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eingetragen von Sigmar Salzburg am 11.10.2008 um 08.59

Leitfaden für verzweifelte Reformer
Von Michael Miersch

Nie wieder Reform! Reform bedeutet weniger Arbeitslosengeld, sinkende Renten, steigende Gesundheitskosten und vermurkste neue Rechtschreibung. Niemand aus der politischen Kaste, mit Ausnahme der FDP, mag das Wort noch in den Mund nehmen …

[taz-Redakteur] Ralph Bollmann: Reform
wjs, Berlin. 199 S., 19,90 Euro.
DIE WELT online 11. Oktober 2008
http://www.welt.de/welt_print/article2561354/Leitfaden-fuer-verzweifelte-Reformer.html

[... und unser Bundes-Horst]


eingetragen von Sigmar Salzburg am 24.09.2008 um 06.26

"Pfingsten ist selten, Babylon ist überall"

… Seit einigen Jahren klagen Abgeordnete über eine enorme Zunahme derlei verbaler Attacken, nicht zuletzt aufgrund des Massenphänomens E-Mail. Müntefering, Berufspolitiker seit anno 1975, kennt das bestens. Er spricht recht prägnant von "billigen Vorurteilen", von "Plattheit" und "Dummdreistigkeit".… Ohne Frage aber besitzt Politik einen schlechten Ruf. Von "denen da oben" ist die Rede und natürlich vom "schmutzigen Geschäft" der Politik. Wahlweise wird bemängelt, die Politiker stritten sich stets - oder aber sie suchten immer bloß einen Kompromiss, der natürlich billig zu nennen ist. Sogleich folgt die Feststellung, Politiker strebten - schlimm, schlimm! - nach "Macht". Oder sogar "nur nach Macht".

… Der Berliner Journalist und "Bild"-Hauptstadtbüroleiter Nikolaus Blome widmet sich all jenen Vorurteilen in einem Buch ("Faul, korrupt und machtbesessen? Wolf Jobst Siedler Verlag). Für die Präsentation seines Werks lud Blome den Bundestagsabgeordneten Müntefering ein …

Vor allem aber philosophierte Müntefering über die Macht der Sprache, ließ sich einige Worte entlocken über den neuerlichen Wechsel an der Spitze seiner Partei - und appellierte zu mehr Engagement für die Demokratie …

… Wichtiger scheint Müntefering ein anderes Thema. Er sorge sich um die Demokratie, da diese vielen inzwischen zur Routine geworden sei. "In Deutschland sitzen ganz viele auf der Tribüne und wissen alles besser." Millionen Menschen engagierten sich und schüfen so den "Kitt der Gesellschaft", Millionen andere täten dies eben nicht. Eine "Schaukelstuhldemokratie" aber gebe es nicht, und daher ist Müntefering überzeugt: "Die Verdrossenen sind selbst schuld an ihrer Verdrossenheit."

Aus: Die WELT 24. 09. 2008
http://www.welt.de/welt_print/article2484719/Pfingsten-ist-selten-Babylon-ist-ueberall.html


Am 27. September jährt sich zum zehnten Mal die Volksabstimmung gegen die „Rechtschreibreform“. Bereits frühzeitig hatte Müntefering als SPD-Bundesgeschäftsführer seine Partei wissen lassen:

„Sollte ein Land ausscheren, wäre die Reform gescheitert. Ein Rückfall in die ‚orthographische Vielstaaterei‘, wie sie vor der Einführung der für alle verbindlichen Regeln 1901 herrschte, wäre die Folge. Das kann niemand wollen.“

Die SPD-Kultusminister und ihre mitverschworenen CDU-Kollegen wollten es aber so – jedoch mit den Schulen als Kleinstaaten und orthographische Machtbasis. Daher mußte der demokratische Volksaufstand gegen die „Rechtschreibreform“ niedergeschlagen werden, um weiteren Abstimmungen oder Regierungswechseln zuvorzukommen. Münteferings demokratisches Gewissen verstummte auffällig.

Als die „Reform“ dennoch wankte – nicht weil das demokratische Gewissen der Politiker schlug, sondern weil die Springer-Presse ausstieg – giftete Müntefering gegen die Vertreter des ablehnenden Volkes, die er als „Hochwohlgeborene“ verächtlich zu machen suchte.

Nun ruft Müntefering wieder nach mehr Engagement für die Demokratie – es ist aber eigentlich nur der Ruf nach nützlichen Idioten, die bereit sind, sich auch für unsinnige Parteipolitik einspannen zu lassen.


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Sigmar Salzburg


eingetragen von Sigmar Salzburg am 27.03.2008 um 12.48

... Wirklich ungewöhnlich war jedoch dann Bushidos öffentliches Bekenntnis zur deutschen Sprache ("Englisch ist nicht viel cooler!"). Als Rechtschreibfetischist hasse er Fehler in SMS-Texten. Er spreche auf der Konzertbühne ganz bewusst über Dativ und Genitiv und spiele somit auf das Unwissen seiner Fans an – in der Hoffnung, dass die Leute ein wenig zu Büchern zurückfinden: "Ich bin ein Sprachrohr, posaune Worte in den Äther und bin daher auch verantwortlich für das, was zurückkommt."
Bushidos Aufregung über die neuen Rechtschreibregeln und insbesondere über das Wort "Äktschn" lieferte die perfekte Überleitung zu den nächsten beiden Talk-Gästen: Wolf Schneider und Bastian Sick, ...

WELT online 26.03.2008

WELT.de


eingetragen von PL am 23.03.2008 um 19.03

Patriotismus und Nationalstolz. – Wieder einmal frage ich: welchen? Den österreichischen, liechtensteinischen, schweizerischen oder deutschen?

Die RSR war meiner Meinung nach folgendes: Ein politisches Schurkenstück, ein Verbrechen gegen die Demokratie und ein gutes Geschäft.


eingetragen von Sigmar Salzburg am 23.03.2008 um 15.03

Von Rolf Schneider
Meine Woche
Stolz und Sprache
Warum die Aufregung um Sprachreformen auch ein Ausdruck von Patriotismus ist

Erinnert man sich noch der öffentlichen Auseinandersetzungen um die deutsche Rechtschreibreform? Sie galt vielen als Attacke auf die deutsche Sprache, wiewohl sie mit Sprache nur insofern zu tun hatte, als sie deren Schriftform betraf. Die erste und eigentliche Funktion von Sprache, nämlich Material fürs Sprechen zu liefern, blieb davon gänzlich unberührt.

Das erste Ansinnen der Reformväter, nach dem Vorbild europäischer Nachbarn die gemäßigte Kleinschreibung einzuführen (die schon der Erzvater der deutschen Sprachwissenschaft, Jacob Grimm, verwendete), stieß, es begann in den Fünfzigerjahren, auf einen so breiten, wütenden und andauernden Protest, dass es rundum scheiterte. Es folgten viele Sitzungen. Es entstanden maßvollere Vorschläge. Als sie öffentlich wurden, stießen sie wiederum auf Protest. Kampagnen fanden statt. Verordnungen wurden erlassen und widerrufen, Gremien traten zusammen. Was am Ende herauskam, war ein matter Kompromiss, der viel Ähnlichkeit mit einer Totalrücknahme hatte. Zwischen dem Duden von heute und dem von 1991 sind einzig auffällig bloß der Ersatz des ß durch ss nach kurzem Vokal und die Tripelkonsonanten in Wörtern wie Schifffahrt.

Spätestens seither aber vermögen Sprache, Sprachprobleme und Sprachverirrungen ein Massenpublikum zu bewegen. Feuilletonredakteure wissen das sehr gut. Nur wenig anderes, allenfalls noch der Fußball, beschert Zeitungen ein ähnlich großes Leserbriefecho wie Aufsätze zur Sprache. Derart haben, was vor einem Halbjahrhundert noch undenkbar schien und einzig der Zeitschrift "Die Fackel" von Karl Kraus vorbehalten blieb, unsere Journale sich zu mehr oder weniger regelmäßig gedruckten Sprachglossen entschlossen, wie auch wir sie in den letzten fünf Tagen probiert haben. Zur Sache sind auflagenstarke Bücher erschienen. Ihre Autoren heißen Dieter E. Zimmer, Wolf Schneider und Bastian Sick. Zumal der Letzte [verschlimmbessert gegenüber Version v. 21.3.08: „der letzte“] brachte es zu Bestsellerruhm, seine Vorträge zu Lexik und Semantik finden überall Zuhörer. Sprache kann Emotionen erwecken. Sie kann Diskussionen, Ablehnungen und Moden provozieren. Also wollen wir dieses Phänomen werten als das, was es ist: als einen Ausdruck von Patriotismus. Viele Schriftsteller, so der Kritiker Marcel Reich-Ranicki, pflegen mitzuteilen, ihre eigentliche Heimat sei die deutsche Sprache. 1998 beschloss der Bundestag: "Die Sprache gehört dem Volk." Unbestreitbar jedenfalls, dass wir uns hier im Dunstkreis dessen befinden, was manche Politikern, etwas angestrengt, als unseren Nationalstolz beschwören. Hier also ist er. Seine Substanz ist die Sprache. Mehr braucht er auch nicht.

Rolf Schneider ist Schriftsteller. Er lebt in Schöneiche bei Berlin

Welt online
22. März 2008
http://www.welt.de/welt_print/article1826268/Stolz_und_Sprache.html


eingetragen von Sigmar Salzburg am 05.03.2008 um 07.16

welt.de 4.3.2008

Wie nun? Centrum oder Zentrum?

Warum schreibt Hamburg sein Zentrum auf Hinweisschildern mit C?
Diese Frage eines Lesers stellte die WELT jüngst Helma Krstanowski, Pressesprecherin der Baubehörde, für die Rubrik "Wieso, weshalb, warum".

Die abgedruckte und leicht verkürzt wiedergegebene Antwort stiftete einige Verwirrung. Anders als dargestellt, gab es 1988 keine Änderung der Rechtschreibung - in diesem Jahr fiel die eigenartige Schreibweise in Hamburg lediglich erstmals auf. Es wurde beschlossen, die bereits etablierte Form beizubehalten, auch deshalb, weil sie für Touristen leichter verständlich ist.

Kerstin Güthert vom Rat für deutsche Rechtschreibung erklärt nun, wie es zu dieser Variante kommt: "1901 wurde die deutsche Rechtschreibung für das gesamte deutsche Reich vereinheitlicht, beide Schreibweisen (Z und C) waren zugelassen. Die Variante mit C geriet jedoch in Vergessenheit, schon bald tauchte sie nicht mehr im Duden auf. Ab 1955 galt die Schreibweise des Dudens als verbindlich, zusätzlich berief man sich jedoch auch auf die Regelung von 1901, sodass auch ,Centrum' noch zulässig war. Erst seit der Rechtschreibreform von 1996 ist nur noch 'Zentrum' korrekt." Trotzdem werde die Schreibweise des Wortes mit C noch häufig verwendet. fml

http://www.welt.de/welt_print/article1754341/Stadt_im_Fokus.html

Anmerkung:

1972 erregte in Kiel das Beschilderungsdurcheinander anläßlich der Olympiade große Heiterkeit. Großflächige international sein wollende Wegweiser „Olympiacentrum“ wechselten sich mit „Olympiazentrum“ ab.

Die K/Z-Schreibweise für das romanische C war früh verbreitet (Schiller „Don Karlos“). Ihre Förderung 1901 war aus heutiger Sicht kein guter Einfall. Die internationale Einheit wurde durch den graphischen Dialekt gestört. Bei der Internetsuche muß man immer mehrere Varianten eingeben, um zu einem umfassenden Ergebnis zu kommen. Die Komik mancher Erzeugnisse („Sakko“, aber nicht „Stukk“ und „Stukkkonstruktion“, trotz „Stukkateur“, reformiert jetzt „Stuckateur“, aber nicht „Sacko“) wird einem heute kaum noch bewußt. Die weise Entscheidung von 1901, „Centrum“ nicht zu verbieten, bildet einen deutlichen Kontrast zum spießigen Gängelungseifer der kultusministeriellen Reformkommission von 1996.

Im deutschen Newspeak allerdings ist ein k nun oft der letzte Hinweis, daß ein Wort nicht gewohnheitsmäßig englisch, sondern ausnahmsweise deutsch auszusprechen ist.


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Sigmar Salzburg


eingetragen von Sigmar Salzburg am 29.02.2008 um 08.50

Der 1. April ist doch erst in einem Monat!

28. Februar 2008, 13:29 Uhr
Von Anselm Neft
Schock der Woche
Henryk M. Broder konvertiert zum Islam
Für viele völlig unvermittelt trat gestern einer der beliebtesten Autoren Deutschlands offiziell zum Islam über. Dabei hatte der Kulturjournalist des Jahres 2007 bislang gerade diese Religion immer besonders kritisch ins Visier genommen. …

Nach den Gründen für seinen unverhofften Übertritt befragt, ist Broder um Antworten nicht verlegen: „Ich hatte es satt, von anämischen Muttersöhnen in Blogs wie „Politically Incorrect“, „Freedom Watch“ oder „Fact-Fiction.net“ verehrt zu werden. Mich widern diese Wichtigtuer an, die sich auf jede meiner Pointen einen runterholen, wenn sie nicht gerade korrekte deutsche Rechtschreibung diskutieren. …“

Welt online 28.02.2008
http://www.welt.de/satire/article1735246/Henryk_M._Broder_konvertiert_zum_Islam.html

Er wird doch nicht hier mitlesen!


eingetragen von Sigmar Salzburg am 21.02.2008 um 14.14

Tag der Muttersprache

Deutsche Wörter und ihr Migrationshintergrund


… Zusammen mit dem Deutschen Sprachrat und der Dudenredaktion sucht das Goethe-Institut nämlich das schönste „Wort mit Migrationshintergrund“. Noch bis zum Freitag kommender Woche kann jeder Interessierte Vorschläge einsenden. Bisher haben rund 2500 Teilnehmer aus 42 Ländern mitgemacht. Am häufigsten gewählt wurden die aus Frankreich eingewanderten „Fisimatenten“, dicht gefolgt von dem hebräischen Fremdwort „Tohuwabohu“. Die Entscheidung, welches die schönste Begründung ist, fällt eine prominente Jury, der unter anderen die Moderatorin Anne Will, Komiker Loriot und Politiker Wolfgang Thierse angehören. Ludwig Eichinger, Direktor des Instituts für Deutsche Sprache, findet es gut, dass die Begründungen das gewinnentscheidende Merkmal sind. „So müssen sich die Menschen Gedanken machen, woher das Wort kommt und wie es den Weg in die deutsche Sprache fand.“ …

DIE WELT 20.2.2008
http://www.welt.de/kultur/article1701596/.html#reqNL

… und gerade ist per Gerichtsbeschluß entschieden worden, daß es Rechtens ist, wenn Volksverbildungsminister an solchen Wörtern wie „Quentchen“ und „Tolpatsch“ die letzten orthographischen Spuren ihrer Herkunft tilgen und darüber aufgeklärte Schüler mit dem Rotstift verfolgen lassen.

