Akademie der Künste
Frankfurter Allgemeine Zeitung, 01. Mai 2006
Akademie der Künste
Das Amt und sein Preis
Von Andreas Kilb
Schwere Aufgabe für Klaus Staeck
Diese Akademie mit ihren knapp vierhundert Mitgliedern, von Pina Bausch und Pierre Boulez bis Martin Walser und Wim Wenders was ist sie? Ein Debattierklub? Ein Künstlerverein mit Vereinshaus am Brandenburger Tor? Ein Institut zur Pflege des eigenen Nachlasses?
Das alles ist die Berliner Akademie der Künste gewesen, und sie soll es auch weiter sein, schon deshalb, weil ihr rasant wachsendes Archiv und ihre glanzvolle Geschichte eine eigene Schwerkraft besitzen, ein Gewicht jenseits aller Tagesaktualität. Aber das ist nicht genug, bei weitem nicht. Würde sich die Akademie mit diesen Aufgaben begnügen, könnte sie getrost in ihr altes Domizil am Hanseatenweg im Tiergarten zurückziehen, und die Wahl ihres neuen Präsidenten wäre ein Thema für die Berliner Regionalzeitungen. Aber so ist es nicht, und so wird es auch nie wieder sein.
Der politische Kopf
Daß die Akademiemitglieder ihre neue Lage begriffen haben, zeigt ihre Entscheidung vom vergangenen Samstag. Sie haben den Grafiker und Verleger Klaus Staeck zum Präsidenten gewählt und nicht den Komponisten Udo Zimmermann, der ebenfalls zur Wahl stand; den politischen Kopf, nicht den Künstler. Auch die Filmregisseure Volker Schlöndorff und Frank Beyer sowie der Publizist Friedrich Dieckmann waren im Vorfeld als Kandidaten genannt worden, aber Schlöndorff hatte bereits einige Tage vor der Abstimmung erklärt, er stehe nicht zur Verfügung, weil er lieber in Ruhe seine künstlerische Arbeit machen wolle. Anderen Bewerbern mag es ebenso gegangen sein.
Es spricht für Staecks politische Klugheit, daß er in ersten Äußerungen nach seiner Wahl deren Tragweite kleinzureden versuchte. Man dürfe das Präsidentenamt „nicht mehr so hoch hängen“, erklärte er am Samstag abend und dann noch einmal am nächsten Morgen vor Berliner Journalisten. Der Präsident sei nicht alles, statt dessen komme es darauf an, die verschiedenen Talente und Wünsche in der Akademie „zum Klingen zu bringen“. Und ein „Politruk-Zentrum“ am Pariser Platz werde mit ihm gewiß nicht entstehen, sondern ein Stück öffentlicher Raum, in dem man „Demokratie üben“ könne.
Gegen die Klubhausmentalität
Das hört sich gut an, aber es wird Klaus Staeck dennoch nicht viel helfen. Denn selbstverständlich muß er das Präsidentenamt hoch hängen, so hoch, wie es nur irgend geht damit er mit den natürlichen Verbündeten und Partnern der Akademie, dem Kulturstaatsminister und den Direktoren anderer nationaler und internationaler Kulturinstitute, und ihren unvermeidlichen Widersachern, den Kulturprovinzialisten jeglicher Couleur, auf Augenhöhe verhandeln und ihnen im Streitfall Paroli bieten kann. Staeck wird das Amt des Akademiepräsidenten ganz neu durchsetzen müssen, gegen die Vertreter des Prinzips Hanseatenweg, gegen die Klubhausmentalität jener Mitglieder, denen die eigene Haut näher ist als der öffentliche Raum. Das ist eine ehrbare Haltung, aber sie paßt weder in das neue, verschwenderisch mit Räumen und Perspektiven spielende Akademiegebäude in Blicknähe des Reichstags noch in eine Zeit, in welcher der „Kampf der Kulturen“ kein Schlagwort mehr ist, sondern tägliche, beunruhigende, in vielem noch unbegriffene Realität.
