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eingetragen von Sigmar Salzburg am 17.07.2022 um 07.25

Biologin Marie-Luise Vollbrecht hält Vortrag und entzieht sich der Diskussion

+++ 22.00 Uhr: Biologin Marie-Luise Vollbrecht sprach am Donnerstag etwa eine halbe Stunde in der Humboldt-Universität, Proteste gab es nicht. Bei einer Podiumsdiskussion versuchte die Uni anschließend, die komplexe Kontroverse aufzuarbeiten. Universitätspräsident Peter Frensch sagte, es sei nie Absicht gewesen, den Vortrag zu streichen, sondern nur, ihn zu verlegen. Kritiker:innen werfen ihr eine feindselige Haltung gegenüber trans*) Menschen vor.

Nach dem Vortrag verweigerte Vollbrecht die Beantwortung anschließender Fragen. Geschichtsprofessorin Gabriele Metzler auf Twitter: „Man kann in einer Universität keinen Vortrag halten (den man selbst als ‚korrekt‘ preist) und sich dann der Diskussion entziehen. Wissenschaftsfreiheit heißt nicht, Erkenntnisse zu präsentieren und Fragen zu unterbinden.“... „Da sollte die Universität jetzt wirklich keine Bühne geben“, sagte Metzler, die an der HU lehrt.

fr.de 14.7.2022

*) entweder Plump-Adjektiv „transen“ oder Wortbildung „Trans-Menschen“!

Ein Astronom würde wohl auch nicht diskutieren wollen, wenn auf dem Podium nur Astrolog(inn)en sitzen!


eingetragen von Sigmar Salzburg am 28.02.2022 um 11.55

Freispruch für Biologen nach Äußerungen über Homosexuelle

Das Oberlandesgericht Frankfurt (OLG) hat den Freispruch für den Kasseler Evolutionsbiologen Ulrich Kutschera wegen Aussagen über Homosexuelle bestätigt. Wie das OLG Frankfurt am Montag mitteilte, wurde die Revision der Staatsanwaltschaft Kassel verworfen. Es handele sich bei den teilweise überspitzten und polemischen Aussagen insgesamt um eine nicht strafbare Meinungsäußerung, hieß es zur Begründung (Urteil vom 8.2.2022, Frankfurt/Main - Az. 2 Ss 164/21).

Kutschera hatte 2017 im Gespräch mit dem Internetportal kath.net zum Thema „Ehe für alle“ über homosexuelle Beziehungen hergezogen und diese mit Kindesmissbrauch in Zusammenhang gebracht. Laut OLG Frankfurt bezeichnete er unter anderem homosexuelle Paare als „a-sexuelle Erotikvereinigungen“ und warnte im Zusammenhang mit dem Adoptionsrecht vor einem möglichen „Horror-Kinderschänder-Szenario“. Daraufhin hatten mehrere Menschen - darunter Homosexuelle - den früheren Professor der Uni Kassel angezeigt.

fr.de 28.2.2022

Das „Szenario" ist nun wirklich nicht völlig abwegig.


eingetragen von Sigmar Salzburg am 06.09.2020 um 04.54

Editorial

Wie gendern?

von Thomas Kaspar

Sprache ist Haltung. Inklusives Reden und Schreiben sind eine Frage der Gerechtigkeit.

Liebe Leserinnen, liebe Leser, ich mag keine Sprachverhunzung. Als Vielleser und Schnellschreiber haben sich Schriftbilder tief in meine Seele und in mein Sprachgefühl eingegraben. Eine Änderung der Rechtschreibung benötigt schon eine sehr gute Begründung, damit ich bereit bin, die enormen Kosten für eine Umstellung zu bezahlen.

Als 1996 die deutsche Rechtschreibung reformiert wurde, zweifelte ich. Ich finde es bis heute grauenhaft, gegen das Sparsamkeitsprinzip zu verstoßen und nicht mehr „Schiffahrt“ zu schreiben. Ich hielt es nicht für zu viel verlangt, dass Schülerinnen und Schüler den Merksatz „Trenne nie ST zum Scherz, denn es fühlt wie du den Schmerz“ lernen, um die schöne kalligrafische Verschmelzung der beiden Buchstaben bei Trennungen zu erhalten. Damals ergaben Umfragen, dass rund 90 Prozent der Deutschen wie ich die Änderungen ablehnten und keine Notwendigkeit sahen, umzustellen. [Anmerkung: Die Umwandlung unserer Demokratie in eine Demokratur machte es dennoch möglich!]

Überzeugt hat mich dann die Analyse des Pisa-Schocks dieser Zeit. Forschungen zeigten, die deutschen Schülerinnen und Schüler schnitten unter anderem deswegen so schlecht im internationalen Bildungsvergleich ab, weil sie erhebliche Schwierigkeiten im Umgang mit der deutschen Sprache hatten. Das war nicht nur den Lehrplänen geschuldet, es war höchste Zeit, die komplizierte Rechtschreibung zu reformieren, wenn alle Kinder aus allen Schichten gleichberechtigten Zugang zur Sprachverwendung bekommen sollten. [Anmerkung: Unsinn, vergleiche Englisch und Französisch!]

Sprache trifft soziale Unterscheidungen. Weil wir unterschiedliche Sprachen sprechen, schließen wir andere aus. Je komplizierter die Regeln sind, desto höher sind die Hürden zur Integration in eine Kultur. Die Vereinfachung der deutschen Rechtschreibung, die dann 2002 und 2004 noch einmal überarbeitet wurde, macht das Schriftbild nicht schöner, aber die Verwendung ein Stück gerechter. Und nach aktuellen Umfragen ist die neue deutsche Rechtschreibung längst akzeptiert, die „Kritiker der Elche“ von damals verteidigen die Einhaltung der neuen Regeln für „Schifffahrt“ und „Fris-ten“, als hätte es nie andere gegeben.

Gelernt habe ich daraus: Wenn ich von Ungerechtigkeiten oder Zynismen in meiner Sprache höre, kann ich mich einer Lösung nicht verschließen. Ich kann nicht einfach so weitermachen wie bisher. Ich plädiere auch diesmal dafür, es mit Schriftwandel nicht zu übertreiben, doch bei geschlechtergerechter Sprache ist eine Veränderung überfällig. Die Zeit der alten männlichen Form, die angeblich für alle Geschlechter steht, ist vorbei. Selbst wenn ich das neue Schriftbild erst einmal unbequem und hässlich finde, kann ich darauf vertrauen, dass die Sprachgemeinschaft nach einigen Anpassungsrunden in wenigen Jahren eine breit akzeptierte Lösung finden wird. Wir müssen aber endlich mit der Änderung beginnen.

Als Zeitung kommt uns hier besondere Verantwortung und Vorbildfunktion zu. Für die Sprache, aber vor allem für die in jedem Wort aufscheinenden impliziten Werte. Wir werden in gedruckter Form gelesen, aus der digitalen Ausgabe wird vorgelesen und unsere Texte werden zitiert und aus dem Zusammenhang gelöst an vielen Stellen eingebunden. Die Frankfurter Rundschau muss in all ihren Texten für Gerechtigkeit stehen, auch für die gegenüber allen Geschlechtern.

Wir benötigen eine klare, handhabbare Lösung, die als unaufgeregte Regel die meisten Fälle mit geringstmöglichen Nachteilen abdeckt. Mein Diskussionsvorschlag für die Schreibung in der Frankfurter Rundschau ist der Doppelpunkt im Wort. Also „Leser:innen“ und „Hörer:innen“. Nicht nur, dass Vorleseprogramme diese Form problemlos bewältigen, schon bald gewöhnt sich das Auge beim Lesen und Schreiben daran.

Sprache drückt eine implizite Haltung aus. Lassen Sie uns gemeinsam eine Veränderung hin zu mehr Gerechtigkeit anpacken. Wir freuen uns auf die Diskussion mit Ihnen!

Ihr Thomas Kaspar, Chefredakteur

fr.de 5.9.2020

Hervorhebungen durch RS.com


eingetragen von Sigmar Salzburg am 05.04.2019 um 08.00

Der Graphiker und SPD-Mann Klaus Staeck beginnt eine Diskussion um Volkstanz und Liedgut und kommt dann auf die Rechtschreibung, deren „Reform“ er nie aktiv bekämpft hat:

Debattenkultur
Muss Volkstanz völkisch sein?
Raus aus der rechten Ecke
Von Klaus Staeck

Volkstänze, Liedgut oder die deutsche Sprache: Man darf diese Themen nicht den Falschen überlassen. Die Kolumne.

[...]

Wir dürfen die Deutungshoheit über deutsche Volkskultur nicht an die rechte Szene abgeben und sollten aufmerksam jeden Versuch der Kulturkontrolle durch die Rechten zurückweisen, schreibt die Leserin. Wie recht sie hat!

Wer Gender-Sternchen ablehnt, wird schnell im Dunstkreis der AfD angesiedelt

Gerade erst soll sich auch meine Akademiekollegin, die Schriftstellerin Katja Lange-Müller, in den Dunstkreis von AfD und Pegida begeben haben. So muss man einen Artikel im Magazin der „Süddeutschen Zeitung“ interpretieren, dessen Autor die Unterzeichner und Unterzeichnerinnen eines Appells des Vereins Deutscher Sprache, „Schluss mit dem Gender-Unfug“, allesamt ins rechte Lager stellt.

Katja Lange-Müller gehört glücklicherweise nicht zu jenen, die zu vornehm oder zu ängstlich sind, sich zu wehren. Ihr sei die Sache, also unsere Sprache, wichtiger als die (Tat-)Sache, als Unterzeichner befürchten zu müssen, „von medialen Spaltpilzzüchtern abgeschoben zu werden in die eine finstere Ecke, wo wir uns dann gefälligst zu schämen hätten“.

Sie fordert dazu auf, wir sollten unsere Sprache erst mal richtig verstehen, ehe wir es gestatten oder erdulden, dass aktivistische Streiterinnen und Streiter für die absolute und damit illusorische Gender-Gerechtigkeit sie reformieren oder eher deformieren.

