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taz Die Tageszeitung
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Norbert Lindenthal
21.08.2004 13.26
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Die Tageszeitung



21.8.2004

Zu Sprache kommen

Gegen das Gerede um die Rechtschreibreform, für eine großzügige Sprachidentität: Die Schriftstellerin
Marlene Streeruwitz fordert in einem Manifest Österreichisch als eigene Sprache. In diesem Text erläutert sie, warum

Im Sommerloch. Jedes Jahr. Da werden die eigentlichen Nöte zur Sprache gebracht. Im vorigen Jahr waren es die Ängste der Männer im Feuilleton der FAZ, dass die Frauen es ihnen in den Medien aus der Hand winden. Heuer wirft sich alles gegen die drohende Rechtschreibung in den Sturm. Reich-Ranicki schnippt und alle Autoren und Autorinnen wollen Tollpatsch das zweite l wieder nehmen und nur noch kleinschreiben, dass es ihnen Leid tut.

Eine Debatte in Deutschland. Irrational. Irgendeine Form von Ekel wird da ausgedrückt. An der Rechtschreibung. Ist das gegen Vor-Schriften allgemein. Ist das ein Armdrücken Medien gegen Politik. Kommt das aus dem bizarren Konstrukt Alltagsverstand und möchte nur lesen, wie bei einem Thomas Mann Text ausgesehen hat. Beim ersten Lesen. Ein Fetisch. Der hätte wiederum mit dem Mutterbild zu tun. Aber so tief verborgen, dass es den Verlangern nach Altem und Unverändertem nicht klar werden will. Und dann sind da noch die Reformen davor. Wie steht es damit. Oder ist das Wort „Reform“ als neoliberale Hülse für Niedermachen und Outsourcen so umfassend missbrauchbar, dass das auratische Feuilleton Ministerpräsidenten mitreißen kann. Im Kampf gegen die Reform als Vorschrift. Wird dieses Beispiel Schule machen und damit die Schule nicht mehr erreichen. Und was ist mit den armen Lämmern, die reformiert schreiben können und ab nächstem Jahr dann müssen. Glaubenskriege sind das. Und wie Glaubenskriege immer schöne Möglichkeiten, die Macht neu zu behaupten und zu formieren. Ohne Rücksicht auf Verluste.

Hier. In Österreich. Da wird mitdiskutiert. Da wird mitunterschrieben Auf den Reich-Ranickischen Listen. Da werden absurde Koalitionen eingegangen. Linke AutorInnen auf rechten Feuilletonseiten. Tja. Als poetische Intervention schlage ich da den Ausstieg aus dem Deutschen vor. Österreichisch ist eine eigene Sprache. Und sollte sich so auch selbst behandeln. Das würde eine Erweiterung der Identitäten ergeben. Das würde für die Minderheitensprachen in Österreich die entsprechenden Übersetzungen ergeben. Das würde für das nun vorgeschriebene Deutschlernen von Migranten und Migrantinnen bedeuten, dass sie die Sprache lernen, die sie dann auch sprechen müssen. Vielfalt also. Ein großzügiger Umgang mit der Sprechidentität. Verstehen würden wir einander ja noch lange. Im österreichischen Wörterbuch wären dann die Germanismen verzeichnet und nicht wie jetzt im deutschen Duden nur die Austriazismen. Wie gesagt. Vielfalt und die Nähe zum Sprachgebrauch. Das wäre ein Vorteil für nicht bildungsprivilegierte Schichten. Zu Sprache kommen und dann auch sprechen können.

Der EU gegenüber hat Österreich bisher 23 Vokabeln als österreichisch eintragen lassen. Eine Speisekartenlänge ist das. Pfifferling wird als Eierschwammerl übersetzt. Und alle möglichen Fleischsorten. Mager.

Die Regierung ist natürlich dagegen. Der Bildungssprecher der ÖVP sieht keine Notwendigkeit für Österreichisch als Staatssprache. Ein wunderbarer Widerspruch ist das. Ein Staat ohne Sprache. Zwar sollte man oder frau Schulterschlüsse gegen das böse Ausland schließen, aber das in der Sprache dieses Auslands. Ich denke, das alles kommt aus einer Abwehr dieses Österreichischen. Ich denke, dass alle insgeheim annehmen, dass in diesem Österreichisch das Allerschlimmste verborgen ist und dass das in einer Diskussion zum Vorschein kommen wird. Dass vermutet wird, dass im Österreichischen das Nazidenken zu Hause ist und dass man das nicht zugeben muss, solange man das dann Deutsch nennt. Einmal tritt also die Rechte internationalistisch auf. Quasiinternationalistisch. Haider sieht sich ja ohnehin als der eigentliche Bewahrer des Deutschen an. Des durch keine Schuldeinbekenntnisse reineren Deutschen. Österreichisch ist also vor der Rechten gefeit.

Im Gegenteil. Wenn etwas das Besprechen von Geschichte verhindert hat, dann waren es diese verschiedenen Laden von Deutsch und Österreichisch. Und immer konnten die Inhalte zwischen diesen Laden hin- und hergeschoben werden. Verschoben. Versteckt. Um der hiesigen Verdrängungsbrutalität hinter der hiesigen Harmoniesehnsucht zur Erfüllung zu verhelfen.