Inwieweit die neue Vizepräsidentin der Akademie, die Westberliner Kulturpolitikerin und Theatergründerin Nele Hertling, Staeck bei seiner Aufgabe unterstützen kann, wird sich zeigen. Sicher ist aber, daß die inhaltliche und personelle Reform, die der frühere Akademiepräsident Adolf Muschg bei seinem plötzlichen Rücktritt im vergangenen Dezember gefordert hat, ausgeblieben ist: Die neuen Direktoren und Vizedirektoren der einzelnen Abteilungen sind zum allergrößten Teil die alten. Es waren diese Hüter und Hüterinnen der Gattungsgrenzen, an denen sich Muschg die Zähne ausgebissen hatte, denen er in seinem Abschiedsbrief Unbeweglichkeit, Partikularismus und intellektuelle Erstarrung vorwarf.
Egoismen der Sektionsleiter
Manches spricht nun dafür, daß es dem mit Ost- und Westzungen redenden, als Jurist, Parteipolitiker und Agitationskünstler sturmerfahrenen Staeck besser als dem Schweizer Schriftsteller Muschg gelingen kann, die Egoismen der Sektionsleiter zu bändigen. Wenn die Akademie bei aktuellen Themen mit dem nötigen Gewicht auftreten, sprich: auf Anlässe wie die Rechtschreibreform oder den Karikaturenstreit intellektuell und ausstellungstechnisch angemessen reagieren soll, müssen die Direktoren einen Teil ihrer Programmkompetenz ans Präsidium abtreten. Ob ihnen dieser Verzicht gelingt, darf bezweifelt werden. „Scheitern kann man immer“, stellte Staeck am Abend nach seiner Wahl stoisch fest. Wenn nicht alles täuscht, wird er entweder sehr kurz oder sehr lange im Amt bleiben, je nachdem, wie weit die Akademie bereit ist, ihm auf seinem Weg zu folgen.
Zwischen den Interessen der Akademie und den Wünschen der Öffentlichkeit soll in Zukunft ein Programmbeauftragter vermitteln, dessen Stellenbeschreibung noch nicht fertig ist. Dieser Beauftragte, wenn er sich denn je wird finden lassen, geht einen schweren Gang, er muß die Beredsamkeit eines Pferdeflüsterers mit der Dickhäutigkeit einer Riesenschildkröte verbinden, wenn er nicht binnen kurzem die Nerven verlieren will. Der wahre Programmbeauftragte sei der Präsident, erklärte Udo Zimmermann auf der Pressekonferenz am Sonntag mit Seitenblick auf Staeck. Offenbar ist es vor allem dieser, der sich eine zwischen Akademie und Außenwelt agierende Assistenzperson wünscht. Er wird wissen, wozu er sie braucht.
Nur ein Kapitel im Richtungsstreit
Als eines der ersten kulturpolitischen Felder, auf dem er die Position der Akademie zur Geltung bringen will, hat Staeck die Föderalismusdebatte genannt. Es sei unzumutbar, daß deutsche Kulturpolitik in der Europäischen Union, wie vorgeschlagen, demnächst wieder von Länderkultusministern vertreten werde. Damit zeigt der neue Präsident, daß er nicht nur die aktuellen Gründe, sondern auch die tieferen Ursachen der Akademiequerelen verstanden hat. Denn das Gerangel um die Akademie ist nur ein Kapitel in dem Richtungsstreit, der teils offen, teils verdeckt um die zukünftige kulturpolitische Machtverteilung zwischen Bund und Ländern geführt wird.
Daß die Entscheidung für Berlin als Hauptstadt ein Schritt hin zum Kulturzentralismus war, ahnen selbst die föderalistischen Gralshüter; aber nur wenige wollen sich die Konsequenzen eingestehen. Zu diesen Konsequenzen aber gehört, daß eine Akademie der Künste, die nicht in Leipzig, Köln oder Hamburg, sondern in Berlin sitzt, eine nationale Kulturinstitution ist. Der Rahmen dieser Institution, der Prachtbau am Pariser Platz, steht seit vergangenem Mai. Unter Klaus Staeck kann die Akademie jetzt damit beginnen, ihn mit Inhalt zu füllen.
Text: F.A.Z., 02.05.2006, Nr. 101 / Seite 43
Bildmaterial: AP
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