Mutter Teresa in sich.“ Er hoffe, sagte Steinbrück weiter, dass in den nächsten Wochen „Konzeptionslosigkeit und Flügelkämpfe in der CDU noch kommuniziert werden“. Rüttgers konterte umgehend: „Sein heutiger Auftritt ist eine Mischung aus Schönfärberei, was die Lage von Deutschland und NRW angeht, mangelnder Lernfähigkeit, was die Rechtschreibreform betrifft, und sozialer Kälte gegenüber menschlichen Schicksalen, wenn er über Hartz IV spricht.“ Dazu hatte Steinbrück gesagt: „Manchmal muss die Politik stehen.“ Schauen wir mal, wie sie bis Dezember steht.

Auch der Bundespräsident ist standhaft. Horst Köhler folgt dem Beispiel seiner Vorgänger und wird Schirmherr des Stifterverbandes für die Deutsche Wissenschaft in Essen. Mit Verbands-Präsident Arend Oetker und Generalsekretär Manfred Erhardt hat er für das erste Treffen ein heißes Thema verabredet: die Diskrepanz zwischen geistig-kultureller und ökonomisch-technischer Welt, die wachsende Spaltung in den Köpfen. Ein Thema, dem mit Schwerpunkt Ethik auch der Ministerpräsident mit Managern nachspüren will – „bei einem Glas Wein, vielleicht einer Suppe“.

Artikel erschienen am 22. August 2004

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Norbert Lindenthal
21.08.2004 04.00
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Welt

Samstag, 21. August 2004 Berlin, 05:52 Uhr

Literarische Welt

Jetzt wird zurückgeschrieben

Die Rechtschreibreform ist gescheitert. Zeitungsverlage wie der Axel-Springer-Verlag kehren zu den alten Regeln zurück. Acht Schriftsteller schreiben Nachrufe auf eine große deutsche Debatte

von Monika Maron, Peter Schneider, S

[Bild]
Besucher der Frankfurter Buchmesse vor einem Transparent des Duden
Foto: ddp
 
Monika Maron: Den Schriftstellern wird vorgeworfen, sie hätten sich, wenn ihnen die Rechtschreibung denn so heilig sei, früher in die Diskussion einmischen sollen. Aber wahrscheinlich ging es vielen ähnlich wie mir und die angekündigte Rechtschreibreform kam ihnen nicht sonderlich gefährlich vor. Dass statt daß und Be-cken statt Bek-ken und die eine oder andere Kommaregel; solange sie das Semikolon nicht abschaffen, dachte ich, und solange sie den Substantiven ihre Großbuchstaben nicht rauben, was der Eliminierung des „Sie“ in den Umgangsformen gleichgekommen wäre, solange werde ich mit dieser Reform leben und schreiben können, dachte ich. Bis ich mein erstes reformiertes Manuskript zu korrigieren hatte, das mir in einer gemäßigten S. Fischer-Rechtschreibversion vorlag. Es war eine Sammlung älterer und neuerer Texte. Die älteren blieben, wie sie waren, die neueren wurden transformiert und in einem der transformierten fand ich den Satz: „Egal, was E. sagt, mir tun die Männer Leid“ und das war genau das Gegenteil von dem, was ich hatte sagen wollen. Ich wollte sagen, dass ich die Männer bedauere, und nun stand da, dass die Männer mir ein Leid antun. Es fand sich noch eine Reihe anderer, mittlerweile viel zitierter Grausamkeiten, die ausreichten, mich zu einer bekennenden Gegnerin der Rechtschreibreform zu machen und denen, die sie angerichtet hatten – ganz offensichtlich Menschen, die weder Gefühl für die Sprache hatten, noch Respekt vor ihr – das Recht, sich an ihr zu vergreifen, rundum abzusprechen. Denn ihre Beteuerungen, nur am Kleid der Sprache, nicht aber an ihrem Fleisch herum geschnitten zu haben, bewies nur, dass sie nicht einmal verstanden, was sie taten. Jetzt zu behaupten, die Gegner hätten früher protestieren müssen, zeugt von nicht geringer Ignoranz. Die Schriftsteller haben sich der Reform zum großen Teil verweigert und ihre Bücher in herkömmlicher Schreibweise erscheinen lassen, Wissenschaftler und Journalisten haben interveniert, aber die Sprache war ins Getriebe der Bürokratie geraten, der Kultusbeamten und einem Teil der Lehrerschaft, der offenbar meint, wenn Fehlerquellen beseitigt sind (was ja wohl nicht einmal der Fall ist), hätten sie besser unterrichtet oder wären die Kinder nun klüger. Und wenn sich unter den älteren Schülern jetzt der Slogan von den „erwachsenen Legasthenikern“, die zu blöd seien, neue Regeln zu lernen, ausbreitet, lässt das befürchten, dass man ihnen nicht nur die Orthographie nicht hat beibringen können, sondern offenbar auch jede Sprachempfindlichkeit abtrainiert hat.