P.S.: Es gibt noch Schöneres als fiese Matenten:
http://www.nachrichtenbrett.de/Forum/showthread.php?postid=32092#post32092


eingetragen von Sigmar Salzburg am 21.02.2008 um 10.51

Von Dankwart Guratzsch
Siegeszug der direkten Demokratie

Stimmen der Bürger hören

Mehr und mehr sind Bürgerbegehren zu einem Ventil und Korrektiv der Politik geworden. Ob in der laufenden Volksabstimmung in Berlin über die unsinnige Schließung des Flughafens Tempelhof, ob im Streit über die Waldschlösschenbrücke in Dresden, ob in den zahllosen Initiativen gegen die verkorkste Rechtschreibreform - überall, wo sich Bürger bevormundet fühlen, bilden Bürgerentscheide inzwischen eine erstaunlich wirksame Waffe, die die Politik zu fürchten begonnen hat …

http://www.welt.de/welt_print/article1698149/Stimmen_der_Buerger_hoeren.html

Die Welt online 20. Februar 2008

Siegeszug mit Entmündigung der Sieger …


eingetragen von Sigmar Salzburg am 22.01.2008 um 17.00

20. Januar 2008, 04:00 Uhr

"Ich bin nicht Joschkas Typ"

Andrea Fischer musste vor sieben Jahren wegen des BSE-Skandals als Gesundheitsministerin ihren Stuhl räumen. Mittlerweile arbeitet sie als Pharmalobbyistin. Ein Expertengespräch über Seitenwechsel …

War es schwer, nach dem Rücktritt einen neuen Job zu finden?

Fischer:
Tja, ich hatte nie das Gefühl, ein Besuch in einem Arbeitsamt könnte irgendwie Sinn machen, weil die sicher nicht so richtig gewusst hätten, was sie mit mir anfangen sollen. In meinem gelernten Beruf als Druckerin konnte ich wegen einer Allergie nicht mehr arbeiten, in meinem zweiten Beruf als Korrektorin wohl wegen der geänderten Rechtschreibung auch nicht.


Welt online

URL: http://www.welt.de/wams_print/article1575405/Ich_bin_nicht_Joschkas_Typ.html


eingetragen von Sigmar Salzburg am 05.12.2007 um 15.45

5. Dezember 2007, 11:58 Uhr
Von Wolf Lotter
Medien
Auf Stefan Aust folgt die Diktatur des Volontariats
Eine Verschwörung von Missgünstigen hat „Spiegel"-Chefredakteur Stefan Aust gestürzt. Mit ihm werden all jenen guten Schreiber gehen, die er aufgebaut hat. Jetzt kann die Koalition der Mittelmäßigkeit wieder ihren gefühlslinken Pamphletismus pflegen.

Was wirft man jemanden vor, der nichts falsch gemacht hat – außer die Beschaulichkeit des Mittelmaßes zu stören. Der Fall Stefan Aust ist ein Spiegel der Zustände in der Republik.
Deutschland, so lesen wir es alle Tage, erlebt einen Linksruck. Doch das ist falsch. Was wir dieser Tage erleben, ist nichts anderes als ein Putsch des Mittelmaßes. …

http://www.welt.de/meinung/article1431726/Auf_Stefan_Aust_folgt_die_Diktatur_des_Volontariats.html

[Es sind die gleichen Leute, die Austs Rückkehr zur traditionellen Rechtschreibung von innen her torpediert haben – neben den Feinden von außen und vom Überkonzern: Stern-Mann Jörges in einer Talk-Show zur Koalition mit Springer-Döpfner: „ … mit denen geht man nicht ins Bett!“]


eingetragen von Sigmar Salzburg am 18.11.2007 um 14.24

18. November 2007, 10:42 Uhr

Von Uwe Wittstock

Lustige Lyrik
Gedichte von Babsy und den faulen Lehrern

… Gsella ist ein Lyriker mit der Haltung eines Straßenmusikers. Dass er dezidiert komische Gedichte schreibt, macht es ihm ohne Zweifel leichter, Lese-Flaneure für sich zu gewinnen. Zum Beispiel mit folgenden poetischen Porträt des wahren Glücks in Gomera:

Sand unter mir und über mir
ein Mond und hundert Sterne.
Ich flüsterte „Hier bleiben wir“
und küsste sie, es waren vier,
und alle hauchten: „Gerne.“

Wer kann derart paradiesischen Fantasien schon widerstehen.


http://www.welt.de/kultur/article1369787/.html#reqNL

Zu bemerken ist, daß Gsella Chefredakteur der „Titanic“ ist, in der er bis heute an der traditionellen Kulturrechtschreibung festhält.

Oder in ungezwungenen Gedichtbänden:

Gsella, Thomas:
Ins Alphorn gehustet.
Gedichte



"Der Ami weiß nichts von Kultur./ Fragt man nach Joyce, dann patzt er./
Der Ami frißt rund um die Uhr,/ und eines Tages platzt er.
"


Aus einer Werbeseite: Vorurteile über Völker sind saudumm, aber auch saukomisch – zumal wenn ein "Meister" wie Thomas Gsella ( Spiegel ) sie in Reime fasst.


eingetragen von Sigmar Salzburg am 12.05.2007 um 07.23

WELT online, 11. Mai 2007

Von Uwe Wittstock
Buch der Woche
Max Goldts fröhliches Universum des Spotts
… In seinem neuen Band „QQ“ zeigt Goldt wieder mal, was er alles kann, und er kann eine Menge. Es gibt nur wenige Schriftsteller, die einen so wachen Blick auf die deutsche Gegenwart werfen wie er. … Er hat dabei nichts von der Blockwartmentalität jener Dudenschwenker, die sich bei der uferlosen Debatte um die Rechtschreibreform wichtig taten. Er ist vielmehr ein Feinschmecker der Sprache, ein Karl Kraus von heute, …

Max Goldt. Rowohlt, Reinbek. 156 S., 17,90 Euro.


Die Lehrer wurden als Blockwarte der Kultusminister verpflichtet, die meisten Zeitungen machen es freiwillig.


eingetragen von Sigmar Salzburg am 06.11.2006 um 04.01

Aus Schriften vergangener Jahrhunderte ...

... wird gern in der originalen Orthographie zitiert – aus Gründen der Quellentreue oder des Zeitkolorits. Seit der „Reform“ gibt es eine neue, täuscherische Darstellungsform alter Texte – die heysekonforme teiloriginale Zitierweise: Es werden nur die neuen „ss“ eingefügt.

Erstmals fiel mir dies in einem Artikel in den KN (E) v. 24.4.04 auf, in dem aus den „Eckernförder Nachrichten“ vom 15. September 1888 zitiert wurde. Wie aus der abgedruckten Photographie zu entziffern war, waren die altertümlichen „communal“, „Werth“, „Vaterlandsvertheidiger“, „Correspondenten“, „errathen“, „Gratification“ übernommen worden, „Jahresschluß“, „daß“ und „gewiß“ jedoch „angepasst“ worden. Der Autor, Dr. Stefan Deiters, entschuldigte dies auf Anfrage damit, daß sein Schreibprogramm die „ß“ automatisch umwandele.

Jetzt konnte man in der wieder zwangsreformierenden WELT einen Aufsatz von Rüdiger Safranski lesen, in dem ein Textabschnitt von Tieck in der gleichen verwirrenden, nachweisbar nicht originalen Schreibweise „lesbar“ gemacht wird:

In Tiecks "William Lovell" findet sich eine eindringliche Schilderung dieses Gefühls:

"Langeweile ist gewiss die Quaal der Hölle, denn bis jetzt habe ich keine größere kennen gelernt; die Schmerzen des Körpers und der Seele beschäftigen doch den Geist, der Unglückliche bringt doch die Zeit mit Klagen hinweg, und unter dem Gewühl stürmender Ideen verfliegen die Stunden schnell und unbemerkt: aber so wie ich dasitzen und die Nägel betrachten, im Zimmer auf und nieder gehn, um sich wieder hinzusetzen, die Augenbrauen reiben, um sich auf irgend etwas zu besinnen, man weiß selbst nicht worauf; dann wieder einmal aus dem Fenster zu sehen, um sich nachher zur Abwechslung aufs Sopha werfen zu können, - ach... nenne mir eine Pein, die diesem Krebse gleich käme, der nach und nach die Zeit verzehrt, und wo man Minute vor Minute misst, wo die Tage so lang und der Stunden so viele sind, und man dann doch nach einem Monat überrascht ausruft: mein Gott, wie flüchtig ist die Zeit!" .

Rüdiger Safranski „Mit Gott gegen das große Gähnen“ in WELT v. 4.11.2006.


NB.: Der defektive Satzbau steht so im Originaldruck.

Safranskis Schiller-Biographie erschien vorletztes Jahr in traditioneller Kulturschreibung.

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Sigmar Salzburg


eingetragen von Norbert Lindenthal am 11.10.2004 um 17.02

Montag, 11. Oktober 2004 Berlin, 18:57 Uhr

Kultur

Heraus aus dem Oberseminar

Der Streit um die Rechtschreibreform hat wenigstens das Interesse an Sprachstil befördert

von Rolf Schneider

Die Debatte um die deutsche Rechtschreibung hat einen Buchtypus, der sich der öffentlichen Beachtung sonst eher entzieht, in die vorderen Ränge der Sortimente befördert. Es geht um Äußerungen zu Sprache und Stil. Wer sich in die bestehenden Angebote vertieft, wird überwältigt von deren Fülle und Spektrum; letzteres reicht von der linguistischen Spezialuntersuchung bis zum Briefsteller in Sachen Liebe oder Beruf. Behandelt werden Wörter, ihre Herkunft, ihre angemessene Verwendung, behandelt werden Grammatik, Satzbau, Stil und Schreibweise. Was diese anlangt, sind die Zustände derzeit unübersichtlich; wer es genau halten möchte, hantiert gleich mit zwei Ausgaben des Dudens, der von 1991 und der von 2004.

Unter dem Markenzeichen Duden erscheint außerdem ein mehrbändiges Wörterbuch der deutschen Sprache, das sich nicht nur über die Orthographie, sondern auch über Bedeutung, syntaktischen Gebrauch und Ursprünge äußert. Das Letztgenannte trägt den wissenschaftlichen Namen Etymologie und war lange Zeit ausschließlicher Inhalt von germanistischen Oberseminaren. Das zugehörige Lexikon von Friedrich Kluge, erstmals 1881 erschienen, wurde, in immer neuen Auflagen und mit Ergänzungen immer neuer Bearbeiter, zur schwergewichtigen Pflichtlektüre jedes Deutschstudenten.

Wenn jetzt eine Neuerscheinung erscheint, ist dies bemerkenswert. Der Autor, ein Bulgare namens Boris Paraschkewow, untersucht so genannte etymologische Doubletten: Homonyme, die eine gemeinsame Wurzel, aber differierende Bedeutungen haben, Beispiel Schloß, oder Abwandlungen des nämlichen Wortes bei gleichbleibendem Inhalt, Beispiel radikal/ratzekahl. Wer sich als Nichtgermanist auf solche Lektüren einläßt, muß einiges an Sprachinteresse besitzen. Es befördert zu haben, war das gewiß ungewollte Resultat der letzten Rechtschreibreform.

Nun ist richtiges Schreiben nicht bloß ein orthographisches Problem. Gleichermaßen geht es um richtiges Sprechen, richtiges Formulieren und beider Begründungen. Was die wissenschaftliche Linguistik betrifft, hat sich eine anderswo längst wieder untergegangene Modephilosophie, der Strukturalismus, ihre hier sprudelnde Aktualität erhalten, was wohl damit zu tun hat, daß der Erzvater des Strukturalismus, Fernand de Saussure, seinerseits ein Linguist war. Von ihm bis zu praktischen Vorschlägen vom Typus "Wie verfasse ich meinen Lebenslauf?" ist es ein weiter Weg.

Zum Beispiel Wolf Schneider. Zuletzt hat der große Hamburger Journalist Studenten der Journalistik unterrichtet, und von seinen insgesamt 29 Büchern wurde das erste, "Deutsch für Profis" (Goldmann), für angehende Publizisten verfertigt.

Die beiden anderen heißen "Wörter machen Leute" und "Deutsch für Kenner" (beide Piper). Jedes Mal geht es vor allem um Stil und Ausdruck, weswegen sich zahlreiche Überschneidungen herstellen. Schneider wettert gegen Fehler, Jargon, Tautologien und Modefloskeln, er tut dies schneidig und unter Verwendung von Metaphern, die manchmal ihrerseits nur schwer verdaulich sind, "Mumienwörter" etwa oder "betrunkene Marionetten". Von Hause aus kein Linguist, nähert er sich der Wissenschaft mit allen Vorzügen und Gefährdungen des Dilettanten, Irrtümer sind selten bei ihm, Vergröberungen häufig. Was am meisten irritiert, ist sein feldwebelmäßiger Tonfall, wobei sich nicht ausschließen läßt, daß eben darauf sein unbestreitbarer kommerzieller Erfolg gründet.

Seite 2

Heraus aus dem Oberseminar (2)

Judith Macheiner hat mit ihrem "Grammatischen Varieté" (Piper) gleichfalls einen Dauerseller verfaßt. Die Anglistin unterscheidet sich von Wolf Schneider vor allem im Stilistischen, sie formuliert vorsichtiger, auch wissenschaftsnäher, was gelegentlich dröge wirken mag oder ein schwer verständliches Fachwelsch erzeugt. Die Tücken von Kasus und Wortstellung, von Konjunktiv und Parenthese, Qual jedes schulischen Deutschunterrichts, sind bei ihr ausführlich und zumeist einsichtig dargetan.