Der offensichtliche Irrtum, dass zwischen natürlichem und grammatischem Geschlecht ein fester Zusammenhang bestehe, bringt nicht nur Sternchen zustande sondern eine geradezu fundamentalistische Kampfstimmung, hinter der die gute und völlig legitime Absicht der Gleichberechtigung verschwindet. Wir alle sollten die Gleichberechtigung erst einmal leben und verteidigen, bevor wir die Rechtschreibung verändern.

Deshalb mein Dank an den Rat für Deutsche Rechtschreibung, der sich wenigstens für die nächsten fünf Jahre gegen die generelle Einführung des „Gender-Sternchens“ ausgesprochen hat. Und es ist mir ganz gleich, ob ihm auch die AfD und andere aus dem rechtspopulistischen Spektrum dafür danken.

Nicht ganz uneigennützig denke ich an meine Plakatproduktion und eventuelle Nachauflagen. Oder würde Ihnen die gender-korrekte Aufschrift „Deutsche Arbeiter*innen! Die SPD will euch eure Villen im Tessin wegnehmen“ besser gefallen?

fr.de 4.4.2019
Staecks Stellung zur Rechtschreib„reform“ schimmert in seinen früheren Äußerungen nur selten einmal durch, z.B. in seiner Rede vor der Akademie der Künste:
Apropos Fantasie: Nach langem Hin und Her hat sich unsere Institution nach 311 Jahren unter erheblichen Schmerzen und verbliebenem inneren Groll der mehrfach modulierten Rechtschreibreform in ihrer konservativ möglichen Variante angeschlossen und schreibt Fantasie nun auch mit "F", ohne das Individualrecht ihrer Mitglieder zu beschneiden, sich weiterhin voller Inbrunst der Phantasie mit "Ph" hinzugeben.

adk.de 7.5.2007
Die neu verordnete ph-Wertlosigkeit zeigt den ganzen Krampf der „Reform“: Von der Bequemlichkeitsschreibung „Telefon“ ausgehend setzten die Reformer ihr Einbruchswerkzeug vor allem an „Graphien“ an und machten „Graphen“ zu „Grafen“, erlebten aber mit ihrer „Filosofie“ ärgsten Widerstand. Die englischsprachige Welt, die sonst immer brav „ph“ ausschreibt, machte ausgerechnet bei „Phantasie“ eine Ausnahme, „fantasy, fancy“. So konnte auch im Deutschen die phantasielose „Fantasie“ in „gezielter Variantenführung“ leichter durchgesetzt werden. Sobald sich aber Kiez-Pidgin als Standard-Deutsch durchgesetzt haben wird, brauchen wir alle diese Reform(un)feinheiten nicht mehr.


eingetragen von Sigmar Salzburg am 12.04.2017 um 05.11

Bad Homburg

Ossifeindliche Inhalte

Weil er die Mitarbeiter des Zolls in Halle per E-Mail aufs Übelste beschimpft haben soll, ist ein Geschäftsmann aus Oberursel nun verurteilt worden.

Von Torsten Weigelt

[...]

A. räumte zwar ein, dass er wegen eines Mahnschreibens in Sachen Kraftfahrzeugsteuer einen Mailverkehr mit der Behörde in Halle geführt hatte. Und dabei habe es sich um einen „durchaus unerfreulichen Austausch“ gehandelt – allerdings nur im Februar und Mai – und ganz ohne Beleidigungen.

Die ominöse Mail vom 12. Juni hingegen müsse jemand anders geschrieben haben. „Ich habe das nicht verfasst“, beteuerte A. Schließlich sei es heutzutage ein Leichtes, eine E-Mail zu fälschen. Da brauche man nicht mehr als ein handelsübliches Smartphone, erklärte der Software-Experte.

„Dass“ mit Rechtschreibfehler

Über seinen privaten Account seien auch schon ohne sein Wissen dubiose Werbe-Mails für Viagra verschickt worden. „Sie sind nicht in der Lage zu beweisen, dass ich die Mail verfasst habe“, belehrte A., der ohne Anwalt zu der Verhandlung gekommen war, sowohl den Vertreter der Staatsanwaltschaft als auch die Richterin.

Doch diesen reichten auch Indizien, für eine Bestrafung A.s zu plädieren und ihn schließlich zu einer Geldstrafe von 3600 Euro zu verurteilen. Zum einen gebe es die Vorgeschichte mit der Mahnung, begründete [Richterin] Gudrun Kurschat ihre Entscheidung. Schon die ersten Mails seien recht „unfreundlich“ ausgefallen, was sich dann im weiteren Verlauf zu den zitierten Beleidigungen gesteigert habe.

Zum anderen seien alle Mails mit der gleichen Signatur unterzeichnet worden und enthielten darüber hinaus auch noch die gleichen Schreibfehler. So boykottiert der Autor in allen seinen E-Mails konsequent die Rechtschreibreform und verwendet für die Konjunktion „dass“ weiterhin das ß.

Als weiteren Beleg für A.s Urheberschaft wertete die Richterin die Tatsache, dass an der Mail ein Screenshot mit einem Kontoauszug angehängt war. Der vermeintliche Hacker hätte somit nicht nur A.s Mail-Account, sondern auch noch seinen Zugang zum Online-Banking kapern müssen. „Das sind mir ein paar Zufälle zu viel.“

Frankfurter Rundschau 12.4.2017

Die Zwischenüberschrift müßte doch »„Daß“ mit Rechtschreibfehler« heißen – wohltätiges Werk eines Korrekturautomaten?


eingetragen von Sigmar Salzburg am 06.12.2016 um 13.47

Rechtschreibreform
Das Hirn braucht Herausforderungen

Von Peter Struck

Meine Großmutter beherrschte noch die recht verschnörkelte, aber wunderschön aussehende Sütterlinschrift, die 1935 verbindlich als Grundschrift in den Volksschulen des Deutschen Reiches eingeführt wurde. Ab 1941 galt sie dann allerdings auf persönliche Anweisung Adolf Hitlers hin als unerwünscht. Danach lernten die Grundschüler zunächst große und kleine Druckbuchstaben und recht bald auch die „Lateinische Schreibschrift“.

Mittlerweile ist als einziges deutsches Bundesland der Freistaat Thüringen dazu übergegangen, nur noch die Druckschrift in seinen Grundschulen zu pflegen. Und Österreich, Finnland sowie die Schweiz einschließlich Liechtenstein haben es auch beschlossen. Das Argument: Künftig werden Menschen – von ihrer Unterschrift einmal abgesehen – wohl nur noch auf dem Smartphone und dem Laptop Buchstaben tippen, und Zeitungen, Bücher, Teletexte, Gebrauchsanweisungen und Verkehrsschilder verlangen ohnehin nur das Beherrschen von Druckbuchstaben.

Wie schon mit den beiden großen Rechtschreibreformen der vergangenen Jahrzehnte soll das bloße Können der Druckschrift das Lernen für die Kinder einfacher machen, sagte bereits 2010 der damalige thüringische Kultusminister Christoph Matschie (SPD). Das sei jedoch komplett dumm, argumentieren hingegen Hirnforscher wie Manfred Spitzer vom Zentrum für neurowissenschaftliches Lernen der Universität Ulm.[...]

Verwirrungen sind lernfördernd
[...]
Seit einiger Zeit greifen Neurobiologen in die immer stärker tobende Debatte um das Erlernen von Druck- und Schreibschrift ein, indem sie bekunden, dass die Leistungsfähigkeit der Kinderhirne beeinträchtigt werde, wenn die Schreibschrift nicht mehr parallel zur Druckschrift in unseren Schulen gepflegt wird. Das Hirn brauche Herausforderungen, um im Sinne von mentaler Gesundheit und kognitiver Leistungsfähigkeit zu wachsen.

Wer ständig zwei verschiedene Sprachen und Schriften benutze, wer täglich große und schwere Kreuzwort- und Sudokurätsel löse, würde im Schnitt länger leben und bis zu fünf Jahre später an Demenz erkranken als Menschen, von denen man ständig positiv ausgehende Verwirrungen fernhalte. Verwirrungen seien das Lernförderndste, was es gibt, allerdings nur, wenn sie in Erfolge und nicht in Niederlagen oder Beschämungen einmünden.

Positiv endende Verwirrungen, mindestens zwei verschiedene Schriften und mindestens zwei verschiedene Sprachen sorgen für das, was die Hirnforscher „Mentalisierung“ nennen; das Hirn wird flexibel und lernt danach eine dritte Sprache leichter als die zweite und die vierte leichter als die dritte, so wie die Hirne von Vätern umso flexibler und leistungsfähiger geraten, je mehr Kinder sie haben (für Mütter gibt es dazu noch keine Untersuchungen).[...]

... grundsätzlich gilt in der Pädagogik der Satz: Jede Methode nützt immer nur der Mehrheit der Kinder, aber keineswegs auch einer Minderheit, ganz egal, ob man in Klasse 1 mit der Buchstabier-, der Ganzwort-, der Ganzsatzmethode oder mit der Methode „Lesen durch Schreiben“ nach dem Schweizer Pädagogen Jürgen Reichen startet. [...]

Die beiden großen Rechtschreibreformen der vergangenen 20 Jahre haben dazu geführt, dass etwa ein Drittel der deutschen Schülerschaft davon profitierte (je mehr verschiedene Schreibweisen sie nebeneinander sehen, umso besser werden sie über den Umweg der positiven Verwirrung, weil sie sich immer fragen, warum wird das Wort mal so und mal so geschrieben); für dieses Drittel müsste man ständig neue Rechtschreibreformen initiieren, weil sie dann immer besser werden. [???]