Jetzt, da einige große Verlage und Zeitungen ihre Macht gebrauchen, um den Countdown abzubrechen, wird ihnen vorgehalten, sie boykottierten ohne Legitimation die Arbeit demokratisch gewählter Institutionen. Aber wer wurde demokratisch gewählt, um diesen Unfug mit dem „Leid“ zu verzapfen? Eine demokratische Wahl berechtigt nicht zur Amtsanmaßung.

Der hemmungslose Trieb der Bürokratie zu beherrschen, was sie bedienen sollte, wird ausgerechnet bei der Rechtschreibung zum Skandalon, weil sie alle betrifft, während der alltägliche bürokratische Irrsinn nur von den jeweils attackierten Gruppen wahrgenommen wird.

Es ist ganz gleichgültig, welche Partei wir wählen, den sich selbst als Sinn genügenden bürokratischen Apparat wählen wir immer mit. Aber wie wehrt man sich gegen etwas, das von Natur aus so machtgierig ist, das in jeden Spalt, jeden Riss im noch unreglementierten öffentlichen Leben hemmungslos hineinwuchert, das aber nicht abwählbar ist? Man kann es nur boykottieren, wenn man kann. Und diesmal können wir.

[Seite 2]
Monika Maron lebt in Berlin. Zuletzt erschien „Geburtsort Berlin“ mit Fotos von Jonas Maron bei S. Fischer.

Helmut Krausser : Das entscheidende Argument gegen die Rechtschreibreform ist, dass ich dagegen bin. Außerdem ist Schröder für die Reform. Das sind schon zwei entscheidende Argumente. „Wir brauchen unser ph!“ lautete übrigens der letzte schwach gequiekte Satz der eben an Floridas Küste aus Protest gegen die Reform Selbstmord durch Zwangseinschläferung verübt habenden Delfine. Wessen Herz wäre roh genug, sich diesem letzten Willen zu widersetzen?

Helmut Krausser lebt in München. Zuletzt erschien seine Geschichte „Die wilden Hunde von Pompeji“ bei Rowohlt.

Peter Schneider: Es ist schon merkwürdig, dass jetzt Großverlage darüber befinden wollen, wie wir recht zu schreiben haben. Wenn Axel Springer, „Spiegel“ und „Süddeutsche Zeitung“ ankündigen, dass sie zur alten Rechtschreibung zurückkehren werden, ist damit das Bedürfnis nach einer Reform ja nicht erledigt. Die Reform, die jetzt bekämpft wird, war in mancher Hinsicht unglücklich, hat aber auch sinnvolle Neuerungen gebracht. Jetzt werden wir zwei oder drei Jahrzehnte lang keine einheitliche Rechtschreibung haben. Aber ist das so schlimm? Ich wundere mich über manche meiner Kollegen, die so tun, als sei das deutsche Volk mit der alten Rechtschreibung auf die Welt gekommen. So wie die Sprache sich bewegt – falls sie lebendig ist – muss sich selbstverständlich auch ihre Schreibung bewegen. Es ist unsinnig, die bisher gültige Orthografie„klassisch“ zu nennen, wie es im gegenwärtigen Streit oft geschieht. Man muss sich im Übrigen nur einmal meine Originalmanuskripte und die meiner Kollegen im Zustand vor der Lektorierung anschauen. Dann wird man es doch zweifelhaft finden, dass deutsche Schriftsteller sich als orthodoxe Rechtschreib-Päpste aufführen. Auch die alte Rechtschreibung enthält Regeln, die jeden Menschenverstand kränken. Es ist widersinnig, etwas als „Kulturgut“ zu verteidigen und konservieren zu wollen, was so dem Wandel unterliegt wie die Rechtschreibung. In den Briefen des jungen Schiller etwa an seine Geliebte Charlotte finden sich oft zwei, ja drei Schreibungen für ein Wort. Unser literarisches Erbe hängt natürlich nicht an einer einheitlichen Orthografie. Darf man eigentlich noch daran erinnern, dass die Gebrüder Grimm – wie Österreich und die Schweiz zu Beginn der Reformdebatte – noch für die Kleinschreibung eingetreten sind? Wir Deutschen haben ein fundamentalistisches Verhältnis zur Rechtschreibung. In keinem anderen Land der Welt spielt sie in der Schule eine so Erfolg bedingende oder auch Erfolg verhindernde Rolle wie in Deutschland. Deshalb ist es jetzt auch ein erhebliches Problem, dass bald in den gedruckten Massenmedien anders geschrieben als in den Schulen gelehrt wird. Ich kann nur hoffen, dass dem mit einer gewissen Lässigkeit und Gelassenheit begegnet wird. Ich sehe keine Möglichkeit, wie in absehbarer Zukunft eine einheitliche Rechtschreibung durchgesetzt werden soll. Müssen wir Deutsche uns also wieder einmal auf die Suche nach unserer Identität begeben? Falls wir sie in der Rechtschreibung suchen, werden wir nicht fündig werden.