Zwischen Schneider und Macheiner steht Dieter E. Zimmer, mit Titeln wie "Deutsch und anders" (Rowohlt) und "So kommt der Mensch zur Sprache" (Haffmans). Er ist der beste Schreiber von den dreien und der sensibelste Deuter obendrein. Als exzellenter Übersetzer aus dem Englischen will er weniger dekretieren als erklären, er ist nachsichtig in seinem Urteil und empfänglich für sprachliche Mutationen.

Die drei Autoren haben gemeinsam, daß sie fast durchweg von Sprache reden, aber hauptsächlich Stilistik meinen. Ihr Ziel ist das vorbildliche Deutsch, demonstrierbar an bewährten Mustern deutscher Dichtung, bei Schneider heißen die Autoren Kleist, Kafka, Büchner, Paul, Benn, Nietzsche, Musil, Walser (Robert) und Mann (Thomas). Andere würden noch Goethe, Fontane, Brecht, Hofmannsthal und Borchardt nennen.

Was ist die Wirkung solcher Sachbücher? Daß jemand nach der Lektüre von Schneider und Macheiner plötzlich anhebt, wie Walter Benjamin zu formulieren, ist unwahrscheinlich und wohl auch nicht wünschenswert. Daß er schlimmste stilistische Unarten hinfort vermeidet, steht zu hoffen, sicher ist es nicht. Es bleibt ihm - vielleicht - das gelegentliche Nachdenken über Sprache und Sprechen. Es war ihm schon der Anlaß für Kauf und Lektüre. Alles in allem ist das nicht viel. Mehr bewirken die wenigsten Bücher.

Artikel erschienen am Di, 12. Oktober 2004


eingetragen von Norbert Lindenthal am 07.10.2004 um 19.20

Donnerstag, 7. Oktober 2004 Berlin, 21:16 Uhr

Politik Deutschland
Seiten 1 und 2

Schüler schreiben nach Reform schlechter als vorher

Leipziger Wissenschaftler deckt eklatante Schwächen in der Rechtschreibung von Grundschülern auf

von Dankwart Guratzsch


Eigentlich sollte nach der Reform das Schreiben leichter werden...
Foto: ddp
 
Leipzig -  Das Kernstück der Rechtschreibreform wird von noch unveröffentlichten Studien stark in Zweifel gezogen: Nach Ergebnissen von Langzeittests des Leipziger Erziehungswissenschaftlers Harald Marx ist der Zischlaut "ß" der fehlerträchtigste der Rechtschreibreform. Fazit: Die verschiedenen s-Schreibweisen werden sieben Jahre nach der Umstellung so sehr durcheinander gebracht, daß nach der Reform mehr Fehler auftreten als vor der Reform.

Bei der Auswertung von Schülerarbeiten hat der Pädagogikprofessor Marx herausgefunden, daß Kinder, die die neuen Regeln seit sieben Jahren lernen, zunehmend sämtliche s-Schreibweisen durcheinanderbringen. Die Fehlerträchtigkeit der neuen Regeln ist so augenfällig, daß sie sich in graphischen Darstellungen wie ein Bruch abzeichnet. Das stellt ein Hauptargument der Reformbefürworter in Frage, wonach die Reform vor allem den Schülern Erleichterungen bringen sollte.

Dabei hat sich zunächst keine der neuen Schreibregeln so reibungslos eingebürgert wie die neue s-Schreibung. Danach wird aus "ß" nach kurzgesprochenem Vokal "ss". "Schoß" blieb "Schoß", aber "Schloß" wurde "Schloss". Leichter, so möchte man meinen, geht es nicht. Für viele ist die neue s-Regel deshalb zur Lieblingsregel der neuen Orthographie geworden. Marx hat nun Schülerarbeiten der zweiten bis vierten Klasse, die 1996 - also vor der Reform - in alter Rechtschreibung geschrieben wurden, mit solchen verglichen, die in den Jahren 1998, 2001 und 2004 - also in neuer Orthographie - verfaßt sind.

Das Resultat, das der WELT exklusiv vorliegt, belegt: Bei den von der Reform betroffenen Wörtern kann Marx nichts von der versprochenen "Erleichterung" durch die neue Rechtschreibung feststellen. Wußten 1998 noch 53 Prozent der Viertkläßler, daß ein Wort wie "Schoß" mit "ß" zu schreiben ist, so waren es drei Jahre später noch 47, 2004 lediglich noch 35 Prozent. Vor der Rechtschreibreform hatten noch 89 Prozent der Altersgenossen die Vokabel richtig geschrieben. Doch nicht nur von der Rechtschreibreform unberührte Wörter mit "ß", auch solche mit "s" werden zur neuen Fehlerquelle.

Ein Wort wie "Last", das in alter Rechtschreibung noch 90 Prozent aller Viert-, Dritt- und sogar Zweitkläßler richtig zu schreiben wußten, bringen heute, sieben Jahre nach der Reform, nur noch 75 Prozent der Zweitkläßler, 81 Prozent der Drittkläßler und 61 Prozent der Viertkläßler korrekt zu Papier.

Den Schülertests mißt Marx deswegen große Bedeutung bei, weil dessen Ergebnisse als repräsentativ gewertet werden können. 1200 Schüler von der zweiten bis zur vierten Klasse haben mittlerweile das immergleiche Diktat geschrieben, einen "Lückentext", in den 44 Wörter eingefügt werden müssen. Diese Versuchsanordnung garantiert die höchste denkbare Objektivität.

Was aber ist es genau, das zur Vermehrung fehlerhafter Schreibungen bei Wörtern führt, an deren Schreibweise sich nichts geändert hat? Marx spricht von "Übergeneralisierung" und meint damit: Die neue Orientierung der s-Schreibung an der Aussprache sowie die Tendenz, den Gebrauch des "ß" einzuschränken, verleiten zu einer unzulässigen Verallgemeinerung dieser Neuerungen. Wer statt "faßt" nun "fasst" schreibt, der schreibt anscheinend bald auch "Lasst" statt "Last". Und wer früher kein Problem mit "Klößen" und "Rockschößen" hatte, der meint heute, er dürfe daraus "Klöse" und "Rockschöse" machen. Auf welche Wörter sich seine Untersuchungen konkret stützen, will Marx bisher noch nicht preisgeben. Die Veröffentlichung in dieser Zeitung kommt einem Aufsatz des Wissenschaftlers in einer Fachzeitschrift zuvor. Deshalb sind die hier genannten Beispielwörter auch nur als Verständnishilfen zu verstehen.

-- Seite 2 --

Schüler schreiben nach Reform schlechter als vorher (2)

Auf die Diskussionen über die verbindliche Einführung der neuen Rechtschreibung an den Schulen im Sommer 2005 kann das Leipziger Forschungsprojekt nicht ohne Auswirkungen bleiben - zumal weder die Kultusministerkonferenz noch die Mannheimer Rechtschreibkommission über vergleichbare Erhebungen verfügen.

In Fachkreisen gilt Marx als Autorität. Der Professor für Pädagogische Psychologie und Dekan der Universität Leipzig hat sich als Herausgeber des angesehenen "Jahrbuchs der pädagogisch-psychologischen Diagnostik" und der Buchreihe "Deutsche Schultests" weit über seine Universität hinaus einen Namen gemacht. Über sich selbst sagt Marx: "Ich bin weder Anhänger noch Gegner der Rechtschreibreform." Inzwischen zeigen sich selbst die Urheber der Reform, die Mitglieder der Rechtschreibkommission in Mannheim, beeindruckt. Sie haben die jüngste Studie des Leipzigers angefor- dert.

Geht es nach der Mehrheit der Deutschen, hat die Rechtschreibung in ihrer jetzigen Form ohnehin keine Aussicht auf Erfolg. Waren im April noch 49 Prozent gegen die Reform, sind es mittlerweile 60 Prozent. Das ist das Ergebnis einer aktuellen Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Allensbach. Nur noch 11 Prozent der Deutschen sind für den Erhalt der neuen Schreibweise. Auf der anderen Seite ist es jedem Dritten egal, nach welcher Rechtschreibregel geschrieben wird.

Artikel erschienen am Fr, 8. Oktober 2004


eingetragen von Detlef Lindenthal am 04.10.2004 um 10.12

Weil dort überall keine Handwerker arbeiten, seufz.
Recht ordentlich arbeitende Rückumstellungsfilter gibt es bei http://gutes-Deutsch.de und http://normalfilter.de .
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Detlef Lindenthal


eingetragen von Dr. Konrad Schultz am 04.10.2004 um 09.33

Heute gibt es in der "Welt" einen Artikel "Über die Seßhaftigkeit eines 101-Jährigen".


eingetragen von Norbert Lindenthal am 25.09.2004 um 11.52

25.9.2004

Aktuell

Wulff kündigt der Kultusministerkonferenz

Der Landesbeitrag von jährlich rund 2,5 Millionen Euro soll künftig zur Qualitätsverbesserung an niedersächsischen Schulen verwendet werden


Ministerpräsident Christian Wulff (CDU)
Foto: dpa
 
Niedersachsen will nach den Worten von Ministerpräsident Christian Wulff (CDU) die Kultusministerkonferenz (KMK) der Länder verlassen.

Die Bundesland werde in den nächsten Wochen den Staatsvertrag über das Bildungsgremium kündigen, sagte Wulff der „Neuen Osnabrücker Zeitung“ laut Vorabmeldung. Damit sei „ein Jahr Zeit sein, eine neue Koordinierung zu verhandeln, die effizienter, sparsamer und offener für neue Entwicklungen sein muss“. Viele in der KMK seien „überfordert, alten Vorstellungen verhaftet und nicht aufgeschlossen“.

Niedersachsen zahle jährlich rund 2,5 Millionen Euro an die KMK. Dieses Geld solle nun für eine Qualitätsverbesserung an Schulen eingesetzt werden, „statt für die Bürokratie von 250 Leuten, die zum Teil nichts anderes tun, als vom grünen Tisch aus Konzepte theoretisch zu entwerfen und dann gegen gewichtige Einwände rechthaberisch zu verteidigen“, sagte Wulff.

Die seit 1948 existierende KMK hat die Aufgabe, bildungs- und kulturpolitische Fragen mit überregionaler Bedeutung zu koordinieren. Die Zuständigkeit für Schulen, Hochschulen und Forschung liegt nach dem Grundgesetz bei den Bundesländern.

Artikel erschienen am Sa, 25. September 2004


eingetragen von DS am 25.09.2004 um 11.50

KMK-Präsidentin kritisiert Ausstieg Niedersachsens

Mainz (dpa) - Mit heftiger Kritik hat die Präsidentin der Kultusministerkonferenz, Doris Ahnen, auf den angekündigten Ausstieg Niedersachsens reagiert. Eine Abstimmung in der Bildungspolitik sei zwischen den Ländern unabdingbar, so Ahnen. Kritik äußerten auch die Lehrergewerkschaft GEW und Berlins Kultursenator Thomas Flierl. Niedersachsens Regierungschef Christian Wulff hatte angekündigt, aus der Konferenz auszusteigen. Er will neu verhandeln, um das Gremium effizienter und offener zu machen.

erschienen am 25.09.2004 um 13:07 Uhr
© WELT.de


eingetragen von Norbert Lindenthal am 01.09.2004 um 18.22

Mittwoch, 1. September 2004 Berlin, 20:19 Uhr

Politik Deutschland

Bulmahn: Duden soll künftig wieder Rechtschreibung normieren

von Joachim Peter

Berlin -  Bundesbildungsministerin Edelgard Bulmahn (SPD) hat sich erstmals in die Debatte um die Rechtschreibreform eingeschaltet und für Änderungen an der neuen Rechtschreibung plädiert. "Sprache verändert sich. Die neue Rechtschreibung sollte man daher nicht in Beton gießen", sagte die Ministerin vor Journalisten in Berlin. Außerdem sprach sie sich dafür aus, dass "der Duden die Normierung künftig wieder vornehmen" solle. Bislang hatte die Bundesministerin stets betont, die Frage der Rechtschreibung sei Sache der Länder und der dafür eingesetzten Zwischenstaatlichen Kommission.

Der Vorstoß Bulmahns stieß jedoch seitens der Opposition auf Kritik "Ich habe alles andere als ein gutes Gefühl, wenn wir dem Duden die alleinige Rechtschreibungshoheit wieder zurückgeben und damit ein marktwirtschaftliches Element über Sprache entscheiden lassen", sagte FDP-Bildungsexpertin Ulrike Flach der WELT. Vielmehr hege sie eine "gewisse Sympathie" für die jüngsten Vorschläge der Akademie für Sprache und Dichtung.

Diese hatte am Montag die Einsetzung eines Expertenrates für Rechtschreibung gefordert, der seine Vorschläge für einen Kompromiss bis zum Ende der bisher festgelegten Übergangszeit zur endgültigen Einführung der neuen Rechtschreibregeln im August 2005 ausarbeiten sollte. Die Akademie schlug ferner vor, den Stichtag für den Übergang zur neuen Rechtschreibung um ein Jahr zu verlängern. "Wir werden die neue Rechtschreibung nicht völlig abschaffen können, weil dazu die politischen Mehrheiten fehlen" sagte Flach. Der Vorstoß der Akademie wurde auch von Kulturstaatsministerin Christina Weiss (parteilos) positiv aufgenommen. "Der Vorschlag ist klug", sagte sie der dpa. Die Regierungschefs der Länder sollten sich daher erneut zu Beratungen zusammensetzen.

Artikel erschienen am Do, 2. September 2004


eingetragen von Norbert Lindenthal am 01.09.2004 um 18.13

Zitat:
insgesamt 32385 Stimmen abgegeben

Hoffentlich stimmt die Zahl! In welchem Zeitraum? Hat schon jemand herausgefunden, ob diese Abstimmung manipuliert werden kann? Auf den ersten Blick scheint sie eher technisch ganz gut zu sein. Vielleicht gibt es mal ein Technikergespräch, so daß wissenschaftlich einwandfreie Bedingungen entstehen?