[Unsinn! Dies ist ein falscher Analogieschluß! Fremdsprachen bewegen sich in ganzheitlichen fremden Denk- und Lebensbereichen – ständig geänderte Schreibweisen konkurrieren im gleichen Lebensbereich und verhindern die nötige Routine!]
Für ein Drittel hätte man keine einzige Rechtschreibreform benötigt. Und ein Drittel der deutschen Schülerschaft hat schon nach nur einer einzigen Reform für alle Zeiten jede Orientierung verloren: Wenn auf dem einen Schild „Schloßallee“ und auf dem nächsten „Schlossallee“ steht, kommen sie künftig mit diesem Wort nie wieder klar; da kann man noch so oft sagen, dass nach einem kurzen „o“ ein „ss“ folgt und nach einem langen aber ein „ß“, sie werden daran schon deshalb immer wieder scheitern, weil sie den Unterschied zwischen einem langen und einem kurzen „o“ überhaupt nicht wahrzunehmen vermögen.

Peter Struck, ist Professor für Erziehungswissenschaft an der Universität Hamburg.

fr-online.de 1.12.2016

... und meine Großmutter (*1879) beherrschte im Deutschen die noch schönere alte Kurrentschrift und konnte für Französisch und Englisch mühelos zur Lateinschrift wechseln.


eingetragen von Sigmar Salzburg am 05.03.2016 um 06.50

Seit der Rechtschreib„reform“ hat man aus den USA die Diktatwettbewerbe („Spelling-Bee“) übernommen, um den Neuschrieb zu popularisieren, Werbung für den Duden zu machen und auch sonst noch unauffällig zu indoktrinieren. Trotz der Erleichterungs„reform“ schnitten die Eltern mit 16,2 Fehlern, die Lehrer mit 20,6 Fehlern und die Schüler mit 26,3 Fehlern ab, nach Frankfurter Rundschau v. 3.3. 16:
Kampf mit der Rechtschreibung

Am Diktatwettbewerb „Frankfurt schreibt!“ in der Aula der Schillerschule nehmen rund hundert Schüler, Eltern und Lehrer teil.
[...]
Die Aula der Schillerschule ist an diesem Mittwochabend vollgepackt. An die hundert Teilnehmer schwitzen hier, Schüler, Eltern und Lehrer. Die große Bühne vorne erinnert mit der Landkarte und einem Stapel Duden an ein Klassenzimmer. An der Tafel steht „Handys aus, Hefte raus – wir schreiben ein Diktat“.

Inhaltlich dreht sich der Text um ein Frankfurter Pärchen, das auf dem Weg in die Alte Oper ist. Bei jedem Satz grübeln die Zuschauer, denn jedes dritte Wort wird als „schwierig“ eingestuft. An Begrifflichkeiten wie „Déjà-vu“ oder „in null Komma nichts“ kann man schließlich leicht verzweifeln. Durchschnittlich werden 21 Fehler gemacht. „Die deutsche Sprache lebt auch in Poetry Slams, Literatur, Hip-Hop und klassischer Musik fort“, sagt Roland Kaehlbrandt, Vorsitzender der ausrichtenden Stiftung Polytechnische Gesellschaft. Deshalb sei es wichtig, sich korrekt mit ihr zu beschäftigen.
[...]
Über den Sieg bei den Eltern freut sich Wiebke Reimer mit nur vier Fehlern. Generell schneiden die Eltern mit durchschnittlich 16,2 Fehlern am besten ab. Es folgen die Lehrer (20,6 Fehler) und die Schüler (26,3 Fehler).

Für den Ausrichter steht jedoch nicht nur der Konkurrenzgedanke im Mittelpunkt, sondern auch Spaß: Für Unterhaltung sorgt Moderatorin Marita Peter, die 2014 selbst Dritte bei den Schülern wurde. Slampoet Tilman Döring präsentiert in der Jury-Pause seine Kunst. Neben ernsten Gedichten über Liebe und Fremdenfeindlichkeit bringt er auch Hip-Hop zum Mitmachen auf die Bühne. Die Schüler freuen sich sichtlich, Eltern und Lehrer die typischen Rapper-Gesten machen zu sehen.

Am 14. Juni stellen die Frankfurter Sieger sich erneut der Herausforderung Orthografie. Dann treten sie gegen die besten Schreiber aus Wiesbaden, Hamburg und weiteren Städten an.

fr-online.de 3.3.2016


eingetragen von Sigmar Salzburg am 05.09.2014 um 10.57

Braune Vergangenheit bei der AfD
Der älteste Abgeordnete im sächsischen Landtag, Detlev Spangenberg, war in einem rechtsextremen Bündnissen aktiv. Seinen Posten des Alterspräsidenten wird er nun nicht annehmen und auch die Parteispitze geht auf Distanz. fr-online.de 5.9.2014

Er war vorher in einer Partei, der ein ehemaliger CDU-Mann vorsaß, der (angeblich) „Multi-Kulti-Schwuchteln“ in der rot-grünen Bundesregierung angeprangert hatte. Es scheint alles stark aufgebauscht zu sein, aber dergleichen ist in neu zusammengelaufenen Parteien unvermeidlich. Bei den Grünen gab es viel schlimmere Biographien:

Werner Vogel (1907-1992) war ein deutscher Politiker der Grünen, der eine Pädophilengruppe im Umfeld der Grünen unterstützte. Vogel war ... 1938 auch Mitglied der NSDAP ... Er hätte [1983] als Alterspräsident die Eröffnungsrede und damit die erste Rede eines Abgeordneten der Grünen im Deutschen Bundestag halten sollen. Durch eine Indiskretion wurde Werner Vogels NS-Vergangenheit im Bundeshauptausschuss der Grünen bekannt. Vogel trat daraufhin sein Mandat nicht an. Wiki

Ein Steinewerfer und Polizistentreter konnte bei den Grünen allerdings Außenminister werden und ein anderer Pädophilenfreund sich auf seinen inneren Wandel berufen.


eingetragen von Sigmar Salzburg am 09.02.2013 um 08.54

Eine Elfjährige wird mit 378 ausgeliehenen Medien Leserin des Jahres 2012

Ina Jansen ist das, was man einen Bücherwurm nennt. 378 Mal hat sich die Elfjährige seit Juli 2012 etwas aus der Stadtbücherei Friedrichsdorf ausgeliehen, es waren vor allem Bücher. Damit ist sie die Leserin des Jahres. „Ich lese eigentlich jeden Tag bevor ich schlafen gehe, manchmal auch tagsüber und in den Pausen in der Schule“, sagt die Fünftklässlerin, die die Philipp-Reis-Schule besucht.

In der Grundschule, erzählt sie, gab es sogar Schulstunden, in denen man Bücher mitbringen und lesen durfte – das ist auf dem Gymnasium nun anders. „Das ist schon schwerer.“ Ausgerechnet im Deutschunterricht hat die viele Leserei ihre Tücken: „Die meisten Bücher haben noch die alte Rechtschreibung, ich habe ein paar Probleme, weil ich so an die alte Rechtschreibung gewöhnt bin.“ Im Englischunterricht profitiert sie hingegen, manchmal leiht sie sich nämlich englischsprachige Kinderbücher aus, „aber nur für kleine Kinder“…

fr-online.de 9.2.2013


eingetragen von Sigmar Salzburg am 13.11.2012 um 16.03

Zeitungskrise: "Frankfurter Rundschau" meldet Insolvenz an
Ein Traditionsblatt steht vor dem Aus: ... Die Pleite des Blattes könnte der Auftakt für ein Zeitungssterben in den nächsten Monaten werden.
spiegel.de 13.11.2012

Schade, daß die Rundschau nun nicht einmal mehr das reformiertreformgemäße Pleitegehen gelernt hat:

Die 17 Kassenhüter des gemeinsamen Währungsgebiets müssen Ende des Monats oder im November darüber entscheiden, ob Athen die nächste Hilfstranche von 31,5 Milliarden aus dem laufenden Hilfsprogramm bekommt… Hinter den Kulissen wird die Auszahlung bereits vorbereitet, denn die Eurozone ist entschlossen, das krisengeschüttelte Land nicht Pleite gehen zu lassen.
fr-online.de 18.10.2012


eingetragen von Sigmar Salzburg am 28.09.2012 um 10.11

Steinbrück wird Kanzlerkandidat

Offenbar hat sich die SPD in der K-Frage geeinigt: Peer Steinbrück soll Kanzlerkandidat der Sozialdemokraten werden. Sigmar Gabriel und Frank-Walter Steinmeier stehen wohl nicht länger zur Verfügung.

fr-online.de

„Offenbar” ist es anscheinend doch nicht, denn sonst hätte es weiter oben nicht „angeblich“ geheißen, so daß „anscheinend“ passender gewesen wäre.

Das wird Frau Merkel aber ins Schwitzen bringen, denn Steinbrück ist nicht zimperlich: Nach einer Meldung in den Kieler Nachrichten v. 9.10.02 hatte er 1998 sogar seine Parteigenossin Heide Simonis auf die Palme getrieben mit seiner forschen Kritik an der „Kirchturmpolitik" ihrer Regierung und am „Klein-Klein auf Pepita-Niveau".


eingetragen von Sigmar Salzburg am 29.02.2012 um 10.09

Nachdem die vielfach geflickte und reparierte Reformschreibung das Schreiben (gegen den Willen der Bevölkerung) so überwältigend erleichert hat, kann man sich nur darüber wundern, daß trotz allem nun vermehrt Rechtschreibwettbewerbe nötig sein sollen, um auf „sportliche, heitere und lehrreiche Weise“ die angeblich beseitigten Hürden zu überwinden. Tatsächlich handelt es sich aber bei den Veranstaltungen um versteckten Reformdurchsetzungsterror der profitorientierten Medien und politischen Kräfte, die ausnahmslos verschweigen, daß niemand außerhalb der Schulen verpflichtet ist, die neuen Schreibverrenkungen anzuwenden. Es ist erstaunlich, wer nun alles bei diesem Zirkus beflissen oder blauäugig mitmacht.

