delphinschwimmende, delfinschwimmende, Delphin schwimmende und Delfin schwimmende
RP Online Rheinische Post, Sprache | jsub:pinio::/kunst_kultur/sprache>26.08.06 | 23:17 Uhr
Recherchieren? Korrektur lesen?
von RPostwendend | Hamminkeln |
Beim Thema Rechtschreibung überflüssig?
Wie und was an der Reform der Rechtschreibreform in den Medien herumerklärt und nachgeplappert wird
Als wäre die Verwirrung um (und durch) die Rechtschreibreform nicht schon groß genug, wurden in diesen Augusttagen diejenigen Zeitungsleser und Internetbesucher, die sich nach dem Wirrwarr der letzten zehn Jahre überhaupt noch für Rechtschreibung interessieren (oder interessieren müssen), mit Falschinformationen und Halbwahrheiten nur so zugeschüttet. Etwa nach dem (nicht erklärten, aber erahnbaren) Motto „Das Thema ist noch einmal aktuell, wir müssen dazu etwas bringen, auch wenn’s inhaltlich nicht stimmt (wer merkt das schon?).“
„Leidiges“ Thema
So fand man bei wdr.de ein Quiz zur Reformreform, bei dem gleich der Einleitungstext mangelnde Recherchen verriet: „Dann heißt es wieder eislaufen statt Eis laufen und leidtun statt Leid tun“ stand dort. Nach „alter“ Rechtschreibung hieß es stets „leid tun“, getrennt geschrieben. Die Reformer verlangten ab 1996 dann „Leid tun“, und zwar nur noch in dieser Großschreibung. Weil mit dieser „Lösung“ aber die deutsche Grammatik schon in arge Bedrängnis und Erklärungsnot kam („wie Leid mir das tut!“), stellte man dieser Möglichkeit 2004 eine weitere zur Seite, nämlich das neue „leidtun“. Beide Schreibweisen galten für zwei Jahre nebeneinander, bis nun dann das große „Leid“ wieder aus dem (Schreib-)Verkehr gezogen wurde – und „leidtun“ alleine übrigblieb. Das „leidtun“ ist somit der Nachfolger des „leid tun“.
Rote Karte für die rote Karte?
Dann wurden die Kleinschreibungen „rote Karte“ („Der Schiedsrichter zeigt die Rote Karte: Hier gilt die Großschreibung, weil Adjektiv und Substantiv einen festen Begriff bilden.“) und „runder Tisch“ als nicht mehr gültig bezeichnet. Dabei sind die Großschreibungen nur als neue, zusätzliche Möglichkeit eingeführt worden. Man darf übrigens auch dann „runder Tisch“ schreiben, wenn der Tisch zwischen den Gesprächsteilnehmern vier Ecken hat.
Die Aussage „Das Essen warmmachen wird künftig wieder zusammengeschrieben“ stimmt so nicht, denn auch die Getrenntschreibung „das Essen warm machen“ gilt weiterhin. Schließlich wurden mit der Aussage „Unsinnige Worttrennungen sind bald tabu“ die Trennungen „Urin-stinkt“ und „Staatsex-amen“ für falsch erklärt, man habe so zu trennen: „Ur-instinkt“ und „Staats-examen“. Wieder ein Irrtum. „Urin-stinkt“ ist nicht falsch, sondern sollte lediglich vermieden werden.
Recherchieren? Nein danke!
Der neue Test zur Reform der Reform bei Focus-Online („So schreibt man jetzt“) erklärte zunächst die wiedereingeführte Zusammenschreibung „übrigbleiben“ für einzig richtig, dabei gilt die Getrenntschreibung „übrig bleiben“ zusätzlich weiterhin. Und auch er zeigte – wie schon wdr.de – der Schreibweise „rote Karte“ die Rote Karte – völlig zu Unrecht.
Bei Stern.de („Ihre Rechtschreibung unter der Lupe“) ging’s zur Abwechslung mal der „gelben Karte“ an den Kragen, ebenfalls ohne Grund, denn auch die existiert weiterhin so – nur eben neuerdings auch als „Gelbe Karte“ (die sollte man den Stern-Redakteuren mal zeigen). Entsprechendes gilt nun auch fürs gelbe/Gelbe Trikot.
Der Bayerische Rundfunk will auf seiner Seite „Wissen & Bildung“ gar den Delphin mit ph für orthographisch ausgestorben erklären; der aber darf auch nach „in neuer Rechtschreibung erstellter Badeordnung“ seinen „ph-Wert“ behalten – und gleichberechtigt neben den jüngeren Delfinen schwimmen. Bei der Europameisterschaft der Schwimmer sah man übrigens delphinschwimmende, delfinschwimmende, Delphin schwimmende und Delfin schwimmende Sportler einträchtig nebeneinander.