Wer aus der Runde würde mitmachen?
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Norbert Lindenthal


eingetragen von Norbert Lindenthal am 01.09.2004 um 17.51



Welt.de-Umfrage

 
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insgesamt 32385 Stimmen abgegeben


eingetragen von Norbert Lindenthal am 01.09.2004 um 17.46

Mittwoch, 1. September 2004 Berlin, 19:41 Uhr

Hoffen auf den Cheney-Effekt

Pünktlich zum Parteitag der Demokraten haben Amerikas Schriftsteller ein Lexikon der Post-Bush-Ära vorgelegt

von Wieland Freund

Lexika verwalten die Vergangenheit, und sei es die unmittelbare, Veraltung ist ihr Schicksal. Irgendwann wird die "Mantille", ein "leichter Frauenmantel, 19. Jhd.", aus dem "Kleinen Brockhaus" verschwinden, und die Handwörterbücher werden auf den "Schloßvogt" verzichten - die Rechtschreibreform hat der Gute schon nicht mehr mitgemacht. Wörterbücher der Zukunft hingegen gibt es gemeinhin nicht - außer bei George Orwell und im amerikanischen Präsidentschaftswahlkampf.

Pünktlich zum Parteitag der Republikaner in New York nämlich hat sich die überwältigende Mehrheit bekannter amerikanischer Schriftsteller zusammen getan zum lexikalisch anspruchsvollsten Projekt des Bush-Bashing. "The Future Dictionary of America", im unabhängigen McSweeneys-Verlag von Jonathan Safran Foer, Nicole Krauss und McSweeney's-Macher und -Finanzier Dave Eggers herausgegeben, verzeichnet jene Begriffe, die eine lange vergangene Ära Bush den Amerikanern hinterlassen hat. Aus "okay" ist in der utopischen Zukunft des Jahres 2034 beispielsweise "blowkay" geworden, ein Adjektiv wie es für einen beliebigen neuen Seantor Rhode Islands Anwendung findet. Der sei, so besagt der Beispielsatz, zwar ein Schürzenjäger, aber so lange er nicht Tausende Amerikaner unter falschen Voraussetzungen in einen Krieg schicke, sei das schon "blowkay". Als "rumsfeld" hingegen wird in 30 Jahren, Beiträger Kurt Vonnegut zufolge, jemand bezeichnet werden, der "casualties", Unfallverluste, verdauen könne.

Die Liste der Beiträger ist so lang wie prominent, einen namhaften amerikanischen Schriftsteller auf Seiten Bushs müsste man ohnehin suchen wie die Stecknadel im Heuhaufen. Unter anderen haben Donald Antrim, T.C. Boyle, Michael Chabon, Jonathan Franzen, Glen David Gold, Stephen King, Joyce Carol Oates, Richard Powers und Colson Whitehead Einträge geliefert, auf der beigelegten CD, "The Future Soundtrack of America", musizieren David Byrne, R.E.M. oder Tom Waits. Beinahe 200 Autoren hat das Projekt versammelt, viele von ihnen waren schon zuvor, etwa im März bei der New Yorker Spendenlesung der Organisation "Downtown for Democracy", als Anti-Bush-Aktivisten hervorgetreten. Jeder Cent der Erlöse des Lexikons, so lässt McSweeney's verlauten, komme "fortschrittlichen Organisationen" zugute, die "für die Wahl 2004" arbeiteten.

Zusammen schreibt dieses Who is Who der US-Literatur Satire oder macht einfach Quatsch, wird beleidigend, sieht schwarz oder rosarot - ein überdimensioniertes "rat pack" in gar nicht goldenen Zeiten. Für die meisten der Beiträger ist Richard Nixon ein Kindheits- oder Jugendtrauma und Nixon gegen Bush ein Waisenknabe. Dementsprechend geht es zur Sache. Paul Auster definiert "bush" nur scheinbar botanisch als "giftige Familie der Sträucher, mittlerweile ausgestorben", dem Eintrag "dubyavirus" ("aggressiv invasive, tragisch weit verbreitete Krankheit") lässt sich entnehmen, dass George W. Bush irgendwann zwischen 2004 und '34 als Kriegsverbrecher der Prozess gemacht wurde.

Nicht umsonst sind hier Schriftsteller am Werk, hinter vielen Einträgen verbirgt sich eine, gar nicht selten hoffnungsfrohe Geschichte. Robert Coover beispielsweise hat den Begriff "ashcrofted" geprägt, der auf solche Politiker Anwendung findet, die "auf Grund religiöser Wahnvorstellungen" für ein öffentliches Amt nicht länger geeignet sind und deshalb aus demselben entfernt werden. Und Jeffrey Eugenides scheint sich gar ein Happy End noch während der Amtszeit George Bushs vorstellen zu können. Als "Cheney-Effekt" beschreibt er eine "Persönlichkeitsveränderung infolge einer Organtransplantation, üblicherweise des Herzens".

Hoffen auf den Cheney-Effekt (2)

Wer jedoch glaubt, hier schon das Triumphgeheul der Pro-Kerry-Aktivisten zu hören, irrt. Immerhin verzeichnet das "Future Dictionary of America" keineswegs die Neologismen des Jahres 2005, das George W. Bush bereits allein das texanische Unterholz bekämpfend auf seiner Ranch in Crawford verbracht hat. Nein, 2034 ist lang hin, und die Zuversicht der Beiträger ist eine andere - sie gilt der ältesten Demokratie der Welt. Länger als acht Jahre saß schließlich nur Franklin Delano Roosevelt im Oval Office, übrigens ein Demokrat. Alles also hat ein Ende - wo gewählt wird, eher früher als später -, und wenn es um die Wurst geht wie bald an den Urnen: die hat gleich zwei.

Artikel erschienen am Do, 2. September 2004


eingetragen von Dominik Schumacher am 24.08.2004 um 18.52

Dienstag, 24. August 2004 Berlin, 20:49 Uhr

Politik Deutschland

Das Buch der Verwirrung

Der neue Duden zwischen klassischer und neuer Rechtschreibung

von Dankwart Guratzsch

Frankfurt/Main  -  In manchen Buchhandlungen war er unter der Hand schon seit einigen Tagen zu bekommen. Heute wird er in Mannheim offiziell vorgestellt: der neue Duden. Selten in der Geschichte dieses Standardwerkes ist die Edition schon im Voraus so umstritten gewesen wie jetzt. Denn die Neuauflage macht die Verwirrung komplett. Obwohl das Nachschlagewerk in neuer Rechtschreibung erscheint, enthält es schon wieder ungezählte neue Schreibvarianten und verbindliche Neuschreibungen, mit denen die neue Rechtschreibung ein weiteres Mal verbessert werden soll.

Viele dieser Neuschreibungen erlauben die Rückkehr zu klassischen Schreibweisen, andere führen völlig neue Varianten ein. Und in dieser Form soll die neue Rechtschreibung im Sommer 2005 verbindlich werden. Schüler, die diese Reform der Reform dann nicht beherrschen, bekommen jedes falsch geschriebene Wort als Fehler angestrichen.

Schon im Frühjahr hatte der Erlanger Sprachwissenschaftler Theodor Ickler vorausgesagt, dass die neuerliche "Reform der Reform" etwa 3000 bisher nicht gestattete Schreibweisen betrifft. Die Zahl hatte Ickler aus einer Wörterliste für den Buchstaben "D" ermittelt, in der die geplanten Änderungen exemplarisch vorgeführt worden waren. Icklers Zählung hatten sowohl die Kultusminister als auch die Mitglieder der Mannheimer Zwischenstaatlichen Kommission für deutsche Rechtschreibung heftig widersprochen und unterstrichen, es handle sich überwiegend nur um "Präzisierungen und Ergänzungen". Kein einziges Buch müsse neu gedruckt werden.

Nun liegt mit dem Duden bereits das erste neu gedruckte Buch vor und stößt die Beschwichtigungsversuche über den Haufen. Der Erlanger Wirtschaftswissenschaftler Christian Dörner hat den Neududen durchforstet und kommt zu der Einschätzung, dass noch "weit mehr als 3000 Schreibweisen neu zugelassen und verbindlich vorgeschrieben worden sind". In akribischer Untersuchung musste er feststellen, dass nicht einmal der Duden selbst die neuen Schreibweisen durchgängig anwendet, die in den beigegebenen Regeln dekretiert werden (siehe nebenstehende Beispiele).

Da sich die mehreren Tausend neuen Schreibweisen bislang auf dieses eine Wörterbuch beschränken, wird es immer fraglicher, ob der Einführungstermin Sommer 2005 für die neue Neuschreibung gehalten werden kann. Es kommt hinzu, dass schon jetzt von weiteren Änderungen und Anpassungen die Rede ist, die ein Rat für deutsche Rechtschreibung vornehmen soll, den die Kultusminister im September berufen wollen.

Möglicherweise ist dies auch der Grund dafür, dass andere Wörterbuchverlage mit dem Druck von Neuauflagen zögern. Andererseits zeichnet sich als immer unausweichlicher ab, dass sämtliche Wörterbücher neu gedruckt werden müssen, weil die im Duden wiedergegebenen Regeländerungen dies erzwingen.

Inzwischen beginnt sich auch in Österreich und der Schweiz der Widerstand von unten gegen die Reform zu formieren. Als erste österreichische Zeitungen kehren das Massenblatt "Kronen Zeitung" und das Magazin "News" zur klassischen Rechtschreibung zurück. SPÖ-Chef Alfred Gusenbauer sieht "keinen Sinn" in den neuen Schreibregeln und bemerkt amüsiert: " Wozu, bitte, brauchen wir etwas, das niemand haben will und an das sich niemand hält?"

In der Schweiz haben die renommierten Schweizer Monatshefte die Kehrtwende vollzogen, nach dem sie schon im November 2003 ein ganzes Themenheft dem "Fehlkonzept Rechtschreibreform" gewidmet hatten.

Artikel erschienen am Mi, 25. August 2004


eingetragen von Norbert Lindenthal am 21.08.2004 um 20.48

Ausgabe vom Sonntag, den 22.08.2004

Politik

Die Schlacht der Worte
Die Woche im Landtag
von Peter Lamprecht

Der Dialog der führenden Landespolitiker gewinnt nach der allmählich endenden Sommerpause an Frische und Schärfe, vorsichtig ausgedrückt. Bis zum Wahltag im Mai droht die Schlacht der Worte. Oder wie würden Sie es nennen, wenn SPD-Ministerpräsident Peer Steinbrück die wechselnde Haltung seines CDU-Kontrahenten Jürgen Rüttgers zu den Hartz IV-Gesetzen so karikiert: "Er liegt in der Furche. Und dann entdeckt er plötzlich die Mutter Teresa in sich." Er hoffe, sagte Steinbrück weiter, dass in den nächsten Wochen "Konzeptionslosigkeit und Flügelkämpfe in der CDU noch kommuniziert werden". Rüttgers konterte umgehend: "Sein heutiger Auftritt ist eine Mischung aus Schönfärberei, was die Lage von Deutschland und NRW angeht, mangelnder Lernfähigkeit, was die Rechtschreibreform betrifft, und sozialer Kälte gegenüber menschlichen Schicksalen, wenn er über Hartz IV spricht." Dazu hatte Steinbrück gesagt: "Manchmal muss die Politik stehen." Schauen wir mal, wie sie bis Dezember steht.

Auch der Bundespräsident ist standhaft. Horst Köhler folgt dem Beispiel seiner Vorgänger und wird Schirmherr des Stifterverbandes für die Deutsche Wissenschaft in Essen. Mit Verbands-Präsident Arend Oetker und Generalsekretär Manfred Erhardt hat er für das erste Treffen ein heißes Thema verabredet: die Diskrepanz zwischen geistig-kultureller und ökonomisch-technischer Welt, die wachsende Spaltung in den Köpfen. Ein Thema, dem mit Schwerpunkt Ethik auch der Ministerpräsident mit Managern nachspüren will - "bei einem Glas Wein, vielleicht einer Suppe".

Artikel erschienen am 22. August 2004


eingetragen von Norbert Lindenthal am 21.08.2004 um 04.00

Samstag, 21. August 2004 Berlin, 05:52 Uhr

Literarische Welt

Jetzt wird zurückgeschrieben

Die Rechtschreibreform ist gescheitert. Zeitungsverlage wie der Axel-Springer-Verlag kehren zu den alten Regeln zurück. Acht Schriftsteller schreiben Nachrufe auf eine große deutsche Debatte

von Monika Maron, Peter Schneider, S

[Bild]
Besucher der Frankfurter Buchmesse vor einem Transparent des Duden
Foto: ddp
 
Monika Maron: Den Schriftstellern wird vorgeworfen, sie hätten sich, wenn ihnen die Rechtschreibung denn so heilig sei, früher in die Diskussion einmischen sollen. Aber wahrscheinlich ging es vielen ähnlich wie mir und die angekündigte Rechtschreibreform kam ihnen nicht sonderlich gefährlich vor. Dass statt daß und Be-cken statt Bek-ken und die eine oder andere Kommaregel; solange sie das Semikolon nicht abschaffen, dachte ich, und solange sie den Substantiven ihre Großbuchstaben nicht rauben, was der Eliminierung des "Sie" in den Umgangsformen gleichgekommen wäre, solange werde ich mit dieser Reform leben und schreiben können, dachte ich. Bis ich mein erstes reformiertes Manuskript zu korrigieren hatte, das mir in einer gemäßigten S. Fischer-Rechtschreibversion vorlag. Es war eine Sammlung älterer und neuerer Texte. Die älteren blieben, wie sie waren, die neueren wurden transformiert und in einem der transformierten fand ich den Satz: "Egal, was E. sagt, mir tun die Männer Leid" und das war genau das Gegenteil von dem, was ich hatte sagen wollen. Ich wollte sagen, dass ich die Männer bedauere, und nun stand da, dass die Männer mir ein Leid antun. Es fand sich noch eine Reihe anderer, mittlerweile viel zitierter Grausamkeiten, die ausreichten, mich zu einer bekennenden Gegnerin der Rechtschreibreform zu machen und denen, die sie angerichtet hatten - ganz offensichtlich Menschen, die weder Gefühl für die Sprache hatten, noch Respekt vor ihr - das Recht, sich an ihr zu vergreifen, rundum abzusprechen. Denn ihre Beteuerungen, nur am Kleid der Sprache, nicht aber an ihrem Fleisch herum geschnitten zu haben, bewies nur, dass sie nicht einmal verstanden, was sie taten. Jetzt zu behaupten, die Gegner hätten früher protestieren müssen, zeugt von nicht geringer Ignoranz. Die Schriftsteller haben sich der Reform zum großen Teil verweigert und ihre Bücher in herkömmlicher Schreibweise erscheinen lassen, Wissenschaftler und Journalisten haben interveniert, aber die Sprache war ins Getriebe der Bürokratie geraten, der Kultusbeamten und einem Teil der Lehrerschaft, der offenbar meint, wenn Fehlerquellen beseitigt sind (was ja wohl nicht einmal der Fall ist), hätten sie besser unterrichtet oder wären die Kinder nun klüger. Und wenn sich unter den älteren Schülern jetzt der Slogan von den "erwachsenen Legasthenikern", die zu blöd seien, neue Regeln zu lernen, ausbreitet, lässt das befürchten, dass man ihnen nicht nur die Orthographie nicht hat beibringen können, sondern offenbar auch jede Sprachempfindlichkeit abtrainiert hat.