DIKTATWETTBEWERB
Zum Diktat bitte
Beim Diktatwettbewerb „Frankfurt schreibt“ haben vor allem die Eltern beeindruckt. Wer selbst testen will, wie es um seine Rechtschreib-Künste bestellt ist, dem diktiert FR-Kollege Stefan Behr hier einen ultraschweren Text.


Deutsche Sprache – schwere Sprache“, heißt es im Volksmund. Beim großen Diktatwettbewerb „Frankfurt schreibt!“ wurde jetzt erstmalig ermittelt, ob Eltern, Lehrer, Oberstufenschüler oder Prominente aus Politik und Kultur die Hürden der deutschen Rechtschreibung am besten meistern können. Nachdem die teilnehmenden Schulen ihre Kandidaten bereits im Dezember per Probediktat nominiert hatten, kam es am Dienstag in der Musterschule im Nordend zum Showdown mit über 150 Teilnehmen.

Die öffentliche Diktatkorrektur ist ein Projekt der Stiftung Polytechnische Gesellschaft, der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, der Marschner-Stiftung, des Hessischen Rundfunks, des Staatlichen Schulamts sowie der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung [!]. Erklärtes Ziel der Bildungsshow ist „die Vermittlung von Sprachkultur auf sportliche, heitere und lehrreiche Weise.“

… Wer abschreibe komme aufs Eselsbänkchen, warnt sie die Teilnehmer. Felix Semmelroth hat so etwas natürlich nicht nötig. Er habe fleißig für das Diktat geübt, berichtet der Frankfurter Kulturdezernent [!]. Er habe zwar festgestellt, dass er mit der Neuen Rechtschreibung nach wie vor auf Kriegsfuß stehe, sei aber trotzdem „guten Mutes“.

Text mit Fremdwörtern gespickt

Bernd Loeb hingegen rechnet sich nur geringe Siegeschancen aus. Er sei eben „Realist“ und komme berufsmäßig kaum in die Verlegenheit, Diktate schreiben zu müssen, sagt der Opernintendant. FAZ-Herausgeber Werner D’Inka [!] wiederum gibt sich kämpferisch. „Ich habe keine Angst.“


Jury-Präsident Werner Scholze-Stubenrecht von der Dudenredaktion [!] geht davon aus, dass die Teilnehmer bei der Groß- und Kleinschreibung sowie die bei der Zusammen- und Getrenntschreibung die meisten Fehler machen werden. [Das war doch der Erleichterungsknüller der „Reform“]

Lehrer liegen knapp vor den Eltern

Während die Aufpasser der Polytechnischen Gesellschaft gucken, dass auch ja keiner spickt, geht ein entsetztes Raunen durch die Menge, etwa bei solchen Sätzen: „In der Ära der Guillotine hat man sich mit reinseidenen Veloursschals zur Akzentuierung der Silhouette, Schärpen als Accessoires und extrafeiner, tipptopper Garderobe mit zuweilen nur annähernd adäquatem Dekolletee zurechtgemacht.“ …

fr-online.de 29.2.2012


eingetragen von Sigmar Salzburg am 09.07.2011 um 05.32

Eine Wolke aus Nullen

Günter Grass redet über den Journalismus von heute und stellt wieder einmal die Systemfrage. Dabei geht ihm allerdings doch etwas die Rhetorik durch.


Vergangenen Samstag sprach Günter Grass bei der Jahrestagung der Journalistenvereinigung Netzwerk Recherche. Die Süddeutsche Zeitung druckte die Rede am Montag. Die Tagung stand unter dem Motto: „Sisyphos war ein glücklicher Mensch“. Eine signifikante Abweichung von Camus’ berühmtem Schlusssatz seines „Mythos von Sisyphos“: „Wir müssen uns Sisyphos als einen glücklichen Menschen vorstellen“. Man hat die ganze Misere des Journalismus schon in dieser Veränderung: Aus einer Fantasie wird eine Schlagzeile.

Der Schriftsteller Günter Grass geht darauf mit keiner Silbe ein. Er entdeckt das Elend des Journalismus …

Günter Grass hat Recht

Man ist gerade als Journalist versucht, Günter Grass Recht zu geben. Das Einverständnis zwischen der Macht und denen, die über sie berichten, ist jeden Tag in Zeitungen und Zeitschriften nachzulesen…

Günter Grass hat Recht. Die Presse macht zu wenig. Aber sie macht immer noch mehr als die meisten von uns. …

Vor ein paar Jahren bildete sich in einer Frage, die Günter Grass besonders am Herzen lag, ein scheinbar übermächtiges Kartell: Bild, Spiegel und FAZ waren gegen die Rechtschreibreform. Ohne Erfolg.

[Wegen mangelnder Ausdauer, Konsequenz – und weil Zeitungen wie die „Frankfurter Rundschau“ Partei für die Parteiendiktatur und gegen Volk und Vernunft ergriffen und so den Erfolg verhinderten.]

Eine Lächerlichkeit angesichts der grundsätzlichen Einigkeit in den Grundfragen, wird Günter Grass sagen. Auch damit hat er Recht. Gegen Ende seiner Rede skizziert Günter Grass die Weltlage: „Krisen, die weitere Krisen hecken, der ungebremste Anstieg der Weltbevölkerung, die durch Wassermangel, Hunger und Verelendung ausgelösten Flüchtlingsströme und die von Menschen gemachte Klimaveränderung“. Er hat auch da Recht und er und wir könnten noch vieles andere hinzufügen. Er hat auch Recht damit, dass unsere derzeitige Art, Wirtschaft und Politik – er vergisst, die Kultur mit zu erwähnen – zu betreiben, diese Krisen eher verschärft, als dass sie in der Lage wäre, uns bei ihrer Lösung zu helfen.

… Die Debatte darüber, wie die Vier-Jahres-Demokratie ergänzt werden kann, ist so alt wie die Bundesrepublik. Längst gibt es auf zahlreichen Ebenen Bürgerbeteiligungen. Nicht genug, aber doch so viele, dass wir schon viel genauere Fragen als die angeblich so fordernde von Grass stellen können. Die Fragen, die Günter Grass vergangenen Samstag stellte, inklusive der „Systemfrage“,erinnern an die Fragen, die 1968 gestellt wurden. Damals antwortete Grass mit „Es Pe De“ und dem „Tagebuch einer Schnecke“. Jetzt scheint die Schnecke im Jahre 1968 angekommen zu sein. Glücklicherweise sind aber die 68er und die Geschichte weiter gegangen.

Frankfurter Rundschau 9.7.2011


eingetragen von Sigmar Salzburg am 03.03.2011 um 09.35

VERBLÜFFENDE EFFEKTE MIT ZUCKERKÜGELCHEN

Placebos mit Heilkraft

Entgegen der landläufigen Meinung ist der Placebo-Effekt keineswegs ein Synonym für Wirkungslosigkeit. Studien belegen verblüffende Effekte. Die Bundesärztekammer empfiehlt den verstärkten Einsatz von Schein-Medikamenten…

Welche verblüffenden Effekte sich mit Zuckerkügelchen und anderen Scheintherapeutika erzielen lassen, zeigen immer mehr Studien. Sie helfen zum Beispiel bei Magengeschwüren, und zwar in 59 Prozent der Fälle, wie eine Untersuchung zeigte. Diese Heilungsrate gilt aber nur für die Behandlung in Deutschland. In Brasilien angewandt, wirkte sie nur bei sieben Prozent der Patienten. Neben diesen kulturellen Unterschieden finden sich auch andere Besonderheiten. So lindern teure Placebos Schmerzen besser als preiswerte Placebos...

fr-online.de 3.3.2011

Das ist ein Freibrief für alle Quacksalber: Zum Placebo-Effekt gehört zwingend die angemessene Täuschung des Behandelten. Ärzte, Heilpraktiker, Schamanen, Gurus, Priester und Spiritisten aller Provenienz können sich auf diese Empfehlung berufen und dazu mit Recht ihre Preise so hoch wie möglich ansetzen. Sogar die „Rechtschreibreform“ könnte auf diese Weise gerechtfertigt werden, zumindest für das Wohlbefinden ihrer gläubigen Verfechter.


eingetragen von Sigmar Salzburg am 01.03.2011 um 20.55

Presseschau zum Guttenberg-Rücktritt

"Wahnsystem und Allmachtsfantasien"

Für die "Frankfurter Rundschau" attestiert Hans-Martin Lohmann dem zurückgetretenen Verteidigungsminister, er bewege sich in einem "Wahnsystem" und habe "private Allmachtsfantasien".

spiegel.de 1.3.2011

Zwergenaufstand und moralischer Hochmut der Presse um einen adligen Mogler, der zum Verteidigungsminister-Darsteller aufgestiegen war.

Als aber 16 Kultusminister, unterstützt von 16 Ministerpräsidenten, ihre privaten Allmachtphantasien auslebten und ein ausgesprochenes Wahnsystem der Rechtschreibung errichteten, haben die "Frankfurter Rundschau" und die meisten anderen beflissen mitgemacht und sind oft noch hämisch über die bei Verstand gebliebenen hergezogen.


eingetragen von Sigmar Salzburg am 06.09.2010 um 07.41

Komische Kopfverbrechen
"Und auch das, Frankfurter Rundschau..." - so begann und beginnt mancher der berühmten Briefe an die Leser im Satiremagazin Titanic. Die Rundschau wurde zum Spott-Opfer, noch heute glaubt ihr Chefredakteur Leo Fischer, dem Blatt diktiere der Teufel persönlich.


[Bild]
Leo Fischer, Titanic-Chef, empfindet die FR als „sympathischen Loser unter den Zeitungen“. [Fatal: „Loser“ lese ich immer als Urheber einer jägersprachlichen „Losung“.]