Wenn die Grammatik hinzukommt
Bei waz.de, dem Online-Angebot der Westdeutschen Allgemeinen Zeitung, wurde am 1. August eine dpa-Meldung wiedergegeben, die diesen Satz enthielt: „Nach dem Ende des Reformchaos könnten sich die Schulen nun wieder stärker darum kümmern, dass sich verschlechternde Rechtschreibniveau der Schüler zu verbessern.“
„... und die Zeitungs- und Internetredakteure ‚dass’ ihrer Mitarbeiter ebenso“ ist man da hinzuzufügen geneigt. Man kann in Fällen wie diesem zwar nicht eindeutig sagen, ob nun die mangelnden Orthographie- oder eher die unsicheren Grammatikkenntnisse (hier: Verwechslung von Wortarten) ausschlaggebend waren, wie man das z. B. auch bei den Falschschreibungen „du bist Schuld“ und „ich bin es Leid“ nicht kann. Es ist aber eine traurige und unbestreitbare Tatsache: Fehler dieser Art haben sich im Zuge der Reform enorm vermehrt.
Verun“sick“erung
Sogar Bastian Sick, der populäre „Deutschlehrer“ (mit der größten Schülerzahl) geriet vor kurzem in die Fallen der neuen Rechtschreibung. In seinem neuen Zwiebelfisch-Beitrag „Hossa, die Rehform is da!“ war einen Tag lang zu lesen: „So manchem konnte die Verwirrung, die die Reform mit sich brachte, eigentlich nur Recht sein, verschaffte sie ihm doch die Möglichkeit, seine eigenen Schwächen und Unsicherheiten zu dissimulieren.“
Ist nun das große „Recht“ dem kleinen „recht“ sein Ende – wie der Dativ dem Genitiv sein Tod? Die Reformer wollten ursprünglich (1996) in der Tat statt „du hast recht“ nur noch „du hast Recht“ gelten lassen, selbst in den grammatisch höchst fragwürdigen Fällen „du hast vollkommen Recht“ und „wie Recht du hast!“. Seit dem 1. August gilt nun neben der Großschreibung auch wieder die Kleinschreibung. Aber in der Wendung „es kann ihm nur recht sein“ (s.o.) gab es nie etwas anderes als das kleine recht.
Bildungsklick mit Bildungsknick?
Selbst bei Einrichtungen, die sich die „Bildung zum Thema machen“ (so das Portal bildungsklick.de über sich selbst), wird die Verwirrung eher noch gesteigert als abgeschwächt. Da liest man so etwas:
- „Wird das ‚du’ im Brief jetzt groß oder klein geschrieben...?“
Nach neuer Rechtschreibung heißt es längst nicht mehr „groß oder klein geschrieben“, sondern „groß- oder kleingeschrieben“.
- „Wer sich fit machen will in der Reform der Rechtschreibreform wird jetzt im Netz fündig.“
Wer hier aber nach einem Komma zwischen Neben- und Hauptsatz sucht, wird leider nicht fündig. Und dabei ist dieses Komma durchgehend verpflichtend geblieben, im Gegensatz zu vielen seiner Artgenossen, die in den letzen zehn Jahren fast nach Belieben erscheinen oder fehlen durften. Aber Vorsicht: Neue (verschärfte) Einsatzbefehle liegen vor, die Kommas sind wieder im Kommen!
- „Auf insgesamt 106 Seiten bringt es das aktualisierte Regelwerk, das beim Rat für deutsche Rechtschreibung [als PDF-Dokument] herunter geladen werden kann.“
In richtigem Deutsch heißt das, was jüngere Zeitgenossen nur noch als „downgeloadet“ oder „gedownloadet“ kennen (darüber soll der „Rat für denglische Rechtschreibung“ entscheiden), immer noch heruntergeladen zusammengeschrieben.
Falsches RTL-Deutsch – vom Duden toleriert?
In der aktuellen Internet-Ankündigung zu seiner Sendung „Der große Deutsch-Test 2006“ schreibt der Sender RTL: „Hat die ganze Diskussion um Pisa-Studie und Rechtschreibreform die Menschen dazu bewegt, sich intensiver mit ihrer Muttersprache auseinander zu setzten?“
Mal abgesehen von dem offensichtlichen Tippfehler bei „setzten“: Was ist mit der Getrenntschreibung „auseinander zu setzen“? Genau diese ist doch gerade erst, nachdem sie völlig unnötigerweise zehn Jahre lang von den deutschen Schülern so verlangt wurde, wieder gestrichen worden. Ab sofort heißt es nur noch „auseinanderzusetzen“ – wie früher. Hat da der Duden, der bei dieser RTL-Sendung beratend und unterstützend mitwirkt, nicht aufgepaßt? Oder es versäumt, sich rechtzeitig mit den zuständigen Redakteuren von RTL „zusammen zu setzen“?
Eines steht fest: Die Verwirrung geht weiter auch ohne die Medien. Und leider auch in den Schulen – wie ich als Vater eines schulpfllichtigen Kindes immer wieder beobachten kann.
Schade!
|