Jetzt, da einige große Verlage und Zeitungen ihre Macht gebrauchen, um den Countdown abzubrechen, wird ihnen vorgehalten, sie boykottierten ohne Legitimation die Arbeit demokratisch gewählter Institutionen. Aber wer wurde demokratisch gewählt, um diesen Unfug mit dem "Leid" zu verzapfen? Eine demokratische Wahl berechtigt nicht zur Amtsanmaßung.

Der hemmungslose Trieb der Bürokratie zu beherrschen, was sie bedienen sollte, wird ausgerechnet bei der Rechtschreibung zum Skandalon, weil sie alle betrifft, während der alltägliche bürokratische Irrsinn nur von den jeweils attackierten Gruppen wahrgenommen wird.

Es ist ganz gleichgültig, welche Partei wir wählen, den sich selbst als Sinn genügenden bürokratischen Apparat wählen wir immer mit. Aber wie wehrt man sich gegen etwas, das von Natur aus so machtgierig ist, das in jeden Spalt, jeden Riss im noch unreglementierten öffentlichen Leben hemmungslos hineinwuchert, das aber nicht abwählbar ist? Man kann es nur boykottieren, wenn man kann. Und diesmal können wir.

[Seite 2]
Monika Maron lebt in Berlin. Zuletzt erschien "Geburtsort Berlin" mit Fotos von Jonas Maron bei S. Fischer.

Helmut Krausser : Das entscheidende Argument gegen die Rechtschreibreform ist, dass ich dagegen bin. Außerdem ist Schröder für die Reform. Das sind schon zwei entscheidende Argumente. "Wir brauchen unser ph!" lautete übrigens der letzte schwach gequiekte Satz der eben an Floridas Küste aus Protest gegen die Reform Selbstmord durch Zwangseinschläferung verübt habenden Delfine. Wessen Herz wäre roh genug, sich diesem letzten Willen zu widersetzen?

Helmut Krausser lebt in München. Zuletzt erschien seine Geschichte "Die wilden Hunde von Pompeji" bei Rowohlt.

Peter Schneider: Es ist schon merkwürdig, dass jetzt Großverlage darüber befinden wollen, wie wir recht zu schreiben haben. Wenn Axel Springer, "Spiegel" und "Süddeutsche Zeitung" ankündigen, dass sie zur alten Rechtschreibung zurückkehren werden, ist damit das Bedürfnis nach einer Reform ja nicht erledigt. Die Reform, die jetzt bekämpft wird, war in mancher Hinsicht unglücklich, hat aber auch sinnvolle Neuerungen gebracht. Jetzt werden wir zwei oder drei Jahrzehnte lang keine einheitliche Rechtschreibung haben. Aber ist das so schlimm? Ich wundere mich über manche meiner Kollegen, die so tun, als sei das deutsche Volk mit der alten Rechtschreibung auf die Welt gekommen. So wie die Sprache sich bewegt - falls sie lebendig ist - muss sich selbstverständlich auch ihre Schreibung bewegen. Es ist unsinnig, die bisher gültige Orthografie"klassisch" zu nennen, wie es im gegenwärtigen Streit oft geschieht. Man muss sich im Übrigen nur einmal meine Originalmanuskripte und die meiner Kollegen im Zustand vor der Lektorierung anschauen. Dann wird man es doch zweifelhaft finden, dass deutsche Schriftsteller sich als orthodoxe Rechtschreib-Päpste aufführen. Auch die alte Rechtschreibung enthält Regeln, die jeden Menschenverstand kränken. Es ist widersinnig, etwas als "Kulturgut" zu verteidigen und konservieren zu wollen, was so dem Wandel unterliegt wie die Rechtschreibung. In den Briefen des jungen Schiller etwa an seine Geliebte Charlotte finden sich oft zwei, ja drei Schreibungen für ein Wort. Unser literarisches Erbe hängt natürlich nicht an einer einheitlichen Orthografie. Darf man eigentlich noch daran erinnern, dass die Gebrüder Grimm - wie Österreich und die Schweiz zu Beginn der Reformdebatte - noch für die Kleinschreibung eingetreten sind? Wir Deutschen haben ein fundamentalistisches Verhältnis zur Rechtschreibung. In keinem anderen Land der Welt spielt sie in der Schule eine so Erfolg bedingende oder auch Erfolg verhindernde Rolle wie in Deutschland. Deshalb ist es jetzt auch ein erhebliches Problem, dass bald in den gedruckten Massenmedien anders geschrieben als in den Schulen gelehrt wird. Ich kann nur hoffen, dass dem mit einer gewissen Lässigkeit und Gelassenheit begegnet wird. Ich sehe keine Möglichkeit, wie in absehbarer Zukunft eine einheitliche Rechtschreibung durchgesetzt werden soll. Müssen wir Deutsche uns also wieder einmal auf die Suche nach unserer Identität begeben? Falls wir sie in der Rechtschreibung suchen, werden wir nicht fündig werden.

Peter Schneider lebt in Berlin. Zuletzt erschien der Erzählungsband "Das Fest der Missverständnisse" bei Rowohlt.

[Seite 3]
Frank Goosen: Rechtschreibreform ja oder nein? Und wenn ja, welche? Die von neulich oder die von 1901? Oder doch wieder wie zu Goethes Zeiten, als sogar der Meister so schrieb, wie es ihm die Stimmung eingab? Ich gebe zu, ich bin hin und her gerissen, also manchmal geneigt, die ganze Diskussion mit einem indignierten Seufzer "Hach, diese Streiterei ist mir zu deutsch!" vom Tisch zu fegen, dann wieder wild entschlossen auch fürderhin "wohlverdienter Urlaub" statt "wohl verdienter Urlaub" zu schreiben, und "leid" nach "es tut mir" sowieso klein. Andererseits verwende ich seit ein paar Jahren begeistert "dass" statt "daß", sehe allgemein nicht ein, wieso nach kurzen Vokalen das "ß" stehen soll und trenne lustvoll s von t. Gut, "Flussschifffahrt" sieht richtig blöd aus, kommt aber auch nur selten vor. Mittlerweile gibt es aber schon Fotografie statt Photographie und niemand regt sich auf. Also: Grausamkeiten wie die zwanghafte Getrenntschreibung kassieren, ansonsten weiter wie zuletzt. Und vor allem: nie wieder eine Kommission zur Rechtschreibreform! Manchmal muss man Sprache einfach machen lassen.

Frank Goosen lebt in Bochum. Zuletzt erschien sein Geschichtenband "Mein Ich und sein Leben" bei Eichborn.

Burkhard Spinnen: Zur Rechtschreibreform hatte ich nie eine besondere Meinung. Ich hielt sie nicht für lebenswichtig. Auch fühlte ich mich nicht gar so zuständig: Meine Arbeit gilt eher dem rechten Schreiben als dem Rechtschreiben. Auch jetzt beziehe ich ungern Stellung. Lieber grabe ich mir zu meinem Schutz ein Sommerloch. Und winke daraus mit einer weißen Fahne, auf der auch keine Meinung, sondern ein kleiner Hinweis geschrieben steht: Die neuen Regeln werden, so höre ich, "nicht angenommen". Waren denn die alten jemals "angenommen"? Gut rechtschreiben hieß doch nie, alle Schreibweisen zu kennen. Bei der Fülle des Unregelmäßigen hieß es vielmehr, möglichst oft und an der richtigen Stelle nachzuschlagen. Ich habe früher wissenschaftliche Texte redigiert. Da erfuhr ich schnell, was ich alles nicht wusste oder immer wieder vergaß! Nie aber war das Nachschlagen so einfach wie heute. Wer in Richtung Veröffentlichung schreibt, tut das am PC, wo im Hintergrund die Korrekturprogramme laufen. Und der Duden steht nicht irgendwo in veralteter Auflage, sondern einen Klick entfernt und brandneu im Netz. - Dies meine kleine weiße Fahne.

Burkhard Spinnen lebt in Münster. Zuletzt erschienen seine Erinnerungen "LegoSteine" bei Schöffling.

Said: Während in anderen ländern akademien sich mit der sprache befassen, wird hierzulande eine kommission einberufen, deren mitglieder auch vertreter des deutschen beamtenbundes und die der deutschen industrienorm waren. nimmt es wunder, wenn das ergebnis nur halbherzig ist? ich lerne lieber deutsch von hans henny jahnn und franz kafka. zur blütezeit der diskussion um die rechtsschreibreform unterbreitete harald weinrich "Ein(en) Vorschlag zur Güte": 1. "Scharfes S" entschärfen. 2. Drei gleiche Konsonanten entzerren. 3. Nur eine einzige Kommaregel beachten. 4. Silbentrennung als unwichtig ansehen. 5. Grenzfalltoleranz üben. dieser vorschlag ist leider im getöse untergegangen. er hätte uns einiges erspart und ist auch heute die optimale lösung.

[Seite 4]
Nun scheint die kostspielige rechtschreibreform tot zu sein. die art, wie sie endlich makulatur wurde, ist angemessen. denn nun hat die öffentlichkeit die entscheidung getroffen. von den scheinreformen hat bislang nur die industrie profitiert. sollten die reform nun zurückgenommen werden, profitiert abermals die industrie davon. opfer sind wieder einmal kinder und lehrer.

Said lebt in München. Zuletzt erschien sein Gesprächsband "In Deutschland leben" bei C. H. Beck.

Michael Lenz: Frei nach Daniil Charms wird schon so mancher Schriftsteller auf den aus tiefer Überzeugung geäußerten Einwand "Sie haben sich da verschrieben" geantwortet haben: "Bei mir sieht das immer so aus." Poetische Freiheit? Warum nicht ein Orthografiereformer in eigener Sache sein wie anno dazumal Kurt Schwitters, der eine phonetische Schreibung erfand: wie gehört, so geschrieben. Die Frage: "Was soll das denn heißen?" bekäme ganz neue Qualitäten. Man stelle sich andererseits den jetzt die unsägliche "Zwischenstaatliche Kommission für deutsche Rechtschreibung" ersetzen sollenden "Rat für deutsche Rechtschreibung"(!) aus lauter Autoren bestehend vor. Da würde die Schrift eitel an die Wand gestellt. Bald schon ginge es um Privatbesitzansprüche am Komma, zum Beispiel. In der Debatte um die neue Rechtschreibreform sind die Schriftsteller am wenigsten brauchbar. Je älter, desto weniger, scheint es. Was eigentlich, wenn eine Schreibung als neu dekretiert worden ist - und dennoch hält sich niemand daran? Die schulischen Konsequenzen zumindest wären eindeutig. Eineindeutig ist ein Begriff aus der Logik. Wäre die Sprache eineindeutig, wären wir alle längst schon tot. Ach so, ja, die Reform: Bleibt zu hoffen, dass der Wiener Kongress eine Modifizierung erzielt. Nachdem das Reformwerk bereits seit Jahren inhaliert wird, wäre eine Rückkehr zur alten Schreibe mittlerweile schon ebenso kommatös. Und dann am besten das Ganze so schnell wie möglich vergessen. Sonst kommt Kurti!

Michael Lenz lebt in Berlin. Zuletzt erschien sein Roman "Liebeserklärung" bei S. Fischer.

Uwe Tellkamp: Ich bin nicht grundsätzlich gegen Reformen, nur müssen sie durchdacht und notwendig sein. Deshalb bin ich ein entschiedener Gegner der Rechtschreibreform. Diese Angelegenheit, die eigentlich traurig ist, weil sie wieder einmal mehr gezeigt hat, welche Unsinnigkeiten in diesem Land möglich sind, zum Beispiel eben einen über Jahrhunderte gewachsenen Schatz, die eigene Sprache, zum flickbedürftigen Lumpen zu erklären, erinnert mich an einen englischen Witz: Ein Mann kommt aus der Schneiderei und trägt einen Anzug, der hinten und vorne nicht passt, so dass er sich grotesk verrenken muss, um einigermaßen bequem darin gehen zu können. Zwei Passanten sehen ihn, der eine sagt: Der arme Krüppel! Der andere: Aber einen tollen Schneider hat er! Auch in der alten Rechtschreibung gab es Inkonsequenzen. Eine Reform aber, die ganze Bedeutungsvalenzen exekutiert, ist für mich keine. Auch das beliebte Argument, dass die Doppel-s- Schreibung statt des sz beim "Dass" für Schüler leichter zu verstehen sei, will mir nicht einleuchten, denn die Regeln, wann "das" mit einem und "dass" mit zwei "s" zu schreiben sei, müssen die Schüler ja trotzdem kennen.

Uwe Tellkamp, Bachmannpreisträger 2004, lebt in München. Im Frühjahr erscheint sein Roman "Der Eisvogel" bei Rowohlt.

von links: Monika Maron, Helmut Krausser, Peter Schneider, Frank Goosen, Burkhard Spinnen, Said, Michael Lenz, Uwe Tellkamp

Artikel erschienen am Sa, 21. August 2004


eingetragen von Dominik Schumacher am 17.08.2004 um 22.13

Mittwoch, 18. August 2004 Berlin, 00:09 Uhr

Politik Deutschland

Die Kultusministerkonferenz hat ein Autoritätsproblem

In der Debatte um die Rechtschreibreform offenbart das Ländergremium große Schwächen - Beschlüsse sind nicht verbindlich

von Joachim Peter

Berlin -  Vergangene Woche kündigte die Braunschweiger Stadtverwaltung an, zur alten Rechtschreibung zurückkehren zu wollen. Obwohl dieser Vorgang eine wirklich große Kuriosität der deutschen Bildungsgeschichte offen legte, blieb er weit gehend unbeachtet: Da beschließt die Kultusministerkonferenz (KMK) im Juni die verbindliche Einführung der neuen Rechtschreibung zum 1. August 2005. Doch schon wenige Tage nach Beschlussfassung nimmt sich eine staatliche Behörde das Recht heraus, zur alten Schreibweise zurückzukehren. Wie funktioniert so etwas?