Leserbriefe haben alle – die Titanic hat die „Briefe an die Leser“ [in Kulturrechtschreibung]. Das Satiremagazin, das ebenso wie die FR aus Frankfurt kommt, macht es andersherum: Die Titanic druckt nicht die Meinung der Leser ab, sondern wendet sich direkt an ihre Leser – mit einer Meinungsstärke, die ebenso kreuzböse wie brüllend komisch daherkommt…

Wir haben jüngst die gesammelten 30 Titanic-Jahrgänge auf die von den Satirikern in den „Briefen an die Leser“ aufgespießten FR-Fehlleistungen durchgeschaut…

1988 macht sich die Titanic in den Briefen über den Buchstabensalat eines FR-Autors lustig, der vom Kopfverbrechen statt Kopfzerbrechen schreibt. Andere FR-Kollegen schaffen es in die Titanic, weil sie Eintracht Frankfurz statt Eintracht Frankfurt schreiben (1992), Subvention statt Subversion (1997), oder Rex Dildo statt Rex Gildo (1998). Manchmal steht da ganz einfach mal Kohl statt Schröder (2000). Schön auch die folgende Überschrift: „Auf hohes See herrscht Narrenfreiheit“ (2003). In der FR diktiere wohl „der Teufel persönlich“ die Druckfehler, vermutet die Titanic.

Auch notieren die Satiriker 2004 [dem Höhepunkt der Schreibreformkatastrophe], dass sich in einer Rundschau-TV-Kritik von gerade mal 90 Zeilen ganze sieben „schlichte Orthographie- und Grammatikfehler“ finden. Besonders beeindruckend ein FR-Feuilletonartikel aus dem Jahr 2005: „Komischer wie Max Goldt seziert niemand sprachliche Schlampereien“, heißt es da. Da kann die Titanic nur kurz und knapp hinzufügen, dass das „ganz, ganz großes Kino“ sei...

fr-online.de 3.9.2010


eingetragen von Norbert Lindenthal am 04.07.2010 um 18.48

Frankfurter Rundschau, 04. Juli 2010


Während die Nichtraucher mit etwa 110000 Euro für ihre Kampagne auskommen, stehen den Rauchern rund 615000 Euro zur Verfügung. Dass diese hauptsächlich von der Tabakindustrie stammen sollen, wies Initiator und Wirt Franz Bergmüller im Deutschlandfunk zurück. Nachfragen des Senders beim Bundesverband der Zigarrenindustrie, dem Deutschen Zigarettenverband, dem Mittelständischen Unternehmen der Tabakwirtschaft, dem Verband der Tabakgroßhändler und Automatenhersteller und dem Verband der deutschen Rauchtabakindustrie ergaben jedoch, dass drei Viertel des Geldes von diesen Verbänden stammt. Bergmüller dagegen wirft seinen Gegnern vor, sich von der Pharmalobby sponsern zu lassen, was wiederum der Initiator des Volksbegehrens, Sebastian Frankenberger, zurückwies.

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Norbert Lindenthal


eingetragen von Norbert Lindenthal am 30.05.2010 um 17.31

Frankfurter Rundschau 30.5.2010


„Es verängstigt uns alle, das wir es nicht schaffen, die Quelle zu schließen“, sagt er. Angst statt Optimismus, jetzt geht es nur noch um Schadensbegrenzung.


eingetragen von Sigmar Salzburg am 04.05.2010 um 10.08

Pausengong
Rotstift in Fahrt
VON DIRK POPE


Es geht um eine Inhaltsangabe. Die Achtklässler haben sich recht kurz gehalten, zu meiner Erleichterung. Im ersten Durchgang achte ich auf Rechtschreibung und Grammatik. Verfluchte Getrennt- und Zusammenschreibung, Kann-, Muss-, Will-, Darf- und Soll-Kommasetzung, denke ich mir. Am Computer gibt es Rechtschreibprogramme und jeder Fehler wird automatisch angezeigt. Anders in den Klassenarbeitsheften. Wer schreibt heutzutage überhaupt noch analog, mit Tinte? Und wie kann ich guten Gewissens Fehler anstreichen, die ich wohl jederzeit selbst machen würde?

Doch korrigieren und zensieren gehört zum Lehrergeschäft wie das Zerlegen einer Rinderhälfte zum Handwerk des Fleischers - im Bewusstsein, nicht allen Kunden das Filetstück anbieten zu können. Und einmal angefangen, nimmt mein Rotstift schnell Fahrt auf. Ich zähle die Fehler und berechne den Fehlerquotienten: Fehleranzahl x 100, geteilt durch die Anzahl der Wörter. Dann geht es ans Inhaltliche. Nur - wie legt man Bewertungsmaßstäbe an, die für alle nachvollziehbar sind? Schließlich handelt es sich nicht um eine Mathearbeit, wo es richtig oder falsch gibt.

Ich frage mich, wie ich selbst die Inhaltsangabe geschrieben hätte, und muss mir eingestehen, dass ich so etwas schon länger nicht getan habe. Nicht in diesem Jahrtausend. Um ein Mindestmaß an Objektivität zu gewährleisten, hat mir die Deutschlehrerin einen sogenannten Erwartungshorizont mitgegeben - eine grobe Übersicht, was in den Schülertexten zu stehen hat. Ich verteile Punkte auf Einleitung, Haupt- und Schlussteil, zähle alles zusammen und ziehe Notenpunkte für den Fehlerquotienten wieder ab. Kurz nach Ostern ist der Spuk vorbei. Notendurchschnitt 3,1 - entgegen meiner ursprünglichen Absicht, allen eine 2 zu geben.

Keine Arbeit hat mich mehr als eine halbe Stunde gekostet, und dennoch habe ich am Ende das Gefühl, mehr korrigiert als bislang selbst unterrichtet zu haben. Auch das wird sich ändern. Spätestens dann, wenn das nächste Tiefdruckgebiet anrückt und die Eintracht wieder im grauen Mittelmaß angekommen ist.

Frankfurter Rundschau 4.5.2010


eingetragen von Sigmar Salzburg am 22.03.2010 um 07.19

Sabine Hilliger hat wieder zugeschlagen. In der Frankfurter Rundschau darf sie mit dem Thema „vereinfachende“ Reformschreibung weiter die Leute belästigen. Dabei fällt auf, daß sie manche Errungenschaften der „Reform“ gar nicht verwendet: „Orthograf“ (nicht verworfenen wie „Apostrof“), „so genannt“. Dagegen legt sie Wert aufs „selbstständig“ und daß manches „beim Alten“ bleibt. Man merkt ihr an, daß sie die Rücknahme des Vereinfachungsfreistils bedauert:

Punkt, Punkt, Komma, Strich

... Wer aber gehofft hatte, dass die Kommaregelungen vereinfacht würden oder wenigstens etwas freier zu handhaben wären, sieht sich enttäuscht. Die Freiheiten, die ursprünglich vorgesehen waren, sind in den wichtigsten Teilen durch den Vorschlag des neuen Rates für Rechtschreibung und nach der Entscheidung der Kultusministerkonferenz im März 2006 zurückgenommen worden. Also gilt alles, was wir einmal gelernt haben, immer noch. …
… Ich komme (,) wenn nötig (,) bei dir noch vorbei. Ansonsten bleibt alles beim Alten. Ob Nebensätze, Einschübe oder erweiterte Infinitive mit zu: bitte immer mit Komma!

Auflösung Teil 21: das Park-and-ride-System; der Softdrink (oder der Soft Drink); die Open-End-Diskussion.

Sabine Hilliger ist Germanistin, freiberufliche Lektorin und Redakteurin.
Frankfurter Rundschau 21.3.10

Also lohnt es sich nicht, auf den Artikel auch nur eine Minute unserer kostbaren Zeit zu verschwenden.


eingetragen von Sigmar Salzburg am 07.12.2009 um 22.58

"Ödipus, Tyrann" in Hamburgs Thalia Theater
Mit den Gedärmen
VON FRAUKE HARTMANN

(Bild: dpa)

Ödip-us, Tyrann

Ein wenig kommt einem dieser Abend vor wie die neue Grafik des Thalia Theaters, die mit dem Intendanten Joachim Lux Einzug auf Plakaten und Programmheften gehalten hat. Da wird zerhackt, was früher einmal, vor der Rechtschreibreform, nicht zerhackt werden durfte, indem man mit archaisch anmutenden Lettern die Trennungsregeln für Wörter bewusst missachtet. Hochgradig artifiziell. Aus "Ödipus" wird also "Ödip-us, Tyrann". Und aus der für heutige Ohren mächtig verschraubten metrischen Sprache Hölderlins in seiner Sophokles-Übersetzung, die wiederum Heiner Müller bearbeitet hat und die dem Stück zugrunde liegt, wird ein Steinbruch der Worte.

Wort für Wort würgen und stoßen die Schauspieler hervor, legen auf jedes gleiches Gewicht, als ob sie nicht glauben könnten, was sie sagen. Ebenso wenig wie jedes einzelne Wort reicht die ganze Menge der Wörter aus, …

fr-online 7.12.09


eingetragen von Sigmar Salzburg am 17.08.2009 um 19.28

Der Germanist Reinhard Kaiser hat den „Simplcissimus“ des Grimmelshausen neu übersetzt, und Eichborn veröffentlicht ihn in reformierter Rechtschreibung.

Dass das Buch ziemlich genau zum 333. Todestag Grimmelshausens auf den Markt kommt, ist keinesfalls Kalkül, sondern Zufall - aber ein "witziger, der durchaus simplicianischen Geist" habe.

Witzig ist auch, dass "Der abenteuerliche Simplicissimus Deutsch" - so der Titel der neuen Übersetzung - der erste Titel bei "Die Andere Bibliothek" des Eichborn-Verlags ist, der in der neuen Rechtschreibung erscheint. Ausgerechnet die olle Schwarte. "Ich bin bestimmt kein Freund der neuen Rechtschreibung - aber das mussten wir machen, wenn wir uns nicht von vornherein den Schulen verschließen wollten", sagt Kaiser.

Frankfurter Rundschau 17.8.09

Wieder scheint der dummdreiste Nötigungsdruck durch, den die Kultusminister ausüben.