Peter Schneider lebt in Berlin. Zuletzt erschien der Erzählungsband „Das Fest der Missverständnisse“ bei Rowohlt.

[Seite 3]
Frank Goosen: Rechtschreibreform ja oder nein? Und wenn ja, welche? Die von neulich oder die von 1901? Oder doch wieder wie zu Goethes Zeiten, als sogar der Meister so schrieb, wie es ihm die Stimmung eingab? Ich gebe zu, ich bin hin und her gerissen, also manchmal geneigt, die ganze Diskussion mit einem indignierten Seufzer „Hach, diese Streiterei ist mir zu deutsch!“ vom Tisch zu fegen, dann wieder wild entschlossen auch fürderhin „wohlverdienter Urlaub“ statt „wohl verdienter Urlaub“ zu schreiben, und „leid“ nach „es tut mir“ sowieso klein. Andererseits verwende ich seit ein paar Jahren begeistert „dass“ statt „daß", sehe allgemein nicht ein, wieso nach kurzen Vokalen das "ß" stehen soll und trenne lustvoll s von t. Gut, „Flussschifffahrt“ sieht richtig blöd aus, kommt aber auch nur selten vor. Mittlerweile gibt es aber schon Fotografie statt Photographie und niemand regt sich auf. Also: Grausamkeiten wie die zwanghafte Getrenntschreibung kassieren, ansonsten weiter wie zuletzt. Und vor allem: nie wieder eine Kommission zur Rechtschreibreform! Manchmal muss man Sprache einfach machen lassen.

Frank Goosen lebt in Bochum. Zuletzt erschien sein Geschichtenband „Mein Ich und sein Leben“ bei Eichborn.

Burkhard Spinnen: Zur Rechtschreibreform hatte ich nie eine besondere Meinung. Ich hielt sie nicht für lebenswichtig. Auch fühlte ich mich nicht gar so zuständig: Meine Arbeit gilt eher dem rechten Schreiben als dem Rechtschreiben. Auch jetzt beziehe ich ungern Stellung. Lieber grabe ich mir zu meinem Schutz ein Sommerloch. Und winke daraus mit einer weißen Fahne, auf der auch keine Meinung, sondern ein kleiner Hinweis geschrieben steht: Die neuen Regeln werden, so höre ich, „nicht angenommen“. Waren denn die alten jemals „angenommen“? Gut rechtschreiben hieß doch nie, alle Schreibweisen zu kennen. Bei der Fülle des Unregelmäßigen hieß es vielmehr, möglichst oft und an der richtigen Stelle nachzuschlagen. Ich habe früher wissenschaftliche Texte redigiert. Da erfuhr ich schnell, was ich alles nicht wusste oder immer wieder vergaß! Nie aber war das Nachschlagen so einfach wie heute. Wer in Richtung Veröffentlichung schreibt, tut das am PC, wo im Hintergrund die Korrekturprogramme laufen. Und der Duden steht nicht irgendwo in veralteter Auflage, sondern einen Klick entfernt und brandneu im Netz. – Dies meine kleine weiße Fahne.

Burkhard Spinnen lebt in Münster. Zuletzt erschienen seine Erinnerungen „LegoSteine“ bei Schöffling.