Eine Antwort auf diese Frage ist rasch gefunden: Die KMK hat ein grundsätzliches Autoritätsproblem, weil ihre Beschlüsse nicht die Rechtswirkung eines Verfassungsorgans haben, sondern reine Absichtserklärungen sind. Um ihnen Rechtscharakter zu verleihen, ist ein Staatsvertrag notwendig oder eine Mehrheit in den jeweiligen Landesparlamenten. Manch einer - wie etwa FDP-Chef Guido Westerwelle - stellt dieser Tage sogar lauthals die Zukunft der KMK als Gremium zur gemeinsamen Bildungsplanung der Länder infrage. Bei den Kultusministern sorgt das für Empörung. Doch birgt gerade die Debatte um die Rechtschreibung viel Munition für die KMK-Kritiker.

Noch vor kurzem, als das Bundesverfassungsgericht den Rechtsstreit um die Juniorprofessur zu Gunsten der Länder entschied, herrschte eitel Sonnenschein in den Reihen der Kultus- und Wissenschaftsminister, die das Votum ganz politisch als Sieg über den Bund und dessen Einmischungsversuche in die Bildungsplanung der Länder interpretierten. "Wir sind von der historischen Qualität des Urteils überzeugt", sagte Wissenschaftsminister Thomas Goppel (CSU). Die KMK sah sich durch das Urteil als Institution gestärkt. Nun aber macht sich plötzlich Katerstimmung breit, weil man das Thema Rechtschreibung nicht in den Griff bekommt. Dem einstimmigen Beschluss der Kultusminister steht die Mehrheit der Deutschen gegenüber, die Umfragen zufolge eine Rückkehr zur alten Schreibweise sehnlichst wünschen.

"Rein in die Kartoffeln, raus aus den Kartoffeln - das hilft niemandem", warnt indes Brandenburgs Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD). Die Mehrheit der Minister innerhalb der KMK argumentiert ähnlich, ihre Einstimmigkeit, für einen Beschluss des Gremiums stets erforderlich, ist jedoch längst gekippt. So wollen Niedersachsen und das Saarland zur alten Schreibung zurückkehren, was die KMK nun in gehörigen Zugzwang bringt. Ein Kompromiss könnte die vom Saarland vorgeschlagene Aufhebung der Stichtagsregelung sein, doch dazu brauchte man wiederum ein einhelliges Votum. Die Zukunft der Rechtschreibung steht also in den Sternen. "Eine Prognose zu geben, wie es mit der Rechtschreibreform weitergehen soll, traue ich mir nicht mehr zu", sagte ein erfahrener Bildungsfunktionär, der für seine gute Beobachtungsgabe bekannt ist, der WELT.

Die KMK gibt es nun schon seit 1948. Die Stellung als Ersatz-Bundeskultusministerium erhielt sie nie. Immer wieder entzündeten sich Debatten um das Gremium und seine schwerfällige Beschlussmodalität. Die meiste Zeit überschatteten aber bildungspolitische, ideologiegeladene Grabenkämpfe die Arbeit der Bildungsminister. Heute beschäftigt die KMK rund 250 Mitarbeiter; sie hat sich zu einer richtigen Behörde entwickelt mit Generalsekretär, Abteilungsleitern und einem Pressestab mit Sitz in Bonn und Berlin. In jüngster Vergangenheit wartete sie mit positiven Schlagzeilen auf: Mit der Einführung von national verbindlichen Bildungsstandards und der Gründung einer Qualitätsagentur für das Bildungssystem sorgte die früher häufig als Kaffeekränzchen titulierte KMK für tatkräftige Antworten auf die deutsche Bildungskatastrophe. Nur mit einer Selbstreform wird sie diese positive Entwicklung fortsetzen können.

Artikel erschienen am Mi, 18. August 2004


eingetragen von Norbert Lindenthal am 16.08.2004 um 20.56

Montag, 16. August 2004 Berlin, 22:53 Uhr

Kultur

Abgeben nach unten

KMK abschaffen

von Konrad Adam

Schwer zu sagen, ob die Kultusministerkonferenz, die berüchtigte KMK, jemals Freunde besessen hat. Feinde dagegen hat und hatte sie genug. Zu denen haben sich nun auch Guido Westerwelle und Christoph Böhr gesellt, der stellvertretende CDU-Vorsitzende. Bei Guido, dem politischen Exhibitionisten, wundert das nicht; bei Christoph Böhr, der sich mit öffentlichen Bekenntnissen über seine persönlichen Vorlieben oder Animositäten bislang zurückgehalten hatte, dagegen schon.

Den Anlass, sich zu outen, hat Böhr selbst genannt. Es ist die gut orchestrierte Empörung über die missratene Rechtschreibreform, die es ihm opportun erscheinen ließ, die Abschaffung der KMK zu fordern. Das Mobbing ist eben nicht nur im Betrieb, sondern auch in der Politik beliebt.

Wenn nun die KMK verschwinden soll: Was wird, was kann an ihre Stelle treten? Wohin würden die Zuständigkeiten, die man ihr abnehmen möchte, schließlich wandern: nach unten, an die Schulen, die Museen und die Universitäten, oder nach oben, nach Berlin, in die Hände von Edelgard Bulmahn und ihrer Ministerialbürokratie? Wer die Gelüste dieser Frau, die Geschichte ihrer Partei und den Gang der Bildungsdiskussion in Deutschland kennt, braucht nach der Antwort nicht lang zu suchen.

Natürlich nach oben. Vor 30 Jahren war man ja schon einmal fast so weit. Hätte der Bund damals die Kompetenz in Bildungsdingen erhalten: wie stünde das Land heute da? Das Schuleintrittsalter wäre auf sieben Jahre zurückverlegt, die Sonderschule wäre abgeschafft und die Gesamtschule als einziges Modell flächendeckend vorgeschrieben worden: dreimal Fortschritt von gestern.

Die Vorstellung genügt, um zu erkennen, dass die Auflösung der KMK nichts bringen würde; zumindest dann nicht, wenn ihre Kompetenzen nach oben abgegeben würden und nicht nach unten. Zentralisierung ist generell ein wenig aussichtsreiches Rezept, und nirgends aussichtloser als in der Kultur- und Bildungspolitik.

Wie glänzend stünde die KMK heute da, wenn sie der Versuchung widerstanden und die Rechtschreibung dorthin delegiert hätte, wo sie hingehört: ganz weit nach unten also, in die Hände der Bürger.

Artikel erschienen am Di, 17. August 2004


eingetragen von Norbert Lindenthal am 16.08.2004 um 20.51

Ausgabe vom Sonntag, den 15.08.2004

Politik

Stoibers Vorschläge im Wortlaut

von Friedemann Weckbach-Mara

-Rechtschreibung: "Ich habe das zum Thema auf der Sitzung der Ministerpräsidenten vom 6. bis 8. Oktober gemacht. Spätestens seit der Entscheidung der großen Verlagshäuser sind die bisherigen Beschlüsse zur Rechtschreibreform gescheitert. Die Politik muss bis Mitte 2005 einen Kompromiss finden. Man sollte bewährte Elemente der neuen Rechtschreibung belassen und ansonsten zur klassischen Rechtschreibung zurückkehren."


eingetragen von Norbert Lindenthal am 16.08.2004 um 20.40

Montag, 16. August 2004 Berlin, 22:38 Uhr

Kultur

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KMK abschaffen

von Konrad Adam

Schwer zu sagen, ob die Kultusministerkonferenz, die berüchtigte KMK, jemals Freunde besessen hat. Feinde dagegen hat und hatte sie genug. Zu denen haben sich nun auch Guido Westerwelle und Christoph Böhr gesellt, der stellvertretende CDU-Vorsitzende. Bei Guido, dem politischen Exhibitionisten, wundert das nicht; bei Christoph Böhr, der sich mit öffentlichen Bekenntnissen über seine persönlichen Vorlieben oder Animositäten bislang zurückgehalten hatte, dagegen schon.

Den Anlass, sich zu outen, hat Böhr selbst genannt. Es ist die gut orchestrierte Empörung über die missratene Rechtschreibreform, die es ihm opportun erscheinen ließ, die Abschaffung der KMK zu fordern. Das Mobbing ist eben nicht nur im Betrieb, sondern auch in der Politik beliebt.

Wenn nun die KMK verschwinden soll: Was wird, was kann an ihre Stelle treten? Wohin würden die Zuständigkeiten, die man ihr abnehmen möchte, schließlich wandern: nach unten, an die Schulen, die Museen und die Universitäten, oder nach oben, nach Berlin, in die Hände von Edelgard Bulmahn und ihrer Ministerialbürokratie? Wer die Gelüste dieser Frau, die Geschichte ihrer Partei und den Gang der Bildungsdiskussion in Deutschland kennt, braucht nach der Antwort nicht lang zu suchen.

Natürlich nach oben. Vor 30 Jahren war man ja schon einmal fast so weit. Hätte der Bund damals die Kompetenz in Bildungsdingen erhalten: wie stünde das Land heute da? Das Schuleintrittsalter wäre auf sieben Jahre zurückverlegt, die Sonderschule wäre abgeschafft und die Gesamtschule als einziges Modell flächendeckend vorgeschrieben worden: dreimal Fortschritt von gestern.

Die Vorstellung genügt, um zu erkennen, dass die Auflösung der KMK nichts bringen würde; zumindest dann nicht, wenn ihre Kompetenzen nach oben abgegeben würden und nicht nach unten. Zentralisierung ist generell ein wenig aussichtsreiches Rezept, und nirgends aussichtloser als in der Kultur- und Bildungspolitik.

Wie glänzend stünde die KMK heute da, wenn sie der Versuchung widerstanden und die Rechtschreibung dorthin delegiert hätte, wo sie hingehört: ganz weit nach unten also, in die Hände der Bürger.

Artikel erschienen am Di, 17. August 2004


eingetragen von DS am 16.08.2004 um 19.50

Welt, 17.8.2004 Politik Deutschland
Rechtschreibung: Saarland will Stichtagsregelung abschaffen
von Joachim Peter

Berlin -  Im Streit um die Rechtschreibreform dringt Saarlands Bildungsminister Jürgen Schreier (CDU) auf eine Lösung. Auf der Sitzung der Kultusministerkonferenz (KMK) am 14./15. Oktober will Schreier einen Antrag zur Abstimmung bringen, der sowohl Gegner als auch Befürworter der neuen Rechtschreibung an einen Tisch bringen soll. Sein Vorstoß zielt vor allem darauf, die bisher durch KMK-Beschluss vereinbarte Stichtagsregelung (1. August 2005) für den Übergang von der alten zur neuen Schreibweise aufzuheben. "Die alte Schreibweise muss auf unbestimmte Zeit weiter gelten. Ich schlage vor, dass wir den bisherigen Beschluss der KMK in dieser Weise korrigieren", sagte Schreier der WELT. Außerdem forderte er, dass der von der KMK beschlossene Rat für deutsche Rechtschreibung "unverzüglich eingesetzt werden und seine Arbeit aufnehmen" solle , um Vorschläge für eine grundsätzliche Modifizierung der neuen Rechtschreibung zu erarbeiten. "Es ist wichtig, dass das Ergebnis auf Akzeptanz, statt auf Termindiktat gründet", bekräftigte der Minister.

Schon im Vorfeld der nächsten Sitzung der KMK, die im saarländischen Mettlach stattfinden wird, will der Minister bei den Ländern für seien Antrag werben. "Enge Gespräche" führe er nach eigener Aussage bereits mit den Kultusministern in Niedersachsen und Sachsen-Anhalt. Er sehe gute Chancen, weitere Kollegen für den Antrag zu gewinnen. Ein Antragsbeschluss setzt allerdings die Einstimmigkeit der KMK voraus.

Der Forderung nach einer Abschaffung der KMK als gemeinsames Gremium der Länder zur Abstimmung in bildungspolitischen Fragen trat Schreier entschieden entgegen. Er mahnte jedoch, dass man in der Debatte um die Rechtschreibung rasch zu einer Lösung kommen müsse, weil man sonst "denjenigen "Nahrung gibt, die seit eh und je Gegner des Bildungsföderalismus" seien. "Rechtschreibung ist nicht nur eine Frage der Orthografie. Wenn zu viele Fehler von Schülern gemacht werden, beweist dies, dass wir uns als Kultusminister verstärkt um das Kulturgut kümmern müssen", so Schreier.

Der Vorsitzende der FDP, Guido Westerwelle, und der rheinland-pfälzische CDU-Landeschef Christoph Böhr hatten am Wochenende die Abschaffung der KMK verlangt. "Die großen Zukunftsaufgaben der Bildungspolitik sind mit diesem Gremium nicht zu lösen, das hat die Rechtschreibreform überdeutlich gezeigt", sagte Böhr. Westerwelle nannte die KMK ein "Bremser-Gremium". Gegen diese Kritik wandte sich der rheinland-pfälzische Wissenschaftsminister Jürgen Zöllner (SPD). Er bezeichnete die Äußerungen beider Politiker als "absurd und irrational". Die KMK als Konferenz der Kultusminister bestehe ebenso zwangsläufig wie andere länderübergreifende Konferenzen - etwa der Innen-, Justiz- und Umweltminister.

Der Deutsche Kulturrat forderte derweil eine Änderung des Abstimmungsmodus innerhalb der KMK. Das "seit Jahrzehnten lähmende Einstimmigkeitsprinzip" müsse abgeschafft werden, sagte der Geschäftsführer des Spitzenverbandes der deutschen Kulturverbände, Olaf Zimmermann. Würde es durch Mehrheitsentscheidungen abgelöst, könne die KMK "endlich zu der politischen Stimme werden, die in der Bildungspolitik gebraucht" werde, so Zimmermann.

Artikel erschienen am Di, 17. August 2004


eingetragen von Fritz Koch am 15.08.2004 um 10.51

Wenn die Österreicher es schaffen, unter Einbeziehung der "alten" Rechtschreibung eine eigene österreichische Schriftsprache durchzusetzen und Deutschland bei der neuen Rechtschreibung bleibt, dann wird in Deutschland beantragt, Österreichisch als gleichberechtigte Minderheitensprache amtlich zuzulassen, und zwar für alle Bürger, die österreichisch schreiben wollen.


eingetragen von Dominik Schumacher am 15.08.2004 um 09.00



Sonnabend, 14. August 2004 Berlin

Auch Österreichs größte Zeitung will wieder klassisch schreiben

In der Diskussion um die Rechschreibreform hat sich nun auch die größte Zeitung Österreichs eingeschaltet. "Schluß mit neuer Rechtschreibung" titelte diese Woche die "Kronen Zeitung".