Und sonst. Es wäre sozialer. Es wäre vielfältiger. Es wäre politischer. Und es ist eine Intervention. Um aus dieser biestigen, aufgeladenen Rechtschreibreform herauszukommen. Die erledigt doch der Computer.

MARLENE STREERUWITZ

taz Nr. 7441 vom 21.8.2004, Seite 20, 149 Zeilen (Kommentar), MARLENE STREERUWITZ

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Norbert Lindenthal
12.08.2004 07.36
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taz Die Tageszeitung

12.8.2004

Ja zur kleinschreibung sagen:

Elfriede Jelinek, schriftstellerin:

„ich habe das damals gemacht, um die hierarchie der wörter aufzuheben – diese idee, dass ein substantiv mehr wert sein soll als ein verb. das stand natürlich in der tradition der wiener gruppe, und die war wiederum vom dadaismus geprägt.

ich würde es auch heute wieder tun, wenn ich es bei einem text für nötig halten würde.

ich bin davon aber wieder abgekommen, weil ich der meinung bin, dass es nichts bringt und auch die lesbarkeit nicht erleichtert. ich halte deshalb auch nichts davon, es zur regel zu erheben.“

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Detlef Lindenthal
11.08.2004 15.07
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Die taz verläßt die RS„R“

FTD meldet:
>>Die „Tageszeitung“ (taz) kündigte an, dass[!!] Blatt werde an diesem Donnerstag komplett in Kleinschreibung erscheinen. Groß geschrieben werden nur der Satzanfang und Eigennamen. „Diese sanfte Vereinfachung ist weltweit bewährt und kann auch uns Deutschen die Konzentration auf das Wesentliche erleichtern: die Inhalte“, sagte der stellvertretende Chefredakteur Peter Unfried. Die „taz“ ermuntere speziell die Verlage, die die Rückkehr zur alten Rechtschreibung angekündigt oder bereits vollzogen haben, diesem Beispiel
zu folgen. <<

http://www.ftd.de/tm/me/1092171042055.html
__________________
Detlef Lindenthal

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Norbert Lindenthal
09.08.2004 05.50
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taz Die Tageszeitung

9.8.2004

christoph schultheis

Mit Pauken und Trompeten

Die Medienallianz zum Thema Rechtschreibung hinterlässt ein mulmiges Gefühl

Mein Fluchtkoffer ist gepackt. Ich weiß, das ist übertrieben, aber seit an einem 11. September zwei Flugzeuge in zwei New Yorker Hochhäuser flogen, war ich über eine Nachricht nicht mehr so erschüttert wie kürzlich am 6. August etwa zur selben Tageszeit, als Spiegel-Chefredakteur Stefan Aust und Mathias Döpfner, Chef des Axel Springer Verlags, erklärten, die von ihnen verantworteten Printmedien werden dem Beispiel der von Frank Schirrmacher u. a. herausgebenen FAZ folgen und ebenso wie die Süddeutsche Zeitung baldmöglichst zur alten Rechtschreibung zurückkehren. Dass der Vergleich hinkt, weiß ich auch. Dafür kann ich nichts. Es war so. Und es ist nicht so, dass mir an einer wie auch immer gearteten Rechtschreibung sonderlich viel liegt. Womöglich steht der Fluchtkoffer sogar schon länger da, und ich hab mich nur vergewissert, dass das Haltbarkeitsdaten von Notration und Reisepass noch nicht abgelaufen ist, die lange Unterhose noch nicht komplett mottenzerfressen.

Aber der „Paukenschlag“ (Bild) vom 6. August, die Medienallianz in ihrer ausgesprochenen Deutlichkeit also, will mir so schnell nicht aus dem Kopf. „Wir“ haben sie gesagt, „wir“, „wir“, „wir“: „Wenn FAZ, Süddeutsche Zeitung, Spiegel, Welt und Bild einer Meinung sind, dann muß es ein wirklich übergeordnetes Interesse geben. Das ist hier der Fall“, hat Springer-Chef Döpfner dann gestern der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung gesagt. Und es wäre albern, daran zu zweifeln. Der Mathias, der Stefan und der Frank werden schon wissen, was sie tun. Die großen Jungs aus der Nachbarschaft wussten das schließlich auch, wenn sie sich früher manchmal im Geräteschuppen trafen und ihn alsbald rotwangig wieder verließen.

Andererseits: Was Zeitungen und Zeitschriften machen, ist ihre Sache. Solange sie sich dabei an Gesetze, Sitte, Anstand und den Pressekodex halten, können sie machen, was sie wollen – sogar Kampagnen. Und dass die nicht nur aus einseitigen Schlagzeilen und Infos bestehen, ist auch nicht neu: Solange es die DDR gab, schrieb die Springer-Presse sie in „Gänsefüßchen“, 1999 verzichtete die taz für eine Abo-Kampagne mal auf den Buchstaben „z“, dass die Welt 2001 mal ihre Titelseite für eine Werbekampagne hergab und AOL-blau einfärbte, war auch ein Statement zwischen den Zeilen.