Said: Während in anderen ländern akademien sich mit der sprache befassen, wird hierzulande eine kommission einberufen, deren mitglieder auch vertreter des deutschen beamtenbundes und die der deutschen industrienorm waren. nimmt es wunder, wenn das ergebnis nur halbherzig ist? ich lerne lieber deutsch von hans henny jahnn und franz kafka. zur blütezeit der diskussion um die rechtsschreibreform unterbreitete harald weinrich „Ein(en) Vorschlag zur Güte“: 1. „Scharfes S“ entschärfen. 2. Drei gleiche Konsonanten entzerren. 3. Nur eine einzige Kommaregel beachten. 4. Silbentrennung als unwichtig ansehen. 5. Grenzfalltoleranz üben. dieser vorschlag ist leider im getöse untergegangen. er hätte uns einiges erspart und ist auch heute die optimale lösung.

[Seite 4]
Nun scheint die kostspielige rechtschreibreform tot zu sein. die art, wie sie endlich makulatur wurde, ist angemessen. denn nun hat die öffentlichkeit die entscheidung getroffen. von den scheinreformen hat bislang nur die industrie profitiert. sollten die reform nun zurückgenommen werden, profitiert abermals die industrie davon. opfer sind wieder einmal kinder und lehrer.

Said lebt in München. Zuletzt erschien sein Gesprächsband „In Deutschland leben“ bei C. H. Beck.

Michael Lenz: Frei nach Daniil Charms wird schon so mancher Schriftsteller auf den aus tiefer Überzeugung geäußerten Einwand „Sie haben sich da verschrieben“ geantwortet haben: „Bei mir sieht das immer so aus.“ Poetische Freiheit? Warum nicht ein Orthografiereformer in eigener Sache sein wie anno dazumal Kurt Schwitters, der eine phonetische Schreibung erfand: wie gehört, so geschrieben. Die Frage: „Was soll das denn heißen?“ bekäme ganz neue Qualitäten. Man stelle sich andererseits den jetzt die unsägliche „Zwischenstaatliche Kommission für deutsche Rechtschreibung“ ersetzen sollenden „Rat für deutsche Rechtschreibung“(!) aus lauter Autoren bestehend vor. Da würde die Schrift eitel an die Wand gestellt. Bald schon ginge es um Privatbesitzansprüche am Komma, zum Beispiel. In der Debatte um die neue Rechtschreibreform sind die Schriftsteller am wenigsten brauchbar. Je älter, desto weniger, scheint es. Was eigentlich, wenn eine Schreibung als neu dekretiert worden ist – und dennoch hält sich niemand daran? Die schulischen Konsequenzen zumindest wären eindeutig. Eineindeutig ist ein Begriff aus der Logik. Wäre die Sprache eineindeutig, wären wir alle längst schon tot. Ach so, ja, die Reform: Bleibt zu hoffen, dass der Wiener Kongress eine Modifizierung erzielt. Nachdem das Reformwerk bereits seit Jahren inhaliert wird, wäre eine Rückkehr zur alten Schreibe mittlerweile schon ebenso kommatös. Und dann am besten das Ganze so schnell wie möglich vergessen. Sonst kommt Kurti!

Michael Lenz lebt in Berlin. Zuletzt erschien sein Roman „Liebeserklärung“ bei S. Fischer.

Uwe Tellkamp: Ich bin nicht grundsätzlich gegen Reformen, nur müssen sie durchdacht und notwendig sein. Deshalb bin ich ein entschiedener Gegner der Rechtschreibreform. Diese Angelegenheit, die eigentlich traurig ist, weil sie wieder einmal mehr gezeigt hat, welche Unsinnigkeiten in diesem Land möglich sind, zum Beispiel eben einen über Jahrhunderte gewachsenen Schatz, die eigene Sprache, zum flickbedürftigen Lumpen zu erklären, erinnert mich an einen englischen Witz: Ein Mann kommt aus der Schneiderei und trägt einen Anzug, der hinten und vorne nicht passt, so dass er sich grotesk verrenken muss, um einigermaßen bequem darin gehen zu können. Zwei Passanten sehen ihn, der eine sagt: Der arme Krüppel! Der andere: Aber einen tollen Schneider hat er! Auch in der alten Rechtschreibung gab es Inkonsequenzen. Eine Reform aber, die ganze Bedeutungsvalenzen exekutiert, ist für mich keine. Auch das beliebte Argument, dass die Doppel-s- Schreibung statt des sz beim „Dass“ für Schüler leichter zu verstehen sei, will mir nicht einleuchten, denn die Regeln, wann „das“ mit einem und „dass“ mit zwei „s“ zu schreiben sei, müssen die Schüler ja trotzdem kennen.