Die "in überflüssiger bürokratischer Regelungswut" entstandene Reform sei ein "großer Fehler". "Jetzt bleibt nicht mehr viel Zeit, ihn gutzumachen, denn im August nächsten Jahres wird der uns aufgezwungene Irrsinn verbindlich", schreibt der Herausgeber des Blattes, Hans Dechant. Die "Kronen Zeitung" erreicht 43 Prozent aller Österreicher.

In einer Umfrage, die die Zeitung "Der Standard" veröffentlichte sprachen sich zudem 62 Prozent der Österreicher für die Rückkehr zur klassischen Rechtschreibung aus.

Österreichische Autoren riefen derweil auf, eine Initiative für "Österreichisch als eigene Sprache" zu starten. Sie forderten die Regierung auf eine Liste der von der EU anerkannten österreichischen Wörter wie "Eierschwammerl", "Erdäpfel" oder "Paradeiser" zu erweitern und "keine weiteren finanziellen Mittel für die 'deutsche Rechtschreibreform' zur Verfügung zu stellen."

Man solle sich "auch in Zukunft an keiner 'deutschen Rechtschreibreform' mehr beteiligen und die eingesparten Mittel für die Förderung eines österreichischen Sprachbewußtseins verwenden", heißt es in der in alter Rechtschreibung verfassten Erklärung.

Außerdem fordern sie eine Volksbefragung, ob die Österreicher ihre sprachlichen Besonderheiten auch schreiben wollen. Ein Gremium soll dann mit der Entwicklung einer österreichischen Schriftsprache beauftragt werden. Die deutsche Rechtschreibreform soll als Beispiel dienen, wie man es nicht macht.

Auch die Verfassung wollen die Unterzeichner der Erklärung ändern: Die Formulierung "Die Staatssprache ist Deutsch" soll durch "Die Staatssprache ist Österreichisch in einem europäischen Kontext" oder "Die Staatssprache ist Österreichisches Deutsch" ersetzt werden. Der Wiener FPÖ-Mann Heinz-Christian Strache sagte, mit ihrer Ankündigung der Rückkehr zur klassischen Rechtschreibung hätten die deutschen Verlage "offenbar die Stimmung der überwiegenden Mehrheit der Bevölkerung auch in Österreich auf den Punkt gebracht."  tt

Artikel erschienen am Sa, 14. August 2004


eingetragen von Norbert Lindenthal am 11.08.2004 um 18.34



Mittwoch, 11. August 2004 Berlin, 20:29 Uhr

Politik Deutschland

Mehrheit der Deutschen will Rechtschreibreform kippen

von Klaus-Peter Schöppner

Berlin -  Das Chaos in Sachen Rechtschreibreform ist perfekt. Die Deutschen schreiben, wie sie wollen: 32 Prozent schreiben derzeit nach Gefühl, mischen dabei also die alten und neuen Regeln. 52 Prozent bringen ihre Worte nach den alten, nur 15 Prozent, vornehmlich die Jüngeren, nach den neuen Regeln zu Papier. Die Folge: Eltern schreiben anders als ihre Kinder, Zeitungen je nach der Entscheidung ihres Verlages. Überall sieht man Gleiches anders. So dass ein nicht gelebter Schulunterricht automatisch zum orthografischen Chaos führen muss. Wer vor der Reform sicher schreiben konnte, macht heute Fehler. Es ist nicht gut, wenn unterschiedlich geschrieben wird.

Die Deutschen trauen ihrem Schreibgefühl nicht mehr. Also spaltet die Rechtschreibreform die Nation wie kaum etwas zuvor. Schreiben nach den Reformvorgaben? Oder ganz einfach ignorieren? 65 Prozent geht es so wie Angela Merkel, die es - so ihr böser Verdacht - in diesem Leben nicht mehr schaffen wird, die neuen Regeln voll zu beherrschen.

Die deutsche Rechtschreibung ist verfahren ohnegleichen. Erst recht, nachdem Verlage wie Axel Springer und der "Spiegel" angekündigt haben, zu den alten Regeln zurückzukehren. Ihr demoskopisch nachweisbares Argument: Fünf Jahre Probephase haben zu einer Vermischung von Alt und Neu geführt: Jeder macht, was er meint. Keiner, was er soll. Im September wollen die Ministerpräsidenten über die endgültige Version beraten. Falls es nach dem klaren Urteil der Deutschen überhaupt noch etwas zu beraten gibt: Denn nur 28 Prozent sprechen sich dafür aus, die neuen Regeln wie geplant 2005 in Kraft zu setzen. 70 Prozent sind dagegen. Nach den bisherigen Erfahrungen halten nur 18 Prozent die Einführung der vermeintlich einfacheren Schreibe für notwendig. 81 Prozent dagegen für nicht notwendig.

Die neue Rechtschreibung ist nicht konsensfähig, weil sich die Übereinkunft, wie man spricht und wie man schreibt, von allein ergeben muss. Die Schreibe muss dem Schreib- und Sprachgefühl entsprechen. Sie darf, so das Gefühl der Deutschen, nicht von oben verordnet, sie muss von unten gelebt werden.

Eine gute und allgemein akzeptierte Rechtschreibung ist auch kulturelles Kapital. Mehr als 100 Jahre lang verfügte Deutschland über eine nahezu vollständig einheitliche Rechtschreibung. Das scheint jetzt nicht mehr der Fall zu sein: 56 Prozent nämlich halten unser Kulturgut Sprache durch die neuen Regeln für gefährdet.

Was also ist zu tun, wenn eine Rechtschreibung, die offenbar auf Zwangsverordnung basiert, nicht durchsetzbar erscheint? Wäre es da ein Weg, verbindliche Regeln zu schaffen, die sich am Schreibgefühl der Deutschen orientieren? Auch darüber, wie es weitergehen soll, haben die Deutschen ein klares Meinungsbild: 66 Prozent wollen die neuen Regeln kippen, so dass nichts von der Reform in Kraft tritt. Nur zwei Prozent der Deutschen wollen starr an der Reform festhalten. Der vermeintliche Königsweg, eine abgeschwächte Form verbindlich einzuführen, ist für die Deutschen keiner: Weil dem nur 21 Prozent folgen würden.

Klaus-Peter Schöppner ist Chef des Meinungsforschungsinstituts TNS Emnid.

Artikel erschienen am Do, 12. August 2004


eingetragen von Norbert Lindenthal am 10.08.2004 um 22.49

Mittwoch, 11. August 2004 Berlin, 00:44 Uhr


Politik Deutschland

„Es geht hier nicht um Ehrenrettung“


Doris Ahnen, Präsidentin der Kultusministerkonferenz, verteidigt den Beschluss zur neuen Rechtschreibung

Doris Ahnen
Foto: AP

DIE WELT: Frau Ahnen, der Ruf nach einer Volksabstimmung über die Rechtschreibreform wird immer lauter. Sie aber haben als KMK-Präsidentin eine solche Abstimmung abgelehnt. Fürchten die Kultusminister etwa die Stimme des Volkes?

Doris Ahnen: Wenn wir die "Stimme des Volkes" fürchten würden, hätten wir uns nicht für die Politik entschieden. Aber wir schlagen keine Wege vor, die weder praktikabel noch sinnvoll sind. Zur Sache selbst: Die Neuregelung der Rechtschreibung betrifft zwei Prozent eines Textes, in 95 Prozent davon wird ß durch ss ersetzt.

DIE WELT: Bislang haben Sie sich auf die einstimmige Beschlusslage zur neuen Rechtschreibung innerhalb der KMK berufen. Schon lange aber ist dieses Beschlussprinzip in der Kritik. An dem Beispiel der Rechtschreibreform zeigt sich nun, dass man KMK-Beschlüsse - selbst wenn sie im Nachhinein stark umstritten sind - nur schwer revidieren kann. Ist das für die Bürger zumutbar?

Ahnen: Die zentrale Aufgabe der Kultusministerkonferenz ist Mobilität und Vergleichbarkeit im föderalen Bildungssystem zu gewährleisten. Einstimmige Beschlüsse fassen wir dort, wo sie unter diesem Gesichtspunkt notwendig sind. Ich kann mir schlichtweg nicht vorstellen, dass sich irgendjemand wünscht, dass sich die Rechtschreibung nach Bundesländern unterscheidet.

DIE WELT: Betreiben Sie auf Grund Ihrer Funktion Ehrenrettung für die KMK, wenn Sie an der Rechtschreibreform festhalten?

Ahnen: Es geht hier nicht um Ehrenrettung, sondern um eine einheitliche Regelung für den deutschsprachigen Raum, insbesondere auch um Österreich und die Schweiz. Und es geht allein in Deutschland um rund 15 Millionen Schülerinnen und Schüler, die seit über 6 Jahren nach den neuen Regeln lernen. Wir haben darüber hinaus gesagt, dass wir mit dem "Rat für deutsche Rechtschreibung" ein unabhängiges Gremium schaffen wollen, das zukünftig die Sprachentwicklung beobachtet und - wenn nötig - Rechtschreibregeln anpasst.

DIE WELT: Im ARD-Fernsehen haben Sie gesagt, die Menschen hätten in diesem Land "ganz andere Sorgen" als die neue Rechtschreibung. Welche sind das denn nach Ihrer Meinung?

Ahnen: Gemeinsam mit der Politik sorgen sich beispielsweise Eltern um die Zukunft ihrer Kinder, wollen für diese eine bestmögliche Ausbildung, einen Ausbildungs- oder einen Studienplatz. Kinder und Familien zu unterstützen, das ist aus meiner Sicht eine der zentralen Herausforderungen.

DIE WELT: Halten Sie es für möglich, dass Deutschland doch noch zur alten Schreibweise zurückkehren könnte?

Ahnen: Es gibt doch gar nicht d i e alte Schreibweise. Ich hoffe sehr auf eine Versachlichung der Diskussion, darum werden wir uns auch als Kultusministerkonferenz nach Kräften bemühen.

Artikel erschienen am Mi, 11. August 2004

Alle Artikel vom 11. August 2004

Artikel zum Thema:
Unbezahlbar oder kostenneutral?
Es gibt viele Wege für eine Rückkehr zur klassischen Rechtschreibung


eingetragen von Norbert Lindenthal am 10.08.2004 um 22.44



Mittwoch, 11. August 2004 Berlin, 00:41 Uhr

Politik Deutschland

Es gibt viele Wege für eine Rückkehr zur klassischen Rechtschreibung

von Joachim Peter

Berlin -  Am 31. Juli 2005 endet dem Beschluss der Kultusministerkonferenz (KMK) zufolge die Übergangsfrist für die neue Rechtschreibung. Ab diesem Tag wird die alte Schreibung durch die neue endgültig abgelöst. Es sei denn, man revidierte den Beschluss der KMK. Möglichkeiten dazu gibt es:

- Volksentscheid: In Schleswig-Holstein gab es bereits 1998 einen Volksentscheid über die Rechtschreibung. 56,4 Prozent der Schleswig-Holsteiner stimmten damals gegen die neue Schreibweise. Die Reform konnte dennoch nicht aufgehalten werden, da sich das Landesparlament über dieses Votum hinwegsetzte. Sollten jedoch mehrere Bundesländer - sofern ihnen die Möglichkeit in der Landesverfassung gegeben ist - von Volksentscheiden Gebrauch machen und sich jeweils die Mehrheit der Bürger gegen die Reform aussprechen, würde der Beschluss der KMK wohl hinfällig.

- Die Kultusministerkonferenz: Es wäre wohl die einfachste Möglichkeit, zur alten Schreibweise zurückzukehren, wenn die KMK ihren Beschluss einfach revidierte. Die Beschlüsse dieses Gremiums sind nur Absichtserklärungen, die dann Gesetz werden, wenn sich dazu in den jeweiligen Landesparlamenten Mehrheiten finden. Wahrscheinlich reichte es schon, wenn ein einzelner Kultusminister sein Votum für die Rechtschreibreform in der KMK zurückzöge. Dann wäre jedenfalls die erforderliche Einstimmigkeit der Absichtserklärung nicht mehr gegeben.

- Die Ministerpräsidentenkonferenz: Anfang Oktober werden die Ministerpräsidenten über die Rechtschreibreform beraten. Unter ihnen gibt es einige - wie etwa den Niedersachsen Christian Wulff (CDU) -, die zur alten Rechtschreibung zurückkehren wollen. Zwar ist auch die Ministerpräsidentenkonferenz ein Selbstorganisationsgremium, das keine Gesetze beschließen kann, doch besitzen Landeschefs in der Regel die so genannte Richtlinienkompetenz. Kraft dieser sind sie in der Lage, politische Entscheidungen auch gegen ihre Kultusminister herbeizuführen. Durch die Richtlinienkompetenz könnte also der Beschluss der KMK ausgehebelt werden.

- Der Bundestag: Der Berliner Staatsrechtler Rupert Scholz fordert, dass sich Bundesregierung und Bundestag mit der Rechtschreibung befassen sollen. Beide Verfassungsorgane müssten sich dieser Frage annehmen, "weil sie die Zuständigkeit dafür haben", sagte Scholz unlängst der WELT. Schließlich sei "Rechtschreibung Sprache und damit nationales Kulturgut und eben nicht nur ein Bereich landespolitischer Kulturhoheit oder schulischer Ausbildung". Daraus erwachse für den Bund eine wesentliche Zuständigkeit. Ein Bundesgesetz zugunsten der alten Rechtschreibung wäre demnach ebenso denkbar.

Artikel erschienen am Mit, 11. August 2004

Alle Artikel vom 11. August 2004

Artikel zum Thema:
Unbezahlbar oder kostenneutral?
"Es geht hier nicht um Ehrenrettung"


eingetragen von Norbert Lindenthal am 09.08.2004 um 19.34

Montag, 9. August 2004 Berlin, 21:29 Uhr

Politik Deutschland

Schröder gegen Rücknahme der Rechtschreibreform

Bundeskanzler mischt sich in Debatte ein - Auch die Schweiz fordert Festhalten an neuer Schreibweise

Berlin -  In den Streit um die neue Rechtschreibung hat sich nun auch Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) eingeschaltet. Regierungssprecher Hans-Hermann Langgut sagte gestern in Berlin, Schröder halte eine Rücknahme der Reform für falsch. Daher gebe es "seitens der Bundesregierung keine Überlegungen, die Rechtschreibreform wieder rückgängig zu machen", so Langgut. Er betonte jedoch, dass es sich um eine Angelegenheit der Länder, "insbesondere der Kultusminister", handele.