Im gedruckten „Spiegel“, den ich nur noch im Wartezimmer lese, finde ich in Nr. 32/2002 einen Textvergleich dazu (natürlich ohne die langen „ſſ“):

Original:

Das greuliche schieſſen / das geklaepper der Harniſch / das krachen der Biquen …

Neu:
Das gräuliche Schießen, das Klappern der Harnische, das Krachen der Piken ….

Das unnütz „gräuliche“ Reformwerk, das auch sinnvolle, seit Jahrhunderten gebräuchliche Schreibweisen – wie das Schluß-ß – tabuisiert, ist der „Schwedentrunk“ für die deutsche Literatur. Und treten die „Gräuel“ gehäuft auf, so etwa im gleichen „Spiegel“ bei der Beschreibung liberianischer Zustände, dann wirkt das noch grotesker.

P.S.: Duden und „Reform“ kennen nur „piken“, obwohl „pieken“ sinnvoller und üblich ist. Aber beim Reform-Flaschendrehen zeigten die Flaschen wohl nur auf „Tip“.


eingetragen von Sigmar Salzburg am 31.07.2008 um 21.13

Rechtschreibreform

Laufende Reparaturarbeiten

VON CHRISTIAN SCHLÜTER

Seit der Diskussion um die deutsche Wiederbewaffnung dürfte es wohl keinen vergleichbaren medialen Aufruhr und dermaßen erhitzte Gemüter mehr gegeben haben: Vor genau zehn Jahren, am 1. August 1998, begann die Einführung der Rechtschreibreform in Deutschland. Nach zahlreichen Protesten und Änderungen hat sich nur ein kleiner Teil des Reformwerks durchsetzen können. In ihrer Mehrheit lehnen die Deutschen die neue Rechtschreibung nach wie vor ab.

Dabei sollte das, was die staatlichen Vertreter aus Deutschland, Österreich und der Schweiz am 1. Juli 1996 als gemeinsame Absichtserklärung unterzeichneten, zu einer "grundsätzlichen" Erneuerung und dabei vor allem zu einer Vereinfachung der von zahllosen Regeln und ebenso vielen Ausnahmen bestimmten Orthografie führen.

Mehr noch, die richtige Schreibweise sollte nicht länger nur durch Vokabelpauken erlernt werden, sondern sich auch durch logisches Schlussfolgern ermitteln lassen - so wie sich etwa der "Stängel" als Teil einer Pflanze aus dem Substantiv "Stange", nun ja: irgendwie erschließt.

Erstaunlicherweise blieb die trilaterale Absichtserklärung von den Medien weitestgehend unberücksichtigt. Als es mit der Reform 1998 dann tatsächlich los gehen sollte, war oder tat man jedenfalls sehr überrascht. Denn jetzt fing der Rummel an. Etliche Schriftsteller protestierten.

Zahllose Gutachten begannen zu kursieren. In Schleswig-Holstein stellten sich die Bürger in einem Volksentscheid mehrheitlich gegen die Reform, was die damalige Ministerpräsidentin Heide Simonis allerdings unbeeindruckt ließ. Im Jahre 2000 schließlich kehrte die Frankfurt[er] Allgemeine Zeitung mit viel Gewese - und zunächst folgenlos - zur alten Rechtschreibung zurück.

2004 aber sprach sich der niedersächsische Ministerpräsident Christian Wulff öffentlich gegen die Reform aus. Ein Dammbruch: Beifall brandete von allen Seiten, Politiker aller Couleur meldeten auf einmal ihr Unverständnis an. Und als auch noch mit der Axel Springer AG und dem Spiegel Verlag zwei der einflussreichsten Medienhäuser ankündigten, dem Beispiel der FAZ zu folgen, schienen die Tage der ehrgeizigen Rechtschreibreform gezählt.

Doch, es sollte nichts nutzen, die Reformer schritten voran, und die Duden-Redaktion versorgte das Sprachvolk zuverlässig mit den neuesten Irrungen und Wirrungen.

Die Geschichte der Rechtschreibreform ist somit auch eine Mediengeschichte - und hinterlässt vielleicht eine kleine Enttäuschung in Hinblick auf die Ohnmacht der gerne beschworenen vierten Gewalt im Staate. Immerhin, ein von der Kultusministerkonferenz einberufener Rat für deutsche Rechtschreibung nahm sich des Reformwerks noch einmal an und stellte Anfang 2006 einen reformierten Reformentwurf vor.

Die Änderungen betrafen insbesondere die umstrittene, zu Teilen widersinnige Groß- und Kleinschreibung sowie die Getrennt- und Zusammenschreibung. Und dann war es soweit: Am 1. August 2006 wurden die neuen Regeln in den Schulen eingeführt.

Inzwischen hat der Vorsitzende des Rechtschreibrates und ehemalige bayerische Kultusminister Hans Zehetmair weitere Korrekturen angekündigt - "Spaghetti" mit oder ohne "h" und solche Fragen sorgten halt immer noch für Verwirrung. Seine Bilanz aus zehn Jahren Reformanstrengung: "Insgesamt ist die Rechtschreibreform sicher nicht verfehlt. Wenn, dann kann man die Frage stellen, ob die Reform überhaupt hätte gemacht werden sollen."

Ein flammendes Bekenntnis klingt anders, erstaunlich ist vor allem Zehetmairs Verweis aufs Grundsätzliche. Ja, selbstverständlich lässt sich immer bezweifeln, ob eine durch ihren täglichen Gebrauch in steter Veränderung begriffene und zugleich bestimmte, also lebendige Sprache "überhaupt" in ein Regelkorsett zu pressen ist.

Nicht weniger grundsätzlich ist noch ein Einwand, der sich in den vergangenen Tagen wieder Luft verschaffte: Die Reform führe zu einer Art Proletarisierung der Schriftsprache, weil sie sich durch Vereinfachung ("Delfin" statt "Delphin" oder "Maläse" statt "Malaise") bei bildungsfernen Schichten beliebt zu machen trachte, weshalb das Deutsche seiner ehrwürdigen Herkunft, gewissermaßen seines kulturellen Adels beraubt werde. Doch zeigen solche Einwände nur, dass es eine ideologiefreie Beschäftigung mit der Rechtschreibung nicht geben kann - und darf. Schließlich ist unsere Sprache der maßgebliche Kulturträger.

Etwas pragmatischer im Ansatz hat unlängst der Germanist Uwe Grund in einem Gutachten darzulegen versucht, dass seit der Reform die Rechtschreibfehler bei Schülern eklatant zugenommen haben - in Abituraufsätzen sogar bis zu 120 Prozent. Die Groß- und Kleinschreibung, so Grund, vor allem aber die Schreibung des s-Lautes ("s", "ss", "ß") bereite immer noch große Schwierigkeiten.

Gewiss möchte man all jenen beipflichten, die unsere Schüler als keineswegs zu dumm für die Neuregelung halten, doch umgekehrt folgt daraus nicht, dass die Reform zu blöd für die Schüler sei. Denn zumindest, was die s-Laute angeht, sind die Regeln doch eher einfach.

Lehrpläne hin oder her, auch in den Schulen sind die Widerstände gegen die Reform vielfältig. Und außerhalb von Schulen und Behörden schreibt ohnehin jeder, wie er will. Wir gönnen uns den Luxus mehrerer nebeneinander existierender und dabei "erlaubter" Schreibweisen. So gesehen war und ist die Rechtschreibreform auch ein Beitrag zur Vielfalt unserer Sprache. Oder schlicht der Beweis ihrer unerschütterlichen, bisweilen fröhlichen Anarchie.

Frankfurter Rundschau online
31.7.2008

FR

”Fröhliche Anarchie hätte entstehen können, wenn die Kultusminister einige vernünftige neue Schreibweisen als zusätzlich zulässige Varianten eingeführt hätten. Aber sie konnten sich eine „Reform“ nur als obrigkeitliche Zwangsbeglückung von Untertanen auf niedrigem Niveau vorstellen.

Die „Ohnmacht der vierten Gewalt“ äußerte sich vor allem in vorauseilendem Gehorsam. Der hatte nur ein Gutes: Jedermann konnte nun schwarz auf weiß sehen, was die Politiker unseren Kindern hinter den Schulmauern antaten.




eingetragen von Detlef Lindenthal am 27.11.2007 um 22.24

(Hierher gedoppelt aus dem Faden "Sabine Hilliger")
Frankfurter Rundschau (Netzfassung)

>>Wie Deutsch geschrieben wird
Flusssand und Nussschokolade
VON SABINE HILLIGER

Was unterscheidet den Stoffetzen und die Schiffahrt von der Sauerstoffflasche? Klar - die Anzahl der "f" in der Mitte. Aber mit welchem Recht?Es gab da mal folgende Regel: Treffen bei Wortbildungen drei gleiche Konsonanten (Mitlaute) zusammen, so werden nur zwei geschrieben, wenn ihnen ein Vokal (Selbstlaut) folgt. Also: Ballettänzer, Flanellappen. Folgt ein weiterer Konsonant, so werden alle drei gleichen Buchstaben geschrieben: Balletttruppe, Pappplakat. Verwirrend. Warum zwei Lösungen für die gleiche Erscheinung? Eine neue, einheitliche Regelung musste her.

Es galt also zu entscheiden, ob in Zukunft immer nur noch zwei oder alle drei Buchstaben geschrieben werden sollen. Man entschied sich, einem der Grundprinzipien der deutschen Rechtschreibung zu folgen: dem Prinzip der Stammschreibung. Es besagt im Wesentlichen, dass der Wortstamm eines Wortes auch in dessen Ableitungen erkennbar bleiben soll. Deshalb schreiben wir "Tag" mit "g" am Ende, obwohl wir ein /k/ sprechen, denn in den Ableitungen hört man deutlich das /g/: die Tage, tagen, des Tages. Und "täglich" mit "ä" und nicht mit "e", weil das "a" in "Tag" zugrunde liegt.