Da ist die Entscheidung von Spiegel, Bild, SZ & Co., künftig auf manches Doppel-„s“ zu verzichten, um ihren Unmut über die neue Rechtschreibung vermittels alter Schreibung quasi in jedem Text jedweden Themas in die Welt zu trompeten, ähnlich originell. Bleibt nur die Frage, mit wie viel „f“ ich meine Passage ins Exil nach Übersee im Reisetagebuch notieren werde.

taz Nr. 7430 vom 9.8.2004, Seite 17, 92 Zeilen (Kommentar), Christoph Schultheis

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Norbert Lindenthal
07.08.2004 03.13
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taz Die Tageszeitung

7.8.2004

Nachfolgende Generationen gerettet!
„Bild“ und „Spiegel“ ab sofort in alter Rechtschreibung

HAMBURG dpa Deutschlands größte Boulevardzeitung Bild und das Nachrichtenmagazin Der Spiegel kehren wie alle anderen Publikationen der beiden Verlage Axel Springer und Spiegel zur alten Rechtschreibung zurück. Ziel dieser Maßnahme sei die Wiederherstellung einer einheitlichen deutschen Rechtschreibung, kündigten beide Unternehmen in einer gemeinsamen Erklärung am Freitag an. Die Reform führe zu wachsender Verunsicherung in der Bevölkerung über die Schreibweisen, hieß es zur Begründung. Weiter: „Aus Verantwortung für die nachfolgenden Generationen empfehlen wir auch anderen die Beendigung der staatlich verordneten Legasthenie und die Rückkehr zur klassischen deutschen Rechtschreibung.“

Die technische Umsetzung in den gedruckten sowie den Online-Ausgaben solle „schnellstmöglich“ erfolgen. Die Verlage appellierten an andere Medienunternehmen sowie an die Nachrichtenagenturen, sich diesem Schritt anzuschließen.

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Norbert Lindenthal
07.08.2004 03.10
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taz Die Tageszeitung

7.8.2004

rechtschreibreform

Auf Komma komm raus

Die Mehrheit der Deutschen wisse, dass Reformen unausweichlich seien, schrieb der Schriftsteller Peter Schneider kürzlich im Spiegel. „Aber sobald eine noch so bescheidene Korrektur auf den Weg gebracht wird, zerfällt die eben noch kompakte Mehrheit in lamentierende Lobbys und Interessengruppen, die sich nur in einem einig sind: im Blockieren.“ An solche Sätze muss man denken, liest man die Ankündigung, der Springer Verlag und der Spiegel wollten zur alten Rechtschreibung zurückkehren.

KOMMENTAR
VON DANIEL BAX

Es ist schon erstaunlich: Ausgerechnet die Medien, die seit Wochen die „Reformunfähigkeit“ in Deutschland beklagen und gegen den „Reformstau“ zu Felde ziehen, legen sich jetzt quer. Man könnte auch sagen: Kaum sind sie selbst von einer Reform betroffen, regiert der konservative Reflex. Oder, wie Peter Schneider es formulierte, das Sankt-Florians-Prinzip: Verschon unser Haus, zünd andere an!

Dabei geht es natürlich um weit mehr als nur um die Frage, ob man „Schifffahrt“ künftig mit zwei oder drei f schreibt oder ob man nicht einfach beide Varianten zulässt: Es geht um eine Machtprobe. Man wolle sich nicht von ein paar wild gewordenen Bürokraten die Orthografie diktieren lassen, lautet ein beliebtes Argument der Reformgegner aus allen politischen Lagern. Abgesehen davon, dass dies ein populistischer, antidemokratischer Reflex ist: Möchte man sich die Rechtschreibregeln künftig lieber von dreien der größten Verlagshäuser des Landes diktieren lassen? Denn die wollen jetzt die Reform zu Fall bringen, auf Komma komm raus.

Unverkennbar geht die gemeinsame Initiative von Spiegel und Springer Verlag dabei auf ein Männerbündnis von Springer-Chef Mathias Döpfner und dem Spiegel-Autokraten Stefan Aust zurück, mit FAZ-Chef Frank Schirrmacher in der Rolle des lachenden Dritten: Seine Zeitung ist schon vor Jahren als erste zur alten Rechtschreibung zurückgekehrt.

Das kommt also dabei heraus, wenn sich die mächtigsten Medienmänner des Landes besser verstehen, als es einer demokratischen Öffentlichkeit gut tut. Jubeln können jetzt allenfalls alle Ewiggestrigen: die, die schon aus Prinzip gegen jede Veränderung oder gar Liberalisierung bestehender Regeln sind. Die Leidtragenden sind andere: die Schülerinnen und Schüler, die schon seit Jahren nach den neuen Regeln lesen und schreiben lernen.

taz Nr. 7429 vom 7.8.2004, Seite 1, 81 Zeilen (Kommentar), DANIEL BAX, 

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