Uwe Tellkamp, Bachmannpreisträger 2004, lebt in München. Im Frühjahr erscheint sein Roman „Der Eisvogel“ bei Rowohlt.

von links: Monika Maron, Helmut Krausser, Peter Schneider, Frank Goosen, Burkhard Spinnen, Said, Michael Lenz, Uwe Tellkamp

Artikel erschienen am Sa, 21. August 2004

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Dominik Schumacher
17.08.2004 22.13
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Welt

Mittwoch, 18. August 2004 Berlin, 00:09 Uhr

Politik Deutschland

Die Kultusministerkonferenz hat ein Autoritätsproblem

In der Debatte um die Rechtschreibreform offenbart das Ländergremium große Schwächen – Beschlüsse sind nicht verbindlich

von Joachim Peter

Berlin -  Vergangene Woche kündigte die Braunschweiger Stadtverwaltung an, zur alten Rechtschreibung zurückkehren zu wollen. Obwohl dieser Vorgang eine wirklich große Kuriosität der deutschen Bildungsgeschichte offen legte, blieb er weit gehend unbeachtet: Da beschließt die Kultusministerkonferenz (KMK) im Juni die verbindliche Einführung der neuen Rechtschreibung zum 1. August 2005. Doch schon wenige Tage nach Beschlussfassung nimmt sich eine staatliche Behörde das Recht heraus, zur alten Schreibweise zurückzukehren. Wie funktioniert so etwas?

Eine Antwort auf diese Frage ist rasch gefunden: Die KMK hat ein grundsätzliches Autoritätsproblem, weil ihre Beschlüsse nicht die Rechtswirkung eines Verfassungsorgans haben, sondern reine Absichtserklärungen sind. Um ihnen Rechtscharakter zu verleihen, ist ein Staatsvertrag notwendig oder eine Mehrheit in den jeweiligen Landesparlamenten. Manch einer – wie etwa FDP-Chef Guido Westerwelle – stellt dieser Tage sogar lauthals die Zukunft der KMK als Gremium zur gemeinsamen Bildungsplanung der Länder infrage. Bei den Kultusministern sorgt das für Empörung. Doch birgt gerade die Debatte um die Rechtschreibung viel Munition für die KMK-Kritiker.

Noch vor kurzem, als das Bundesverfassungsgericht den Rechtsstreit um die Juniorprofessur zu Gunsten der Länder entschied, herrschte eitel Sonnenschein in den Reihen der Kultus- und Wissenschaftsminister, die das Votum ganz politisch als Sieg über den Bund und dessen Einmischungsversuche in die Bildungsplanung der Länder interpretierten. „Wir sind von der historischen Qualität des Urteils überzeugt“, sagte Wissenschaftsminister Thomas Goppel (CSU). Die KMK sah sich durch das Urteil als Institution gestärkt. Nun aber macht sich plötzlich Katerstimmung breit, weil man das Thema Rechtschreibung nicht in den Griff bekommt. Dem einstimmigen Beschluss der Kultusminister steht die Mehrheit der Deutschen gegenüber, die Umfragen zufolge eine Rückkehr zur alten Schreibweise sehnlichst wünschen.

„Rein in die Kartoffeln, raus aus den Kartoffeln – das hilft niemandem“, warnt indes Brandenburgs Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD). Die Mehrheit der Minister innerhalb der KMK argumentiert ähnlich, ihre Einstimmigkeit, für einen Beschluss des Gremiums stets erforderlich, ist jedoch längst gekippt. So wollen Niedersachsen und das Saarland zur alten Schreibung zurückkehren, was die KMK nun in gehörigen Zugzwang bringt. Ein Kompromiss könnte die vom Saarland vorgeschlagene Aufhebung der Stichtagsregelung sein, doch dazu brauchte man wiederum ein einhelliges Votum. Die Zukunft der Rechtschreibung steht also in den Sternen. „Eine Prognose zu geben, wie es mit der Rechtschreibreform weitergehen soll, traue ich mir nicht mehr zu“, sagte ein erfahrener Bildungsfunktionär, der für seine gute Beobachtungsgabe bekannt ist, der WELT.