Nach der neuen Rechtschreibung schreiben wir jetzt immer alle Buchstaben, die zum Wortstamm gehören. Ein paar Beispiele: Betttuch (im Unterschied zum Bettuch - Gebetsmantel), Brennnessel, Schifffahrt, Hawaiiinseln, Flusssand, Schnellläufer, Teeei.

Großzügiger darf man künftig mit den Bindestrichen sein: Nuss-Schokolade, Programm-Markierung, Tee-Ei oder Zoo-Orchester sind erlaubt. Die Nachrichtenagenturen setzen den Bindestrich nur bei drei gleichen Vokalen.

Wichtig ist, dass auf sinnvolle Trennungen und den richtigen Bezug der Wörter zueinander geachtet wird. Also nicht: Flussschiff-Fahrt (im Unterschied zur Hochseeschifffahrt), sondern Fluss-Schifffahrt, und auch nicht Ölmess-Stab, sondern Öl-Messstab, wem Ölmessstab nicht gefällt.

Damit entfällt die alte Regel, dass beim Aufeinandertreffen von drei gleichen Vokalen immer der Bindestrich zu setzen sei. Das entscheidet nun jeder selbst.

Wenn es darum geht, das Stammprinzip zu erhalten, sind einige weitere Wörter von Veränderungen betroffen. Es handelt sich aber nur um Einzelfälle: Rohheit, Zähheit, Zierrat (wie Vorrat), selbstständig, auch selbständig als zugelassene alte Variante (die Nachrichtenagenturen verwenden die neue Schreibweise).

Einige wenige Wörter bleiben in der alten Schreibweise: dennoch (trotz denn+noch), Drittel (trotz Dritt(er)+Teil), Mittag (trotz Mitt(e)+Tag), Hoheit (trotz Hoh(e)+heit).
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http://www.fr-online.de/in_und_ausland/wissen_und_bildung/aktuell/?sid=80a1e1ecbbfd862644de1e8591ac975d&em_cnt=1234373

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Tingelt Frau Dr. Hilliger jetzt durch die gesamte Republik??
Neue Medien braucht das Land!
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Detlef Lindenthal


eingetragen von Norbert Lindenthal am 27.11.2007 um 20.46

Zitat:
Ursprünglich eingetragen von Sigmar Salzburg
…[Frau Hilliger (mit Bild) hat wieder einen Dummen gefunden …]



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Norbert Lindenthal


eingetragen von Sigmar Salzburg am 27.11.2007 um 16.34

Rechtschreibung
Tollpatschiger Stuckateur
Karamell, Mopp, Tollpatsch, Stuckateur, aber Job, Pop, Kritik – mit der neuen Rechtschreibung wird es nicht leichter, korrekt zu schreiben.


[Frau Hilliger (mit Bild) hat wieder einen Dummen gefunden …
… aber es dämmert ihr wohl, daß es nichts ist mit der „Erleichterung“.]

http://www.fr-online.de/in_und_ausland/wissen_und_bildung/aktuell/
?sid=fbd8493b2999a6a3c3d40410407c5295&em_cnt=1248387


eingetragen von Detlef Lindenthal am 26.07.2005 um 07.25


Die FR schrieb:
Ob "achtmal" nun mit oder ohne Bindestrich geschrieben wird, groß oder klein, das hält Reinhard Kahl – anders als zwei CDU/CSU-Ministerpräsidenten – nicht für wichtig.
Das Wort achtmal ist von der Reform gar nicht geändert worden. Und die C-Ministerpräsidenten Stoiber und Rüttgers wollen gerade keine voreilige Festlegung der Schüler.

Die alte Leitdifferenz von „richtig – falsch“, die immer nur eine Möglichkeit durchgehen lässt, wird nun im Alltag von der überlegenen Unterscheidung „möglich – nicht möglich“ durchsetzt und langsam ersetzt.
Nein, so ist es nicht. Bis 1996 hatten wir die Möglichkeitenschreibung nur bei Photo und Foto (dagegen haben Grafik und Graphik schon unterschiedliche Bedeutungen). Seit 1996 gibt es Beliebigkeitsschreibung allerorten; nicht die Freiheit hat zugenommen, sondern die Fehler in Schulen und Zeitungen, weil die Möglichkeitenschreibung unlernbar und nicht unterrichtbar ist.

Kaum vorstellbar, dass es vor 1901 keine staatlich erlassene Rechtschreibung gab.[1] Damals wucherten barocke Ungetüme, zu denen auch noch unsere Großschreibung von Substantiven gehört.[2]
[1] Aber es gab sehr schöne und genaue Rechtschreibung. Außer producirt und Thätigkeit ist 1901 so gut wie nichts geändert worden.
[2] Aha, von daher weht der Wind: Herr Kahl will die Hauptwortgroßschreibung, die große Leseerleichterung, abgeschafft sehen.

Eine eng ausgelegte Rechtschreibung, egal welche, initiierte in[??] eine reduzierte Denk- und Handlungsgrammatik
Das ist absolut falsch. Durch genaue Rechtschreibung und durch einen vielfältigen Vorrat an wohlunterschiedenen Wörtern (und ohne die RS„R“-Wörterverbote) können Gedanken und Handlungsgrammatiken besser entworfen werden als durch die ungenauere RS„R“-Sprache.

Das Absolute ist tödlich. Es hat, wie jede andere Perfektion, keine Zukunft.
Auch das ist eindeutig falsch; Wenn auf einer Baustelle 2 % der Ziegelsteine 3 bis 8 % dicker sind, erhöht das nicht die Baukunst, sondern erhöht nur die Kosten und verringert die Standfestigkeit des Hauses. Wenn Herr Kahl schreibt: ängDochstlich und initiierte in, dann können seine Leser ihn nicht verstehen, die gewünschte Verständigung fällt aus oder verteuert sich.
Das Absolute ist lebensrettend: Weil die Steuerungen von Wasserwerken und Treckern absolut genau laufen, verdursten und verhungern die Menschen in den Städten nicht. Ohne genaue Längenmessung in der Feinmechanik würden die Flugzeuge vom Himmel fallen und könnte keine Bohrinsel arbeiten. Auch die Annehmlichkeiten von genauer Medizin, Telefon und Internet seien erwähnt – ohne die absolute Genauigkeit von Halbleiterschaltkreisen könnte Herr Kahl seinen Artikel gar nicht veröffentlichen. Ohne Genauigkeit im Denken entsteht ein solcher Artikel wie der von Herrn Kahl.
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Detlef Lindenthal


eingetragen von Karl-Heinz Isleif am 25.07.2005 um 22.17

Ja, Vielfalt ist gut. Aber nicht, wenn sie von ein paar Unbedarften einfach so 'dahergezeugt' ist, und von ein paar anderen Unbedarften dem ganzen Volk als Richtlinie oktroyiert (deutsch: aufs Auge gedrückt) wird.


eingetragen von rrbth am 25.07.2005 um 20.48

Zitat:
FR, 23.07.2005

Das Absolute ist tödlich

Im deutschen Rechtschreibkrieg sollte das Prinzip "möglich - nicht möglich" über "richtig - falsch" obsiegen

VON REINHARD KAHL

Zum Schluss mussten sich die Ministerpräsidenten der Union entscheiden. Fachen sie den Rechtschreibkrieg in Erwartung einer kräftigen Populismus-Rendite noch mal an oder folgen sie dem einstimmigen Beschluss ihrer Kultusminister. Die hatten bekräftigt, es bleibt dabei, die Übergangszeit, in der bereits die neue Rechtschreibung gilt, aber die alte noch kein Fehler ist, läuft am 1. August aus. Schließlich gab bei einigen Ministerpräsidenten die Angst vor einer Angst, die sie selbst geschürt war, den Ausschlag. Bei Eltern breitetet sich die Befürchtung aus, der neueste Streit laufe auf das Kaufen neuer Schulbücher hinaus. Ein neuer Sturm deutete sich an. So viel Wasserglas war selten.

Heimatgefühl im Kleinkrieg
Es scheint als verspürten die Deutschen ein starkes Heimatgefühl im Kleinkrieg. Der Kulturkampf um die Bildung, der letzte Religionskrieg, der ihnen geblieben ist, mündet in bildungspolitischem Pragmatismus. Da konnte sich viel überschüssige Energie an solche Fragen binden, wie der, ob man Stängel oder Stengel schreibt? Hat man nun einer Wortstammregel zu folgen, oder einfach der Konvention? Preisfrage. Wie viele s und f braucht die Flussschifffahrt? Und natürlich dass oder da ß? Immer wieder diese Lust am Entweder-oder. Mal im Ernst. Wer morgens die FAZ liest, mit der alten Rechtschreibung, die dort geheimnisvoll die "bewährte" genannt wird, und dann zu anderen Zeitungen greift, mit ihren nach eigenen Redaktionsregeln modifizierten neuen Rechtschreibungen, fällt dem überhaupt was auf? Ob "achtmal" nun mit oder ohne Bindestrich geschrieben wird, groß oder klein, ist das wichtig?

Entscheidend ist etwas ganz anderes. Vor und hinter den Bühnen der Rechthaber hat sich längst ein buntes Sowohl-als-Auch durchgesetzt. Tatsächlich hat die Doppelherrschaft von alter und neuer Rechtschreibung in den vergangenen Jahren ganz unbeabsichtigt einen enormen Zivilisationsgewinn gebracht. Die alte Leitdifferenz von "richtig - falsch", die immer nur eine Möglichkeit durchgehen lässt, wird nun im Alltag von der überlegenen Unterscheidung "möglich - nicht möglich" durchsetzt und langsam ersetzt.