In den Bundesländern ist man aber in dieser Streitfrage weiter gespalten. Während Nordrhein-Westfalens CDU-Chef Jürgen Rüttgers die Ministerpräsidenten dazu aufrief, die endgültige Einführung der Rechtschreibreform zu stoppen, sprach sich Brandenburgs Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) für die Beibehaltung der neuen Regeln aus. Dessen Innenminister und Vizeregierungschef, Jörg Schönbohm (CDU), erklärte wiederum die Reform für gescheitert. "Wenn die Ministerpräsidenten nicht handeln, tritt die Reform am 1. August 2005 für alle Ewigkeit in Kraft", sagte Rüttgers der dpa. Deshalb gebe es einen massiven politischen Handlungsdruck. Dagegen betonte Platzeck, Deutschland habe dringendere Probleme, als über die Reform der Reform nachzudenken. Diese Auffassung vertrat auch die Präsidentin der Kultusministerkonferenz (KMK), Doris Ahnen, in der ARD-Sendung "Sabine Christiansen". Zugleich lehnte sie eine Volksabstimmung zur Rechtschreibreform ab. Die Mehrzahl der Bürger in Deutschland habe "ganz andere Sorgen", sagte die rheinland-pfälzische Bildungsministerin.


Die Rechtschreibreform könnte nur durch einen einstimmigen Beschluss der Ministerpräsidenten der Länder revidiert werden. Eine komplette Rücknahme der Reform hält man daher bei den Ländern für unwahrscheinlich. Man schließt jedoch eine Kompromisslösung nicht aus. Das Thema wird auf der Ministerpräsidentenkonferenz Anfang Oktober beraten.


Während der internationale Schriftstellerverband PEN die Rechtschreibreform so schnell wie möglich zurücknehmen möchte, fordert die Schweiz Deutschland zum Festhalten an der gemeinsam mit Österreich vereinbarten neuen Rechtschreibung auf. "Mehrere gleichzeitig gültige Rechtschreibungen wären fatal", sagte der Sprecher der schweizerischen Konferenz der kantonalen Erziehungsdirektoren, Christian Schmid. "Wir hoffen, dass die deutsche Kultusministerkonferenz (KMK) unter dem Druck der Großverlage und einiger Ministerpräsidenten nicht kippt. Das wäre verheerend", so Schmidt weiter. Um ein Ausscheren Deutschlands zu verhindern, sei für den 23. August in Wien eine Krisensitzung der aus Vertretern der drei Länder gebildeten "Zwischenstaatlichen Kommission für deutsche Rechtschreibung" anberaumt worden. "Wir werden gemeinsam mit unseren österreichischen Kollegen die deutsche Delegation inständig darum bitten, an der neuen Rechtschreibung festzuhalten", sagte Schmidt.

Nach eigenem Bekunden werden sich die in Berlin erscheinenden Tageszeitungen "Berliner Zeitung", "Tagesspiegel" und "tageszeitung" nicht an der Initiative der Axel Springer AG und des Spiegel-Verlags beteiligen. Stattdessen wollen diese an der neuen Schreibweise festhalten.  JoP

Artikel erschienen am Di, 10. August 2004


eingetragen von Norbert Lindenthal am 09.08.2004 um 05.23

Sonntag, 8. August 2004 Berlin, 23:05 Uhr

Politik Deutschland

Mehrheit der Länder für alte Rechtschreibung

Streit um Rücknahme verschärft sich - Deutschsprachige Bildungsbehörden treffen sich zur Krisensitzung

Berlin -  Im erbitterten Streit um die Rechtschreibung in Deutschland haben sich die Fronten am Wochenende in Deutschland verhärtet. Der Riss geht quer durch Bundesländer und Medien. Die Mehrheit der Länder lehnt eine Rücknahme der Reform ein Jahr vor der geplanten verbindlichen Einführung jedoch weiter ab.

Der niedersächsische Ministerpräsident Christian Wulff (CDU) appellierte an die anderen Länderchefs, bei ihrem Treffen im Oktober "das Scheitern der Rechtschreibreform" einzugestehen. Die Axel Springer AG und der Spiegel- Verlag hatten am Freitag die "schnellstmögliche" Umstellung auf die alten Schreibweisen angekündigt, die "Süddeutsche Zeitung" will ebenfalls folgen.

Die meisten Ministerpräsidenten, darunter alle SPD-Länderchefs, wollen hingegen an der Reform festhalten. Der Vorstoß der Verlage habe "viel mit Kampagne und Public Relations, wenig mit Inhalt zu tun", kritisierte der rheinland-pfälzische Regierungschef Kurt Beck (SPD). Sein sächsischer Amtskollege Georg Milbradt (CDU) befürchtet, eine Rückkehr zu den alten Regeln würde "die Verwirrung komplett" machen.

"Handlungsbedarf" sieht der bayerische Ministerpräsident Edmund Stoiber (CSU). Möglich sei auch, nur Teile der Reform zu ändern. Die Beschränkung auf Teilkorrekturen befürwortete auch Brandenburgs Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD), während Innenminister Jörg Schönbohm (CDU) das Ergebnis der Reform "ein Chaos" nannte.

Die Kultusministerkonferenz will sich am 14. und 15. Oktober abermals mit der Rechtschreibung befassen, eine Woche zuvor tagen die Ministerpräsidenten. Eine Rücknahme der Reform würde Einstimmigkeit erfordern. Die KMK hatte beschlossen, dass nach sechs Jahren Übergangszeit die neuen Regeln vom 1. August 2005 in Schulen und Ämtern verbindlich gelten.

"Die Kultusministerkonferenz ist sichtlich nervös", sagte Christian Schmid, Rechtschreibbeauftragter der Schweizer Erziehungsdirektorenkonferenz (EDK), die der deutschen KMK entspricht, der Zürcher Zeitung "NZZ am Sonntag". Noch im August wollen nach Darstellung Schmids die Bildungsbehörden der deutschsprachigen Länder auf Initiative der KMK das weitere Vorgehen auf einem Krisentreffen in Wien beraten.

Lehrer- und Kulturverbände warnen derweil vor einem Chaos an den Schulen und neuen Millionenkosten, wenn die Reform nun wieder rückgängig gemacht würde. "Es gibt keinerlei uns bekannte nennenswerte Probleme, weder bei Schülern noch bei Lehrkräften, die eine Veranlassung gäbe, von der neuen Rechtschreibung wieder Abstand zu nehmen", sagte Eva- Maria Stange, Vorsitzende der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft im NDR. Der Verband der Schulbuchverlage geht von Umstellungskosten von 60 Millionen und Verlusten wegen Lagerbeständen von 200 Millionen Euro aus. Auch auf die Kommunen kämen nach Einschätzung von Verlagen hohe Kosten für Schulbücher zu, sagte Hannelore Ohle-Nieschmidt, Sprecherin des Stuttgarter Klett Verlags dem "Tagesspiegel".  DW

Artikel erschienen am Mon, 9. August 2004


eingetragen von Norbert Lindenthal am 07.08.2004 um 02.31

Samstag, 7. August 2004 Berlin, 04:25 Uhr

Geteiltes Echo auf Verlags-Initiative

Alt oder neu? Uneins zeigen sich die Ministerpräsidenten und Kultusminister der Länder ebenso wie die Vertreter der deutschen Medien beim Thema Rechtschreibung. Die Diskussion bleibt spannend


Wie geht es weiter mit der Rechtschreibung?
Foto: dpa
 
Niedersachsens Ministerpräsident Christian Wulff (CDU) wertet die Rückkehr von „Spiegel“-Verlag und Axel Springer AG zur alten Rechtschreibung als wichtigen Teilerfolg im Kampf gegen die Reform. Damit sei erneut ein Schritt auf dem Weg zur Korrektur der „total gescheiterten Rechtschreibreform“ getan, sagte er.
Im Land Berlin bleibt es bei der neuen Rechtschreibregelung. Auch nach der Rückkehr der genannten Verlage zur alten Rechtschreibung gebe es keinen Anlass für eine Änderung, sagte Berlins Bildungssenator Klaus Böger (SPD): „Verbindlich ist, was in der Schule stattfindet.“
Der bayerische Ministerpräsident Edmund Stoiber (CSU) ist für eine eingehende Überprüfung der Rechtschreibreform. Er betonte, es könne nicht sein, „dass im Ergebnis jeder schreibt, wie er will, und es keine akzeptierte Ordnung mehr gibt“.
Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsident Harald Ringstorff (SPD) hält an der Rechtschreibreform fest. Die Reform sei einstimmig von Bund und Ländern beschlossen worden, sagte Die drei Abonnement-Tageszeitungen in Mecklenburg-Vorpommern wollen ebenfalls bei der neuen Rechtschreibung bleiben.
Der saarländische Kultusminister Jürgen Schreier (CDU) begrüßt eine Rückkehr zur alten Rechtschreibung. Eine neue Rechtschreibung gegen den Alltagsgebrauch terminlich zu fixieren und durchzusetzen, sei nicht durchzuhalten.
Der rheinland-pfälzische Ministerpräsident Kurt Beck (SPD) hält die Diskussion „für ein reines Sommerthema“. Er sehe keinen Handlungsbedarf, weil es keine Klagen gebe.
Sachsen-Anhalts Kultusministerium hat sich gegen eine Rückkehr ausgesprochen. Die Schüler, die seit sechs Jahren die neue Rechtschreibweise erlernen, dürften nicht weiter verunsichert werden.. Die gemeinsame Grundlage in Form einmal gefasster Beschlüsse dürfe nicht immer wieder zerredet werden.
Das hessische Kultusministerium sieht eine Rückkehr „mit Sorge“. Die Vermittlung der neuen Regeln werde dadurch erschwert. „Für uns stehen die Schüler im Mittelpunkt des Interesses“, betonte Ministeriums-Sprecher Jehn. Die neuen Regeln würden in den Schulen durchweg positiv aufgenommen.
Schleswig-Holsteins Kultusministerin Ute Erdsiek-Rave (SPD) sagte die Schüler im nördlichsten Bundesland werden auch weiterhin nach der neuen Rechtschreibung unterrichtet. Es gebe keinen Grund, dies zu ändern.
Auch Hamburg sieht einem Sprecher der Schulbehörde zufolge «keinen Anlass», die Reform zurückzunehmen. In den Schulen gebe es mit der neuen Rechtschreibung keine Probleme.
Eine Rückkehr zur alten Rechtschreibung stößt in Sachsen auf Vorbehalte. Der Schritt trage bei Schülern nicht zur Klarheit bei, sagte der Sprecher des Kultusministeriums, Dieter Herz.
Thüringens Kultusminister Jens Goebel (CDU) ist gegen die Rücknahme der Rechtschreibreform. Bei allen Einwänden halte er die Forderung für «Spiegelfechterei im heißen August. Es könne nicht angehen, dass durch die Willensbildung von Verlagen über das Schicksal der Reform entschieden wird.

Die Präsidentin der Kultusministerkonferenz, Doris Ahnen (SPD), äußerte scharfe Kritik am Beschluss der Verlage: „Hier werden Fakten in die Welt gesetzt, ohne sich Gedanken darüber zu machen, wie es weitergeht.“.
Die Vorsitzende des Bundestagsausschusses für Bildung, Ulrike Flach (FDP), äußerte sich zufrieden. Die Ministerpräsidenten der Länder hätten es nun in der Hand, „dem Spuk ein Ende zu machen“.
Der Vorsitzende des Deutschen Philologenverbandes, Heinz-Peter Meidinger, forderte, Bund und Länder müssten sich nun „möglichst schnell auf eine einheitliche Linie“ verständigen, um den Konflikt nicht auf dem Rücken der Schüler auszutragen.


eingetragen von Norbert Lindenthal am 06.08.2004 um 20.03

Freitag, 6. August 2004 Berlin, 21:56 Uhr

Politik Deutschland

Rückkehr zur klassischen deutschen Rechtschreibung

Spiegel-Verlag und Axel Springer kehren zu den bewährten Regeln zurück - Mehrheit der Bevölkerung stimmt zu


Zustimmung vom Lehrerverband
Foto: ddp
 
Hamburg -  Sechs Jahre nach der Einführung der neuen Rechtschreibung steht die gesamte Reform infrage: Die beiden Großverlage Axel Springer, der auch die WELT herausgibt, und Spiegel kündigten am Freitag an, "schnellstmöglich" zu den alten Regeln zurückzukehren. Sie folgen damit der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung", die schon im August 2000 zu den Regeln zurückgekehrt war. Auch die Mehrheit der Buchverlage verweigerte die Regeln. Die "Süddeutsche Zeitung" will sich dem anschließen. Das Ergebnis war eine zunehmende Schreibunsicherheit bei der Bevölkerung. Der Vorstandsvorsitzende der Axel Springer AG, Mathias Döpfner, und der Chefredakteur des Nachrichtenmagazins "Der Spiegel", Stefan Aust, nannten die Reform eine "staatlich verordnete Legasthenie" und betonten in einer gemeinsamen Erklärung: "Die Rechtschreibreform ist keine Reform, sondern ein Rückschritt." Die Print- und Online-Publikationen von Springer und Spiegel erreichen zusammen rund 60 Prozent der Bevölkerung. Umfragen ergeben, dass die Mehrheit der Bevölkerung in allen Altersgruppen für die Rückkehr zu den alten Regeln ist.

Der Schritt traf auf ein geteiltes Echo: Der Hamburger Bauer-Verlag begrüßte die Entscheidung. Der Burda-Verlag bleibt dagegen bei den neuen Regeln. Zustimmung kam vom Lehrerverband. Die Präsidentin der Kultusministerkonferenz, Doris Ahnen, und mit ihr die überwiegende Mehrheit der SPD-Länder reagierten ablehnend. Für die SPD-Konservativen vom Seeheimer Kreis sagte Reinhold Robbe der WELT, die Reform sei "nicht mehr haltbar". So urteilen auch die meisten Unionsländer. "Jetzt müsste klar sein, dass die Reform nicht 2005 verbindlich werden kann", sagte der saarländische Ministerpräsident Müller (CDU) der WELT.  DW


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