Die KMK gibt es nun schon seit 1948. Die Stellung als Ersatz-Bundeskultusministerium erhielt sie nie. Immer wieder entzündeten sich Debatten um das Gremium und seine schwerfällige Beschlussmodalität. Die meiste Zeit überschatteten aber bildungspolitische, ideologiegeladene Grabenkämpfe die Arbeit der Bildungsminister. Heute beschäftigt die KMK rund 250 Mitarbeiter; sie hat sich zu einer richtigen Behörde entwickelt mit Generalsekretär, Abteilungsleitern und einem Pressestab mit Sitz in Bonn und Berlin. In jüngster Vergangenheit wartete sie mit positiven Schlagzeilen auf: Mit der Einführung von national verbindlichen Bildungsstandards und der Gründung einer Qualitätsagentur für das Bildungssystem sorgte die früher häufig als Kaffeekränzchen titulierte KMK für tatkräftige Antworten auf die deutsche Bildungskatastrophe. Nur mit einer Selbstreform wird sie diese positive Entwicklung fortsetzen können.

Artikel erschienen am Mi, 18. August 2004

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Norbert Lindenthal
16.08.2004 20.56
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Welt

Montag, 16. August 2004 Berlin, 22:53 Uhr

Kultur

Abgeben nach unten

KMK abschaffen

von Konrad Adam

Schwer zu sagen, ob die Kultusministerkonferenz, die berüchtigte KMK, jemals Freunde besessen hat. Feinde dagegen hat und hatte sie genug. Zu denen haben sich nun auch Guido Westerwelle und Christoph Böhr gesellt, der stellvertretende CDU-Vorsitzende. Bei Guido, dem politischen Exhibitionisten, wundert das nicht; bei Christoph Böhr, der sich mit öffentlichen Bekenntnissen über seine persönlichen Vorlieben oder Animositäten bislang zurückgehalten hatte, dagegen schon.

Den Anlass, sich zu outen, hat Böhr selbst genannt. Es ist die gut orchestrierte Empörung über die missratene Rechtschreibreform, die es ihm opportun erscheinen ließ, die Abschaffung der KMK zu fordern. Das Mobbing ist eben nicht nur im Betrieb, sondern auch in der Politik beliebt.

Wenn nun die KMK verschwinden soll: Was wird, was kann an ihre Stelle treten? Wohin würden die Zuständigkeiten, die man ihr abnehmen möchte, schließlich wandern: nach unten, an die Schulen, die Museen und die Universitäten, oder nach oben, nach Berlin, in die Hände von Edelgard Bulmahn und ihrer Ministerialbürokratie? Wer die Gelüste dieser Frau, die Geschichte ihrer Partei und den Gang der Bildungsdiskussion in Deutschland kennt, braucht nach der Antwort nicht lang zu suchen.

Natürlich nach oben. Vor 30 Jahren war man ja schon einmal fast so weit. Hätte der Bund damals die Kompetenz in Bildungsdingen erhalten: wie stünde das Land heute da? Das Schuleintrittsalter wäre auf sieben Jahre zurückverlegt, die Sonderschule wäre abgeschafft und die Gesamtschule als einziges Modell flächendeckend vorgeschrieben worden: dreimal Fortschritt von gestern.

Die Vorstellung genügt, um zu erkennen, dass die Auflösung der KMK nichts bringen würde; zumindest dann nicht, wenn ihre Kompetenzen nach oben abgegeben würden und nicht nach unten. Zentralisierung ist generell ein wenig aussichtsreiches Rezept, und nirgends aussichtloser als in der Kultur- und Bildungspolitik.

Wie glänzend stünde die KMK heute da, wenn sie der Versuchung widerstanden und die Rechtschreibung dorthin delegiert hätte, wo sie hingehört: ganz weit nach unten also, in die Hände der Bürger.

Artikel erschienen am Di, 17. August 2004

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Norbert Lindenthal
16.08.2004 20.51
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Welt

Ausgabe vom Sonntag, den 15.08.2004

Politik

Stoibers Vorschläge im Wortlaut

von Friedemann Weckbach-Mara

-Rechtschreibung: „Ich habe das zum Thema auf der Sitzung der Ministerpräsidenten vom 6. bis 8. Oktober gemacht. Spätestens seit der Entscheidung der großen Verlagshäuser sind die bisherigen Beschlüsse zur Rechtschreibreform gescheitert. Die Politik muss bis Mitte 2005 einen Kompromiss finden. Man sollte bewährte Elemente der neuen Rechtschreibung belassen und ansonsten zur klassischen Rechtschreibung zurückkehren.“

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