"Möglich - nicht möglich", das ist etwas ganz anderes als die befürchtete Beliebigkeit, gar Anarchie im Schreiben! Nicht alles geht. Aber mit "möglich - nicht möglich" kehren in die Schrift wieder jene Spielräume zurück, die die gesprochene Sprache auszeichnen. Da gibt es zwischen dem mecklenburger und dem bayrischen Sound doch viel Platz! Wäre die Liquidation der Varianten ein Gewinn? Man stelle sich vor, es gäbe eine Rechtsprechkommission? Der erste Nebeneffekt wäre, dass viele glaubten, ohne Rückversicherung keine rechten Sätze mehr bilden zu können.

Der Regelperfektionismus, in dem sich die Anhänger der einen richtigen alten und der allein richtigen neuen Schreibweise nur so übertreffen, produziert nur bei den Schriftgelehrten Probleme. Nach der einen Dogmatik sollen wir belämmert mit ä schreiben, nach der anderen "belemmert" mit e. Dass Regeln, sobald es mehr als eine gibt, sich aneinander stoßen und nie wirklich aufgehen, ist tatsächlich ein Glück für jede Evolution. Wenn die Dinge nicht ganz aufgehen, dann gehen sie weiter. Das wissen wir ja von Ulrich Beck und den Theoretikern der Zweiten Moderne: Die Vielfalt unbeabsichtigter Nebeneffekte siegt über die braven Ziele.

Goethes Lust an der Vielfalt
Kaum vorstellbar, dass es vor 1901 keine staatlich erlassene Rechtschreibung gab. Damals wucherten barocke Ungetüme, zu denen auch noch unsere Großschreibung von Substantiven gehört. Jacob Grimm, der große Wörter- und Geschichtensammler schrieb klein. Ein Individuum konnte sich entscheiden. Vielfalt war möglich. Goethe hatte regelrecht Lust daran, gleiche Wörter verschieden zu schreiben, selbst seinen Namen mit h oder ohne, mal mit ö oder mit oe. Dann nahm Duden dem Regierungsrath in Preußen sein h und viele Beamte sahen ihre Autorität und Würde bedroht. Bismarck drohte seinen Staatsdienern und Diplomaten Strafen an, wenn sie die neue Mode mitmachten.

Doch bald hatte Duden, dessen Maxime ja hieß, "schreib wie du sprichst", etwas anderes bewirkt als das Beabsichtigte. Der Vereinfachungsversuch öffnet der großen Normierung der Schrift Tor und Tür. Das passte hervorragend ins DIN-Zeitalter der ersten industriellen Moderne, in der die Deutschen Weltmeister wurden. Die durchregulierte Rechtschreibung, zumal in ihrer engen und ängDochstlichen Auslegung, sozialisierte für die Massenproduktion. Sie braucht strikte Normen, die unbedingt einzuhalten sind. Kreativität und Ideen hingegen brauchen Spielräume. Fehlertoleranz ist der wichtigste Begriff in Theorien über lernende Organisationen. Die industrielle Moral der Ausführenden, Anwender und Kopisten ist obsolet. Eine eng ausgelegte Rechtschreibung, egal welche, initiierte in eine reduzierte Denk- und Handlungsgrammatik. Also halten wir es künftig mit dem Meister aus Weimar. Goethe schrieb: "Ihr seht schon ganz manierlich aus, kommt mir nur nicht absolut nach Haus." Das Absolute ist tödlich. Es hat, wie jede andere Perfektion, keine Zukunft.
DER AUTOR:
Ob "achtmal" nun mit oder ohne Bindestrich geschrieben wird, groß oder klein, das hält Reinhard Kahl - anders als zwei CDU/CSU-Ministerpräsidenten - nicht für wichtig. Vielmehr habe die zu Ende gehende Doppelherrschaft von alter und neuer Rechtschreibung mit ihrem bunten Sowohl-als-Auch einen enormen Zivilisationsgewinn gebracht.
Kahl, Jahrgang 1948, ist Journalist, Autor, Regisseur und Produzent von Fernseh- und Videodokumentationen. Im Zentrum seiner Arbeit stehen "die Lust am Denken und Lernen, die Qual belehrt zu werden und die endlosen Dramen des Erwachsenwerdens". aud


Na, Gott sei Dank!
Wir sind befreit von „reduzierte[r] Denk- und Handlungsgrammatik“. Kann mir das jemand hier erklären?


eingetragen von Norbert Lindenthal am 06.10.2004 um 20.51

7.10.2004 um 17:47:08 Uhr
Erscheinungsdatum 07.10.2004

Vorwürfe gegen Wulff

Chaos nach KMK-Ankündigung

Frankfurt a. M. · 6. Oktober · ara · Niemand weiß, wie es nach Niedersachsens angekündigtem Ausstieg aus der Kultusministerkonferenz (KMK) mit der Behörde weiter geht: KMK-Beschäftigte sind irritiert, Politiker und Entscheidungsträger ratlos. Die Kritik am Vorgehen von Ministerpräsident Christian Wulff (CDU) verstummte auch einen Tag nach dessen Ankündigung nicht, das Abkommen über das KMK-Sekretariat zu kündigen. Damit würde deren Arbeit Ende kommenden Jahres enden, sollten die Kultusminister der Länder das Problem nicht anders lösen.

Wulff agiere "verantwortungslos" und "kontraproduktiv", sagte die Vorsitzende der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW), Eva-Maria Stange. Die Behörde werde sich in den kommenden Monaten mit ihrer eigenen Abwicklung beschäftigen, anstatt die vielfältigen Aufgaben zu lösen, an denen die etwa 250 Beamten und Angestellten der KMK derzeit arbeiten. Sie entwickelten das Bildungssystem weiter, erstellten beispielsweise Bildungspläne für Kindertagesstätten, reformierten die Lehrerausbildung und begleiteten den "größten Reformprozess" seit Jahren an den Hochschulen, so Stange. Diese produktive Arbeit sei nun gefährdet.

"Er will sich nur profilieren"

Die KMK-Beschäftigten irritiert Wulffs Vorstoß. Niedersachsens Ministerpräsident sieht vor, dass sie versetzt werden, falls die Behörde nicht fortbesteht; Pädagogen seien vielseitig einsetzbar und jedes Land könne sich freuen, wenn es Personal zurück bekäme. Dies sei aber für viele keine Perspektive, hieß aus der KMK. Zudem motiviere Wulffs Vorschlag niemanden, sagte ein Beschäftigter, der ungenannt bleiben möchte.

KMK-Präsidentin Doris Ahnen forderte Wulff erneut auf, zu sagen, was er wolle. Sie wies die Kritik Wulffs zurück, die Behörde sei nicht effizient und arbeite zu langsam. "Die politische Ebene, aber auch das Sekretariat der KMK haben sich in den vergangenen Jahren nachhaltig verändert und sich auf die Kernaufgaben konzentriert", sagte Ahnen. Weitere Verbesserungen in diesem Prozess seien bereits Gegenstand einer Ministerarbeitsgruppe. Dort hätten sich die Vertreter Niedersachsens bisher nicht mit besonders vielen Vorschlägen hervorgetan, hieß es aus KMK-Kreisen. Dies nährte Spekulationen, Niedersachsens Regierungschef wolle sich lediglich auf Kosten der KMK profilieren und nicht das Bildungssystem verbessern, wie er selbst vorgibt.

Von Wulffs Vorstoß distanzierte sich auch der Präsident der Hochschulrektorenkonferenz (HRK), Peter Gaethgens. Zwar sei die KMK dringend reformbedürftig, man dürfe sie aber nicht ohne Alternative zerschlagen, sagte Gaethgens. Sie koordiniere den Reformprozess im Bildungssystem.

GEW befürchtet Kirchturmpolitik

Werde die KMK zerschlagen, sei eine Kirchturmpolitik der 16 Bundesländer die Folge. Dies würde nach Ansicht von GEW-Chefin Stange zu einem "Wettbewerbs-Kannibalismus" führen und dazu, dass in der Europäischen Union nur der Bund Deutschland vertrete. Bisher vertritt auch ein Kultusminister in Brüssel die Interessen der Länder.

Nun hoffen alle mit GEW-Chefin Stange auf die "Vernunft der Politik" und darauf, dass die Kündigung letztlich nicht wirksam wird. Das Zeitfenster dafür sei allerdings nicht sehr groß, sagte KMK-Generalsekretär Erich Thies.


eingetragen von Dominik Schumacher am 04.10.2004 um 05.56



4.10.2004

KULTUSMINISTERKONFERENZ

Niedersachsen berät über KMK-Ausstieg

Hannover · 3. Oktober · dpa · Die niedersächsische Landesregierung will am morgigen Dienstag über den Ausstieg aus der Kultusministerkonferenz (KMK) entscheiden. In der Sitzung des Landeskabinetts werde über die bereits angekündigte Vertragskündigung beraten, bestätigte eine Regierungssprecherin. Am Mittwoch werde der Entschluss dann den anderen 15 Ländern mitgeteilt. Die Kündigung durch ein Land bewirkt, dass der Vertrag für alle Bundesländer außer Kraft tritt.

Ministerpräsident Christian Wulff (CDU) will mit der Kündigung Verhandlungen über eine Reform in Gang setzen. Die KMK ist nach seiner Meinung zu teuer, zu bürokratisch und zu wenig innovativ. Für die Verhandlungen bleibt ein Jahr Zeit.

Merkel stützt Vorstoß

Die CDU-Bundesvorsitzende Angela Merkel begrüßte den Vorstoß Wulffs ausdrücklich. "Die KMK hat in den letzten Jahren erhebliche Fortschritte erreicht, aber durch die Initiative von Niedersachsen kann man diesen Prozess noch beschleunigen", sagte Merkel der Welt am Sonntag. Zuvor hatten Kulturstaatsministerin Christina Weiss (parteilos) sowie Bundes- und Landes-FDP zeigten Verständnis für Wulffs Kritik gezeigt, während die SPD in Bund und Land und auch zahlreiche CDU-Politiker sie zurückwiesen. Baden-Württembergs Kultusministerin Annette Schavan (CDU) forderte von Wulff konkrete Reformvorschläge.


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